Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 16.11.2017; Aktenzeichen L 10 VE 59/14) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 09.10.2014; Aktenzeichen S 27 VE 6/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. November 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Erstattung von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.
Das beklagte Land forderte vom Kläger mit Bescheid vom 25.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.8.2012 die Erstattung eines Betrags in Höhe von 13 351 Euro, weil es aufgrund des Bezugs von Leistungen (Verletztenrente und Pflegegeld) aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu einer Überzahlung gekommen sei.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das SG die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 9.10.2014). Auf die Berufung des Beklagen hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.11.2017). Der angefochtene Bescheid vom 25.7.2011 sei nicht in dem Maße unbestimmt, dass er rechtswidrig sei. Die Anhörung sei durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 21.12.2017 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Senat lässt offen, ob der Kläger in der gebotenen Weise eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet hat (vgl hierzu BSG Beschluss vom 29.9.2016 - B 12 KR 26/16 B - Juris RdNr 10 mwN). Denn er hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragestellung, "wann ein Aufhebungs- und Erstattungsanspruch (gemeint: Aufhebungs- und Erstattungsbescheid) hinreichend bestimmt ist und somit ein Verstoß gegen § 33 SGB X angenommen werden kann", nicht hinreichend dargetan. Eine Rechtsfrage ist ua dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage geben. Deshalb muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem geltend gemachten Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (stRspr, zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - Juris RdNr 10). Dies ist hier nicht in gebotenem Maße geschehen. Anlass hierzu hätte aber schon deshalb bestanden, weil der Kläger selbst auf ein Urteil des BSG vom 10.9.2013 (B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62) hinweist und ausführt, dass danach bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sei, maßgeblich auf den Empfängerhorizont des Klägers abzustellen sei. Allein dass der Kläger die Entscheidung des LSG vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des BSG für falsch hält, vermag eine Grundsatzrüge aber nicht zu begründen. Überdies fehlt auch eine Auseinandersetzung mit der bereits zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts gemäß § 33 Abs 1 SGB X ergangenen weiteren Rechtsprechung des BSG (ua mit dem auch in der angefochtenen Entscheidung des LSG zitierten Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3).
2. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 13 R 140/17 B - Juris RdNr 12 f). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger benennt zwar aus dem Urteil des BSG vom 10.9.2013 (B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62) als tragenden Rechtssatz, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sei, maßgeblich auf dem Empfängerhorizont des Klägers abzustellen sei. Es gelingt ihm jedoch nicht, diesem Rechtssatz des BSG einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil gegenüberzustellen. Er legt vielmehr nur dar, welche Schlussfolgerung das LSG seiner Ansicht nach unter Anwendung des benannten Rechtssatzes des BSG in seinem Einzelfall hätte ziehen müssen. Sein Vorbringen geht daher über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus. Soweit der Kläger die Ausführungen des LSG als "widersprüchlich" bezeichnet, reicht dies ebenfalls nicht. Denn die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass das Berufungsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in dem angefochtenen Urteil infrage stellt. Dies ist nicht der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (stRspr, zB BSG Beschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 240/16 B - Juris RdNr 20 mwN).
3. Schließlich war der Senat nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechend seiner Bitte um einen rechtlichen Hinweis, falls "weitere Ausführungen als nötig erachtet" würden, vorab auf die Unzulänglichkeit seines Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11650416 |