Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld (Kg) ab Februar 1994.
Die Klägerin, eine libanesische Staatsangehörige, ist verheiratet und hat zwei Kinder, den am 29. Januar 1992 geborenen Sohn I. … und die am 1. Februar 1993 geborene Tochter M. …. Seit 1986 lebt sie als Bürgerkriegsflüchtling in Deutschland. Zur Zeit ihres ersten, im Februar 1992 gestellten Kindergeldantrags war sie, ebenso wie ihr Ehemann, im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die mehrfach verlängert worden ist. Den Lebensunterhalt bestreitet die Familie aus dem Erwerbseinkommen des Ehemannes der Klägerin. Bis zum 31. Januar 1994 bezog die Klägerin für ihre beiden Kinder Kg. Die Beklagte hob die Kg-Bewilligung mit Ablauf des Monats Januar 1994 nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit der Begründung auf, aufgrund einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) hänge der Kg-Anspruch bei Ausländern ab 1. Januar 1994 davon ab, daß sie eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis besitzen (§ 1 Abs 3 BKGG). Der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis reiche nicht mehr aus. Von der Aufhebung der Bewilligung für Januar 1994 sah die Beklagte aus Gründen des Vertrauensschutzes ab (Bescheid vom 17. Januar 1994, Änderungsbescheid vom 29. Juli 1994; Widerspruchsbescheid vom 16. August 1994).
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, § 1 Abs 3 BKGG sei in der am Wortlaut der Vorschrift haftenden Auslegung der Beklagten verfassungswidrig. Die Auslegung verstoße gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), da die Familie der Klägerin gegenüber anderen Familien mit Kindern benachteiligt werde. Sie widerspreche wegen der Beschränkung der Zahlung von Kg auf einen bestimmten Kreis von Familien dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie aus Art 6 GG und stehe auch nicht mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG im Einklang, wonach Sozialleistungen an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu erbringen seien. Das Gesetz bezwecke, Kg allen Ausländern zugute kommen zu lassen, von denen zu erwarten sei, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden. Daher sei es nicht sachgerecht, nur auf den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis abzustellen. Erforderlich sei deshalb eine verfassungskonforme und am Gesetzeszweck orientierte Auslegung des § 1 Abs 3 BKGG dahingehend, daß Kg an alle ausländischen Eltern mit legalem Aufenthaltsstatus und einer gewissen Mindestaufenthaltsdauer zu gewähren sei. Dies sei bei ihr gegeben, weil sie sich bereits seit 1986 in Deutschland aufhalte und aller Voraussicht nach auch hier bleiben werde.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 29. August 1995). Beide Gerichte halten die Regelung des § 1 Abs 3 BKGG für verfassungsgemäß und darüber hinaus der von der Klägerin vorgeschlagenen, vom Wortlaut abweichenden Auslegung für nicht zugänglich.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs 3 BKGG und der Art 3 Abs 1, 6 und 20 Abs 1 GG. Der Klägerin ist aufgrund der am 2. Juli 1996 erteilten Aufenthaltserlaubnis ab 1. Juli 1996 Kg wieder bewilligt worden (Bescheid vom 4. September 1996).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29. August 1995, den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 27. Dezember 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 1994 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. Juli 1994 und des Widerspruchsbescheids vom 16. August 1994 aufzuheben,
hilfsweise, das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 1 Abs 3 Satz 1 BKGG mit Art 3, 6 und 20 GG vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Die Aufhebung der Kg-Bewiligung ab Februar 1994 ist rechtmäßig. Der Klägerin stand von diesem Zeitpunkt ab kein Kg mehr zu. Ob und wann ihr in der Folgezeit wieder Kg wegen erneuter Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zustand, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Zu überprüfen ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte zum Zeitpunkt ihres Erlasses. Es handelt sich um eine reine Anfechtungsklage (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 57).
Die Beklagte hat ihre Aufhebungsentscheidung zu Recht auf § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Das war hier der Fall. Der Bezug des Kg für die Zeit bis Januar 1994 beruhte auf zwei Bewilligungsentscheidungen der Jahre 1992 und 1993, für die § 1 Abs 3 BKGG idF der Bekanntmachung vom 30. Januar 1990 (BGBl I S 149) maßgebend war. Nach dieser Vorschrift hatten Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Geltungsbereich des BKGG aufhielten, Anspruch auf Kg nur dann, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig war oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden konnten, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Diese Voraussetzungen hatte die Klägerin seinerzeit erfüllt. Ihrem Kg-Anspruch stand die Tatsache, daß sie lediglich über eine Aufenthaltsbefugnis verfügte, nach der damals gültigen Rechtslage nicht entgegen.
In diesen rechtlichen Verhältnissen ist durch die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG gemäß Art 5 Nr 1 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353), das am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist (Art 14 Abs 1 1. SKWPG), eine Änderung eingetreten. Nach § 1 Abs 3 Satz 1 BKGG in der nunmehr maßgeblichen Bekanntmachung der Neufassung des BKGG (Art 13 1. SKWPG) vom 31. Januar 1994 (BGBl I S 168) hat ein Ausländer nur noch dann Anspruch auf Kg, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 Ausländergesetz ≪AuslG≫) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG) ist. Der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) reicht nicht aus. Dies gilt auch für Kg-Ansprüche bezüglich jener Kinder, die – wie die Kinder der Klägerin – vor dem Inkrafttreten dieser Neuregelung, also vor dem 1. Januar 1994, geboren sind (Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-5870 § 1 Nr 6). Da die Klägerin ab 1. Januar 1994 die Voraussetzungen des § 1 BKGG für den weiteren Bezug von Kg nicht mehr erfüllte, war die Beklagte nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X berechtigt und verpflichtet, die Kg-Bewilligung für die Zukunft aufzuheben. Da die Aufhebungsentscheidung der Klägerin am 19. Januar 1994 bekanntgegeben worden ist, war die Aufhebung zum 1. Februar 1994 zulässig. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin das bewilligte Kg auch bezogen (Änderungsbescheid vom 29. Juli 1994).
Nach § 1 Abs 3 BKGG idF der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 bestand für die Klägerin in der Folgezeit kein Anspruch auf Kg, weil sie nicht im „Besitz” einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, in Ansehung des Kg wie eine Deutsche behandelt zu werden. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Regelung des § 42 BKGG. Danach haben Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG), Flüchtlinge und Staatenlose nach Maßgabe des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen die gleichen Rechte wie Deutsche. Das innerstaatliche Recht verweist damit auf das europäische Gemeinschaftsrecht (EG-Recht). Die Klägerin kann sich für die begehrte Gleichstellung mit Deutschen und anderen EG-Bürgern nicht auf das EG-Recht stützen. Nach Art 3 Abs 1 der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71), stehen in einem Mitgliedstaat der EG wohnende Flüchtlinge iS der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk) vom 28. Juli 1951 (BGBl II 1953 S 560) sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene (Art 1 Buchst d und Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71), soweit die Flüchtlinge Arbeitnehmer oder Selbständige sind, den Staatsangehörigen des Wohnstaates hinsichtlich des Anspruchs auf Familienleistungen (Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71) zwar grundsätzlich gleich. Voraussetzung ist jedoch die formelle Anerkennung als Flüchtling durch unanfechtbare behördliche oder gerichtliche Entscheidung (vgl hierzu § 3 des Asylverfahrensgesetzes ≪AsylVfG≫). An dieser formellen Anerkennung fehlt es. Daher kann die Frage offenbleiben, ob die Gleichstellungsregelung des Art 3 Abs 1 EWGV 1408/71 nicht nur dann gilt, wenn ein Flüchtling nach seiner Anerkennung aus einem EG-Mitgliedstaat in einen anderen wechselt, sondern auch schon dann, wenn er – wie hier – aus einem nicht zur EG gehörenden Staat in einen EG-Mitgliedstaat einreist und er dort als Flüchtling anerkannt wird, er also von der Freizügigkeitsregelung innerhalb der EG gar keinen Gebrauch gemacht hat und deshalb kein EG-interner grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist (verneinend BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 12).
Mangels formeller Anerkennung als Flüchtling scheidet auch eine Gleichstellung der Klägerin mit Deutschen nach Art 24 FlüAbk von vornherein aus. Diese Vorschrift sieht eine grundsätzliche Gleichstellung anerkannter Flüchtlinge bei Lohnzahlungen einschließlich Familienleistungen (Buchst a) sowie in Angelegenheiten der Sozialen Sicherheit (Buchst b), zu der auch der Familienunterhalt gehört, vor. Die Ansprüche nach dem FlüAbk stehen ferner den „Kontingentflüchtlingen” nach Art 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl I S 1057) idF durch Art 5 Nr 1 Buchst a des Gesetzes vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354) zu. Den Feststellungen des LSG ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Klägerin (oder ihr Ehemann) im fraglichen Zeitraum zum Personenkreis der Kontingentflüchtlinge gehört oder dies auch nur geltend gemacht hätte. Die Frage, inwieweit das FlüAbk die Anknüpfung des Kg-Anspruchs an den Besitz bestimmter Aufenthaltstitel untersagt (für das Kg nach der bis Ende 1995 geltenden Rechtslage ein solches Verbot verneinend BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 2; für das Erziehungsgeld ein solches Verbot ebenfalls verneinend BSG SozR 3-7833 § 1 Nrn 7 und 16), und ob die dem Runderlaß (RdErl) der Beklagten vom 20. Dezember 1993 (Dienstbl RdErl 125/93) zu § 1 Abs 3 BKGG zugrundeliegende Ansicht der Beklagten zutrifft, das FlüAbk stelle anerkannte Flüchtlinge Deutschen in Ansehung des Kg gleich, kann daher offenbleiben.
Die Frage, ob der Klägerin schon vor dem 2. Juli 1996 ein ausländerrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zugestanden hat, betrifft den Anspruch auf Wiederbewilligung, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dieser Anspruch hätte gesondert geltend gemacht werden müssen, etwa durch Anfechtung des Bescheides über die Wiederbewilligung erst ab 1. Juli 1996.
Die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG ist vom Wortlaut her eindeutig. Der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis reicht für einen Kg-Anspruch nicht aus. Die Begrenzung des Anspruchs auf Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind, ist vom Gesetzgeber im 1. SKWPG bewußt vorgenommen worden (BT-Drucks 12/5502 § 44 zu Art 5 Nr 1). Die von der Klägerin geforderte ausdehnende Anwendung des § 1 Abs 3 BKGG auf seit langer Zeit in Deutschland lebende Ausländer mit einer Aufenthaltsbefugnis scheidet daher von vornherein ebenso aus wie eine diesen Personenkreis einbeziehende „verfassungskonforme Auslegung” des § 1 Abs 3 BKGG. Es besteht auch kein Anlaß, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Ausschluß der nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügenden Ausländer vom Bezug des Kg ist verfassungsgemäß.
Entgegen der Meinung der Revision war der Gesetzgeber nicht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG verpflichtet, der Klägerin ebenso Kg zu gewähren wie in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 16) und wie jenen Ausländern, die über eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis verfügen. Mit der Neuregelung bezweckte der Gesetzgeber, den Kg-Anspruch auf solche Ausländer zu begrenzen, von denen im Regelfall zu erwarten ist, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden; dies hat er allein bei denjenigen angenommen, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind (BT-Drucks 12/5502 S 44 zu Art 5 Nr 1).
Das vom Gesetzgeber gewählte Unterscheidungsmerkmal und seine Zielrichtung sind mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit ein Ausländer als Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis zB aufgrund eines Bleiberechtserlasses ebenfalls über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügt (BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 6, BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 16). Denn die Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) ist nach der Systematik des AuslG gegenüber der Aufenthaltsberechtigung und der Aufenthaltserlaubnis jedenfalls ein Aufenthaltstitel minderen Ranges; sie wurde erklärtermaßen vor allem für De-facto-Flüchtlinge geschaffen, also für Ausländer, deren Aufenthalt im Bundesgebiet nur aus humanitären Gründen (Bürgerkrieg im Heimatland oä) geduldet wird (§§ 54, 55 AuslG). Zu diesem Kreis von Ausländern gehören auch die Klägerin und ihre Familienangehörigen. Der Gesetzgeber konnte bei diesem Personenkreis davon ausgehen, daß seine Bindungen an Deutschland weniger ausgeprägt sind und die Erwartung, er werde dauernd hier verweilen, weniger begründet ist als beim Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis, also eines Aufenthaltstitels, der – auch im Falle der Befristung (§ 12 Abs 2, § 24 AuslG) – ohne Bindung an einen begrenzten Aufenthaltszweck erteilt wird (§ 15 AuslG), oder gar beim Inhaber einer – zeitlich und räumlich unbeschränkten – Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG). Der Gesetzgeber hat mit seiner Einschätzung, typischerweise sei bei den Ausländern mit Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis von einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland auszugehen, den ihm auf dem Gebiet der Sozialordnung gesetzten weiteren Rahmen (BVerfGE 50, 290, 332 f mwN, BVerfGE 87, 363, 383; ständige Rechtsprechung) nicht überschritten. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber keine Prüfung im Einzelfall angeordnet hat. Die Neuregelung des Kg-Rechts knüpft, ähnlich wie die bereits zuvor in Kraft getretene Änderung der entsprechenden Vorschriften im BErzGG (BSGE 70, 197 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7; BSG SozR 3-7833 § 1 Nrn 12, 14), auch im Interesse einer einfacheren Verwaltungsabwicklung an die Tatbestandswirkung von bestimmten ausländerbehördlichen Entscheidungen an. In beiden Rechtsgebieten kommt dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität besondere Bedeutung zu (BSG SozR 3-5877 § 1 Nr 6; BVerfGE 82, 60, 101 ff). Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn jeweils im Einzelfall die Verfestigung des Aufenthaltsrechts und die Absicht, auf Dauer in Deutschland zu bleiben, von den Kg-Behörden überprüft werden müßten.
Ebensowenig verstößt die neue Regelung gegen den Schutz der Familie (Art 6 Abs 1 GG) oder gegen das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Aus diesen Vorschriften läßt sich kein konkreter verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (BVerfGE 82, 60, 79 ff), solange die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger (Existenzminimum) gewährleistet sind. Diese Aufgabe kommt der Sozialhilfe, nicht jedoch dem Kg zu (BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 6).
Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich die Frage, ob entgegen § 1 Abs 3 BKGG auch Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung von Verfassungs wegen Kg zwar nicht in seiner Funktion als allgemeine Sozialleistung zustehen müßte, wohl aber in seiner steuerlichen Entlastungsfunktion (vgl BVerfGE 87, 153 und 82, 60, 78 f). Der 10. Senat des BSG hat diese Frage offengelassen. Er hatte ausnahmslos Sachverhalte zu beurteilen, in denen die Kläger entweder ausschließlich von der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) lebten, die Kläger also das notwendige Existenzminimum für sich und ihre Familien weder vollständig noch teilweise aus eigenem Einkommen sicherstellen konnten, oder aber die Kläger zwar von Arbeitsentgelt lebten, dieses aber in seiner steuerrechtlich relevanten Höhe die Freibetragsgrenze nicht überstieg. Die jeweiligen Kläger waren daher nicht einkommensteuerpflichtig, so daß bei ihnen kein Raum für eine (weitere) steuerliche Entlastung blieb (BSG SozR 3-5870 § 1 Nrn 6 und 11). Im vorliegenden Fall ist dies anders. Die Familie bestreitet ihren gesamten Lebensunterhalt aus dem Erwerbseinkommen des Ehemannes der Klägerin; dieses Einkommen unterliegt der Steuerpflicht. Die vorgenannte Frage wird hier also relevant. Der Senat verneint die Frage.
Es ist hier nicht zu prüfen, ob durch die steuerliche Veranlagung der Klägerin und ihres Ehemannes in den Jahren 1994 bis 1996 (deren Höhe nicht mitgeteilt worden ist) der verfassungsrechtliche Grundsatz verletzt ist, daß das Existenzminimum einer Familie lohn- und einkommensteuerrechtlich verschont bleiben muß (BVerfGE 82, 60, 85 ff). Denn vorliegend geht es nicht um einen Steuerbescheid, bei dem die Verfassungswidrigkeit von steuerrechtlichen Eingriffsnormen oder unzureichenden steuerrechtlichen Freibetragsregelungen zu prüfen ist.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 82, 60, 83 ff) entwickelten Grundsätze für sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergebende verfassungswidrige Rechtslagen greifen hier nicht ein. Danach kann, wenn sich der verfassungsrechtliche Mangel durch eine gesetzliche Nachbesserung bei der einen o d e r der anderen Einzelregelung beheben ließe, grundsätzlich jede dieser Normen zur Prüfung gestellt werden. Indessen ist eine Norm in diesem Zusammenhang nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie von ihrem Regelungsgegenstand her dazu dienen kann, dem Gesetzgeber durch ihre Änderung die Behebung eines – auch oder sogar in erster Linie durch eine andere Norm geschaffenen – verfassungswidrigen Zustands zu ermöglichen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Norm objektiv erkennbar dem Regelungsziel (dem „gesetzgeberischen Programm”) dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist (BVerfGE 82, 60, 85). Dem Ziel, der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit wegen des Unterhalts von Kindern Rechnung zu tragen, sollten im bis Ende 1995 geltenden dualen System nicht nur die steuerrechtlichen Freibeträge, sondern auch die Kindergeldregelungen dienen, weshalb von der Verfassungswidrigkeit der Gesamtlage auch die letztgenannten Regelungen erfaßt waren.
Dies gilt aber nicht für Ausländer ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Durch die zu Lasten der Klägerin angewendete Norm des § 1 Abs 3 BKGG werden solche Ausländer gerade von vornherein aus diesem gesetzgeberischen Programm ausgeklammert. Die Zahlung von Kg als Sozialleistung kommt hier auch dann nicht in Betracht, wenn steuerrechtlich das notwendige Existenzminimum nicht gewahrt ist. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Besteuerung ist allein anhand der einschlägigen Steuervorschriften zu prüfen (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juli 1997 – 14/10 RKg 1/95 – nicht veröffentlicht).
Die Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises durch die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG begegnet auch insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als hierdurch – wie im Falle der Klägerin – laufende Ansprüche auf Kg entzogen wurden.
Als Prüfungsmaßstab kommt insoweit nur der im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Vertrauensschutz in Betracht. Dieser erstreckt sich aber nicht soweit, daß laufende Sozialleistungen nicht gekürzt oder entzogen werden dürften, wenn die Haushaltslage Einsparungen gebietet. Das Recht auf Eigentum (Art 14 Abs 1 GG) umfaßt nicht den Anspruch auf Kg, da diese Sozialleistung in keinerlei Hinsicht aufgrund von Eigenleistungen (Beiträgen) gewährt wird (BVerfGE 69, 272, 301 f; ständige Rechtsprechung). Der 10. Senat hat die Frage, ob einem ausländischen Kg-Bezieher ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung diese Sozialleistung ersatzlos zum 1. Januar 1994 entzogen werden durfte, allerdings nur für die Gruppe der ausschließlich von Sozialhilfe lebenden Ausländer sowie für die Gruppe der Ausländer mit einem sich am Sozialhilfeniveau bewegenden Erwerbseinkommen bejaht. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes hindere den Gesetzgeber jedenfalls nicht, eine Sozialleistung zu entziehen, wenn dieser Verlust gleichzeitig durch eine andere Sozialleistung – hier die Sozialhilfe – in gleicher Höhe vollständig oder jedenfalls nahezu vollständig ersetzt wird (BSG SozR 3-5870 § 1 Nrn 6 und 11). Der 10. Senat ist auf diese Fallkonstellation deshalb näher eingegangen, weil er die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung im Hinblick auf die Wahrung der Existenzgrundlage im Zusammenwirken mit dem Kg-Recht als zweifelhaft angesehen und offengelassen hat. Für den erkennenden Senat bestehen diese Zweifel – wie ausgeführt – nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173255 |
ZAR 2000, 88 |