Leitsatz (redaktionell)

Die Vorschrift des RVO § 1239 S 2 verpflichtet den Träger der Rentenversicherung nicht, daß sogenannte vorgezogene Übergangsgeld, das außerhalb der Zeit einer Heilbehandlung gewährt wird, mindestens in Höhe des Krankengeldes zu zahlen.

 

Normenkette

RVO § 1239 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 1970 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beklagte gewährte dem - inzwischen verstorbenen - Ehemann der Klägerin - dem Versicherten - in den Monaten November 1966 bis Februar 1967 und vom 13. April 1967 an stationäre Heilbehandlung. Vor und zwischen diesen Zeiten zahlte sie Übergangsgeld. Der Versicherte hatte bereits einige Zeit zuvor den Antrag auf Rentenbewilligung gestellt. Die Höhe des Übergangsgeldes setzte die Beklagte auf täglich 16,20 DM fest. Die Klägerin fordert jedoch für die Zeiten, in denen der Versicherte arbeitsunfähig gewesen war, eine Anhebung dieser Leistung, und zwar auf denjenigen Betrag, welcher der Höhe des Krankengeldes aus der Krankenversicherung entsprochen hätte. Sie verlangt dies für die Zeiten vom 1. September 1965 bis 8. November 1966 und vom 11. Februar bis 12. April 1967. Während dieser Zeiten wechselte die Höhe des Krankengeldes; es lag aber stets über dem Satz des Übergangsgeldes und erreichte zuletzt 26,33 DM für jeden Tag.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, einen neuen Bescheid zu erteilen und an Übergangsgeld ebensoviel zu zahlen, wie an Krankengeld zu leisten gewesen wäre (Urteil des SG Detmold vom 24. Juni 1968). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat dagegen das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Mai 1970). Es schränkt den Anwendungsbereich des § 1239 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf Zeiten der stationären Heilbehandlung ein. Für andere als solche Zeiten habe der Rentenversicherungsträger dem Träger der Krankenversicherung keine Verpflichtungen abzunehmen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie meint, ihrem Ehemann habe sowohl das Krankengeld als auch das Übergangsgeld zugestanden. Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie würde verletzt, wenn durch die Zahlung des niedrigeren Übergangsgeldes der höhere - durch Beiträge erdiente - Krankengeldanspruch verdrängt werde. Sie beantragt, das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin an.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet.

Dem Versicherten stand, wie das LSG zutreffend - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (SozR Nr. 3 zu § 1239 RVO) - entschieden hat, ein höheres Übergangsgeld nicht, namentlich nicht deshalb zu, weil die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) Heilbehandlung anstelle der Krankenkasse gewährte. Das Übergangsgeld, das dem Versicherten in der Zeit vor dem ersten und zwischen den beiden Krankenhausaufenthalten zu bewilligen war (§ 1241 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RVO), war nach den Richtlinien zu berechnen, welche die Organe der LVA hierfür aufgrund des § 1241 Abs. 2 RVO gegeben hatten. Ein anderes Ergebnis ist nicht aus § 1239 Satz 2 RVO herzuleiten. Zwar hätte der Versicherte von der beigeladenen Krankenkasse Krankenhauspflege erhalten, wenn nicht die Beklagte mit Sachleistungen eingesprungen wäre. Für einen solchen Fall bestimmt § 1239 Satz 2 RVO, daß der Rentenversicherungsträger dann mindestens das zu gewähren hat, was der Träger der Krankenversicherung zu leisten hätte. Jedoch ist damit der hier erhobene Anspruch nicht zu rechtfertigen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die angeführte Vorschrift des § 1239 Satz 2 RVO sich überhaupt auf Geldleistungen und nicht nur auf Sachleistungen bezieht (zur Begründung dieser Zweifel: BSG SozR Nr. 3 zu § 1239 RVO). Die erwähnte Gesetzesstelle ist im engen Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz 1 des § 1239 RVO zu verstehen. Dieser Satz betrifft die Sachleistungen, welche von einer LVA anstatt einer Krankenkasse erbracht werden. Sollte gleichwohl Satz 2 dieser Vorschrift auch auf Geldleistungen anzuwenden sein, so wäre er jedenfalls auf diese nur insoweit zu erstrecken, als sie sich mit Sachleistungen zeitlich decken. Darüber hinaus hat § 1239 Satz 2 RVO keine Bedeutung. Der Umfang des Übergangsgeldes wird für Zeiten außerhalb einer Heilbehandlung von denjenigen Regeln bestimmt, die unmittelbar zum Recht der Rentenversicherung zählen.

Es ist freilich nicht zu verkennen, daß der Versicherte, solange er Übergangsgeld aus der Rentenversicherung bezieht, den Anspruch auf Krankengeld verliert (§ 183 Abs. 6 RVO). Ob sich dies für den Versicherten je nach Lage des Einzelfalls ungünstig auswirken kann, ist hier nicht zu erörtern (vgl. auch dazu das in BSG SozR Nr. 3 zu § 1239 RVO veröffentlichte Urteil). Eine solche Auswirkung könnte allein die für richtig gehaltene Auslegung des Gesetzes nicht beeinflussen. Im übrigen bliebe die Rechtstellung des Versicherten in ihrer Substanz unangetastet, so daß von einer Enteignung im Sinne des Art. 14 des Grundgesetzes keine Rede sein könnte.

Hiernach ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670339

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