Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Landwirtschaftliche Alterskasse Berlin |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. September 1997.
Die 1962 geborene Klägerin ist die nicht getrennt lebende Ehefrau eines (seit Januar 1995 als Imker) zur Beklagten beitragspflichtigen Landwirts. Die Beklagte stellte ihre Versicherungspflicht nach § 1 Abs 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) mit Bescheid vom 13. Oktober 1995 fest. Bis zum 31. März 1993 war die Klägerin aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, vom 1. April bis 29. September 1993 bezog sie Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluß daran bis zum 30. September 1997 Arbeitslosenhilfe ≪Alhi≫ (monatlich zwischen 1051,25 DM und 1185,60 DM). Den von ihr wegen des Alhi-Bezugs im November 1995 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juni 1997 ab. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1. September 1997; Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Frankfurt ≪Oder≫ vom 11. Februar 1998).
Auch ihre Berufung blieb ohne Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Brandenburg vom 20. April 1999). Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Alhi handele es sich nicht um befreiendes Erwerbsersatzeinkommen iS von § 3 Abs 4 ALG, weil sie mit den dort bezeichneten Leistungen nicht vergleichbar sei. Dies erschließe sich zwar nicht bereits aus dem Wortlaut, zumal auch in § 116 Nr 6 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) die Alhi zu den Entgeltersatzleistungen gezählt werde. Zur im wesentlichen gleichlautenden Aufzählung in § 18a Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung – (SGB IV) sei hingegen allgemein anerkannt, daß Alhi wie auch Kriegsopferfürsorge und Sozialhilfe, die nur bei Bedürftigkeit zustünden, nicht zu den vergleichbaren Erwerbsersatzeinkommen gezählt würden. Hieran ändere auch nichts, daß die Regelung in § 3 Abs 4 Satz 2 ALG nicht abschließend sei. Gerade die Beitragsbelastung des auf eherechtlichen Unterhalt angewiesenen, weil nicht über eigenes Erwerbseinkommen verfügenden Ehegatten sei vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, der eine eigenständige obligatorische Sicherung der – vorwiegend weiblichen – Ehegatten in der Alterssicherung der Landwirte habe schaffen wollen. Die Klägerin werde nicht in doppelter Weise durch Beiträge sowohl zur Alterssicherung der Landwirte als auch zur gesetzlichen Rentenversicherung belastet, da allein die Bundesanstalt für Arbeit die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung getragen habe (§ 170 Abs 1 Nr 2 Buchst b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫; Hinweis auf BVerfGE 78, 232, 248). Hinsichtlich ihres Anspruchs auf Beitragszuschuß werde die Klägerin anderen einkommenslosen Versicherten gleichgestellt. Letztlich folge diese Auslegung auch aus § 8 Abs 1 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG): Danach ruhe der Grundbetrag der Produktionsaufgaberente bei Zusammentreffen mit Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 ALG. Da der Begriff des Erwerbsersatzeinkommens in diesem Sinnzusammenhang nur einheitlich ausgelegt und zudem nach den einschlägigen Bestimmungen im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) respektive SGB III die Produktionsaufgaberente auf die Alhi anzurechnen sei, könne nur die oben gewählte Auslegung eine doppelte Anrechnung vermeiden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von materiellem Recht. Bei Alg und Alhi handele es sich um einen einheitlichen Anspruch (§ 134 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 AFG). Zudem sehe das Bundessozialgericht (BSG), entgegen dem angegriffenen Urteil, das den Fürsorgecharakter der Alhi in den Vordergrund stelle, die Alhi als überwiegend versicherungsrechtliche Leistung an (Urteil vom 7. August 1979 - 7 RAr 41/78 - S 9). Das LSG habe verkannt, daß die Befreiungsregelung des § 3 Abs 1 ALG ersichtlich eine Doppelversicherungspflicht habe vermeiden wollen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und der angefochtenen Bescheide die Beklagte zu verpflichten, die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. September 1997 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Beklagten wegen des Bezugs von Alhi. Bei dieser Leistung handelte es sich nicht um eine „vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger” iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG.
Die Klägerin, die als nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin eines Landwirts nach § 1 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 ALG seit dem 1. Januar 1995 zur Beklagten versicherungspflichtig ist, erfüllt wegen des Bezugs von Alhi – ein weiterer Befreiungsgrund kommt nicht in Betracht – nicht den Befreiungstatbestand des § 3 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 4 Satz 1 und Satz 2 Nr 2 ALG.
Nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG werden Landwirte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, so lange sie regelmäßig ua „Erwerbsersatzeinkommen (Abs 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet”. Der Begriff „Erwerbsersatzeinkommen” wird wiederum in Abs 4 Satz 1 dahingehend definiert, daß hierzu Leistungen zählen, „die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen”. Hierzu zählen insbesondere (nach Satz 2 Nr 2) „Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld … oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (ab dem 1. Januar 1998: Dritten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB III≫) und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger”.
Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 3 Abs 4 ALG (im ursprünglichen Gesetzentwurf noch § 2 Abs 2, s BT-Drucks 12/5700, S 9, 71; BT-Drucks 12/7599 S 8) geben hierzu keinen näheren Aufschluß. Allerdings wurde mit dieser Vorschrift der Regelungsgehalt des früheren § 3c Abs 2 GAL fast wörtlich übernommen. Zu dieser, mit dem Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz (3. ASEG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2475) eingeführten Norm (über die Voraussetzungen für den damals neu eingeführten Beitragszuschuß) hieß es jedoch in der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 10/3483 S 17) ausdrücklich: „Vergleichbare Sozialleistungen nach Absatz 2 Buchstabe c sind beispielsweise das Mutterschaftsurlaubsgeld, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld, nicht aber Leistungen mit fürsorgerechtlichem Charakter wie Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe”.
Daß diese Erwägung auch im Rahmen des § 3 Abs 4 ALG zutrifft, ergibt sich zunächst daraus, daß sämtliche in § 3 Abs 4 Satz 2 Nrn 1 und 2 ALG ausdrücklich angeführten Leistungen ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden; sie können damit tatsächlich iS des § 3 Abs 4 Satz 1 ALG „Erwerbseinkommen … ersetzen”. Dagegen setzt die Alhi voraus, daß der arbeitslose Arbeitnehmer bedürftig ist, also seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 134 Abs 1 Nr 3, § 137 Abs 1 AFG; § 190 Abs 1 Nr 5, § 193 Abs 1 SGB III). Schon dies spricht dafür, Alhi nicht als „Erwerbsersatzeinkommen” iS des § 3 ALG anzusehen.
Dabei kann dem Hinweis der Klägerin auf das Urteil des BSG vom 7. August 1979 - 7 RAr 41/78 - (unveröffentlicht) nicht gefolgt werden. Zum einen hat das BSG gerade auch in jener Entscheidung die Elemente des Fürsorgewesens in Ausgestaltung und Finanzierung der Alhi herausgestellt (S 9 aaO). Soweit es andererseits auf die Nachrangigkeit des Fürsorgecharakters abgestellt hat, galt dies allein der Frage, inwieweit bei Anwendung der „Nahtlosigkeitsregelung” des § 103 Abs 2 AFG im Bereich der Alhi deren Besonderheit zu berücksichtigen ist. Dies betraf die Bedeutung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der „Verfügbarkeit” des Arbeitslosen, welches beim Anspruch auf Alg oder Alhi unterschiedlich geregelt war (vgl S 7 aaO). Es liegt auf der Hand, daß sich der Charakter der Alhi unter dem hier geltenden Maßstab des „Ersatzes von Erwerbseinkommen” anders beurteilen lassen kann, ohne damit in Widerspruch zum og Urteil zu treten.
Daß das aus den Materialien zu § 3c Abs 2 GAL gewonnene Argument auch auf § 3 Abs 4 ALG zutrifft, ergibt sich gleichermaßen aus dem FELEG. Nach § 8 Abs 1 FELEG idF des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995), mit dem auch § 3 Abs 4 ALG eingeführt wurde, ruht der Grundbetrag der Produktionsaufgaberente teilweise, wenn sie ua mit „Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte” zusammentrifft. Die Vorschrift des § 8 FELEG verwies jedoch bis zum ASRG pauschal auf das „Einkommen … im Sinne des § 3c Abs 2” Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL); die mit dem ASRG 1995 insoweit verbundenen Abweichungen wiederum bezeichnen die entsprechenden Gesetzesmaterialien als „ohne wesentliche inhaltliche Änderung” (BT-Drucks 12/5700 S 100). Damit hat auch der Gesetzgeber des ASRG 1995 die Alhi als grundsätzlich gegenüber der Produktionsaufgaberente subsidiär angesehen. Würde man – mit der Klägerin – die Alhi als „Erwerbsersatzeinkommen” nach § 3 Abs 4 ALG zurechnen, ergäbe sich jedoch die gegenteilige Rechtsfolge: Nach § 138 Abs 3 Nr 4 AFG (§ 194 Abs 3 Nr 5 SGB III) gelten bei der Berechnung der Alhi Leistungen nicht als Einkommen, die unter Anrechnung der Alhi erbracht werden.
Soweit sich die Klägerin darauf bezieht, daß es Sinn und Zweck der Befreiungsvorschriften letztlich nicht sein könne, Beiträge zu zwei unabhängigen Altersversorgungssystemen leisten zu müssen, ist darauf hinzuweisen, daß das ALG für die Alterssicherung der Landwirte nur eine Teilabsicherung gewährleistet, neben der auch anderweitig zB Vermögen oder Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden können und sollen. Der einheitliche Pflichtbeitrag dient dem Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl Senatsurteil vom 30. Juni 1999 - B 10 LW 17/98 R, Umdruck S 6 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - B 10 LW 2/98 R, EzS 130/434).
Gegen das Auslegungsergebnis des Senats sprechen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Zusammenspiel der Regelungen von AFG (jetzt: SGB III) und ALG führt vielmehr in der Regel dazu, daß Landwirte, die Alhi beziehen, ihre Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu tragen haben. Dies erklärt sich aus folgendem:
Die Gewährung von Alhi setzt Bedürftigkeit voraus. Hieraus folgt, daß – jedenfalls regelmäßig – der betroffene Landwirt (oder Ehegatte: § 1 Abs 3 ALG) einen nicht unerheblichen Anspruch auf Beitragszuschuß zu den Beiträgen zur Beklagten hat. Nach § 33 ALG besteht Anspruch auf den Beitragszuschuß in voller Höhe (80 % des Beitrags) bis zu einem jährlichen Einkommen von DM 16.000,– (bzw für Ehepaare bis zum doppelten Betrag: § 32 Abs 2 ALG). Der vom Betroffenen persönlich zu tragende Rest von 20 % des Beitrags (im Jahre 1995 also – Wert des Beitrittsgebiets nach § 7 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1995 ≪BGBl I 1994, 3806≫ – DM 47,40/Monat) ist wiederum bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Alhi vom Einkommen abzusetzen (§ 138 Abs 2 Nr 2 AFG, nunmehr § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III). Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß der Betrag der der Klägerin zustehenden Alhi jedenfalls dann um genau den Betrag ansteigt, der als (Rest-)Beitrag zur Beklagten zu entrichten ist, wenn eigenes Einkommen – zB aus Landwirtschaft – auf die Alhi anzurechnen ist. Dieser Absenkung der Eigenleistung an dem Beitrag zur Alterssicherung der Landwirte auf DM 0,–/Monat stehen nicht unerhebliche Leistungsansprüche gegenüber. Für den Regelfall, daß der Landwirt in der gesetzlichen Rentenversicherung die Wartezeit von 60 Monaten zurückgelegt hat, führt nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG (idF des Gesetzes vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1814) jeder Beitrag zu Rentenansprüchen. Nach der genannten Vorschrift werden nämlich auf die Wartezeiten nach dem ALG die Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen