Leitsatz (amtlich)
Die in G 131 § 73 vorgesehenen Ausschlußfristen gelten auch für den Antrag auf Erstattung des Arbeitgeberanteils der Arbeitslosenversicherung.
Normenkette
G131 § 73
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juni 1961 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Februar 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin beschäftigte vom 16. August 1950 bis zum 30. September 1955 den jetzigen Bundesbahnsekretär M (M.) als kaufmännischen Angestellten. Dieser war am 8. Mai 1945 Beamter auf Widerruf. Am 1. Oktober 1955 trat er wieder in den öffentlichen Dienst ein und wurde am 5. Mai 1956 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Er beantragte am 8. September 1958 beim Arbeitsamt (ArbA) die Rückerstattung der seinerseits zur Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträge für die Zeit vom 1. April 1951 bis 30. September 1955. Am 13. Februar 1959 beantragte auch die Klägerin die Rückerstattung der Arbeitgeberanteile. Durch Bescheid vom 27. Februar 1959 ordnete das ArbA die Erstattung der Beiträge an M. an; den Antrag der Klägerin lehnte es dagegen ab, weil sie die in § 73 Abs. 5 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) für die Beitragsrückforderung bestimmte Ausschlußfrist versäumt habe. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Darauf erhob die Klägerin Klage, die mit Urteil vom 29. Februar 1960 abgewiesen wurde.
Auf Berufung der Klägerin verurteilte das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte, dieser die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten. Zur Begründung führte es aus, der Wortlaut des § 73 G 131 sei nicht eindeutig. Da die Anträge der Arbeitgeber von denen ihrer früheren Arbeitnehmer abhängig seien, könnten sie erst gestellt werden, wenn die Arbeitnehmer von ihrem Antragsrecht Gebrauch gemacht hätten und ein Bescheid über die Versicherungsfreiheit vorliege. Hiervon erhielten die Arbeitgeber vielfach erst nach Ablauf der Ausschlußfrist Kenntnis. Wenn die Ausschlußfrist für die Arbeitgeber gelten sollte, wäre sie oft schon abgelaufen, bevor diese einen Antrag stellen könnten. Die Revision wurde zugelassen.
Gegen das ihr am 14. Juli 1961 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 5. August 1961 Revision ein und begründete sie nach Fristverlängerung am 7. Oktober 1961. Nach ihrer Ansicht hat das LSG zu Unrecht angenommen, die für die Rückforderung der Beiträge bestimmte Frist gelte nicht für die Arbeitgeber. Vielmehr ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, in der keine Einschränkung gemacht werde, das Gegenteil. Wenn die Auffassung des LSG richtig wäre, hätte dies zur Folge, daß die während einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes entrichteten Beiträge, deren Rückerstattung vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber erst nach Ablauf der Ausschlußfrist beantragt würde, nur dem Arbeitgeber erstattet werden könnten. Eine solche Regelung sei jedoch vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 14. Juni 1961 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 29. Februar 1960 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch begründet.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der für M. in der Zeit vom 1. April 1951 bis zum 30. September 1955 geleisteten Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung. Gemäß § 169 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sind Beiträge, die irrtümlich entrichtet worden sind, von der Bundesanstalt zu erstatten, soweit dem Rückforderungsberechtigten nicht auf Grund solcher Beiträge Leistungen gewährt worden sind. Rückforderungsberechtigt ist, wer die Beiträge getragen hat. Als irrtümlich geleistet sind auch Beiträge anzusehen, die gemäß § 73 G 131 zurückzuerstatten sind. Durch Bescheid der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) vom 2. Februar 1959 ist M. gemäß § 173 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i. V. m. § 73 Abs. 5 Satz 2 des G 131 für die Zeit vom 1. April 1951 bis zum 30. September 1955 von der Kranken- und Arbeitslosenversicherungspflicht befreit worden. Wie das Reichsversicherungsamt (RVA) in seiner Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 4296 (AN 1932 S. 64, 65) ausführt, entfällt bei einem Ausspruch der Versicherungsfreiheit mit Rückwirkung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt insoweit die Versicherungspflicht. Es steht damit fest, daß von der Klägerin für die Zeit vom 1. April 1951 bis zum 30. September 1955 keine Beiträge für M. zu entrichten waren. Die für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind also nachträglich zu irrtümlich entrichteten Beiträgen im Sinne des § 169 AVAVG geworden. Die Klägerin kann sie daher im Rahmen des § 73 G 131 zurückfordern.
Nach § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 gelten für frühere Beamte auf Widerruf, wie es M. war, die nach dem G 131 keine Anwartschaft oder keinen Anspruch auf Alters- oder Hinterbliebenenversorgung haben, falls sie eine solche Anwartschaft aus einem neuen Dienstverhältnis erwerben, die Absätze 1 bis 4 des § 73. Die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung der Beiträge konnten nach diesen Vorschriften mit der sich aus Abs. 1 ergebenden Wirkung bis zum 30. September 1958 geltend gemacht werden. Während M. den Antrag am 8. September 1958 stellte, geschah dies durch die Klägerin erst am 13. Februar 1959 und damit verspätet. Denn die Frist gilt sowohl für die Anträge der Arbeitnehmer als auch für die der Arbeitgeber. Sachlich wie rechtlich ist kein Grund ersichtlich, warum diese unterschiedlich zu behandeln sein sollten. Vielmehr ist die Vorschrift allgemein gefaßt und ergreift daher auch die Rückerstattungsansprüche der Arbeitgeber. Demgegenüber will das LSG aus § 73 G 131 entnehmen, daß zwar die Arbeitgeberanteile nach dieser Bestimmung zurückzuerstatten seien, die Ausschlußfrist jedoch nur für den Antrag der Arbeitnehmer gelten solle. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen und kann aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht geschlossen werden.
Wenn das LSG weiter ausführt, falls die Ausschlußfrist auch für den Arbeitgeber gelten sollte, wäre sie oft schon abgelaufen, ehe dieser von der Versicherungsfreiheit des Arbeitnehmers Kenntnis erlange und seinen Antrag überhaupt stellen könne, so rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Diese Folge ist vielmehr vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen worden, indem er ohne Einschränkung für Fälle der vorliegenden Art eine Ausschlußfrist festgelegt hat. Sein Wille wird dadurch bestätigt, daß die Geltungsdauer der Vorschrift über die Ausschlußfrist im Dritten Änderungsgesetz zu G 131 vom 21. August 1961 nicht noch einmal verlängert worden ist.
Da es sich bei der Antragsfrist nach § 73 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 G 131 um eine gesetzliche Ausschlußfrist handelt, kann ihr Ablauf weder gehemmt noch unterbrochen werden.
Der Auslegung der Klägerin, daß der Rückerstattungsantrag des jeweiligen Arbeitnehmers genügen müsse, um auch die Arbeitgeberanteile zu erstatten - es könne nicht verlangt werden, eine längst abgewickelte Angelegenheit noch jahrelang ständig zu überwachen -, ist entgegenzuhalten, daß Erstattungsangelegenheiten dieser Art nicht zu lange in der Schwebe gelassen werden können. Es darf daher auch von den Arbeitgebern verlangt werden, daß sie sich der Sache annehmen und sich notfalls mit ihrem früheren Arbeitnehmer in Verbindung setzen, zumal in allgemeinen die Arbeitgeber auch in etwa die berufliche Vergangenheit und damit eine ehemalige Beamtentätigkeit ihrer Arbeitnehmer kennen. Es ist daher kein ungewöhnliches Verlangen, wenn man dem Arbeitgeber in solchen Fällen eine gewisse Kontrolle dieser Fälle auferlegt. Wenn sie sich jedoch nicht darum bemühen und den Erstattungsantrag erst nach Fristablauf stellen, so ist es nicht unbillig, wenn dem Antrag wegen Ablaufs der Ausschlußfrist nicht entsprochen wird.
Auch der Beschluß des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 1961 (BSG 14, 246), wonach der früher vorgesehene Fristablauf für Anträge auf Kriegsopferrenten nicht für Fälle gilt, in denen die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs zweifelsfrei gegeben sind, hilft der Klägerin nicht. Denn diese Entscheidung betrifft Ansprüche auf Leistungen; dort wäre es unbillig, wenn dem Berechtigten in eindeutigen Fällen für dauernd die Rente vorenthalten würde. Beitragserstattungen sind damit nicht vergleichbar. Bei ihnen überwiegt das Interesse an dem baldigen Abschluß der Erstattungsfälle.
Auf die Revision des Beklagten muß daher das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen