Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Bemessung des Insolvenzgelds. Gesetzesänderung zum 01.01.2004. Begrenzung des Bruttoarbeitsentgelts auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze. Insolvenzzeitraum im Jahr 2003. Verfassungsgeleitete Anwendung der bis Ende 2003 geltenden Regelung. Kein Insolvenzschutz bei Umwandlung von Entgeltansprüchen in Versorgungsanspruch. Sozialgerichtliche Kostenfreiheit bei gesetzlichem Forderungsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Wege der verfassungsgeleiteten Interpretation ist für die Berechnung des Insolvenzgelds der für den Arbeitnehmer gübstigere § 185 SGB III in der bis Ende 2003, nicht aber schon in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung maßgeblich, wenn das Insolvenzereignis nach dem 01.01.2004 eintritt, der Insolvenzgeld-Zeitraum aber noch im Jahr 2003 liegt. Dem steht die Übergangsregelung des § 434j Abs. 12 Nr. 5 SGB III nicht entgegen, denn diese regelt nur diejenigen Fälle ausdrücklich, in denen das Insolvenzereignis vor dem 01.01.2004 liegt.
2. Die Ersetzung des Arbeitsentgeltsanspruchs im Sinn eines Barauszahlungsanspruchs durch eine Zusage des Arbeitgebers zur Aufbringung der Prämien für eine Direktversicherung führt zum Verlust des Arbeitsentgeltscharakters i.S.v. § 183 Abs. 1 SGB III. Der umgewandelte Anspruch auf Barauszahlung ist endgültig untergegangen und durch einen Versorgungsanspruch ersetzt worden (Anschluss an Rechtsprechung des BAG, u.a. Urteil v. 17.02.1998, 3 AZR 611/97).
3. Wenn der Arbeitnehmer seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt einem Dritten übertragen hat und der Zessionar kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Arbeitnehmers eintritt, also selbst unmittelbar einen Insolvenzgeldanspruch erwirbt, tritt Kostenpflichtigkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens nicht ein, weil der Dritte kraft Gesetzes Leistungsempfänger i.s.v. § 183 SGG geworden ist.
Normenkette
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1, § 185 Abs. 1, § 188 Abs. 1, § 434j Abs. 12 Nr. 5; BetrAVG § 1 Abs. 2 Nr. 3; SGG § 193 Abs. 1 S. 1, § 197a Abs. 1 S. 1, § 183
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Juli 2005, des Urteils des Sozialgerichts München vom 29. Oktober 2004 sowie des Bescheids vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 17. Juni 2004 verurteilt, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 9.367,77 € zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld (Insg).
Der Kläger war als Eishockeyspieler bei der SC …-GmbH (im Folgenden: GmbH) beschäftigt. Am 18. November 2003 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt und vom zuständigen Amtsgericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser übergab der Beklagten am 22. Dezember 2003 einen vom Kläger unterzeichneten Antrag auf Insg. Aus weiteren der Beklagten übergebenen Unterlagen ging hervor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2003 gekündigt war und dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2003 jeweils ein Arbeitsentgelt von 6.500 € netto gleich 10.931,98 € brutto zustand.
Durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 23. Februar 2004 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Insg-Bescheinigung vom 2. März 2004 bestätigte der Insolvenzverwalter dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2003 ein Brutto-Arbeitsentgelt “höchstens bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze” von jeweils 5.100 €, woraus sich ein Nettoarbeitsentgelt von 3.377,41 € monatlich ergab.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Insg für die Monate Oktober bis Dezember 2003 in Höhe von insgesamt 10.132,23 €, also für jeden Monat 3.377,41 € (Bescheid vom 15. April 2004, Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung von weiteren 9.367,77 € Insg (19.500 € ≪= 6.500 € × 3≫ abzüglich 10.132,23 €) gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Oktober 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 15. Juli 2005). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Dem Kläger stehe gemäß § 185 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Insg nur in Höhe des Nettoarbeitsentgelts zu, das sich ergebe, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert werde. Die Beitragsbemessungsgrenze liege nach § 341 Abs 4 SGB III für das Jahr 2004 bei 5.100 € monatlich; die Beklagte habe somit das Insg des Klägers zutreffend berechnet. Maßgebend sei die neue Fassung des § 185 Abs 1 SGB III, da nach § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III die alte Fassung nur dann weiter anzuwenden sei, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 2004 liege. Insolvenzereignis sei im vorliegenden Fall die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Februar 2004. Der Insolvenztatbestand des § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III komme nicht in Betracht, da nach Stellung des Insolvenzantrags der Spielbetrieb noch weiter geführt worden sei. § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III sei nicht verfassungswidrig.
Mit der durch den Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen des § 185 Abs 1 SGB III iVm § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III und von Verfassungsrecht. Die auf das Insolvenzereignis abstellende Regelung in § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III stelle eine unzulässige Rückwirkung dar. Die Änderung zum 1. Januar 2004 greife in Rechtspositionen ein, die er bereits inne gehabt habe. Die Neuregelung sei erst am 27. Dezember 2003 veröffentlicht worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem das hier streitige Insolvenzverfahren bereits in Gang gesetzt und der Insg-Antrag gestellt gewesen sei. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass zu seinem Nachteil rückwirkend Gesetze erlassen würden. Er habe auch seine Tätigkeit bei dem insolventen Arbeitgeber nur deshalb fortgesetzt, weil er mit der Zahlung seines vollen Entgelts zumindest bis einschließlich Dezember 2003 gerechnet habe. Hinzu komme, dass die Regelung in § 434j Abs 12 Nr 5 iVm § 185 Abs 1 SGB III eine willkürliche Ungleichbehandlung darstelle. Wäre nämlich das Insolvenzverfahren – was durchaus im Bereich des Möglichen gelegen habe – noch am 31. Dezember 2003 oder davor eröffnet worden, stünde ihm unstreitig das höhere Insg zu.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Juli 2005 und das Urteil des SG vom 29. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 9.367,77 € Insolvenzgeld zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, der Kläger könne sich nicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Gesetzesänderung berufen, da die Änderung bereits Anfang September 2003 in einer amtlichen Bundestagsdrucksache veröffentlicht gewesen sei. Der erkennende Senat habe im Übrigen zu § 208 SGB III iVm § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass eine klagende Einzugsstelle durch die Rechtsänderung zum 1. Januar 2004 unter Vertrauensschutzgesichtspunkten in unvertretbarer Weise benachteiligt sein könnte (Urteil vom 14. September 2005 – B 11a/11 AL 83/04 R –).
In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Beklagten auf entsprechenden Hinweis des Senats erklärt, dass gegen die Höhe des geltend gemachten Betrages von weiteren 9.367,77 € keine rechnerischen Bedenken bestehen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – Anspruch auf das geltend gemachte höhere Insg.
In welchem Umfang der Kläger Insg beanspruchen kann, richtet sich nach den §§ 183 Abs 1 Satz 1, 185 Abs 1 SGB III. Nach § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Das LSG hat zu Recht angenommen, dass für den streitgegenständlichen Anspruch auf Insg von einem Eintritt des Insolvenzereignisses am 23. Februar 2004 auszugehen ist, da an diesem Tag mit Beschluss des Amtsgerichts das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden ist. Damit ist der Anspruch des Klägers auf Insg erst im Jahr 2004 entstanden, obwohl der Insg-Zeitraum noch vollständig im Jahr 2003 liegt.
Die Beklagte ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Insg-Anspruch durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wird. Vielmehr ist für die Berechnung des Insg § 185 SGB III in der bis Ende 2003 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) anzuwenden.
§ 185 Abs 1 SGB III in der hier maßgebenden – bis 31. Dezember 2003 geltenden – Fassung bestimmt, dass Insg in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet wird, das sich ergibt, wenn das Arbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Soweit die Vorschrift den Begriff des Arbeitsentgelts verwendet, entspricht dieser dem Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 183 Abs 1 SGB III. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören grundsätzlich alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis sind alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Leistung des Arbeitnehmers darstellen (BSGE 55, 62 = SozR 4100 § 141b Nr 26; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 183 Nr 6). An dem Arbeitsentgeltcharakter des geltend gemachten Anspruchs besteht danach kein Zweifel. Auch hinsichtlich der Zuordnung des Anspruchs zum Insg-Zeitraum sowie hinsichtlich der Höhe der begehrten weiteren 9.367,77 € bestehen auf Grund der Feststellungen des LSG und der ergänzenden Erklärung der Beklagten im Termin vom 5. Dezember 2006 keine Zweifel.
§ 185 Abs 1 SGB III in der ab 1. Januar 2004 (Art 124 Abs 1) geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2848) ist für die Berechnung des geltend gemachten Anspruchs auf Insg noch nicht anzuwenden. Dieses Gesetz hat § 185 Abs 1 SGB III in der Weise geändert, dass das Insg (nur) noch in der Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet wird, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Die Anwendung der neuen Fassung der Vorschrift wird entgegen der Auffassung der Beklagten (so wohl auch Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 185 RdNr 7a) nicht durch das Übergangsrecht geboten. Nach dem Wortlaut des § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III sind § 185 und § 208 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 2004 liegt. Damit besagt der Wortlaut der Übergangsregelung nur, wie zu verfahren ist, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 2004 liegt. Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen, was in Fällen zu gelten hat, in denen das Insolvenzereignis nach dem 1. Januar 2004 eintritt, der Insg-Zeitraum aber noch im Jahr 2003 liegt.
Die Entstehungsgeschichte der Norm ergibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, ob der Gesetzgeber über ihren Wortlaut hinaus die Anwendung des neuen Rechts für alle Fälle anordnen wollte, in denen das Insolvenzereignis nach dem 31. Dezember 2003 liegt. § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erst auf den Vorschlag des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit in das Gesetz eingefügt (BT-Drucks 15/1728 S 95). Die “Stichtagsregelung” soll nach der Begründung des Ausschusses der Rechtssicherheit dienen und die Anwendung unterschiedlichen Rechts bei der Erbringung von Insg in demselben Insolvenzverfahren vermeiden (BT-Drucks 15/1749 S 26). Dieses Ziel kann nicht allein dadurch verwirklicht werden, dass die Vorschrift iS der erweiternden Auslegung der Beklagten interpretiert wird. Vielmehr legt es gleichfalls ein Verständnis des § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III iS einer Begünstigung der betroffenen Arbeitnehmer nahe. Denn in den Fällen des § 183 Abs 2 SGB III können Zeiträume des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts schon in das Jahr 2004 fallen, obwohl das Insolvenzereignis noch im Jahr 2003 eingetreten ist. In einem solchen Fall erhält § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III den Sinn, dem Arbeitnehmer noch die Anwendung der günstigeren früheren Fassung zuzubilligen, obwohl die Insg-Zeiträume bereits im Jahr 2004 liegen (in diesem Sinne Becker in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434j RdNr 50). Diese, den Anwendungsbereich der Übergangsregelung einschränkende Auslegung entspricht auch am ehesten den systematischen Zusammenhängen, denn mit der in den sonstigen, unterschiedlichen Tatbeständen des § 434j Abs 12 SGB III angeordneten Weitergeltung bisherigen Rechts wollte der Gesetzgeber dem Vertrauensschutz der Betroffenen Rechnung tragen.
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an und legt die Übergangsregelung im Wege der verfassungsgeleiteten Interpretation dahin aus, dass die für den Arbeitnehmer günstigere Fassung des § 185 SGB III noch zur Anwendung kommt, wenn der Insg-Zeitraum im Jahr 2003 liegt. Nach der sog verfassungsgeleiteten Interpretation ist – unterstellt die anzuwendende Gesetzesvorschrift lässt mehrere Deutungen zu – diejenige zu wählen, die der grundgesetzlichen Wertordnung die stärkste Wirkung verleiht (Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 1/74 ua – BVerfGE 39, 1, 38 sowie Beschlüsse vom 3. April 1979 – 1 BvR 994/76 – BVerfGE 51, 97, 110 und vom 9. Februar 1982 – 1 BvR 799/78 – BVerfGE 59, 330, 334, jeweils mwN; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8). Zu Recht macht die Revision geltend, dass eine Anwendung der neuen Fassung des § 185 SGB III für den Arbeitnehmer eine unechte Rückwirkung bewirken würde. Eine unechte Rückwirkung (oder tatbestandliche Rückanknüpfung) liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 43, 291, 391; 79, 29, 45 f). Zwar ist dem Rechtsstaatsgrundsatz ein absolutes Verbot unechter Rückwirkung nicht zu entnehmen. Jedoch ist die unechte Rückwirkung von Gesetzen unter Berücksichtigung der Schranke des Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzips iS des Art 20 Grundgesetz nur innerhalb sachlicher Grenzen zulässig, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergeben. Bei der Bestimmung der Grenzen sind das schutzwürdige Interesse des betroffenen Personenkreises an einem Fortbestand der bisherigen Rechtslage und die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen (BVerfGE 43, 291, 391; BSG SozR 3-4100 § 242q Nr 1).
Bei der Bewertung der Vertrauensposition des von der Neuregelung unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers mit einem Arbeitseinkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze ist in Rechnung zu stellen, dass dieser davon ausgehen konnte, dass er einen Insg-Anspruch in Höhe des (vollen) Anspruchs auf Nettoentgelt erwerben würde. Demgegenüber hat sich der Gesetzgeber zu der hier strittigen Änderung des § 185 Abs 1 SGB III vor dem Hintergrund der durch das Gemeinschaftsrecht eröffneten Möglichkeit einer Begrenzung der Leistungen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers veranlasst gesehen, weil er es auch im Hinblick auf das starke Ansteigen der Ausgaben für das Insg nicht mehr für vertretbar gehalten hat, Insg ohne betragsmäßige Begrenzung auch für sehr hohe Nettoarbeitsentgelte zu zahlen (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 15/1515 S 89; vgl hierzu auch BT-Drucks 15/1637 S 10 und 14). Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang bereits, ob der Gesetzgeber das Übergangsrecht (§ 434j Abs 12 Nr 5 SGB III) überhaupt unter dem Blickwinkel der für geboten erachteten Einsparung gestalten wollte, denn die Materialien enthalten – wie bereits ausgeführt – insoweit lediglich einen Hinweis auf die angestrebte Rechtssicherheit bei der Anwendung des Insg-Rechts. Unabhängig davon musste sich für den Gesetzgeber jedenfalls aufdrängen, dass das angestrebte Ziel einer sofortigen Begrenzung der Insg-Ausgaben einer besonderen Begründung bedurft hätte und eine geeignete Übergangsregelung auf die Interessen der Betroffenen, die sich auf die durch eine Gesetzesänderung entstehende nachträgliche Entwertung ihrer Ansprüche nicht einstellen konnten, Rücksicht zu nehmen hatte. Einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen kann insoweit auch nicht entgegengehalten werden, dass der Insg-Anspruch – wie eingangs bereits ausgeführt – erst mit dem Insolvenzereignis im Jahr 2004 entstanden und fällig geworden ist. Ebenso geht schon mangels Eindeutigkeit der Rechtslage der Hinweis der Beklagten fehl, den Betroffenen habe die anstehende Gesetzesänderung auf Grund der vorliegenden Gesetzesmaterialien bekannt sein können.
Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt sich der Senat mit der vorstehenden Auffassung im Übrigen auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 14. September 2005 – B 11a/11 AL 83/04 R – (= SozR 4-4300 § 208 Nr 1). Zwar hat der Senat in der damaligen Entscheidung bei der Anwendung des § 434j Abs 12 Nr 5 SGB III darauf abgestellt, dass es um einen Anspruch ging, der auf ein nach dem 1. Januar 2004 liegendes Insolvenzereignis zurückzuführen war. Die Ausführungen bezogen sich allerdings nur auf das mit der vorliegenden Fragestellung nicht vergleichbare Problem, ob über die Vorschrift des § 208 SGB III weiterhin die Geltendmachung von Säumniszuschlägen und sonstigen Nebenforderungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit möglich war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen