Leitsatz (redaktionell)

Wenn sowohl der kriegseigentümliche Gefahrenbereich iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst e als auch das eigene Verhalten des Geschädigten zu einer Schädigung geführt haben, ist bei der zur Beurteilung der Wesentlichkeit erforderlichen Abwägung vom Einzelfall auszugehen. Wesentliche Bedingung für die Schädigung stellt das Verhalten eines siebzehneinhalbjährigen dar, der Brandbomben vom Fundort weggeschafft hat, um die anderen Personen drohende Gefahr zu beseitigen, obwohl er entsprechend der im RAD erworbenen Erfahrung über die Behandlung von Brandbomben, seiner beruflichen Entwicklung (2 3/4 Jahre Lehrzeit bei einem Installateur) und der Umstände, die zu dem Unfall geführt haben (insbesondere Wiederaufnehmen einer fallengelassenen vernehmlich knackenden Bombe), in der Lage gewesen ist, die Gefährlichkeit seines Tuns einzusehen. Die Motive für das Wegschaffen müssen unberücksichtigt bleiben.

 

Normenkette

BVG § 5 Abs. 1 Buchst. e Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 1962 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger beantragte im Oktober 1958 Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er gab an, er habe im Juni 1945 im Alter von fast 17 1/2 Jahren eine Brandbombe gefunden. Bei deren Entfernung sei es zu einer Explosion gekommen, wobei ihm die linke Hand abgerissen worden sei. Am 8. April 1960 erklärte der Kläger, er habe in der Nähe der elterlichen Wohnung Brandbomben gefunden, die er zur Beseitigung der Gefahr in einen nicht weit davon entfernten Steinbruch geworfen habe. Dabei sei ihm die letzte Brandbombe aus der Hand gefallen. Da nur ein Knacks zu hören gewesen sei und sich sonst nichts ereignet habe, habe er sie wieder aufheben wollen. In diesem Augenblick sei sie explodiert. Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 12. Mai 1960 ab, weil der Kläger die Gefährlichkeit seines Handelns habe erkennen können und durch eigenes Verhalten einen neuen, von den Auswirkungen kriegerischer Vorgänge unabhängigen Gefahrenbereich geschaffen habe. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1962 erklärt, er habe während des Arbeitsdienstes nach einem Luftangriff kantige Bomben, die nicht explodiert waren und die, wie er heute wisse, Stabbrandbomben gewesen seien, wegschaffen müssen. Dabei sei nur darauf hingewiesen worden, daß man die Bomben nicht fallen lassen dürfe. Am Unfalltag habe er am Waldrand, etwa 100 bis 200 m von seinem Elternhaus entfernt, mehrere Bomben gefunden, die so ausgesehen hätten wie die, die er im Arbeitsdienst habe wegtragen müssen. Da sie nur 1 bis 2 m von dem Weg entfernt gelegen hätten und da er damit gerechnet habe, daß sie Schaden anrichten könnten, habe er sie in den nahen Steinbruch werfen wollen. Zunächst habe er drei Bomben in die Hand genommen und sie in den von der Fundstelle etwa 50 m entfernten Steinbruch geworfen. Dieser Vorgang habe sich mehrmals wiederholt. Er habe nicht gehört, daß die Bomben explodiert seien. Beim dritten oder vierten Male sei ihm eine der drei Bomben aus der Hand gefallen. Dabei habe er einen kleinen Knacks gehört. Er sei nicht weggelaufen und wisse auch nicht mehr, ob er diese Bombe wieder in die Hand genommen gehabt habe, als sie explodierte, oder ob sie explodiert sei als sie noch auf der Erde gelegen habe und er gerade dabei gewesen wäre, sie mit der linken Hand wieder aufzuheben. Er habe damals nichts von Stabbrandbomben mit Explosivsätzen gewußt, sondern gemeint, er könne die Bomben ohne Gefahr in den Steinbruch befördern, weil er eine ähnliche Arbeit während der Arbeitsdienstzeit schon einmal verrichtet und geglaubt habe, die Bomben könnten höchstens zu brennen anfangen. Die von ihm gefundenen Bomben hätten sich nur im anstrich voneinander unterschieden; ein Teil davon sei mit roten Ringen versehen gewesen. Er habe sich dabei aber nichts gedacht. Durch Urteil vom 27. Juni 1962 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß sich der Unfall in der vom Kläger in der Verhandlung vom 27. Juni 1962 geschilderten Weise zugetragen hat. Es hat angenommen, daß zwar ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich vorhanden war, daß jedoch auch das eigene Verhalten des Klägers eine Bedingung für die eingetretene Schädigung gewesen ist, die wegen ihrer überragenden Bedeutung als Ursache im versorgungsrechtlichen Sinn angesehen werden müsse. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Februar 1962 - 10 RV 119/59 - komme es darauf an, inwieweit der kriegseigentümliche Gefahrenbereich von dem Beschädigten zu erkennen gewesen sei, so daß er sein Verhalten hätte entsprechend einrichten und die Gefahr hätte vermeiden können. Unerheblich seien die Motive für das Verhalten des Beschädigten, so daß im vorliegenden Fall ohne Bedeutung der Umstand sei, daß der Kläger nach seinen Angaben die Brandbomben in der Absicht aufgenommen habe, um eine Gefahr zu beseitigen. Das Verhalten des Klägers sei demnach als Ursache im Rechtssinn anzusehen, wenn er den kriegseigentümlichen Gefahrenbereich erkannt und trotzdem mit der Munition hantiert habe. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Der zur Zeit des Unfalls fast 17 1/2 Jahre alte Kläger habe die Gefährlichkeit seines Tuns subjektiv erkennen können. Er habe die von den Brandbomben ausgehende Gefahr erkannt, wie sich daraus ergibt, daß er die durch sie für andere Personen bestehende Gefahr habe beseitigen wollen. Er habe die Gefährlichkeit dieser Bomben auch schon aus seiner Dienstzeit beim Reichsarbeitsdienst gekannt, weil er damals Brandbomben habe wegräumen müssen und dabei ausdrücklich darüber belehrt worden sei, daß er sie nicht fallen lassen dürfe. Insbesondere deswegen, weil er noch einen Knacks gehört habe, nachdem ihm die Bombe aus der Hand gefallen war, hätte er erkennen müssen, daß ihr Mechanismus noch funktioniere und daß daher eine erhöhte Gefahr bestehe. Dazu komme, daß nach der Schilderung des Klägers ein Teil der von ihm gefundenen Bomben mit roten Ringen gekennzeichnet war, er habe daher damit rechnen müssen, daß nicht alle Bomben die gleiche Wirkungsweise hatten. Dadurch habe sich die Gefährlichkeit seiner Situation noch verstärkt, zumal er nicht habe angeben können, daß auch ein Teil der im Reichsarbeitsdienst weggeräumten Bomben einen unterschiedlichen Farbenanstrich aufwies. Es genüge, daß der Kläger das Vorhandensein einer allgemeinen Gefahrenlage erkannt habe, ohne daß er um die besondere Gefährlichkeit bestimmter Brandbomben habe wissen müssen. Da der Kläger außerdem bereits eine Lehrzeit von fast 2 3/4 Jahren bei einem Installateur zurückgelegt und schon im Beruf gestanden habe, habe er die Gefährlichkeit seines Tuns erkennen und gemäß dieser Einsicht handeln können. Er hätte bei entsprechendem Verhalten der Gefahr dadurch begegnen können, daß er den Fund der zuständigen Stelle angezeigt oder die Gefahrenquelle am Fundort durch Warnzeichen gekennzeichnet hätte.

Das LSG meint schließlich, das erwähnte Urteil des BSG vom 27. Februar 1962 (BSG in SozR BVG § 1 Bl. Ca 29 Nr. 58) widerspreche den Urteilen des BSG vom 24. Februar 1961 - 10 RV 1352/58 - und vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 -. In dem ersten Falle sei bei einem Jungen von 14 1/2 Jahren angenommen worden, das Bewußtsein eines gefährlichen und verbotenen Verhaltens und das Vorhandensein des erforderlichen Mindestmaßes an Willensfähigkeit genüge nicht, das Verhalten dieses Jungen als die wesentliche Ursache erscheinen zu lassen, da er in einer für sein Alter typischen Weise die Chance, der ihm bekannten Gefahr zu entgehen, erheblich überschätzt habe. In dem zweiten Falle, in dem Rente einem Beschädigten zugesprochen worden sei, der im Alter von 37 Jahren zwei Eierhandgranaten durch Versenkung in einen Kanal habe unschädlich machen wollen, sei ausgeführt worden, das Verhalten des Beschädigten sei dann nicht die wesentliche Ursache, wenn es auf einer in dieser Situation jedenfalls nicht ungewöhnlichen irrigen Schlußfolgerung über die Notwendigkeit der zu ergreifenden Maßnahmen beruhe. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 24. Juli 1962 zugestellte Urteil am 1. August 1962 Revision eingelegt. Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

In der Revisionsbegründung vom 27. September 1962, die innerhalb der bis zum 24. Oktober 1962 verlängerten Begründungsfrist am 28. September 1962 beim BSG eingegangen ist, rügt der Kläger die Verletzung der Kausalitätsnorm. Er meint, dem vorliegenden Fall liege weitgehend der gleiche Sachverhalt zugrunde wie der Entscheidung des BSG vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 -. Unterschiede beständen nur hinsichtlich des Alters des Beschädigten; das Motiv für die Handlungsweise sei in beiden Fällen das gleiche gewesen, nämlich die Beseitigung einer Gefahr. Wenn nach der Rechtsprechung des 11. Senats des BSG bei der kausalen Würdigung des kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs einerseits und des Verhaltens des Beschädigten andererseits der Beweggrund zu berücksichtigen sei, so käme dem Verhalten des Klägers nicht die überragende Bedeutung zu, es wäre vielmehr neben dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich allenfalls gleichwertige Mitursache der eingetretenen Schädigung und damit wesentliche Bedingung im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm. Nach der Auffassung des 10. Senats in dem erwähnten Urteil vom 27. Februar 1962 käme es dagegen bei der kausalrechtlichen Wertung nicht auf die Motive an, die das Verhalten des Verletzten beeinflußt hätten. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, daß in Nr. 4 Abs. 3 der Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 1 BVG in der Fassung vom 1. August 1958 noch bestimmt gewesen sei, daß der ursächliche Zusammenhang nicht "unterbrochen" werde, wenn eine rechtfertigende Veranlassung, insbesondere eine sittliche Pflicht zum Handeln bestanden habe. Diese Bestimmung sei in Nr. 3 der VV zu § 1 BVG in der Fassung vom 14. August 1961 nicht mehr enthalten.

Der Beklagte hat keine Anträge gestellt und zu der Revision nicht Stellung genommen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die sonach zulässige Revision ist aber nicht begründet.

Nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a BVG erhält auf Antrag Versorgung, wer durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine Gesundheitsstörung erlitten hat. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG gelten als unmittelbare Kriegseinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG auch nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Um solche Auswirkungen handelt es sich insbesondere dann, wenn sie einer Gefahrenquelle entspringen, der eine Verbindung mit typischem Kriegsgeschehen eigen ist. Das trifft im allgemeinen dann zu wenn Kriegsgerät und Kriegshandlungen des letzten Krieges an einem für jedermann zugänglichen Ort herumliegt (BSG 1, 72, 75;6, 102, 103; 6, 188, 190). Nicht erforderlich ist, daß ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Schädigung und den kriegerischen Ereignissen oder eine enge örtliche Verbindung der Gefahrenquelle mit dem eigentlichen Kriegsgeschehen besteht. Danach hat das LSG zu Recht angenommen, daß die aus Kampfhandlungen des letzten Krieges stammenden und an einem für jedermann zugänglichen Ort herumliegenden Brandbomben einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG gebildet haben. Dieser Gefahrenbereich ist nach den Feststellungen des LSG eine Bedingung für die Schädigung des Klägers gewesen.

Der Kläger hat aber nach den Feststellungen des LSG auch durch sein eigenes Verhalten eine Bedingung für die eingetretene Schädigung gesetzt. Er hat nach der vom LSG für zutreffend erachteten eigenen Schilderung des Unfalls die Brandbomben selbst weggeschafft und in der Nähe des Fundorts unschädlich machen wollen, um die anderen Personen drohende Gefahr zu beseitigen. Er ist in dieser Weise vorgegangen, obwohl er entsprechend seinem damaligen Lebensalter, der im Reichsarbeitsdienst erworbenen Erfahrung über die Behandlung von Brandbomben, seiner beruflichen Entwicklung und der Umstände, die zu dem Unfall geführt haben, in der Lage gewesen sei, die Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen.

Das LSG hat danach abwägen müssen, welche von diesen beiden Bedingungen - der kriegseigentümliche Gefahrenbereich oder das Verhalten des Klägers - die wesentliche und damit ursächlich im Sinne des für das Gebiet der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm für den Eintritt der Schädigung gewesen ist. Der Kläger meint, das LSG habe bei der hiernach erforderlichen Abwägung die Kausalitätsnorm verletzt, weil es das Verhalten des Klägers als die für die Schädigung wesentliche Bedingung und damit als ursächlich im Rechtssinn angesehen habe. Dies trifft jedoch nicht zu.

Nach der für das Gebiet der Kriegsopferversorgung (KOV) geltenden Kausalitätsnorm ist Ursache diejenige Bedingung, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu ihrem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (BSG 1, 150, 280 mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Falle war also zu beurteilen, ob der durch herumliegende Brandbomben verursachte Gefahrenbereich, auch in Anbetracht des Verhaltens des Klägers als wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung anzusehen ist. Bei einer solchen Beurteilung des Verhaltens kommt es nicht darauf an, ob der Verletzte schuldhaft gehandelt hat oder ob Gründe vorgelegen haben, die sein Verhalten als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten. Maßgebend ist vielmehr, ob eine der beiden Bedingungen bei ihrer Wertung daraufhin, in welchem Maße sie zum Eintritt des Erfolges beigetragen hat, derart überwiegt, daß sie allein als die für den Eintritt des Erfolgs wesentliche Bedingung und damit als ursächlich im Rechtssinne anzusehen ist (BSG 6, 188; Urteil des BSG vom 18. Januar 1961 - 11 RV 767/60 -).

Das LSG hat auf Grund der von ihm angestellten Erwägungen unter den in diesem Fall gegebenen Verhältnissen zutreffend angenommen, daß das Verhalten des Klägers die für dessen Verletzung überragende Bedingung und damit Ursache im Sinne der für das Gebiet der KOV geltenden Kausalitätsnorm gewesen ist. Nach den vom LSG dargelegten, den Angaben des Klägers entnommenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen konnte der Kläger über die mit Brandbomben und deren Beseitigung verknüpften Gefahren nicht im Zweifel sein. Abgesehen von dem Lebensalter zur Zeit des Unfalls und dem damaligen Stand der beruflichen Entwicklung hat das LSG dem Verhalten des Klägers eine um so größere Bedeutung für die dann eingetretene Schädigung zumessen dürfen, als er diese Gefahren schon im Reichsarbeitsdienst kennengelernt hatte und nach der damals erteilten Belehrung über die besondere Gefährlichkeit von Brandbomben, die fallen gelassen worden waren, nicht im unklaren sein konnte. Wenn der Kläger dennoch in der für ihn unverkennbar besonders gefährlichen Situation, welche durch die seiner Hand entglittene und vornehmlich knackende Brandbombe entstanden war, diese Bombe wieder in die Hand nahm, so kommt unter solchen Umständen seinem eigenen Verhalten gegenüber dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich eine überwiegende Bedeutung für den Eintritt der Schädigung zu.

Die Erwägungen des LSG stehen auch nicht im Widerspruch mit den vom Kläger erwähnten Entscheidungen des 11. Senats des BSG. Auch in diesen Entscheidungen ist zum Ausdruck gekommen, daß, wenn sowohl der kriegseigentümliche Gefahrenbereich als auch das eigene Verhalten zu einer Schädigung geführt haben, bei der zur Beurteilung der Wesentlichkeit erforderlichen Abwägung der einzelnen Bedingungen vom Einzelfall auszugehen ist (so Urteil vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 -) und daß es bei der Beurteilung eines schuldhaften Verhaltens stets auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt (so Urteil vom 24. Februar 1961 - 11 RV 1352/58 -). Daß zu der Beurteilung der Frage, welche Bedeutung dem Verhalten des Beschädigten für die eingetretene Schädigung zukommt, die Motive zu berücksichtigen wären, ist in diesen Entscheidungen nicht zum Ausdruck gekommen. Die in diesen beiden Entscheidungen behandelten Fälle unterscheiden sich zudem von dem vorliegenden Falle weitgehend durch den Sachverhalt. Das Urteil vom 24. Februar 1961 - 11 RV 1352/58 - hat einen zur Zeit des Unfalls erst 14 1/2 Jahre alten Jugendlichen betroffen, der noch die Schule besuchte und nach Auffassung des Gerichts damit auch schon nach allgemeiner Lebenserfahrung in einer kindlichen Sphäre lebte, so daß schon aus diesem Grunde das eigene - im übrigen nur möglicherweise auch schuldhaftes - Verhalten des Verletzten gegenüber dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich an Bedeutung zurücktrat. Die für das Verhalten etwa maßgebenden Motive sind dabei nicht in Betracht gezogen worden. Dies ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht in dem Urteil vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 - geschehen. Das Verhalten des Verletzten ist nur deshalb nicht als wesentliche Bedingung angesehen worden, weil dieses unter Berücksichtigung der besonderen Situation und der Bewertung der Geschehnisse nach ihrem Gewicht und ihrer Tragweite für den Erfolg dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich "gleichwertig" gewesen sei, aber keine "überwiegende Bedeutung" gehabt habe. In jenem Fall hatte sich die Schädigung bereits im April 1945 in Westfalen zur Zeit der letzten Kampfhandlungen ereignet und die Aufräumung gefährlichen Kriegsmaterials war damals in der betreffenden Gegend noch nicht möglich gewesen. Wenn das Gericht unter diesen besonderen - vom vorliegenden Fall völlig verschiedenen - Umständen angenommen hat, das "eigenmächtige" Verhalten des Verletzten habe auf einer in seiner Situation jedenfalls nicht ungewöhnlichen irrigen Schlußfolgerung über die Notwendigkeit der zu ergreifenden Maßnahmen beruht, so folgt daraus, daß es den Motiven des Verletzten keine Bedeutung beigemessen hat, wenngleich es sie erwähnt haben mag, wie dies auch im vorliegenden Urteil des LSG geschehen ist.

Eine Berücksichtigung der Motive ist auch nicht nach der VV Nr. 4 Abs. 3 zu § 1 BVG in der Fassung vom 1. August 1958 geboten gewesen, in der bestimmt war, daß der ursächliche Zusammenhang "unterbrochen werde", wenn eine rechtfertigende Veranlassung, insbesondere eine sittliche Pflicht, zum Handeln bestanden hat. Der Kläger hat dabei übersehen, daß die für das Versorgungsrecht maßgebende Theorie der wesentlichen Bedingung den im Zivilrecht entwickelten Begriff der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" überhaupt nicht zuläßt (vgl. Haueisen, JZ 1961, 9, 10; Tesmer, BVBl 1960, 161). Beim Vorhandensein mehrerer Bedingungen ist vielmehr stets deren abwägende Wertung entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalles und die Feststellung der wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des Erfolges wesentlichen und damit ursächlichen Bedingung erforderlich. Soweit die erwähnte, inzwischen aufgehobene VV etwas anderes besagte, widersprach sie dem Gesetz (vgl. Urteil vom 24. Februar 1961 - 11 RV 1352/58 -) und ermöglichte daher schon aus diesem Grunde nicht die vom Kläger dargelegten rechtlichen Folgerungen.

Das LSG hat somit die für das Gebiet der KOV geltende Kausalitätsnorm nicht verletzt.

Die Revision des Klägers ist daher nicht begründet und war zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380480

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