Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Geschäftsführer einer GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co KG ist. Rechtsmacht. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co KG ist, kann nicht allein aufgrund seiner Stellung als Mehrheitskommanditist der KG einen seine abhängige Beschäftigung ausschließenden Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der GmbH nehmen.
2. Ein Weisungsverbot im Geschäftsführeranstellungsvertrag sowie die Möglichkeit des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH, die eigene Abberufung auszuschließen, die GmbH & Co KG aufzulösen oder die Komplementär-GmbH daraus auszuschließen, begründen keine die abhängige Beschäftigung ausschließende umfassende Rechtsmacht.
Normenkette
SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 7 Abs. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; GmbHG § 6 Abs. 3, § 16 Abs. 1 S. 1, §§ 37, 38 Abs. 1, § 46 Nrn. 5-6; HGB § 164 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. (im Folgenden: Beigeladener) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der klagenden GmbH aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Der Beigeladene war in der (noch) streitigen Zeit vom 16.3.2015 bis zum 30.5.2018 Geschäftsführer der Klägerin und zunächst auch deren Alleingesellschafter. Am 6.2.2015 übertrug er sämtliche Geschäftsanteile auf seine Ehefrau und schloss mit der Klägerin einen "Geschäftsführeranstellungsvertrag" (GF-AV). Danach konnte der Beigeladene nur aus wichtigem Grund oder mit seinem Einverständnis abberufen werden. Er war weder an Weisungen durch die Klägerin noch an Arbeitszeiten gebunden, erhielt ein in zwölf gleichen Raten zahlbares Jahresgehalt von 48 000 Euro und hatte Anspruch auf Erstattung von Reisekosten und sonstigen Aufwendungen sowie Jahresurlaub von 24 Arbeitstagen.
Die klagende GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) einer GmbH & Co KG. Deren Kommanditisten waren der Beigeladene mit einer Hafteinlage von 100 000 Euro (99 vH) und dessen Ehefrau mit einer Hafteinlage von 1000 Euro (1 vH). Nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co KG bedurften Gesellschafterbeschlüsse der Mehrheit der Stimmen; Änderungen oder Ergänzungen des Gesellschaftsvertrags sowie die Auflösung der Gesellschaft konnten nur einstimmig beschlossen werden.
Auf den Statusfeststellungsantrag des Beigeladenen stellte die Beklagte fest, dass er seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin seit dem 1.1.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheid vom 3.11.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2016).
Das SG hat diese Bescheide geändert und festgestellt, dass der Beigeladene nicht der Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege (Gerichtsbescheid vom 5.1.2017). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre Verwaltungsentscheidung dahin geändert, dass Versicherungspflicht erst ab dem 7.2.2015 bestehe. Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.5.2018). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der GF-AV überwiegend arbeitsvertragliche Züge trage und der Beigeladene den Weisungen der Gesellschafterversammlung der Klägerin unterliege. Gegenstand der Statusfeststellung sei allein die Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen. Dessen gesellschaftsrechtliche Stellung als Kommanditist der GmbH & Co KG sei ohne Belang.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Es sei nicht ausschließlich auf das Verhältnis des Beigeladenen zu ihr abzustellen, sondern das Gesamtgebilde der GmbH & Co KG zu betrachten. Der Beigeladene habe mit seiner Ehefrau vereinbart, dass sie sich nicht in die Geschicke der Komplementär-GmbH oder der GmbH & Co KG einmische. Zudem habe er aufgrund seiner Kommanditistenstellung jederzeit die Möglichkeit gehabt, die GmbH & Co KG aufzulösen oder die Klägerin durch eine andere Komplementär-GmbH zu ersetzen. Im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co KG sei dem Beigeladenen ein Widerspruchsrecht nach § 164 Handelsgesetzbuch (HGB) eingeräumt worden. Auch habe seine Abberufung als Geschäftsführer einen Beschluss der Gesellschafter der GmbH & Co KG erfordert.
Die Beklagte hat im Revisionsverfahren anerkannt, dass der Beigeladene erst seit dem 16.3.2015 der Versicherungspflicht unterlag, weil die dessen Ehefrau als Alleingesellschafterin ausweisende Gesellschafterliste vom 6.2.2015 am 16.3.2015 in das Handelsregister (HR) aufgenommen wurde.
Nach Annahme des Teilanerkenntnisses beantragt die Klägerin,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 2018 hinsichtlich der Zeit vom 16. März 2015 bis zum 30. Mai 2018 aufzuheben und insoweit die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 5. Januar 2017 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, nach dem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten nur noch die Zeit vom 16.3.2015 bis zum 30.5.2018 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) betreffende Revision ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat insoweit zu Recht den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 3.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2016 ist bezüglich des noch streitgegenständlichen Zeitraums rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Insoweit hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin wegen Beschäftigung in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war. Nach den für die Statusbeurteilung von Geschäftsführern einer GmbH geltenden Maßstäben (dazu 1.) unterlag der Beigeladene der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (dazu 2.). Dem steht seine Beteiligung an der GmbH & Co KG als Kommanditist mit einer Hafteinlage von 99 vH nicht entgegen (dazu 3.).
1. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der Fassung ≪idF≫ des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 ≪BGBl I 926≫; § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 ≪BGBl I 3710≫) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die abhängige Beschäftigung steht als rechtlicher Typus der selbstständigen Tätigkeit gegenüber, die vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet ist. Die hierzu für die Statusbeurteilung vom Senat entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 14 f ≪Honorararzt≫) gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH aber in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 14 f mwN; BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 18).
Der Geschäftsführer einer GmbH kann seine Tätigkeit nach bisheriger ständiger Rechtsprechung nur dann selbstständig ausüben, wenn er am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog Gesellschafter-Geschäftsführer), während bei einem Fremdgeschäftsführer eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich ausscheidet. Denn Geschäftsführer einer GmbH unterliegen nach § 6 Abs 3 (hier idF des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980 ≪BGBl I 836≫), § 37 Abs 1, § 38 Abs 1 sowie § 46 Nr 5 und 6 GmbHG grundsätzlich zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit der nur durch entsprechende Satzungsregelungen einschränkbaren Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung der GmbH (vgl zum Weisungsrecht BGH Urteil vom 18.3.2019 - AnwZ (Brfg) 22/17 - juris RdNr 18 f; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl 2019, § 37 RdNr 3, 14; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl 2020, § 37 RdNr 1; Stephan/Tieves, MüKo GmbHG, 3. Aufl 2019, § 37 RdNr 107). Selbst ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist aber nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mindestens 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 14 f, jeweils mwN). Dies gilt auch für den Geschäftsführer einer GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co KG ist.
2. Nach diesen Grundsätzen war der Beigeladene während der hier streitigen Zeit abhängig beschäftigt. Als Fremdgeschäftsführer der Klägerin hatte er nicht die notwendige gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der GmbH maßgeblich zu gestalten oder ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Vielmehr unterlag er seit 16.3.2015 dem Weisungsrecht seiner Ehefrau als Alleingesellschafterin, die nunmehr gesellschaftsrechtlich in der Lage war, die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen und damit die Entwicklung des Unternehmens zu bestimmen. Seine frühere, eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht als vormaliger Alleingesellschafter hatte der Beigeladene am 16.3.2015, dem Tag der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste vom 6.2.2015 in das HR, verloren. Mit dieser Aufnahme galt seine Ehefrau als Alleingesellschafterin und damit stimmberechtigt. Gemäß § 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG gilt - unabhängig von der materiellen Rechtslage - im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im HR aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist. Nur der in einer in das HR aufgenommenen Gesellschafterliste Eingetragene kann Gesellschafterrechte wahrnehmen und haftet für fällige Gesellschafterpflichten. Umgekehrt ist der nicht in der Gesellschafterliste Eingetragene, aber materiell Berechtigte rechtlich gehindert, Gesellschafterrechte auszuüben. Er haftet nicht für Pflichten aus dem Geschäftsanteil, muss aber sämtliche Rechtshandlungen zwischen Gesellschaft und Legitimierten bis zu seiner Eintragung in die Gesellschafterliste gegen sich gelten lassen (BSG Urteil vom 12.5.2020 - B 12 R 5/18 R - juris RdNr 24, auch zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Das Weisungsrecht der Alleingesellschafterin der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen war weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch den GF-AV ausgeschlossen. Ein GF-AV ist gegenüber dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis grundsätzlich nachrangig. § 2 Abs 3 GF-AV, wonach der Beigeladene an Weisungen der Klägerin und deren Alleingesellschafterin nicht gebunden war, wirkt lediglich schuldrechtlich. Eine solche Vereinbarung begrenzt nicht das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht der Gesellschafter und damit einhergehend die organrechtliche Pflicht, Weisungen zu befolgen, es sei denn, die Weisungskompetenz wird durch den Gesellschaftsvertrag (Satzung) eingeschränkt. Weisungen hat der Geschäftsführer auch dann zu beachten, wenn dies dem Anstellungsvertrag widerspricht (vgl BGH Urteil vom 18.3.2019 - AnwZ (Brfg) 22/17 - juris RdNr 19; BGH Urteil vom 10.5.2010 - II ZR 70/09 - GmbHR 2010, 808, 809).
Auch der Einwand, die Alleingesellschafterin habe sich vereinbarungsgemäß nicht in die Geschicke der klagenden GmbH eingemischt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach der Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft selbstständig tätig ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hindern, besteht nicht. Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 15, 23 mwN).
Ungeachtet dessen weist der GF-AV auch typische Regelungen einer abhängigen Beschäftigung auf. Der Beigeladene erhielt für seine Geschäftsführertätigkeit ein Jahresgehalt von 48 000 Euro, zahlbar in zwölf gleichen Raten. Ihm waren Reisekosten und sonstige Aufwendungen zu erstatten. Zudem hatte er Anspruch auf 24 Tage Jahresurlaub sowie auf die private Nutzung firmeneigener Fahrzeuge. Zwar war die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgeschlossen, doch rechtfertigt die Belastung eines Erwerbstätigen mit zusätzlichen Risiken noch nicht die Annahme von Selbstständigkeit (BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 27).
3. Ein die abhängige Beschäftigung ausschließender beherrschender Einfluss auf die klagende Komplementär-GmbH wurde dem Beigeladenen nicht durch seine Kommanditbeteiligung an der GmbH & Co KG in Höhe von 99 vH der Hafteinlage vermittelt. Das folgt allerdings nicht bereits daraus, dass sich die Rechtsstellung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH (auch sog "mittelbarer" Geschäftsführer der GmbH & Co KG) grundsätzlich allein nach dem Rechtsverhältnis zur GmbH bestimmt (vgl Casper in Staub, HGB, 5. Aufl 2015, § 164 RdNr 49 f; Binz/Sorg, Die GmbH & Co KG, 12. Aufl 2018, § 4 RdNr 3). Dieser Grundsatz bedeutet nicht, dass die weitere Beteiligung des GmbH-Geschäftsführers an einer anderen Gesellschaft bei seiner sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung nicht zu berücksichtigen wäre. Die Kommanditbeteiligung an der GmbH & Co KG hat den Beigeladenen aber nicht in die Lage versetzt, die Geschicke der GmbH maßgeblich zu bestimmen.
Der erkennende Senat hat mit mehreren Urteilen vom 8.7.2020 (B 12 R 26/18 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, sowie B 12 R 1/19 R, B 12 R 4/19 R und B 12 R 6/19 R) seine Rechtsprechung zur Statusbeurteilung von Geschäftsführern einer GmbH fortentwickelt. Über eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht verfügen danach nicht nur Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von zumindest 50 vH oder - bei geringerer Kapitalbeteiligung - einer umfassenden Sperrminorität. Sie kann auch daraus resultieren, dass der (Fremd-)Geschäftsführer (auch einer GmbH & Co KG) kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Damit ist nicht allein auf das Rechtsverhältnis zwischen (Fremd-)Geschäftsführer und der von ihm geführten GmbH (& Co KG) abzustellen, sondern auch dessen Rechtsstellung innerhalb einer anderen Gesellschaft zu berücksichtigen, die wiederum in Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft steht, deren (Fremd-)Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung ist. Denn ein Geschäftsführer ist nach bisheriger Rechtsprechung selbstständig tätig, weil er die Rechtsmacht hat, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob er diese Rechtsmacht allein aus seiner Gesellschafterstellung in der von ihm geführten Gesellschaft oder aus seiner Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ableitet. Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist aber auch eine solche von dieser Beteiligung abgeleitete Rechtsmacht nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt. Entscheidend bleibt, dass der Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahmemöglichkeit auf Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft hat oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Denn ein Geschäftsführer übt seine Tätigkeit nur dann selbstständig aus, wenn er zugleich kraft seiner Gesellschaftsanteile (und sei es über eine ihm eingeräumte umfassende Sperrminorität) über die Rechtsmacht verfügt, hinreichenden Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschaft auszuüben, für die er die Geschäftsführung übernommen hat.
Die Kommanditistenstellung des Beigeladenen räumte ihm jedoch eine solche Rechtsmacht in Bezug auf die Komplementär-GmbH nicht ein. Der auf seiner Kommanditeinlage beruhende gesellschaftsrechtliche Einfluss des Beigeladenen ist auf die GmbH & Co KG beschränkt. Der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH ist - wie jeder Geschäftsführer einer GmbH - grundsätzlich an die Weisungen der GmbH-Gesellschafter gebunden (§ 37 Abs 1 GmbHG iVm §§ 38 Abs 1, 46 Nr 5, 6 GmbHG). An der klagenden Komplementär-GmbH ist jedoch weder die GmbH & Co KG noch der Beigeladene über seine Stellung als Kommanditist (mittelbar) als Gesellschafter beteiligt. Ohne eine solche Beteiligung können die Gesellschafter der GmbH & Co KG nur auf deren Geschäftsführung, nicht aber auf davon unabhängige Geschäfte ihrer Komplementär-GmbH Einfluss nehmen.
Den Weisungen seiner Ehefrau als Alleingesellschafterin der klagenden Komplementär-GmbH konnte der Beigeladene kein eigenes gesetzliches oder durch Gesellschaftsvertrag vereinbartes Weisungsrecht kraft seiner Kommanditbeteiligung entgegensetzen. Als Kommanditist stand ihm allenfalls die Befugnis zu, die Geschäftsführung für die GmbH & Co KG in Bezug auf Grundlagen- und außergewöhnliche Geschäfte selbst zu bestimmen. Hingegen blieb er im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung für die GmbH & Co KG sowie für die Geschäftsführung der GmbH überhaupt an die Weisungen seiner Ehefrau gebunden. Das gilt auch dann, wenn sich die Geschäftstätigkeit der Klägerin - wie sie selbst vorträgt - auf ihre Komplementärfunktion für die GmbH & Co KG beschränkte und sie darüber hinaus keine operativen Geschäfte führte. Kommanditisten einer GmbH & Co KG steht - anders als den Gesellschaftern einer GmbH - im Bereich der allein der Komplementär-GmbH obliegenden gewöhnlichen Geschäftsführung kein Weisungsrecht zu (vgl BGH Urteil vom 11.2.1980 - II ZR 41/79 - BGHZ 76, 160, 164 f = juris RdNr 18; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 12. Aufl 2018, § 4 RdNr 2; Borges in Heymann, HGB, 3. Aufl 2020, § 164 RdNr 5; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl 2015, § 16 RdNr 15; einschränkend Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl 2014, Anhang § 45 RdNr 17; ders, JZ 2008, 425, 432). Sie sind vielmehr nach § 164 Satz 1 HGB von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen und können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Lediglich solche außergewöhnlichen Handlungen bedürfen der Zustimmung der Kommanditisten.
Die Vorschrift des § 164 Satz 1 HGB ist zwar dispositiv (vgl § 163 HGB). Damit kann im Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co KG abweichend von § 164 HGB ein Weisungsrecht der Kommanditisten gegenüber der Komplementär-GmbH vereinbart werden (Binz/Sorg, Die GmbH & Co KG, 12. Aufl 2018, § 4 RdNr 13; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co KG, 7. Aufl 2015, § 16 RdNr 15 f; Casper in Staub, HGB, 5. Aufl 2015, § 164 RdNr 54; Grunewald in MüKo HGB, 4. Aufl 2019, § 161 RdNr 74; vgl auch Konzen, NJW 1989, 2977, 2982). Von dieser Möglichkeit hat die GmbH & Co KG hier keinen Gebrauch gemacht. Daher kann offenbleiben, ob der Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co KG überhaupt Regelungen zur Geschäftsführung der Komplementär-GmbH treffen kann oder lediglich die Geschäftsführung der KG ausgestalten darf. § 5 Nr 2 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG ordnet für den Fall, dass ein Kommanditist sein Widerspruchsrecht nach § 164 HGB wahrnimmt, lediglich an, dass über die Vornahme der Handlung die Gesellschafter auf Antrag der Komplementärin durch Beschluss entscheiden. Dadurch wird allein die den Kommanditisten bei außergewöhnlichen Geschäften zustehende Befugnis zur Mitwirkung an der Geschäftsführung konkretisiert, nicht aber eine Weisungsbefugnis in Fragen der gewöhnlichen Geschäftsführung der Komplementär-GmbH eingeräumt. Da Änderungen des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG der Schriftform bedurften (§ 18 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG), konnte ein solches Weisungsrecht auch nicht durch eine mündliche Abrede begründet werden.
Ob der Beigeladene aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position in der GmbH & Co KG in der Lage war, seine eigene Abberufung als Geschäftsführer der klagenden Komplementär-GmbH zu verhindern, kann dahinstehen. Die Möglichkeit, ein einzelnes Grundlagengeschäft auszuschließen, begründet nicht die für eine Selbstständigkeit erforderliche Rechtsmacht. Anders als bei einer umfassenden Sperrminorität blieb der Beigeladene jedenfalls außerhalb von Grundlagengeschäften an alle Weisungen der Alleingesellschafterin der Klägerin gebunden und konnte sich diesen auch im Streitfall nicht entziehen.
Die Möglichkeit, die klagende Komplementär-GmbH mit Mehrheitsbeschluss aus der GmbH & Co KG auszuschließen (§ 12 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG), vermittelt dem Beigeladenen ebenfalls nicht die Rechtsmacht, sich den Weisungen der Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH zu entziehen. Zum einen erfordert der Ausschluss der Klägerin aus der GmbH & Co KG das Vorliegen eines wichtigen Grundes, zum anderen würde dies nichts an der Verteilung der hier allein maßgeblichen Rechtsmachtverhältnisse innerhalb der Klägerin ändern. Der Beigeladene bliebe auch dann Geschäftsführer der Klägerin und den Weisungen der Alleingesellschafterin unterworfen, wenn die Klägerin nicht mehr Komplementärin der GmbH & Co KG wäre, selbst wenn dies - wie die Klägerin vorträgt - ihre einzige Geschäftstätigkeit gewesen sein sollte. Es steht ihr jederzeit - gegebenenfalls unter Änderung des Gesellschaftsvertrags - frei, ihre Geschäftstätigkeit zu ändern oder um die Beteiligung an weiteren GmbH & Co KG zu erweitern, ohne dass dies Einfluss auf die Rechtsstellung ihrer Beschäftigten hätte. Entsprechend bliebe die weisungsabhängige Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin auch von einer Auflösung der GmbH & Co KG unberührt, die darüber hinaus von einem einstimmigen Beschluss der Gesellschafter abhängig war und daher nicht allein vom Beigeladenen herbeigeführt werden konnte (§ 7 Nr 2 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO.
5. Der Streitwert war nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Auffangstreitwerts festzusetzen.
Fundstellen