Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufgelebte Witwenrente. Aufrechnung eines Teils der Witwenabfindung
Orientierungssatz
Von der wiederaufgelebten Witwenrente ist der auf die Zeit ab Entstehung des Anspruchs (= Auflösung der neuen Ehe) entfallende Teil einer anläßlich der neuen Eheschließung gezahlten Rentenabfindung selbst dann einzubehalten, wenn der Antrag auf Wiedergewährung der Rente erst später als 12 Monate nach Auflösung der neuen Ehe gestellt und deswegen die wiederaufgelebte Rente erst von einem späteren Zeitpunkt an gezahlt wird. Der einzubehaltende Teil der Rentenabfindung kann nicht um den Betrag vermindert werden, der im Falle rechtzeitiger Antragstellung der Witwe in der Zeit zwischen der Entstehung des Anspruchs und der tatsächlichen Antragstellung als wiederaufgelebte Witwenrente zugestanden hätte (vgl BSG 1978-07-05 1 RJ 34/78 = SozR 2200 § 1291 Nr 17).
Normenkette
RVO § 1291 Abs 2 Fassung: 1972-10-16
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 21.10.1981; Aktenzeichen S 11 Ar 1972/80) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten wiederaufgelebte Witwenrente ohne Kürzung durch die Witwenrentenabfindung.
Die 1913 geborene Klägerin schloß 1942 die Ehe mit dem Versicherten W.H. (H.), der 1946 starb. Seit 1958 erhielt sie nach ihm Witwenrente. Am 20. Februar 1975 heiratete sie Dr. K.W. M. Sie bekam eine Abfindung in Höhe des fünffachen Jahresbetrages der bisher bezogenen Witwenrente. Am 5. Juni 1978 starb der zweite Ehemann der Klägerin. Die Klägerin erwarb keine Versorgungs- oder Rentenansprüche nach ihm. Im Juli 1980 stellte sie einen Antrag auf erneute Gewährung der Witwenrente nach dem Versicherten H., ihrem ersten Ehemann. Die Beklagte gewährte ihr die wiederaufgelebte Witwenrente ab 1. Juli 1980. Doch rechnete sie den Teil der gewährten Abfindung auf die Rente an, der auf die Zeit nach dem 1. Juli 1978 (auf den Todestag des zweiten Ehemannes folgender Monat) entfiel (Bescheid vom 19. November 1980).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die wiederaufgelebte Witwenrente ohne Kürzung durch die Witwenrentenabfindung zu gewähren (Urteil vom 21. Oktober 1981).
Es hat ausgeführt: Sinn des § 1291 Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei es, Doppelleistungen zu vermeiden. Auch durch Manipulationen solle es nicht möglich sein, für den gleichen Zeitraum sowohl die Rentenabfindung wie auch einen aufgelebten Witwenrentenanspruch zu erhalten. Manipulationen seien im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen.
Dieses Urteil hat die Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision angefochten. Sie rügt eine Verletzung des § 1291 RVO.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19. November 1980 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Recht kürzt sie die der Klägerin wiedergewährte Witwenrente um den Betrag der Abfindung, der nicht auf die Dauer ihrer zweiten Ehe entfällt, und zu Recht behält die Beklagte diesen Betrag in Teilbeträgen ein.
Nach § 1291 Abs 2 Satz 2 RVO ist eine bei der Wiederverheiratung gezahlte Abfindung in Teilbeträgen einzubehalten, soweit sie für die Zeit nach Wiederaufleben des Anspruchs auf Rente gewährt ist. Diese Regelung ist vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung dahin verstanden worden, daß mit dem Ende der zweiten Ehe der Anspruch auf Rente wiederauflebt (Stammrecht), so daß auf die Zeit danach auch kein Anteil der Abfindung entfällt. Der Zeitpunkt, von dem an die einzelnen Rentenbeträge der Witwe erneut zustehen, wird auch davon bestimmt, wann sie den Antrag auf Wiedergewährung stellt. Das bedeutet, daß von der wiedergewährten Rente in Teilbeträgen der gesamte Abfindungsbetrag einzubehalten ist, der auf die Zeit nach der Beendigung der zweiten Ehe entfällt. Stellt die Witwe den Antrag auf Wiedergewährung der Rente verspätet, so beginnt auch die Verrechnung erst später (BSG SozR Nr 36 zu § 1291 RVO; SozR 2200 § 1291 Nr 15 und Nr 17). Diese Rechtsprechung ist auf den Wortlaut der Vorschrift, auf die Systematik des Gesetzes und auf den Sinn der Bestimmung gegründet. Von einer solch gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, besteht nur dann Grund, wenn die Argumente entkräftet werden, die zu der bisherigen Lösung geführt haben. Der Hinweis der Klägerin, die bisherige Rechtsprechung habe Manipulationen verhindern wollen, die in ihrem Falle jedoch ohnehin ausgeschlossen seien, reicht dazu nicht aus. Die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Gleichbehandlung und der Vertrauensgrundsatz sprechen dafür, es bei einer gefestigten Rechtsprechung zu belassen, wenn nicht schwerwiegende Gründe ihre Änderung angezeigt sein lassen (BSGE 40, 292, 296; 44, 151, 163 mwN).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen