Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob gegenüber einem Vergütungsanspruch die Einrede der Verjährung durchgreift.
Der Beigeladene ist als Zahnarzt in D. niedergelassen und zur kassenzahnärztlichen (seit 1. Januar 1993 einheitlich: vertragszahnärztlichen) Versorgung zugelassen. Er erbrachte bei einer (Familien-) Versicherten der beklagten Krankenkasse aufgrund des genehmigten Heil- und Kostenplanes (HuK) vom 11. Oktober 1984 zahnprothetische Leistungen. Der HuK sah im Gegensatz zu den vorherigen Planungen, die nicht genehmigt worden waren, einen herausnehmbaren an Stelle eines festsitzenden Zahnersatzes vor. Die Versicherte lehnte die am 28. November 1984 vorgesehene Eingliederung des Zahnersatzes gegenüber dem Beigeladenen mit der Begründung ab, dieser habe ihr die Versorgung mit einem festsitzenden Zahnersatz zugesagt. Die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) machte den Vergütungsanspruch für die zahnprothetischen Leistungen des Beigeladenen in Höhe von 2.749, 01 DM (zahnärztliches Honorar: 1.438, 77 DM; Zuschuß in Höhe von 60% für zahntechnische Leistungen: 1.310, 24 DM) mit der Abrechnung für Januar 1985 gegenüber der Beklagten geltend. Diese lehnte mit Schreiben vom 18. März 1985 die Bezahlung unter Hinweis auf die Erklärung der Versicherten ab. Mit derselben Begründung beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juli 1985 bei der Klägerin in Höhe der von dieser geltend gemachten Forderung die Feststellung eines "sonstigen Schadens" gemäß § 23 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z), weil der Beigeladene durch mangelnde Aufklärung der Versicherten über die eingetretenen Änderungen bei der Planung des Zahnersatzes diesen Schaden verursacht habe.
Nachdem ein in der Folgezeit zwischen Klägerin und Beklagter geführter Schriftwechsel keine Einigung gebracht hatte, hat die Klägerin am 20. Dezember 1988 beim Sozialgericht (SG) Klage auf Zahlung von 2.749, 01 DM erhoben, der das SG stattgegeben hat (Urteil vom 29. Januar 1992).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1993). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, zwar sei ein Vergütungsanspruch der Klägerin zunächst entstanden. Jedoch greife die ihm gegenüber von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durch. Bei dem geltend gemachten Anspruch handele es sich um einen Honoraranspruch. Dieser unterliege in entsprechender Anwendung des § 196 Abs. 1 Nr. 14 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einer zweijährigen Verjährungsfrist. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift - und nicht die der Regelungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) -sei geboten, weil ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den in § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB erfaßten Honorarforderungen der Zahnärzte mit dem hier streitigen Vergütungsanspruch bestehe. Auch Sinn und Zweck der BGB-Regelung, nämlich durch eine kurze Verjährung den alsbald eintretenden Beweisschwierigkeiten bei typischen Geschäften des täglichen Lebens entgegenzuwirken, träfen auf die vorliegende Konstellation zu. Die Ausgestaltung des Anspruchs des Versicherten spreche ebenfalls für eine Heranziehung der BGB-Regelung. Zu den Kosten für die Anfertigung des Zahnersatzes habe die Krankenkasse nach den damals geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) lediglich einen Zuschuß leisten müssen. Für den nicht durch den Zuschuß abgedeckten Kostenanteil habe der behandelnde Arzt einen zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Patienten gehabt, der unmittelbar der Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB unterlegen habe. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum für die auf derselben Leistung beruhenden Vergütungsansprüche unterschiedliche Verjährungsfristen gelten sollten. Diese Auffassung stehe auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Schließlich sei die Verjährung auch eingetreten. Für den im Jahre 1985 entstandenen Anspruch habe sie am 1. Januar 1986 begonnen und, weil die Einrede des nicht erfüllten Vertrages den Ablauf der Verjährungsfrist nicht hemme, am 31. Dezember 1987 geendet.
Die Klägerin rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Das Berufungsgericht sei aufgrund unzutreffender rechtlicher Erwägungen zu der Beurteilung gelangt, der geltend gemachte Anspruch sei ein Vergütungsanspruch, der in analoger Anwendung des § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB nach zwei Jahren verjährt sei. Richtigerweise sei mit dem SG ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch anzunehmen, für den entsprechend § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) eine vierjährige Verjährungsfrist gelte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
|
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Oktober 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 1992 zurückzuweisen. |
|
Die Beklagte beantragt,
|
die Revision zurückzuweisen. |
|
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Dem Begründungserfordernis des § 164 Abs. 2 Satz 1 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) trägt die Revision noch in ausreichendem Maße Rechnung. Die Revisionsbegründung vom 10. März 1994 nennt zwar nicht ausdrücklich die verletzte Rechtsnorm. Aus dem Vortrag der Revisionsklägerin läßt sich jedoch erkennen, welche Rechtsnormen sie als verletzt ansieht; denn sie setzt sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Verjährungsregelungen des § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB und § 45 SGB I betreffen, auseinander.
Die Revision ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung des Betrages von 2.749, 01 DM. Eine Honorarforderung in dieser Höhe besteht, wie das LSG zutreffend dargelegt hat und auch zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist. Diese ist im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht verjährt gewesen.
Zuzustimmen ist dem LSG allerdings, soweit es die Forderung der Klägerin entgegen der Auffassung des SG nicht als Erstattungsanspruch, sondern als kassenzahnärztlichen Honoraranspruch qualifiziert. Seiner Auffassung, dieser Honorar-bzw Vergütungsanspruch unterliege einer zweijährigen Verjährung, kann allerdings nicht beigetreten werden. Für kassen (zahn) ärztliche Honoraransprüche gilt vielmehr in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I eine vierjährige Verjährungsfrist.
Für die auf Gesetz und öffentlich-rechtlichen Verträgen (BMV-Z und Gesamtvertrag) beruhende Honorarforderung der Klägerin besteht eine spezielle Verjährungsregelung nicht. Es sind somit die für ähnliche Ansprüche geltenden Verjährungsvorschriften bzw. allgemeine Verjährungsgrundsätze heranzuziehen. Dabei ist auf die Vorschriften des BGB, die im öffentlichen Recht bei fehlender oder unvollständiger Regelung analog angewendet werden können, nur insoweit zurückzugreifen, als näherstehende Regelungen nicht vorhanden sind (BSG SozR 2200 § 368e Nr. 10 S. 19, m.w.N.). In der genannten Entscheidung hat der Senat bereits dargelegt, daß die analoge Anwendung der §§ 194ff. BGB im öffentlichen Recht, auch soweit sie ausdrücklich vorgesehen ist (§ 61 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]), unter dem Vorbehalt steht, daß sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, den Erfordernissen des öffentlichen Rechts oder den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes nichts anderes ergibt (ebenso BSGE 69, 158, 161 = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1). Die Verjährungsregelungen in den seit dem 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Büchern des SGB sehen, worauf in den genannten Entscheidungen unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen im SGB I und X sowie im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) hingewiesen worden ist, für den Regelfall eine Verjährungsfrist von vier Jahren vor (für eine vierjährige Verjährungsfrist im Regelfall auch BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 19). Der erkennende Senat hat ferner klargestellt, daß die genannten Bestimmungen des SGB zwar nicht unmittelbar für die Vergütungs- und Ersatzansprüche im Bereich der kassen (zahn) ärztlichen Versorgung, also zwischen Krankenkasse, K (Z) ÄV und Arzt bzw. ärztlich geleiteter Einrichtung, gelten. Der Gesetzgeber habe es vielmehr den Vertragspartnern überlassen, die kassen (zahn) ärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge zu regeln. Soweit solche vertraglichen Regelungen jedoch von den Vertragsparteien nicht getroffen worden seien, sei es aus Gründen der Spezialität geboten, statt der allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB die im SGB als Regelfall vorgesehene Verjährungsfrist von vier Jahren anzuwenden. Dafür spreche generell die den Vorschriften zu entnehmende gesetzgeberische Absicht, die Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche zu vereinheitlichen (vgl. zum Ganzen BSG SozR 2200 § 368e Nr. 10 S. 20 f; BSGE 69, 158, 161f. = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1; BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 19).
In Fortführung dieser Rechtsprechung ist auch der kassen (zahn) ärztliche Honoraranspruch einer vierjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen. Hierfür spricht bereits die Zuordnung dieses Anspruchs zum öffentlichen Recht. Es handelt sich um einen Anspruch aus dem Bereich der kassenzahnärztlichen Versorgung, der im Vierten Abschnitt des Zweiten Buchs der RVO als einem besonderen Teil des SGB geregelt war. Das kassen (zahn) ärztliche Vergütungssystem ist vom Sachleistungsprinzip und der Übernahme der Sicherstellungsgewähr durch die K (Z) ÄV geprägt. Durch seinen öffentlich-rechtlichen Charakter und seine Einbindung in das kassen (zahn) ärztliche Vergütungssystem unterscheidet sich der von der Klägerin erhobene Honoraranspruch in rechtlicher Hinsicht wesentlich von einem auf zivilrechtlichem Dienst- oder Werkvertrag beruhenden Honoraranspruch eines Zahnarztes gegen einen Patienten. Entgegen der Auffassung des LSG kommt daher dem Umstand, daß die klagende KZÄV Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs ist, maßgebliche Bedeutung zu. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Anspruchs mit den dargelegten Besonderheiten rechtfertigt damit die im Verhältnis zum Zivilrecht unterschiedliche rechtliche Behandlung des Vergütungsanspruchs hinsichtlich der Verjährungsfrist.
Systematische Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil des 14a-Senats vom 16. Juni 1993 - BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 19), der sich der erkennende Senat aus den in der angeführten Entscheidung genannten Gründen anschließt, gilt für den Erlaß eines die Wirtschaftlichkeitsprüfung abschließenden Verwaltungsaktes eine Ausschlußfrist von vier Jahren. Der Honoraranspruch des Arztes wird mit dem Honorarabrechnungsbescheid zunächst vorläufig festgesetzt. Der Bescheid steht unter Vorbehalt der späteren Überprüfung auf Wirtschaftlichkeit. Erst mit Abschluß des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens wird der Honoraranspruch endgültig festgesetzt (BSG a.a.O.). Hiermit stünde es in sachlich-systematischem Widerspruch, wenn einerseits den Beteiligten für Durchführung und Abschluß der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein Zeitraum von vier Jahren seit Erlaß des Honorarabrechnungsbescheides zur Verfügung stünde, andererseits der Honoraranspruch, auf den sich die Wirtschaftlichkeitsprüfung bezieht, bereits nach zwei Jahren verjährt wäre.
Ein weiterer Gesichtspunkt stützt diese Überlegungen und spricht gegen die analoge Anwendung des § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB auf den kassen (zahn) ärztlichen Honoraranspruch. Die Geltendmachung des Anspruchs einer K (Z) ÄV gegen den Kassen (zahn) arzt auf Erstattung überzahlten kassen (zahn) ärztlichen Honorars beurteilt sich nach den Voraussetzungen des § 50 SGB X (Urteile des Senats vom 1. Februar 1995 - 6 RKa 9/94, zur Veröffentlichung in SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 vorgesehen - und 6 RKa 12/94, 6 RKa 13/94). Der Erstattungsanspruch, bei dem es sich um die Kehrseite des ursprünglichen Honoraranspruchs handelt, verjährt gemäß § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Auch mit diesem Ergebnis wäre es schwerlich vereinbar, wenn der Honoraranspruch selbst schon nach zwei Jahren verjähren würde.
Nach allem verjähren kassen (zahn) ärztliche Honoraransprüche in analoger Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I in vier Jahren. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage ist der von der Klägerin erhobene Anspruch im Zeitpunkt der am 20. Dezember 1988 erfolgten Klageerhebung, die in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 209 Abs. 1 BGB die Verjährung unterbricht, noch nicht verjährt gewesen. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Honoraranspruch zu Beginn des Jahres 1985 mit Vorlage der vom Beigeladenen eingereichten, von der Klägerin geprüften und festgesetzten Honorarforderung bei der beklagten Krankenkasse entstanden ist. Die vierjährige Verjährungsfrist lief somit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1989.
Die Revision der Klägerin war daher begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.6 RKa 17/94
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen