Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung von Bescheiden
Leitsatz (redaktionell)
1. Selbst bei Zustellungsmängeln gilt ein im Widerspruchsverfahren anfechtbarer Bescheid als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem der Empfangsberechtigte ihn nachweislich erhalten hat; dazu muß das Schriftstück in den Gewahrsam des Empfangsberechtigten gelangt und ihm die Möglichkeit gegeben sein, über das Schriftstück zu verfügen.
2. Einem Betriebsinhaber obliegt es, Vorsorge für eine unverzügliche Weiterleitung der eingehenden Geschäftspost an den richtigen Adressaten zu treffen, bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß er sich das Fehlen solcher Vorkehrungen als Verschulden anrechnen lassen.
Normenkette
VwZG § 4 Abs. 2, § 9 Abs. 1; SGG § 67 Abs. 1, § 84
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 1971 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Kläger - Vater und Sohn - betreiben gemeinsam in S…/Krs. K… eine Schreinerei mit 7 Beschäftigten. Im Februar 1968 erlitt ein Schreinergehilfe in ihrem Betrieb beim Einsatzfräsen einen Unfall, den die Beklagte entschädigt. Mit Bescheiden vom 27. Juni 1968 - an demselben Tag mit eingeschriebenen Briefen zur Post gegeben - verhängte die Beklagte gegen beide Kläger wegen grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) Ordnungsstrafen von je 150,-- DM mit der Begründung, der Unfall des Gehilfen sei durch die Unterlassung der Kläger, eine Vorrichtung gegen Werkstückrückschlag beim Einsatzfräsen zu beschaffen, schuldhaft ermöglicht worden. Nachdem die Beklagte am November 1968 die Zahlung der Ordnungsstrafen angemahnt hatte, wandten sich die Kläger am 12. November 1968 schriftlich an die Beklagte, bestritten die Berechtigung der Straffestsetzungen und beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist. Durch Beschlüsse der Widerspruchsstelle vom 28. Februar 1969 wies die Beklagte die Anträge auf Wiedereinsetzung zurück: Die Kläger müßten sich das schuldhafte Verhalten von Frau B… (B.) - Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter des Klägers zu 2) - anrechnen lassen, die für sie die Briefe mit den einliegenden Strafbescheiden entgegengenommen, sie ihnen jedoch nicht unverzüglich vorgelegt habe.
Die Kläger haben am 11. März 1969 Klage erhoben mit den Anträgen, die Bescheide vom 28. Februar 1969 aufzuheben, Wiedereinsetzung zwecks Einlegung des Widerspruchs gegen die Bescheide vom 27. Juni 1968 zu gewähren und diese Bescheide aufzuheben. Sie haben - wie schon im Verwaltungsverfahren - geltend gemacht, die Ordnungsstrafbescheide seien an einem nicht mehr näher feststellbaren Tag, vermutlich kurz nach dem Ausfertigungsdatum, als sie beide auswärts gearbeitet hätten, der Ehefrau bzw. Mutter der Kläger (Frau B.) übergeben worden. Frau B. sei in geschäftlichen Dingen völlig unerfahren und habe die Bedeutung der Zustellungen nicht erkennen können. Sie habe die Schreiben für übliche Mitteilungen der Beklagten gehalten und deshalb beiseite gelegt in der Annahme, sie wurden zur gegebenen Zeit vorgefunden werden. Der Kläger zu 1) sei um den 7. Juli 1968 für mehrere Wochen in Urlaub gefahren; die Briefe seien daher in Vergessenheit geraten; der Kläger zu 2) habe sie nicht vorgefunden. Erst durch die Mahnungen der Beklagten vom 4. November 1968 hätten die Kläger von der Existenz der Strafbescheide erfahren. Im übrigen lasse die Rechtsmittelbelehrung der Bescheide nicht erkennen, welchen Inhalt und welche Begründung ein etwaiger Widerspruch haben müsse; Die Belehrungen seien daher unvollständig und hätten eine Frist nicht in Lauf gesetzt.
Das Sozialgericht (SG) hat die getrennt erhobenen Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom 7. Mai 1971 abgewiesen: Die Zustellungsart entspreche den Bestimmungen der Deutschen Bundespost (DBP) über die Zustellung von Einschreibebriefen; die Übergabe der Bescheide an die Ehefrau bzw. Mutter der Kläger sei nicht zu beanstanden. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da das Verschulden eines Vertreters demjenigen des Vertretenen gleichzuachten sei. Frau B. habe schon aus der Notwendigkeit den Empfang der Briefe schriftlich zu bestätigen, erkennen müssen, daß es sich um bedeutsame Schriftstücke gehandelt habe. Sie habe schuldhaft gehandelt, wenn sie gleichwohl die Schriftstücke ohne Hitteilung an die Kläger zur Seite gelegt habe. Die Rechtsbehelfsbelehrung in den Strafbescheiden sei vollständig und richtig; die Widerspruchsfrist sei daher in Lauf gesetzt worden.
Mit der Berufung haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und außerdem die Ansicht vertreten, aus Gründen der Billigkeit und mit Rücksicht auf Treu und Glauben müsse ihnen, vor allem im Hinblick auf die der Höhe nach nicht absehbare Regreßforderung der Beklagten, Wiedereinsetzung gewährt werden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 22. Dezember 1971 die Berufung der Kläger zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Widerspruchsfrist sei versäumt, ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor. Die Strafbescheide gälten nach § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit Ablauf des 3. Tages nach der Aufgabe zur Post, mithin mit Ablauf des 30. Juni 1968, als zugestellt. Anhaltspunkte dafür; daß die Schriftstücke den Klägern nicht oder zu einen späteren Zeitpunkt zugegangen seien, lägen nicht vor. Zugegangen seien die Briefe mit der Übergabe an Frau B. da nach den Umständen zu erwarten gewesen sei, daß die Kläger in diesem Zeitpunkt von dem Inhalt der in ihren Machtbereich gelangten Briefe Kenntnis nahmen; die tatsächliche Kenntnisnahme sei nicht erforderlich. Für die Wirksamkeit der Zustellung sei es ohne Bedeutung, daß der Tag, an dem die Briefe zur Post gegeben worden seien, nur aus den auf die Urschrift der Bescheide aufgeklebten Posteinlieferungsscheinen (PESch) ersichtlich, nicht dagegen darüber hinaus auch noch besonders in den Akten der Beklagten vermerkt sei. Die Gegenmeinung, die sich an die Rechtsprechung der Zivilgerichte und das überwiegende Schrifttum zu § 213 der Zivilprozeßordnung (ZPO) anlehne, überzeuge nicht.
§ 4 Abs. 2 VwZG enthalte eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Widerspruchsfrist von einem Monat sei somit durch die wirksame Zustellung am 30. Juni 1968 in Lauf gesetzt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei richtig; sie führe die in § 84 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) enthaltenen Frist- und Formbestimmungen an. Eine Begründung des Widerspruchs schreibe das Gesetz nicht vor; eine Belehrung über Inhalt und Möglichkeit einer Begründung sei deshalb nicht erforderlich, ebensowenig über eine etwaige präjudizielle Wirkung der Strafbescheide für das Regreßverfahren. Die Frist sei am 31. Juli 1968 abgelaufen, der Widerspruch somit verspätet. Gründe für eine Wiedereinsetzung lägen nicht vor. Selbst unter Berücksichtigung eines den Verhältnissen eines Handwerksbetriebes mit 7 Beschäftigten auf dem Lande angepaßten Maßstabes sei den Klägern eine schuldhafte Fristversäumnis vorzuwerfen. Die leitenden Personen eines Unternehmens dieser Größenordnung seien verpflichtet, Einrichtungen zu schaffen, die gewährleisteten, daß die gesamte Geschäftspost umgehend an den richtigen Adressaten gelange. Für Einschreibebriefe von Behörden, die erfahrungsgemäß Mitteilungen von besonderer Wichtigkeit enthielten, gelte dies ganz besonders. Wenn die Kläger keine besonderen - geschulten - Bürokräfte beschäftigten und die Annahme der Post ihrer Ehefrau bzw. Mutter überließen, hätten sie diese zumindest auf die Notwendigkeit hinweisen müssen, alle Post, insbesondere eingeschriebene Briefe von Behörden, unverzüglich vorzulegen oder an einem bestimmten, regelmäßig dafür benutzten Platz aufzubewahren. Anderenfalls hätten sie sich selbst täglich nach den Posteingängen erkundigen müssen. Dies hätten sie offensichtlich nicht getan. Es komme deshalb nicht darauf an, ob ihre Ehefrau bzw. Mutter die Briefe als Vertreterin, deren Verschulden den Klägern anzurechnen wäre, oder lediglich als Hilfsperson angenommen habe. Unverschuldet wäre die Fristversäumnis auch nicht, wenn die Kläger die Strafbescheide nur aus Unkenntnis ihrer Bedeutung für das Regreßverfahren nicht rechtzeitig angefochten hätten; sie hätten sich insoweit Rechtsbelehrung verschaffen müssen.
Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrag,
die Strafbescheide aufzuheben,
hilfsweise,
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Sie tragen vor: Die Zustellung der Bescheide sei unwirksam, da der nach § 4 Abs. 2 VwZG erforderliche Aktenvermerk fehle. § 4- VwZG sei darüber hinaus verfassungswidrig; die fiktive Zustellung verletze das rechtliche Gehör des Zustellungsempfängers für den Fall, daß das Schriftstück zwar zur Post gegeben, jedoch nicht ordnungsgemäß zugestellt werden könne. Da keine Frist gelaufen sei, müsse der Widerspruch als rechtzeitig erhoben angesehen werden, Fürsorglich werde Wiedereinsetzung beantragt. In der Sache seien die Strafbescheide unrechtmäßig, da auch die Beklagte nicht behauptet habe, daß der Unfall des Gehilfen im Februar 1968 durch Fehlen wesentlicher Schutzvorschriften verursacht worden sei; übrigens sei die Vorrichtung tatsächlich vorhanden gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Revision der Kläger ist nicht begründet.
Zutreffend sind das SG und das LSG - übereinstimmend mit den Beteiligten - davon ausgegangen, daß Ordnungsstrafbescheide vor Erhebung der Klage in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind (§§ 78, 79 Nr. 1 SGG). Bei der Festsetzung von Ordnungsstrafen wegen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften steht dem Vorstand der Berufsgenossenschaft ein Ermessensspielraum hinsichtlich des Strafmaßes zu (§ 710 Abs. 1 Halbsatz 1 RVO). Auf diese Fälle ist die Vorschrift des § 79 Nr. 1 SGG über die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens anzuwenden (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1. - 7. Aufl. S. 285 und 234 a VI; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 12 zu § 710; RVO-Gesamtkommentar, Anm. 7 zu § 710).
Die Kläger haben die Frist zur Erhebung des Widerspruchs, mit dem das Vorverfahren beginnt (§ 83 SGG), nicht gewahrt (§ 84 SGG). Da die Rechtsbehelfsbelehrung in den Bescheiden vom 27. Juni 1968 unter Angabe des Rechtsbehelfs, der Anschrift des Adressaten und der einzuhaltenden Frist richtig und vollständig erteilt worden ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen, unter denen nach § 66 Abs. 2 SGG der Rechtsbehelf noch innerhalb eines Jahres eingelegt werden kann, nicht vor.
Die Bescheide vom 27. Juni 1968, die an demselben Tag von der Beklagten als eingeschriebene Briefe an die Adresse der Kläger zur Post gegeben worden sind, enthalten auf der jeweiligen Urschrift den aufgeklebten Posteinlieferungsschein; der Tag, an dem die Bescheide zur Post aufgegeben worden sind, ist nicht außerdem auch noch besonders in den Akten der Beklagten vermerkt (vgl. § 4 Abs. 2 VwZG idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des VwZG vom 19.5.1972 - BGBl I 789 -). Die - vom LSG verneinte - Frage (vgl. auch Krasney in VzS 1971, 297 m. Nachw.), ob der Vermerk nach § 4 Abs. 2 VwZG Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung ist, brauchte jedoch aus Anlaß dieses Falles nicht entschieden zu werden. Ein durch den fehlenden Vermerk etwa begründeter Zustellungsmangel ist nämlich jedenfalls dadurch geheilt, daß die Empfangsberechtigten die Bescheide tatsächlich erhalten haben (§ 9 Abs. 1 VwZG). Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 VwZG, nach der Abs, 1 nicht anzuwenden ist - eine Heilung also ausscheidet wenn mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage, eine Berufungs-, Revisions- oder Rechtsmittelbegründungsfrist beginnt, bezieht sich nach herrschender Meinung nur auf Fristen für Handlungen, die unmittelbar ein gerichtliches Verfahren einleiten oder sich gegen eine bereits ergangene gerichtliche Entscheidung richten. Die Heilung von Zustellungsmängeln nach § 9 Abs. 1 VwZG ist deshalb nicht durch Abs. 2 dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn - wie hier - mit der Zustellung die Frist zur Erhebung des Widerspruchs in einem dem gerichtlichen Verfahren vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens beginnt (BGH in NJW 1972, 1238 mit weiteren Schrifttumsnachweisen; BFH in BStBl. 1972 Teil II S. 506 unter Aufgabe der früheren Rspr.; vgl. auch Kohlrust/Eimert, Das Zustellungsverfahren nach dem VwZG, Anm. 3 zu § 9 VwZG; ferner die Kommentare zur VwGO: Eyermann/Fröhler, Anm. 21 zu § VwGO; Schunck/de Clerck, Anm. 5 c zu § 56 VwGO; Redeker/von Oertzen, Anm, 12 zu § 56 VwGO, Anm. 2 zu § 70; im Ergebnis auch BVerwG 23, 89).
Nach § 9 Abs. 1 gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen läßt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Der Empfangsberechtigte hat ein Schriftstück erhalten, sobald es in seinen Gewahrsam gelangt ist und er tatsächlich darüber verfügen kann; jedenfalls dann ist ihm das Schriftstück zugegangen (Kohlrust/Eimert aaO Anm. 3 FN 85 zu § 9; von Rosen/von Hoewel, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz und zum VwZG, Anm. B I zu § 9 VwZG; BGH in NJW 1972, 1238). Es genügt, daß er die Möglichkeit hatte, über das Schriftstück zu verfügen; das Gesetz stellt nicht auf die Kenntnisnahme von dem zuzustellenden Schriftstück ab (BGH aaO). Die Briefe mit den Bescheiden sind, da die. Kläger nicht angetroffen wurden, der Ehefrau des Klägers zu 1 (Mütter des Klägers zu 2) übergeben worden. Dies entsprach den Bestimmungen der Postordnung vom 16. Mai 1963 (BGBl I 341) - § 51 Abs. 3 iVm Abs. 1 und 2 Nr. 1 -, nach denen sich die Zustellung an einen Ersatzempfänger auch in den Fällen des § 4 VwZG regelt (vgl. Brackmann aaO S. 236 O II, 236 p). Da Frau B. die Briefe mit den Strafbescheiden in der gemeinsamen Wohnung der Kläger annahm und dort "ablegte" - ein besonderer Geschäftsraum war nicht vorhanden, die Briefe sind auch nicht aus der Wohnung entfernt worden hatten die Kläger als Empfangsberechtigte bereits in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, darüber zu verfügen; die Briefe waren ihnen zugegangen. Gegen die Feststellung des LSG9 daß dies spätestens am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post - also am 30. Juni 1968 - geschehen ist, haben die Kläger keine Einwendungen, insbesondere auch keine Verfahrensrügen, erhoben. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs von einem Monat (§ 84 SGG) war somit am 12. November 1968 bereits abgelaufen.
Mit zutreffenden Erwägungen hat das LSG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als gegeben erachtet. Nach § 67 Abs. 1 SGG wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, wenn eine gesetzliche Verfahrensfrist versäumt und die Nichteinhaltung dieser Frist unverschuldet ist. Für die Beurteilung der Frage, ob die Kläger ohne Verschulden von der Zustellung keine - bzw. verspätet - Kenntnis erhalten haben, kommt es auf diejenige Sorgfalt an, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Handelnden geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (vgl. BSG 1, 227, 232). Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen, es ist wesentlich auf die Verhältnisse der Beteiligten abzustellen (vgl. BSG SozR Nr. 35 zu § 67 SGG). Sind hiernach an die Sorgfaltspflicht rechtsunerfahrener Personen zwar geringere Anforderungen zu stellen als an die Sorgfaltspflicht Rechtskundiger, so ist doch der Auffassung des LSG darin beizupflichten, daß die Kläger auch unter Berücksichtigung eines den Verhältnissen eines Handwerksbetriebs auf dem Lande mit sieben Beschäftigten angemessenen Maßstabes nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert waren. Es oblag den Klägern als den leitenden Personen des Unternehmens, Vorsorge dafür zu schaffen, daß die Posteingänge umgehend an den richtigen Adressaten gelangten. Beschäftigten die Kläger kein Büropersonal und überließen sie daher die Entgegennahme auch der Geschäftspost ihrer Ehefrau bzw. Mutter, so mußten sie jedenfalls durch entsprechende Belehrung darauf hinwirken, daß die Posteingänge unverzüglich an den Adressat weitergeleitet - ggf. an einer dafür vorgesehenen, regelmäßig überprüften Stelle abgelegt - wurden.
Dies gilt, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, in besonderem Maße für Behördenpost, zumal wenn sie mit eingeschriebenem Brief zugestellt wird. Da die Kläger die erforderliche Vorsorge nicht getroffen und sich auch nicht stattdessen selbst täglich nach den Posteingängen erkundigt haben, beruht die Fristversäumnis auf ihrem eigenen Verschulden, Es kann deshalb dahinstehen, ob und in welchem Maße auch Frau B. schuldhaft gehandelt hat und ob die Kläger sich dieses Verschulden anrechnen lassen müßten.
Bei schuldhafter Fristversäumnis fehlt es an der zwingenden gesetzlichen Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, die allein aus Billigkeitserwägungen nicht gewährt werden darf.
Der Senat teilt nicht die Ansicht der Revision, die Vorschrift des § 4 VwZG sei verfassungswidrig, die "fiktive Zustellung" verletze das rechtliche Gehör des Zustellungsempfängers für den Fall, daß das Schriftstück zur Post gegeben, jedoch nicht ordnungsgemäß zugestellt werden könne. Nach § 4 Abs. 1 VwZG gilt zwar bei der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes dieser mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, Diese Regelung greift jedoch, wie die Vorschrift ausdrücklich vorsieht, nicht ein, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Das LSG hat somit richtig entschiedene.
Die Revision der Kläger war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen