Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung einer Leistung des Rentenversicherungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Übergangsregelung des Art 4 § 2 AFKG bezieht sich nicht auf Leistungen, die der Träger dem Versicherten ausdrücklich nur als Vorschuß auf eine endgültige Leistung und unter dem Vorbehalt der Verrechnung und ggf der Rückforderung gewährt hat.

 

Orientierungssatz

Unter "Bewilligung" nach Art 4 § 2 S 1 Alt 1 AFKG einer Leistung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen seiner Zuständigkeit zur beruflichen Rehabilitation ist sicher nichts anderes als die "Anerkennung des angemeldeten Anspruchs" iS von § 1630 RVO zu verstehen. Die Gewährung einer nur vorläufigen Leistung unter ausdrücklichem Vorbehalt ihrer erst endgültigen Festsetzung, Verrechnung und ggf Rückforderung der vorläufigen Zahlungen erfüllt nicht den gesetzlichen Tatbestand. Einem Vorschuß (vgl § 42 des SGB 1) ist es wesenseigen, durch eine erst zukünftige endgültige Verbescheidung des Leistungsantrags abgelöst und ersetzt zu werden; er genießt keinen Bestandsschutz.

 

Normenkette

AFKG Art 4 § 2 S 1 Alt 1 Fassung: 1981-12-22; RVO §§ 1241, 1630; SGB 1 § 42 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 04.05.1983; Aktenzeichen L 2 J 2063/82)

SG Mannheim (Entscheidung vom 23.09.1982; Aktenzeichen S 2 J 1308/82)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe eines Übergangsgelds ab 1. Januar 1982.

Der 1938 geborene Kläger, gelernter Gesenkbauer, mußte sich 1978 einer schweren Herzoperation unterziehen; postoperativ trat eine chronische Leberentzündung auf. Er kann den zuletzt ausgeübten Beruf eines Schlossers nicht mehr verrichten.

Auf den Antrag des Klägers vom Mai 1980 bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) mit Bescheid vom 6. März 1981 als berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation - nach Abschluß einer zugleich gewährten Vorschulung - eine Umschulung für den Beruf des Nachrichtengerätemechanikers in einem Berufsförderungswerk in Heidelberg. Nach Abschluß der Vorschulung (vom 2. September bis 25. November 1981) begann der Kläger ab 26. November 1981 die auf 18 Monate angelegte Berufsausbildung.

Schon mit Bescheid vom 12. September 1981 hatte ihm die Beklagte außerdem ab 2. September 1981 - Beginn der Vorschulung - Übergangsgeld von täglich 46,49 DM bewilligt. Mit weiterem Bescheid vom 5. Dezember 1981 gewährte ihm die Beklagte ab 26. November 1981 - Beginn der beruflichen Ausbildung - Übergangsgeld von täglich 46,49 DM "und ab 1. Januar 1982 in Höhe von täglich 48,35 DM". Hierzu heißt es in der Begründung:

"...nach dem Entwurf des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) soll ua die Höhe des Übergangsgeldes für Rehabilitationsmaßnahmen vom 1. Januar 1982 an herabgesetzt werden. Die derzeitigen Rechtsvorschriften gelten nur bis zum 31. Dezember 1981. Das Übergangsgeld, das für Zeiten danach zusteht, ist ggf nach den neuen Vorschriften zu berechnen.

Ob und ab wann das Ihnen bewilligte Übergangsgeld neu zu berechnen ist, hängt von der endgültigen Fassung der oa gesetzlichen Regelungen ab. Da wegen der zur Zeit noch nicht absehbaren Dauer des Gesetzgebungsverfahrens die mit der Zahlungsumstellung verbundenen Arbeiten möglicherweise bis zum 1. Januar 1982 nicht abgeschlossen werden können, werden die ggf von diesem Tage an gezahlten Leistungen als Vorschuß auf das neu zu berechnende Übergangsgeld erbracht. Evtl Überzahlungen werden mit noch zustehenden Leistungen verrechnet oder von Ihnen zurückgefordert. Hierauf weisen wir ausdrücklich hin."

Gegen diesen mit Widerspruchs- und Klagebelehrung versehenen Bescheid hat der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt.

In einem Bescheid vom 25. Januar 1982 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Februar 1982 wiederum Vorschuß auf das Übergangsgeld diesmal im Betrag von 37,-- DM täglich. In der Begründung heißt es, die Höhe des Übergangsgelds sei durch das AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) mit Wirkung vom 1. Januar 1982 an geändert worden. Die Berechnung nach § 1241a Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei derzeit noch nicht möglich. Das für Januar 1982 gezahlte Übergangsgeld von täglich 48,35 DM sei ebenfalls als Vorschuß auf das ab 1. Januar 1982 noch zu berechnende Übergangsgeld erbracht.

Mit dem streitigen Bescheid vom 16. Februar 1982 berechnete und bewilligte die Beklagte dem Kläger schließlich das Übergangsgeld rückwirkend ab 1. Januar 1982 mit 26,25 DM kalendertäglich endgültig nach dem AFKG. Zugleich verfügte sie, daß dem Kläger der für Januar 1982 gezahlte Vorschuß "wieder verrechnet" werden würde.

Auf den Rechtsbehelf des Klägers hat das Sozialgericht (SG) diesen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1982 Übergangsgeld in Höhe von 46,49 DM täglich zu zahlen (Urteil vom 23. September 1982). Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Mit Bescheid vom 11. November 1982 erhöhte die Beklagte das Übergangsgeld des Klägers ab 19. Oktober 1982 (Geburt eines Kindes) auf 31,50 DM und ab 1. November 1982 (nach dem 21. Rentenanpassungsgesetz -RAG-) auf 33,32 DM täglich.

In der angefochtenen Entscheidung vom 4. Mai 1983 hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage - auch gegen den Bescheid vom 11. November 1982 - abgewiesen. In der Begründung ist hierzu ausgeführt, der letztgenannte Bescheid sei gem § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Zutreffend stütze die Beklagte ihre Entscheidung auf die ab 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Übergangsvorschriften des Art 4 § 2a AFKG (richtig: Art 4 § 2 Satz 2 Buchst a) AFKG). Der Kläger sei iS dieser Vorschrift vor dem 1. Januar 1982 - 26. November 1981 - in eine Maßnahme eingetreten, und es seien ihm Leistungen mit einem Hinweis auf die Änderungen in diesem Gesetz bewilligt worden. Aus diesem Bescheid, nicht aus § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) folge auch die verfahrensrechtliche Befugnis der Beklagten, den Bewilligungsbescheid hinsichtlich der Leistungshöhe aufzuheben. Mit dem - die Vorschulung betreffenden - Bescheid vom 12. September 1981 habe die Beklagte ein Übergangsgeld von täglich 46,49 DM nicht auf Dauer bewilligt. Es liege in ihrem Ermessen, Übergangsgeld auch nur für bestimmte Zeiträume zu gewähren; ein Ermessensfehlgebrauch liege nicht vor. Der Kläger habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, daß er die durch den Bescheid vom 5. Dezember 1981 erworbene Rechtsposition bis zum Abschluß der Umschulung behalten werde. Die Beklagte habe nämlich dem Erfordernis des Art 4 § 2a AFKG Rechnung getragen und einen ausreichenden konkreten und bestimmten Hinweis auf die möglichen Änderungen durch ein AFKG erteilt.

Das LSG hat in diesem Urteil die Revision zugelassen.

Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er bringt vor, der Übergangsgeldbescheid vom 5. Dezember 1981 enthalte keinen Hinweis auf das erst am 22. Dezember 1981 beschlossene, am 29. Dezember 1981 verkündete und am 1. Januar 1982 in Kraft getretene AFKG; hingewiesen sei in dem Bescheid lediglich auf den Entwurf eines AFKG. Dieser Entwurf sei kein Gesetz; dieses komme erst mit der Beschlußfassung durch den Deutschen Bundestag und die nachfolgende Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt zustande. Der Hinweis auf den Entwurf eines Gesetzes, der nach Verkündung des Gesetzes gegenstandslos sei, sei ohne Bedeutung. Wenn in Art 4 § 2 AFKG auf "die Änderungen in diesem Gesetz" abgestellt werde, dann könne es nur um Änderungen gehen, wie sie in dem erst ab 1. Januar 1982 geltenden AFKG enthalten seien. Was vor dem Inkrafttreten des Gesetzes an Änderungsvorstellungen, Änderungswünschen und -notwendigkeiten bestanden habe, sei ohne Belang. Für seinen Anspruch spreche der Vertrauensschutz, den er aufgrund der ihm am 6. März und am 12. September 1981 erteilten Bescheide verdiene. Letzterer stelle sich als einheitlicher Bewilligungsbescheid für beide Maßnahmen - Vorschulung und Hauptschulung - dar. Eine Unklarheit und Unvollständigkeit des Bescheids müsse die Beklagte gegen sich gelten lassen. Im übrigen hätte die Beklagte vor dem Beginn der zweiten Maßnahme - Umschulung in Heidelberg - auf eine mögliche Reduzierung des Übergangsgeldes hinweisen müssen; er habe ein besonderes, rechtlich schützenswertes Interesse gehabt, vor Antritt der Umschulung zu erfahren, ob er die vor ihm liegende Maßnahme finanziell abgesichert beginnen und zu Ende führen könne. Da der rechtswidrige und unklare Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 1981 keinen rechtsbeachtlichen Hinweis auf das AFKG enthalten habe, seien die Voraussetzungen des Art 4 § 2 Satz 1 aaO erfüllt. Er habe danach Anspruch nach dem bis zum 31. Dezember 1981 geltenden alten Recht, also auch ab 1. Januar 1982 auf Übergangsgeld von kalendertäglich 46,49 DM.

Der Kläger beantragt: 1. Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Mai 1983 wird aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 1982 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, der streitige Übergangsgeldbescheid vom 5. Dezember 1981 habe den Hinweis erhalten, daß nach dem Entwurf eines AFKG die Höhe des Übergangsgelds vom 1. Januar 1982 an herabgesetzt werden solle, daß die derzeitigen Rechtsvorschriften nur bis zum 31. Dezember 1981 gelten und daß das Übergangsgeld ab 1. Januar 1982 nach den neuen Vorschriften berechnet werden würde. Ein weitergehender Hinweis sei damals nicht möglich gewesen. Zentraler Punkt sei die Frage, ob das Übergangsgeld auch für die Umschulung ab 26. November 1981 bereits mit dem Bescheid vom 12. September 1981 bewilligt worden sei oder ob sich dieser Bescheid lediglich auf die stationäre Vorschulung bezogen habe. Ersteres aber sei der Fall.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Unter den Beteiligten ist nicht streitig, daß die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid vom 16. Februar 1982 idF zuletzt des Bescheids vom 11. November 1982 das Übergangsgeld des Klägers ab 1. Januar 1982 unter Anwendung von §§ 1241 ff RVO idF des an diesem Tag in Kraft getretenen AFKG (Art 41 Abs 1 aaO, BGBl I 1497) richtig berechnet hat. Kontrovers ist dagegen der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschriften des AFKG auf den vorliegenden Fall, insbesondere die Frage, ob auf den Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld ab 1. Januar 1982 die §§ 1241 ff RVO noch in der bis dahin in Kraft gewesenen Fassung anzuwenden sind. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beurteilen sich Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Ansprüche nach dem Recht, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstands gegolten hat, sofern nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß anderes bestimmt (vgl SozR Nr 1 zu § 9 der 7. BKVO; BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr 3; BSGE 45, 213, 214 = SozR 2200 § 182 Nr 29; SozR 2200 § 182 Nr 85; die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung des BSG vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 17/83). Da der Anspruch des Betreuten auf Übergangsgeld bei einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation (§ 1241a RVO) von der materiell-konstitutiv wirkenden Bewilligung dieser Maßnahme (vgl BSGE 55, 53 = SozR 2200 § 1237a Nr 23) ausgelöst wird und von ihr abhängt (vgl BSG SozR 2200 § 1241 Nr 21), gilt für die Berechnung des Übergangsgelds in bezug auf die von der Beklagten dem Kläger mit Bescheid vom 6. März 1981 bewilligte und am 2. September 1981 (Vorschulung) bzw am 26. November 1981 (berufliche Umschulung) begonnene berufliche Rehabilitation grundsätzlich § 1241a RVO idF des § 21 Nr 71 des Gesetzes zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) und der geringfügigen Änderungen durch Art 2 § 1 Nr 8 Buchst a des 20. RAG vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040).

Indessen hat der Gesetzgeber den für den zeitlichen Geltungsbereich einer Sozialrechtsnorm geltenden Rechtsgrundsatz durch die speziellere ausdrückliche Regelung in Art 4 § 2 AFKG erheblich, und zwar wie folgt modifiziert:

Satz 1 aaO verfügt die weitere Anwendbarkeit ua der §§ 1241 Abs 1, 2 und 4, 1241a, 1241b, 1241d Abs 2, 1241e Abs 3 und des § 1241f Abs 2 RVO in der bis 31. Dezember 1981 geltenden Fassung nur unter der Voraussetzung, daß - 1. Alternative - der Betreute vor dem 1. Januar 1982 in eine Maßnahme eingetreten ist und ihm Leistungen ohne einen Hinweis auf die Änderungen in diesem Gesetz "bewilligt wurden" oder daß er - 2. Alternative - vor dem 2. September 1981 in eine Maßnahme eingetreten ist und Leistungen beantragt hat. Die 2. Alternative scheidet offenkundig aus: Der Kläger ist nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht vor, sondern frühestens erst am 2. September 1981 - an diesem Tag begann die Vorschulung des Klägers - in eine Maßnahme eingetreten. Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen der 1. Alternative aaO: Zwar ist er spätestens am 26. November 1981 - Beginn der Berufsausbildung in Heidelberg -, dh schon vor dem 1. Januar 1982 in eine Maßnahme eingetreten. Jedoch hatte ihm die Beklagte vor dem 1. Januar 1982 zuletzt nicht - mehr - "Leistungen bewilligt": Mit dem Bescheid vom 5. Dezember 1981 hatte ihm die Beklagte für die Zeit ab 1. Januar 1982 ausdrücklich nur noch einen "Vorschuß" auf das von diesem Tag angeblich "neu zu berechnende Übergangsgeld" bewilligt und die "Verrechnung", ggf sogar die "Zurückforderung" der "von diesem Tag an gezahlten Leistungen" ausdrücklich in Aussicht gestellt. Dieser Vorschuß-Bescheid enthält zugleich unausgesprochen, aber unmißverständlich einen Widerruf des dem Kläger durch die früheren Bescheide der Beklagten, ua also auch durch den Bescheid vom 12. September 1981 uneingeschränkt bewilligten Übergangsgelds mit Ablauf des 31. Dezember 1981; hieran hat die Beklagte nur noch eine vorläufige Leistung - Vorschuß - anschließen lassen, die mit einem künftigen Anspruch zu verrechnen sei. Da der Kläger den Bescheid vom 5. Dezember 1981, der eine ordnungsgemäße Widerspruchs- und Klagebelehrung enthielt, nicht angefochten hat, wurde er nach ungenutztem Ablauf der Rechtsbehelfsfrist auch für den Kläger nicht nur unanfechtbar, sondern nach § 77 SGG auch in der Sache bindend. Unerheblich ist hierbei, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1982 an Stelle des bislang unbedingten Übergangsgelds nur noch einen Vorschuß zu bewilligen (vgl zur Zulässigkeit einer nur vorläufigen Leistung im Falle einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 RehaAnglG, ferner § 43 Abs 1 und 2 SGB 1; zur Eigenschaft der Bewilligung einer vorläufigen Leistung als Verwaltungsakt iS von § 31 SGB 10 vgl zB Hauck/Haines, SGB I, § 43 RdNr 8). Die Ersetzung der früheren uneingeschränkten Bewilligung von Übergangsgeld durch einen Vorschuß ab 1. Januar 1982 enthält außerdem eine vorläufige qualifizierte Ablehnung des Leistungsanspruchs des Klägers von diesem Zeitpunkt an, die mit dem Inaussichtstellen einer erst zukünftigen, endgültigen Entscheidung hierüber verbunden ist.

Da Art 4 § 2 Satz 1 Alternative 1 AFKG unter "Bewilligung" einer Leistung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen seiner Zuständigkeit zur beruflichen Rehabilitation sicher nichts anderes als die "Anerkennung des angemeldeten Anspruchs" iS von § 1630 RVO versteht, erfüllt die Gewährung einer nur vorläufigen Leistung unter ausdrücklichem Vorbehalt ihrer erst endgültigen Festsetzung, Verrechnung und ggf Rückforderung der vorläufigen Zahlungen nicht den gesetzlichen Tatbestand. Einem Vorschuß (vgl § 42 des SGB 1) ist es wesenseigen, durch eine erst zukünftige endgültige Verbescheidung des Leistungsantrags abgelöst und ersetzt zu werden; er genießt keinen Bestandsschutz. Der Kläger kann daher sein Begehren auf weitere Anwendung des bis 31. Dezember 1981 geltenden Rechts nicht auf diese Vorschrift stützen.

Unanwendbar sind damit aber auch die Übergangsvorschriften in Art 4 § 2 Satz 2 Buchst a) und b) AFG, die ebenfalls von der Bewilligung einer Leistung schon vor dem 1. Januar 1982 ausgehen.

Dagegen erfüllt der Kläger den Tatbestand des Art 4 § 2 Satz 2 Buchst b aaO: Er ist vor dem 1. Januar 1982, nämlich spätestens am 26. November 1981 (Beginn der Berufsausbildung in Heidelberg) "in eine Maßnahme eingetreten", hat Leistungen - Übergangsgeld - schon vor diesem Zeitpunkt beantragt, und ihm sind für die Zeit ab 1. Januar 1982 (mehr als nur vorläufige) Leistungen aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund vor dem 1. Januar 1982 "nicht bewilligt" worden. Er hat vielmehr erst durch den streitigen Bescheid vom 16. Februar 1982 Übergangsgeld - wieder - endgültig bewilligt erhalten, nachdem der Anspruch hierauf vor dem 1. Januar 1982 zuletzt mit dem nicht angefochtenen Bescheid vom 5. Dezember 1981 vorläufig abgelehnt und abermals nur ein verrechenbarer Vorschuß auf die künftige Bewilligung einer solchen Leistung gewährt worden war.

Daß der Kläger den Tatbestand des Art 4 § 2 Satz 2 Buchst b AFKG erfüllt, begünstigt ihn indessen nur insoweit, als die bis 31. Dezember 1981 geltenden alten Vorschriften für seinen Leistungsanspruch nur dem Grunde nach zeitlich unbeschränkt und für die Höhe nur bis zu dem letztgenannten Zeitpunkt anwendbar bleiben; dagegen ist auch in diesem Fall "die Höhe der Leistungen für die Zeit nach dem 31. Dezember 1981 nach der ab 1. Januar 1982 geltenden Fassung festzusetzen". Das aber hat die Beklagte im streitigen Bescheid getan.

Dem Kläger ist im übrigen einzuräumen, daß er bei Beginn der Umschulung in Heidelberg mit Grund darauf vertraut haben mag, daß ihm der Gesetzgeber nicht nach Beginn der Maßnahme zur Rehabilitation die in Form des Übergangsgeldes zur wirtschaftlichen Sicherung zur Verfügung gestellten Geldleistungen kürzen werde. Auch hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für vermögenswerte Güter, zu denen Ansprüche und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung zählen (BVerfGE 53, 257, 288) in Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) eine eigene Ausprägung und eine verfassungsrechtliche Ordnung erfahren (BVerfGE 31, 275, 293; 36, 281, 293; 45, 142, 168; 53, 257, 309). Indessen können die in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Personen nicht von vornherein erwarten, daß leistungsgewährende Vorschriften auf Dauer unverändert fortbestehen werden. Anpassungen an die Wirtschaftslage müssen möglich sein, um in wirtschaftlich schlechteren Zeiten das Leistungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung aufrechterhalten zu können. Die gesetzliche Rentenversicherung ist nicht nur eine Chancen-, sondern auch eine Risikogemeinschaft (BVerfGE 58, 81, 122, 123). Art 4 § 2 Satz 1 AFKG trägt jedoch dem Gedanken des Vertrauensschutzes ausreichend Rechnung, wenn er die Anwendung alten Rechts davon abhängig macht, daß der Betroffene vor dem 1. Januar 1982 in eine Maßnahme eingetreten sein muß und ihm vor diesem Zeitpunkt auch Leistungen ohne Einschränkungen bewilligt worden sind. Dem Kläger ist dagegen schon vor dem Januar 1982 zuletzt nur noch eine vorläufige Leistung unter Hinweis sogar auf eine mögliche Verrechnung und Rückforderung bewilligt worden; diese - von ihm nicht angefochtene - "Bewilligung" bot ihm keine Handhabe, auf ein Fortbestehen der Leistung in Zukunft über den 31. Dezember 1981 hinaus zu vertrauen. Die Frage, ob sich die Beklagte zu Recht auf einen Vorschuß beschränkt hat, vermag der Senat nicht zu prüfen, da der Kläger den Bescheid vom 5. Dezember 1981 nicht angefochten hat (vgl § 77 SGG).

Damit ist die Entscheidung des LSG, die den Bescheid der Beklagten bestätigt hat, nicht zu beanstanden. Die Revision des Klägers hiergegen war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662297

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