Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10 einmalige Leistung. Ausschluß der Berufung. Bescheid über den Betrag der nach § 63 SGB 10 zu erstattenden Kosten
Orientierungssatz
1. Der Betrag, den der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung dem widersprechenden Versicherten oder Hinterbliebenen nach erfolgreichem außergerichtlichen Rechtsbehelf (§§ 83 ff, 78 SGG) zum Ausgleich seiner Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung - einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten, dessen Zuziehung notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB 10) - gemäß § 63 Abs 1 S 1 SGB 10 zu erstatten und den er nach § 63 Abs 3 S 1 SGB 10 förmlich festzusetzen hat, ist eine einmalige Leistung. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ausgeschlossen.
2. Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten ist vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit justiziabel. Sie ist eine "Folgeentscheidung" zum ursprünglichen, erfolgreich mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsakt; der mit ihm der Höhe nach geregelte Kostenerstattungsanspruch ist mithin auch ein "Folgeanspruch" zu dem von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten, mit dem Widerspruch durchgesetzten Sozialleistungsanspruch. Der Bescheid betrifft so in einem weiter verstandenen Sinn eine "Sozialleistung" und ist als Verwaltungsakt iS von §§ 31 ff, 62 SGB 10 nach §§ 51, 54 Abs 1, 2 und 4 SGG vor dem SG selbständig anfechtbar.
Normenkette
SGG § 144 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1953-09-03; SGB 10 § 63 Abs 1 S 1 Fassung: 1980-08-18, § 63 Abs 2 Fassung: 1980-08-18, § 63 Abs 3 S 1 Halbs 1 Fassung: 1980-08-18, §§ 31, 62; SGG § § 51, 54 Abs 1, § 54 Abs 2, § 54 Abs 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der für ein Widerspruchsverfahren zu erstattenden Aufwendungen.
Die Klägerin hatte im Oktober 1979 bei der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) die Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen für die Zeit von 1935 bis 1941 und die Vormerkung einer Ersatzzeit für die Zeit ihrer Verfolgung durch das NS-Regime ab 1941 beantragt. Mit dem Bescheid (1) vom 17. Oktober 1980 hatte die Beklagte eine Pflichtbeitragszeit vom 29. Mai 1939 bis 5. Dezember 1941 und eine Ersatzzeit vom 6. Dezember 1941 bis 3. April 1945 anerkannt. Hiergegen hatte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten, einen Berliner Rechtsbeistand, Widerspruch erhoben und die Vormerkung weiterer Zeiten verlangt. Dem hatte die Beklagte im Bescheid (2) vom 28. Juli 1981 zum Teil entsprochen und durch die weiteren Bescheide (3) vom 24. August 1981 und (4) vom 15. Februar 1982 - auf jeweilige Einwände des Bevollmächtigten der Klägerin - zusätzliche Zeiten berücksichtigt. Im letztgenannten Bescheid hatte die Beklagte außerdem die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten anerkannt und sich zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens verpflichtet.
Mit dem streitigen Bescheid (5) vom 18. März 1982 setzte die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin auf 231,65 DM fest und stützte sich dabei auf § 63 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) iVm der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, daß die Beklagte an die Gebührenfestsetzung ihres Rechtsbeistands gebunden sei; dessen Kostenantrag sei nicht unbillig hoch.
Durch einen Bescheid (6) vom 3. Mai 1982 merkte die Beklagte der Klägerin eine als Ausfallzeit anerkannte Zeitspanne im Jahre 1946 nunmehr als Ersatzzeit vor.
Widerspruch (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 8. Juni 1982), Klage und Berufung der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Mit dem die Klage abweisenden Urteil vom 7. Dezember 1983 war das Sozialgericht (SG) der Auffassung, daß der von der Beklagten für die Tätigkeit des Rechtsbeistands angesetzte Betrag (Gebühr von 165,-- DM zuzüglich Nebenaufwand) bei unterdurchschnittlicher Bedeutung und Schwierigkeit sowie geringem Umfang der Sache angemessen sei. Die gem § 144 Abs 1 Nr 1 und Abs 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossene Berufung sei nicht zuzulassen. Im angefochtenen Urteil vom 3O. Mai 1984 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin hiergegen mit folgender Begründung als unzulässig verworfen.: Das Rechtsmittel sei nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG unstatthaft. Bei dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch handele es sich iS dieser Vorschrift um eine "einmalige Leistung". Unter diesen Begriff fielen alle Handlungen von Staat oder öffentlich-rechtlichen Versorgungs- und Versicherungsträgern, die aufgrund einer zum Sozialrecht gehörenden Aufgabenstellung vorzunehmen seien und aus denen für den einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwachse (Hinweis auf BSG in SozR Nr 30 zu § 144; SozR 1500 § 144 Nr 5). Hierzu sei auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10 zu rechnen, der dem Sozialversicherungsverhältnis zwischen Versicherungsträger und Versicherten entstamme und sich in der Zahlung eines einmaligen Geldbetrages erschöpfe. Damit stehe in Einklang, daß nach §§ 144 Abs 3, 197 Abs 2 SGG das SG in Kostensachen endgültig entscheide. Auch Sinn und Zweck des § 144 SGG, die Landessozialgerichte von Bagatellfällen zu entlasten, treffe die Fälle der Ansprüche auf Kostenerstattung. Einen Verfahrensmangel iS von § 150 Nr 2 SGG habe die Klägerin nicht gerügt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Zur Begründung bezieht sie sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Dezember 1983 - 9a RVs 5/82 -. Der Rechtszug in einer Kostensache könne sehr wohl länger sein als in der Hauptsache selbst. Ihr Kostenbegehren sei gerechtfertigt, da die Beklagte auf ihren Widerspruch insgesamt sechs Bescheide erlassen habe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 30. Mai 1984 gem den in zweiter Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen. Hierunter fallen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zunächst alle Leistungen, die von einem öffentlich-rechtlichen Leistungsträger nur einmal zu gewähren sind (vgl zB mit zahlreichen Nachweisen SozR 1500 § 144 Nr 21). Der Betrag, den der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung dem widersprechenden Versicherten oder Hinterbliebenen nach erfolgreichem außergerichtlichen Rechtsbehelf (§§ 83 ff, 78 SGG) zum Ausgleich seiner Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung - einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten, dessen Zuziehung notwendig war (Abs 2 aaO) - gem § 63 Abs 1 Satz 1 SGB 10 zu erstatten und den er nach Abs 3 Satz 1 aaO förmlich festzusetzen hat, ist ersichtlich nur einmal zu zahlen. Auch die - vorliegend angegriffene - Kostenfestsetzung dem Betrage nach betrifft mithin einen Anspruch auf eine einmalige Leistung.
Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten ist ferner vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit justiziabel: Die beklagte LVA hatte nach § 63 Abs 3 Satz 1 Teilsatz 1 iVm Abs 1 Satz 1 SGB 10 als die Behörde (= Versicherungsträger, § 1 Abs 2 SGB 10), die den erfolgreich angegriffenen "ursprünglichen" Verwaltungsakt - Bescheid 1 vom 17. Oktober 1980 - erlassen und im Abhilfebescheid 4 vom 15. Februar 1982 auch die Kostenentscheidung dem Grunde nach (Abs 3 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 1 aaO) getroffen hat, auf den Antrag der Klägerin auch den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen. Das hat die Beklagte im streitigen Bescheid 5 vom 18. März 1982 getan. Dieser wiederum "erstinstanzliche" Verwaltungsakt (vgl Hauck/ Haines, SGB X 1, 2 K § 63 RdNr 13) ist nach allem eine "Folgeentscheidung" zum ursprünglichen, erfolgreich mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsakt; der mit ihm der Höhe nach geregelte Kostenerstattungsanspruch ist mithin auch ein "Folgeanspruch" zu dem von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten, mit dem Widerspruch durchgesetzten Sozialleistungsanspruch (hier: Antrag der Klägerin auf Vormerkung von Versicherungs- und beitragsfreien Zeiten der gesetzlichen Rentenversicherung). Der streitige Bescheid 5 betrifft so in einem weiter verstandenen Sinn eine "Sozialleistung" und ist als Verwaltungsakt iSv §§ 31 ff, 62 SGB 10 nach §§ 51, 54 Abs 1, 2 und 4 SGG vor dem SG selbständig anfechtbar (im Ergebnis übereinstimmend neuerdings auch der 11. Senat des BSG im Urteil vom 25. Oktober 1984 - 11 RA 29/84). Hiervon sind die Beteiligten zutreffend ausgegangen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Annahme, daß der angegriffene Bescheid 5 in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 1982 einen Anspruch auf eine einmalige Leistung iSd § 144 Abs 1 Nr 1 SGG regelt, das Urteil des 9a-Senats des BSG vom 7. Dezember 1983 -9a RVs 5/82 - nicht entgegen. Zwar betrifft diese Entscheidung ebenfalls den Streit über die Höhe eines Kostenerstattungsanspruchs iSv § 63 SGB 10. Auch findet sich in dieser Entscheidung (auf Bl 7) die Bemerkung, daß "die Berufung nicht unzulässig (war)". Indessen lassen die Entscheidungsgründe die Frage unerörtert, ob § 144 Abs 1 Nr 1 SGG auf den hier streitigen Kostenanspruch anzuwenden oder nicht anzuwenden sei. Die Entscheidung beschränkt sich darauf anzuführen, daß "die Regelung in § 197 Abs 2 SGG... den vorliegenden Fall nicht (trifft)". Es kann daher dahinstehen, ob in dem vom 9a-Senat des BSG entschiedenen Fall, wie das LSG meint, das SG die Berufung zugelassen hatte und deshalb die hier zu entscheidenden Rechtsfragen ohne Belang waren (so der vom BSG in dem Urteil vom 22. März 1984 - 11 RA 58/83 - entschiedene Fall). Da das BSG aaO die Anwendbarkeit von § 144 Abs 1 Nr 1 SGG auf einen Fall der vorliegenden Art jedenfalls nicht verneint hat, kann der erkennende Senat mit seiner Annahme, daß die Berufung der Klägerin nach dieser Vorschrift ausgeschlossen war, nicht iS von § 42 SGG vom 9a-Senat des BSG abweichen.
Die nach allem ausgeschlossene Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 7. Dezember 1983 war auch nicht ausnahmsweise nach § 150 SGG zulässig. Weder hatte das SG die Berufung zugelassen (Nr 1 aaO; vgl zur Bindung des Rechtsmittelgerichts an die Nichtzulassung der Berufung zB BSG in SozR 1500 § 150 Nr 1), noch hatte die Klägerin, wie das LSG im angefochtenen Urteil ausdrücklich feststellt, die Entscheidung des SG mit Rügen der Verletzung von Verfahrensrecht angegriffen (Nr 2 aaO). Nr 3 aaO ist offensichtlich nicht einschlägig (Fragen des ursächlichen Zusammenhangs im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung).
Hat sonach das LSG im angefochtenen Urteil die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung der 1. Instanz zu Recht ohne Prüfung in der Sache als unzulässig verworfen (§ 158 Abs 1 SGG), so war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen