Orientierungssatz

"Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb" iS von § 777 Nr 3 RVO setzen voraus, daß sie dem landwirtschaftlichen Betrieb wesentlich dienen und sich in seinem Rahmen halten. Maßgebend ist, ob das Bauwerk schon von seinem Umfang her Arbeiten erfordert, die andere Bauherren an Bauunternehmer zu vergeben pflegen, die aber im Einzelfall unter Mitarbeit geeigneter Hilfskräfte ausgeführt werden konnten.

 

Normenkette

RVO § 776 Abs. 1 Nr. 1, § 777 Nr. 3

 

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung der Unfallfolgen des Klägers zuständig ist.

Der Kläger ist gelernter Zimmerer, jedoch seit mehr als 20 Jahren als Waldfacharbeiter beschäftigt. Nebenher bewirtschaftet er ein kleineres landwirtschaftliches Grundstück. In nachbarschaftlicher Hilfe führt der Landwirt Hermann W (W.) die maschinellen landwirtschaftlichen Arbeiten für ihn aus, wogegen der Kläger dem W. gelegentlich in dessen etwa 30 ha großen Landwirtschaft hilft. In Spitzenzeiten sind im Betrieb W's bis zu 5 Personen beschäftigt.

Im Jahre 1965 hatte W. mit dem Bau eines hölzernen Maschinenschuppens mit einem Kornboden begonnen. Die Bauzeichnung für dieses im Grundriß etwa 17 x 15 m große Bauwerk hatte W. sich von dritter fachmännischer Seite anfertigen lassen. Zunächst hatte er selbst Ausschachtungsarbeiten vorgenommen und wegen des abfallenden Geländes eine Stützmauer gezogen. 1968 hatten W. und der Kläger erforderliches Bauholz eingeschlagen. Vorwiegend an den Wochenenden des Jahres 1968 hatten der Kläger, W., dessen Vater und ein in Hannover wohnender Schwager W's den Schuppen errichtet. Dabei hatte der Kläger die gesamten Zimmermannsarbeiten ausgeführt, wobei ihm vorwiegend W. geholfen hatte. Soweit die Tätigkeit des Klägers nicht durch Hilfeleistungen W's ausgeglichen war, hatte er von diesem je Arbeitsstunde ein Entgelt von 4,- DM erhalten. Nachdem der Aufsichtsbeamte der Beklagten das Fehlen eines Schutzgeländers um den Ausstieg zum Treppenniedergang auf dem Boden beanstandet hatte, wollten der Kläger und W. am Morgen des 12. Juli 1969 dies Geländer anbringen. Dabei stürzten sie durch den nicht abgedeckten Treppenausgang. Der Kläger zog sich dabei einen Fersenbeintrümmerbruch links, eine Subluxation und eine Radiusfraktur links zu. Der Durchgangsarzt Dr. R stellt in seinen Nachschauberichten vom 16. März und 10. Juli 1970 fest, das Gehvermögen des Klägers sei deutlich beeinträchtigt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) erreiche 20 v. H.

Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen ab, weil der Kläger den Unfall nicht bei der Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten erlitten habe (Bescheid vom 9. Dezember 1970). Das Sozialgericht (SG) hat diesen Bescheid aufgehoben, festgestellt, daß es sich bei dem Ereignis vom 12. Juli 1969 um einen versicherten landwirtschaftlichen Unfall gehandelt habe und die Beklagte verurteilt, den Kläger wegen der Unfallfolgen zu entschädigen (Urteil vom 10. März 1972). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben, die Klage gegen die Beklagte abgewiesen und die Beigeladene dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab 24. November 1969 eine Unfallrente zu gewähren (Urteil vom 29. Mai 1973). Es hat zur Begründung u. a. ausgeführt:

Die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 776 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 777 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) lägen nicht vor, weil die Bauarbeiten, die der Kläger ausgeführt habe, sich nicht im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes des W. gehalten hätten. W. habe zwar "andere Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb" auf seinem Grundstück und für sein landwirtschaftliches Unternehmen ausgeführt und diese keinem anderen Unternehmer übertragen, sondern mit Hilfe von Familienangehörigen und vor allem des Klägers ohne Hinzuziehung eines selbständigen Fachhandwerkers ausgeführt. Der Versicherungsschutz nach § 777 Nr. 3 RVO erstrecke sich jedoch nur auf Arbeiten von verhältnismäßig geringem Umfang. Bereits vom Bauvolumen her sei dieser jedoch überschritten. Der Bau des Schuppens habe einen Arbeitsaufwand erfordert, der nicht mehr mit Mitteln des eigenen Wirtschaftsbetriebes habe erreicht werden können. Das ergebe sich schon aus der Größe des Bauwerks, aber auch daraus, daß W. die Bauarbeiten überwiegend mit Hilfe betriebsfremder Personen ausgeführt habe. Diese Mithilfe habe das Maß der Nachbarschaftshilfe überschritten. Allein die Tätigkeit des Klägers überschreite bereits diesen Rahmen, denn er habe mehr für W. geleistet als dieser für ihn. Auch die Heranziehung des Schwagers aus Hannover zeige, daß der Bau betriebsfremde Kräfte erfordert habe.

Die Voraussetzungen des § 777 Nr. 3 RVO seien aber auch deshalb nicht gegeben, weil W. die Verantwortung für die Art und das Ausmaß der Arbeit weitgehend dem Kläger übertragen gehabt habe. Der Schuppen habe nur von einem Fachmann, also einem Zimmermann, errichtet werden können. Deshalb habe W. selbst keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten auf die Art und Weise der Ausführung gehabt. Er habe sich daher nicht anders verhalten als jeder andere Bauherr, der ein Bauvorhaben an einen Handwerker vergeben hätte.

Der Kläger sei nicht im Rahmen eines mit W. abgeschlossenen Werkvertrages tätig geworden. Es habe sich vielmehr um einen Dienstvertrag gehandelt. Der Kläger habe W. lediglich bei der Errichtung des Schuppens helfen sollen, wobei W. dem Kläger allerdings die Verantwortung für die technisch fehlerfreie Ausführung der Bauarbeiten übertragen habe. Der Kläger habe seine Arbeitskraft und seine fachlichen Kenntnisse als Zimmermann zur Verfügung gestellt, ohne den Erfolg zu schulden oder für dessen Nichteintritt zu haften. W. habe alle anderen wesentlichen Funktionen des Unternehmers behalten und vor allem das wirtschaftliche Risiko des Erfolgs allein getragen. Der Kläger sei persönlich und wirtschaftlich von der Disposition W's abhängig gewesen. Der Kläger sei daher nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert gewesen. Deshalb sei nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene der für die Entschädigung des Klägers zuständige Versicherungsträger. Ihre Haftung sei nicht durch § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO ausgeschlossen, denn die dort gegebene zeitliche Begrenzung sei weit überschritten. Die Verurteilung der Beigeladenen dem Grunde nach, dem Kläger Rente zu gewähren, sei deshalb möglich, weil nach den Feststellungen von Dr. R die unfallbedingte MdE 20 v. H. betrage. Es sei daher hinreichend wahrscheinlich, daß der Leistungsanspruch des Klägers in der gesetzlichen Mindesthöhe bestehe.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beigeladene hat dieses Rechtsmittel in rechter Form und Frist eingelegt. Sie vertritt weiterhin den Standpunkt, daß nicht sie, sondern die Beklagte der zur Entschädigung des Klägers zuständige Versicherungsträger sei. Die für die Errichtung des Schuppens aufgewendeten Arbeitsleistungen gingen nicht über den Rahmen von Bauarbeiten hinaus, wie sie in einem Betrieb der Größe des Wischen Hofes üblich seien. Die Arbeiten hätten sich auf rund 43, wenn nicht gar 50 Monate verteilt. Unter diesen Umständen könne von dem Einsatz betriebsfremder Personen gar nicht gesprochen werden. Die Arbeiten seien nur dann ausgeführt worden, wenn es die Verhältnisse in der Landwirtschaft zugelassen hätten. Die Ermittlung der aufgewendeten Kosten, die unter Verstoß gegen § 103 SGG unterblieben sei, hätte darüber hinaus ergeben, daß diese sich in einem durchaus angemessenen Verhältnis zur Größe des landwirtschaftlichen Betriebes des W. gehalten hätten. W. habe auch nicht, wie das LSG verfahrensfehlerhaft (§ 128 Abs. 1 SGG) angenommen habe, die Verantwortung für die technisch fehlerfreie Ausführung der Bauarbeiten an den Kläger abgegeben. Dieser habe zwar die Zimmererarbeiten ausgeführt, habe aber selbst die Verantwortung dafür nicht übernommen. Nachdem er seit über 20 Jahren nicht mehr in seinem erlernten Beruf tätig gewesen sei, könne er nicht als Fachmann angesehen werden. W. selbst sei bei den Arbeiten ständig zugegen gewesen und sei dem Kläger zur Hand gegangen. Es habe dem Kläger daher die Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit gefehlt. Er sei nur beratend und helfend tätig geworden, während W. zu jeder Zeit die gesamte Verantwortung getragen habe. Im übrigen habe sich der Unfall nicht bei der Errichtung des Schuppens in den Jahren 1965 bis 1968 ereignet, sondern erst, als nach entsprechender Beanstandung das Geländer um den Treppenniedergang angebracht werden sollte. Eine derart geringfügige, an einem Vormittag zu erledigende Arbeit übersteige sicherlich nicht den Rahmen der nach § 777 Nr. 3 RVO versicherten Bauarbeiten.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 1973 aufzuheben, soweit die Beigeladene dem Grunde nach verurteilt worden ist, dem Kläger eine Unfallrente zu gewähren.

Der Kläger und die Beklagte beantragen,

die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Beigeladene der für die Entschädigung des Klägers zuständige Versicherungsträger ist.

Die Beklagte ist nicht zuständiger Versicherungsträger, weil der Bau des Maschinenschuppens nicht eine "andere Bauarbeit für den Wirtschaftsbetrieb" war (§§ 776 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 777 Nr. 3 RVO).

Zwar hat der Landwirt W. den Bau auf seinem eigenen Grundstück ausgeführt, ohne die Bauarbeiten anderen Unternehmern zu übertragen, "Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb" setzen jedoch voraus, daß sie dem landwirtschaftlichen Betrieb wesentlich dienen und sich in seinem Rahmen halten (BSG 17, 148, 149; 30, 295, 296; BSG Breithaupt 1966, 578; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Aufl. Stand August 1973, S. 496 d, e; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Stand September 1973, § 777, Anm. 13, Buchst. b). Wenn der Bau des Schuppens auch dem landwirtschaftlichen Betrieb des W. gedient hat, so hat er sich doch nicht, wie das LSG zutreffend entschieden hat, im Rahmen seines Wirtschaftsbetriebes gehalten. Für die Abgrenzung der unter § 777 Nr. 3 RVO fallenden Bauarbeiten ist maßgebend, ob eine Tätigkeit vorliegt, die ein landwirtschaftlicher Unternehmer mit Kräften oder Mitteln seines Betriebes durchführen kann (BSG 30, 295, 296; 35, 144, 145). Entscheidend ist vor allem das Verhältnis zwischen dem Umfang der Bauarbeiten und der Größe des Wirtschaftsbetriebes, die Art der Ausführung und das Verhältnis der mit eigenen und fremden Arbeitskräften auszuführenden Arbeiten (BSG 17, 149, 152). Auch der Arbeitsaufwand und die Arbeitskapazität des landwirtschaftlichen Betriebes bilden wesentliche Kriterien dafür, ob eine Tätigkeit vorliegt, die ein landwirtschaftlicher Unternehmer mit Kräften und Mitteln des Unternehmens ausführt, und sich die Bauarbeiten deshalb im Rahmen des Wirtschaftsbetriebes halten. Im vorliegenden Fall haben W., sein Vater, sein Schwager und der Kläger das gesamte Bauwerk errichtet. Die Tatsache, daß W. sich der familiären bzw. nachbarschaftlichen Hilfe dreier weiterer Personen bediente, sprengt an sich den Rahmen der "Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb" i. S. von § 777 Nr. 3 RVO allein noch nicht (BSG 30, 295, 297), zumal W. in seinem Betrieb mit einer Nutzfläche von 30 ha wenigstens in Spitzenzeiten mindestens ebenso viele Hilfskräfte beschäftigte. Doch kann dieser Umstand bereits deutlich machen, daß es sich um "umfangreiche Bauarbeiten" handelt (vgl. BSG 30, 295, 296), die nicht mehr unter die Vorschrift des § 777 Nr. 3 RVO fallen. Das gleiche gilt für die Frage, ob W. die Kosten für den Bau aus den laufenden Einnahmen seines Betriebs decken konnte, wenngleich auch dieser Umstand für sich allein nicht entscheidend ist (BSG 17, 148, 152; 35, 144, 146). Maßgebend dagegen ist aber jedenfalls, ob das Bauwerk schon von seinem Umfang her Arbeiten erfordert, die andere Bauherren an Bauunternehmer zu vergeben pflegen, die aber im Einzelfall unter Mitarbeit geeigneter Hilfskräfte ausgeführt werden konnten. Schon der Sinn der in Rede stehenden Vorschrift deutet darauf hin, daß nur Arbeiten von verhältnismäßig geringem Umfang in Betracht kommen (BSG 17, 148, 151; 35, 144, 146). Die Errichtung größerer Gebäude oder wesentlicher Gebäudeteile kann daher nicht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zugerechnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Unternehmer selbst über die nötigen Fachkenntnisse verfügt oder sich der Fachkenntnisse anderer bedienen kann (BSG 17, 148, 151). Daran kann auch nichts ändern, wenn die Errichtung des Bauwerks über eine längere Zeit hingezogen wird, wodurch es möglich ist, den Arbeitsaufwand innerhalb der Kapazität des Betriebes zu halten. Es würde ebenso dem Sinn und Zweck der genannten Vorschrift widersprechen, wollte man die Herstellung von Gebäuden unabhängig von ihrer Größe und Art dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterwerfen, wenn sie nur bei genügend langer Bauzeit mit dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Kräften und Hilfskräften, die den Rahmen des Unternehmens nicht überschreiten, errichtet werden. Das würde bedeuten, daß bei entsprechend langer Zeit und nicht unbedeutender Größe des Unternehmens gegebenenfalls der Bau aller betriebsnotwendigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu unterstellen wäre. Das damit verbundene Unfallrisiko ist aber nicht geringer - möglicherweise sogar noch höher - als dasjenige, das mit der Errichtung eines Bauwerks verbunden ist, das bei normaler Bauzeit, d. h. ohne lange Unterbrechungen mit dadurch evtl. bedingten zusätzlichen Gefahren, mit fachkundigen Kräften errichtet werden kann. Ein solches Unfallrisiko kann aber nicht den Trägern der landwirtschaftlichen Unfallversicherung aufgebürdet werden. Diese sind, insbesondere auch im Hinblick auf die Unfallverhütungsvorschriften, zur Durchführung solcher Aufgaben nicht in der Lage (BSG 35, 144, 146). Der Bau eines hölzernen Maschinenschuppens mit aufgesetztem Kornboden mit einer Grundfläche von 255 qm, stellt ein so umfangreiches Bauvorhaben dar, das- wie das LSG ohne Rechtsverstoß festgestellt hat - auch im Unternehmen des W. mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 30 ha nicht mehr als "andere Bauarbeiten" i. S. von § 777 Nr. 3 RVO gewertet werden kann. Dabei war es nicht erforderlich, daß das LSG die genauen Kosten des Bauvorhabens ermittelte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß, als sich der Unfall ereignete, der Schuppen schon einige Zeit weitgehend fertiggestellt war und auf Grund einer Beanstandung das Schutzgeländer um den Treppenniedergang angebracht werden sollte, was einen Arbeitsaufwand von etwa einem halben Tag erforderte. Wollte man in dieser Weise einzelne bei der Errichtung eines Bauwerkes anfallende Arbeiten getrennt betrachten, so würde der Gesetzeszweck nicht erreicht. Alle Arbeiten an einem Bauwerk, unabhängig von dessen Größe, müßten dann einzeln betrachtet werden und wären ihrem Umfang nach immer verhältnismäßig geringfügig. Es kann auch nicht darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt während der Errichtung des Bauwerks die jeweilige Arbeit verrichtet wird, sonst müßte auch eine Tätigkeit in einem frühen Stadium des Bauvorhabens für sich isoliert bewertet werden. Im Hinblick auf die Zweckbestimmung des § 777 Nr. 3 RVO können daher die Arbeiten an einem Bauwerk nur einheitlich gesehen werden. Anders zu beurteilen sind nur die in § 777 Nr. 3 ausdrücklich genannten laufenden Ausbesserungsarbeiten. Um eine solche hat es sich aber im vorliegenden Fall nicht gehandelt; die Anbringung des Schutzgeländers gehörte vielmehr ebenso wie alle anderen zu den für die Errichtung des Schuppens erforderlichen Bauarbeiten.

Ob, wie das LSG annimmt, der Unfallschutz i. S. der genannten Vorschrift auch deshalb entfällt, weil W. als der landwirtschaftliche Unternehmer nicht in der Lage war, die Verantwortung für die Zimmermannsarbeiten zu tragen, weil er nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfügte, sich insoweit vielmehr des Klägers bedienen mußte (so BSG, Urteil vom 27. April 1972 - 7 RU 14/70), kann dahingestellt bleiben, weil, wie oben ausgeführt, § 777 Nr. 3 RVO schon aus anderen Gründen nicht eingreift.

Somit entfällt die Leistungspflicht der Beklagten. Die Beigeladene ist vielmehr der zuständige Versicherungsträger. W. war in bezug auf die Errichtung des Maschinenschuppens Unternehmer nichtgewerbsmäßiger Bauarbeiten und damit - auch ohne Mitgliedschein - Mitglied der Beigeladenen (§§ 658, 646, 664 Abs. 4 RVO i. V. m. § 60 der Satzung der Beigeladenen in der ab 1. Januar 1966 gültigen Fassung). Er führte den Bau in eigener Regie, auf eigenes Risiko und auf seine Rechnung aus (§ 658 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 RVO). Da die Errichtung des Schuppens mehr als 6 Tagewerke in Anspruch nahm, wie das LSG festgestellt hat und was auch von keiner Seite bestritten wird, war nicht der Gemeindeunfallversicherungsverband (vgl. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO), sondern die Beigeladene nach § 59 Abs. 1 ihrer Satzung Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für den Kläger. Dieser war auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei W. tätig (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Er hat W. seine Arbeitskraft und auch seine Fachkenntnisse zur Verfügung gestellt und dafür grundsätzlich auch ein Entgelt erhalten. Er ist dabei nicht als selbständiger Handwerker oder wie ein selbständiger Handwerker tätig geworden. Für das Vorliegen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses i. S. von § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO kommt es nicht auf die zivilrechtliche Erscheinungsform der Vereinbarungen an, entscheidend allein ist das Bestehen eines aus den näheren Umständen im Einzelfall sich ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber dem Auftraggeber. Maßgebend dafür sind die tatsächlichen Verhältnisse (BSG 5, 168, 173; 11, 149, 150; SozR Nr. 19, 39 und 45 zu § 537 RVO aF; SozR Nr. 7 zu § 441 RVO).

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hat das LSG hier zu Recht bejaht. Mögen auch im einzelnen keine festen Arbeitszeiten vereinbart gewesen sein, so kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß W. dem Kläger, der als Waldfacharbeiter beruflich tätig war, die Ausführung der Zimmererarbeiten etwa im Sinne eines Werkvertrages in dessen alleiniger Verantwortung und damit verbundener Haftung übertragen hatte. Lediglich was die einigermaßen fachgerechte Ausführung der Zimmererarbeiten anbelangte, war W. auf den seit mehr als zwei Jahrzehnten in seinem erlernten Zimmermannsberuf nicht mehr tätig gewesenen Kläger angewiesen, weil er nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügte. Das kann aber auch sonst bei einem abhängig beschäftigten Facharbeiter oder Meister im Verhältnis zu seinem Unternehmer der Fall sein. Die von der Revision insoweit gerügten Feststellungen (§ 128 Abs. 1 SGG) besagen im wesentlichen nichts anderes und sind deshalb verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

Schließlich rechtfertigt sich die Verurteilung der Beigeladenen dem Grunde nach, dem Kläger ab 24. November 1969 eine Unfallrente zu gewähren, weil, wie das LSG unangegriffen ausgeführt hat, nach den getroffenen Feststellungen in diesem Zeitpunkt und auch noch später die Unfallfolgen einen Grad der MdE von 20 v. H. erreichten (BSG 13, 178; BSG in SozR Nr. 4 zu § 130 SGG) und damit die Mindestvoraussetzungen für den streitigen Rentenanspruch erfüllt waren.

Die Revision der Beigeladenen war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667530

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge