Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei einem Überfall auf dem Heimweg von der Arbeit

 

Orientierungssatz

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen besteht bei einem Überfall auf dem Heimweg von der Arbeit zwar grundsätzlich Versicherungsschutz. Dieser Unfallversicherungsschutz ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Angriff durch persönliche Feindschaft gegen den Beschäftigten oder ähnliche, aus betriebsfremden Beziehungen stammende Beweggründe zum Überfall veranlaßt worden ist und keine besonderen Verhältnisse beim Zurücklegen des Weges den Überfall wesentlich begünstigt haben.

2. Waren allein persönliche Gründe die Ursache für den Überfall, dann ist die rechtliche Wertung des LSG nicht zu beanstanden, die Umstände am Tatort, wie Abgelegenheit und Dunkelheit, seien gegenüber dem rein persönlich motivierten Angriff und dem Verhalten des Angegriffenen, der sich in die Auseinandersetzung habe hineinziehen lassen, nur als unwesentliche Gelegenheitsursache anzusehen.

 

Normenkette

RVO § 550 Abs. 1 Fassung: 1974-04-01; SGG § 128 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 28.04.1977; Aktenzeichen L 3 U 82/76)

SG Osnabrück (Entscheidung vom 10.06.1976; Aktenzeichen S 5 U 11/75)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. April 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten Hinterbliebenenleistungen nach ihrem auf dem Heimweg von der Arbeit überfallenen und getöteten Ehemann bzw Vater W W (W.).

W. hatte am 24. März 1973 bei seiner Beschäftigungsfirma in der zweiten Schicht von 14.00 bis 22.00 Uhr gearbeitet. Den Heimweg hatte er zunächst zusammen mit seinem Arbeitskollegen S (S.) in dessen Pkw zurückgelegt. An der Einmündung der Straße "T" - seiner Wohnstraße - stieg er aus, um das letzte Stück seines Heimweges zu Fuß zurückzulegen. Diese Straße ist eine schmale Stichstraße, die an der Südseite unbebaut ist und an deren Nordseite sich fünf Einfamilienhausgrundstücke befinden. Das zweite Grundstück wird von der Familie K bewohnt, das dritte Grundstück ist unbebaut, auf dem vierten befindet sich das Eigenheim der Eheleute W, schließlich auf dem fünften das der Familie W. Die Straße selbst ist unbeleuchtet; an der Ecke zur Hauptstraße steht ein sogenannter Peitschenmast. Die Entfernung von der Ecke bis zu dem Hausgrundstück der Familie W. beträgt etwa 60 m. Als W. gegen 22.10 Uhr aus dem Pkw seines Arbeitskollegen ausgestiegen war und sich auf dem Weg zu seinem Haus befand, kam es in Höhe des zweiten Hauses (K) zwischen ihm und K (K.) sowie dessen Ehefrau zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf W. ua Messerstiche in die Herzgegend und in den Unterleib erhielt, an denen er nach wenigen Minuten, kurz bevor er sein eigenes Haus erreicht hatte, verblutete. K. wurde wegen fahrlässigen Vollrausches (§ 330 a iVm §§ 223, 226, 47 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Über die gegen die Ehefrau K. erhobene Anklage wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge im Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit ist bisher noch nicht entschieden.

Bei K. wurde für die Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 2,55 0 / 00 bis maximal 2,92 0 / 00 und bei seiner Ehefrau eine solche von mindestens 2,46 0 / 00 bis maximal 2,93 0 / 00 festgestellt.

Die Beklagte lehnte Hinterbliebenenleistungen an die Kläger ab, weil der Tod des W. die Folge familiärer Streitigkeiten zwischen den Familien W und K gewesen sei (Bescheid vom 20. Dezember 1974). Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld und den Klägern zu 2) bis 4) Waisenrente zu gewähren; es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 10. Juni 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. April 1977). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Auseinandersetzung zwischen W. und K. habe weder unmittelbare noch mittelbare betriebliche oder betriebsbezogene Motive gehabt, so daß hieraus ein Unfallversicherungsschutz nicht hergeleitet werden könne. Versicherungsschutz auf dem Weg von der Arbeitsstätte sei jedoch dann zu bejahen, wenn der Versicherte dem Überfall eines zu einer Gewalttat entschlossenen Täters zum Opfer falle, weil darin eine Form der Wegegefahr zu sehen und diese deshalb wesentliche Bedingung sei. Ein aus persönlichen Gründen entfachter Streit schließe jedoch den ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den infolge des Streites erlittenen Verletzungen aus, weil insoweit die betrieblichen Umstände soweit in den Hintergrund träten, daß sie nur noch eine nicht rechtserhebliche Gelegenheitsursache seien. Das sei hier der Fall. Zweifelsfrei sei es zu den Auseinandersetzungen, bei denen W. erstochen worden sei, ausschließlich aus persönlichen Gründen, nämlich wegen der Zwistigkeiten der Eheleute W. und K. als Folge der Streitigkeiten der Kinder gekommen. K. habe für den Zeitpunkt der Rückkehr des W. nicht nur eine verbale Auseinandersetzung angestrebt, sondern eine körperliche zumindest in den Bereich der Möglichkeiten einbezogen. Er habe sich nämlich mit einem Knüppel bewaffnet und die besonderen Bedingungen der Tatzeit und des Tatortes in Betracht gezogen, nämlich die fehlende Beleuchtung und die Abgelegenheit der Straße sowie ein gewisses Überraschungsmoment. Hierin seien allerdings versicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen zu sehen. Dennoch stellten sie nicht die wesentliche Bedingung für den Tod des W. dar. Bei Berücksichtigung aller Umstände sei für den Eintritt der Verletzung des W. allein wesentlich der Umstand gewesen, daß K. ihn zunächst allein und sodann zusammen mit seiner Ehefrau ausschließlich aus persönlichen Motiven aufgrund der zwischen den Familien seit langem aufgetretenen Spannungen angegriffen und W. sich auf diese Auseinandersetzung eingelassen habe. Die Besonderheiten der Wegegefahr seien daher schon keine wesentliche Ursache für den Beginn des Streites gewesen. Das gelte um so mehr für die weitere Entwicklung der Auseinandersetzung. Es liege auf der Hand, daß der Streit unter sonst gleichen Voraussetzungen denselben Verlauf genommen hätte, wenn W. sich nicht auf dem Rückweg von der Arbeit befunden hätte, sondern von einer privaten Betätigung zurückgekehrt wäre. Jedenfalls die weitere Entwicklung des Streites habe nicht mehr auf der besonderen Wegegefahr beruht, sondern sei mindestens ganz überwiegend die Folge des aus dem privaten Lebensbereich hervorgegangenen Spannungsverhältnisses gewesen. W. habe sogleich erkannt, daß K. ihn an diesem Ort und zu dieser Zeit allein wegen der familiären Streitigkeiten erwartet habe. Die Klägerin zu 1) habe ihn nämlich schon am Nachmittag fernmündlich über eine am Vormittag voraufgegangene körperliche Auseinandersetzung zwischen ihr und den Eheleuten K. unterrichtet gehabt. Daher habe die Abwehr des W. von vornherein einem tatsächlich erfolgten oder vermeintlich angenommenen persönlich motivierten Angriff des K. gegolten. Nicht die zeitlichen und örtlichen Bedingungen des Heimweges seien daher wesentliche Ursache gewesen, sondern die gestörten persönlichen Beziehungen zwischen beiden Familien; die in der Wegegefahr liegenden Umstände seien nur als unwesentliche Randerscheinungen bzw als Gelegenheitsursache anzusehen. Dunkelheit und Abgelegenheit des Ortes spielten im Hinblick auf die körperliche Überlegenheit des W. keine Rolle. Wegen der Vorwarnung durch die Ehefrau sei auch das Überraschungsmoment nicht wesentlich. Entscheidend sei allein, daß W. sich in den von K. entfachten, allein auf persönlichen Motiven beruhenden Streit habe hineinziehen lassen. Dadurch, daß er (W.) im Verlauf der Auseinandersetzung sein Messer gezogen habe, mit dem er dann erstochen worden sei, habe er seinerseits eine weitere, nicht der Wegegefahr, sondern dem persönlichen Streit zuzurechnende Ursache für den weiteren Ablauf gesetzt.

Mit ihrer (zugelassenen) Revision tragen die Kläger vor, die von dem LSG hinsichtlich der wesentlichen Bedingungen des tödlich verlaufenen Angriffs angestellten Erwägungen seien widerspruchsvoll und verstießen gegen logische Denkgesetze und Erfahrungstatsachen. Die festgestellten Tatsachen zeigten deutlich, daß W. sich plötzlich und unerwartet einer Übermacht von zwei Personen, von denen mindestens eine schwer bewaffnet gewesen sei, gegenüber gesehen habe, die sofort auf ihn eingedrungen seien. Daher könne keineswegs davon die Rede sein, W. habe sich auf die Auseinandersetzung "eingelassen". Da W. bei dem Überfall zu Boden gefallen oder geworfen worden sei, habe für ihn gar keine Möglichkeit bestanden, sich dem überfallartigen Angriff zu entziehen. Er habe sich nur nach besten Kräften wehren können. Auch sei die Annahme des LSG falsch, W. habe erkannt, daß K. ihn an diesem Ort und zu dieser Zeit erwartet habe, weil seine Ehefrau ihn am Nachmittag telefonisch von den vorgefallenen Streitigkeiten unterrichtet habe. Wenn W. erkannt hätte, daß die Eheleute K. ihm auflauerten, so hätte er sich mit Sicherheit nicht von seinem Arbeitskollegen S. an der Straßenecke absetzen, sondern sich bis zu seinem eigenen Haus fahren lassen. Fehlerhaft sei auch die Annahme des LSG, Dunkelheit und Abgelegenheit des Ortes hätten im Hinblick auf die körperliche Überlegenheit des W. keine Rolle gespielt. Abgesehen davon, daß eine solche Überlegenheit nicht einmal deutlich festgestellt sei, sei es unerfindlich, daß diese angesichts des geplanten Überfalls von zwei zum Teil erheblich bewaffneten Menschen die Merkmale der Dunkelheit und Abgelegenheit ausgleichen solle. Gerade das Überraschungsmoment sei es gewesen, daß eine etwaige körperliche Überlegenheit des W. überhaupt nicht habe zum Zuge kommen lassen. In Wahrheit sei eine Aufteilung des Geschehensablaufes in zwei Abschnitte gar nicht möglich. Die Eheleute K. hätten in zahlenmäßiger Überlegenheit und mit schwerer Bewaffnung den arglosen W. unter Ausnutzung der Dunkelheit und der Abgelegenheit überfallen und erstochen, als dieser von der Arbeit gekommen sei. Darin liege eine ausgesprochene Wegegefahr im Sinne des § 550 RVO. Daher sei es unerheblich, ob der Überfall sich auch zu jeder beliebigen anderen Zeit und an anderem Ort hätte zutragen können. Der Überfall sei nämlich nur unter Ausnutzung der Dunkelheit und der Abgelegenheit der Straße sowie der Kenntnis der Heimkehr des W. gerade zu dieser Zeit unternommen worden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. April 1977 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 10. Juni 1976 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht keine Widersprüche in der Beweiswürdigung. Das LSG sei nicht von einer Zweiteilung des Sachverhalts ausgegangen; vielmehr habe es den Eigenarten des Heimweges den nicht betriebsbedingten Haß der Eheleute K. gegen W. gegenübergestellt. Dieser habe nach Meinung des LSG derart im Vordergrund gestanden, daß die Eigenarten des Heimweges völlig unwesentlich seien; die Tötung sei nur bei Gelegenheit des Heimweges erfolgt. Das LSG habe zu Recht angenommen, zumindest die weitere Entwicklung der Auseinandersetzung habe ihre wesentliche Ursache nicht mehr in den etwaigen besonderen Gefahren des versicherten Heimweges gehabt.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist, da sie von dem Landessozialgericht (LSG) zugelassen worden ist, statthaft (§ 160 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis zutreffend Hinterbliebenenansprüche der Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 589 Reichsversicherungsordnung - RVO -) nach ihrem Ehemann bzw Vater Wilhelm W (W.) verneint, weil nicht die Wegegefahren iS von § 550 Abs 1 RVO die rechtlich wesentliche Ursache für seinen Tod gewesen sind. Auch die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

W. befand sich am 24. März 1973 gegen 22.10 Uhr nach den insoweit von keiner Seite angezweifelten Feststellungen des LSG auf dem nach § 550 Abs 1 RVO grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Ebenso unbestritten ist die Feststellung des LSG, daß die tätliche Auseinandersetzung zwischen W. und den Eheleuten K (K.) ihren Grund allein in den von dem LSG eingehend dargelegten persönlichen Zwistigkeiten unter den beiden Familien hatte und betriebliche Umstände dabei keine Rolle gespielt haben.

Das LSG hat seiner Entscheidung die von Rechtsprechung und Schrifttum zur Frage des Unfallversicherungsschutzes bei tätlichen Auseinandersetzungen bzw Angriffen auf der Betriebsstätte und auf den Wegen von und zur Arbeitsstätte entwickelten Rechtsgrundsätze zu Grunde gelegt. Diese rechtliche Beurteilung greift die Revision nicht an; auch der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, davon abzuweichen. Danach ist Versicherungsschutz grundsätzlich gegeben, wenn ein Beschäftigter während der Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeitsstätte überfallen und hierbei verletzt wird. Der Versicherungsschutz ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Angreifer durch persönliche Feindschaft gegen den Beschäftigten oder ähnliche, aus betriebsfremden Beziehungen stammende Beweggründe zum Überfall veranlaßt worden ist und keine besonderen Verhältnisse beim Zurücklegen des Weges den Überfall wesentlich begünstigt haben. Insoweit kommt es ua auf die Beweggründe des Angreifers an.

Der Versicherungsschutz nach § 550 Abs 1 RVO (früher § 543 Abs 1 RVO) ist allgemein nicht darauf abgestellt, ob die den Unfall herbeiführende Gefahr in einer ursächlichen Beziehung zur betrieblichen Tätigkeit steht (vgl BSGE 17, 75, 77). Das Erfordernis einer solchen Beziehung wäre mit dem Grundsatz nicht vereinbar, daß der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch gegenüber den Gefahren des täglichen Lebens wirksam ist. Zur Herstellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Überfallereignis und der versicherten Tätigkeit bedarf es daher nicht eines betriebsbezogenen Tatmotivs. Dieser Zusammenhang ist vielmehr von vornherein gegeben, sofern der Heimweg von der Arbeitsstätte den Beschäftigten an die Stelle geführt hat, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden kann. Dieser Zusammenhang verliert jedoch an Bedeutung, wenn die Beweggründe des Angreifers sich aus einer persönlichen Verfeindung mit dem Angegriffenen erklären. Dann ist die Zurücklegung des Weges von und zur Arbeitsstätte oftmals nur eine von vielfachen beliebigen Gelegenheiten für den Angreifer, das unterwegs befindliche Opfer seiner Feindschaft zu überfallen, das ihm ebenso gut zu anderer Zeit und an anderer Stelle erreichbar gewesen wäre. In einem solchen Fall herrschen die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Angegriffenem vor und drängen den Zusammenhang des Überfalles mit dem Zurücklegen des versicherten Weges als rechtlich unwesentlich zurück (vgl BSGE 17, 75, 77 mit weiteren Nachweisen). Auch in solchen Fällen kann jedoch die Frage des Versicherungsschutzes anders zu beurteilen sein, wenn besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt haben (BSG aaO S 77 unten) und wenn ein Beschäftigter bei einer tätlichen Auseinandersetzung verletzt wird, die ihren unmittelbaren Ursprung in der Zurücklegung des versicherten Weges hat (vgl BSG in SozR Nr 39 zu § 543 RVO aF).

Das LSG hat unter Würdigung der gesamten von ihm festgestellten Einzelumstände deren Bedeutung als Ursache des Todes des W. abgewogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die in der Zurücklegung des Weges begründeten Umstände nur die Bedeutung einer nicht rechtserheblichen Gelegenheitsursache haben (Urteil S 14 unten). Nicht die örtlichen und zeitlichen Bedingungen des Heimweges, sondern die nachhaltig gestörten persönlichen Beziehungen der Familien W. und K. seien wesentliche Ursache für den tödlichen Ausgang, der mit dem rein persönlich motivierten Angriff des K. und dessen Abwehr durch W. verbunden gewesen sei (Urteil S 18 unten, 19 oben).

Die zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des LSG vermag die Revision nicht mit Erfolg anzugreifen. Sie rügt zwar substantiiert Denkfehler und behauptet Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze und damit eine Verletzung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Im wesentlichen zieht sie jedoch aus den unstreitigen Tatsachen eigene, von denen des LSG abweichende Schlüsse, die einen wesentlichen Verfahrensmangel nur begründen könnten, wenn die Schlußfolgerungen des LSG nicht denkgesetzlich möglich wären (ua BSGE 6, 164, 166). Das ist nicht der Fall. Der festgestellte Sachverhalt läßt die Annahme des LSG durchaus zu, W. habe sich auf die Auseinandersetzung mit K. "eingelassen"; er zwingt nicht zu der Annahme, W. sei plötzlich und unerwartet von den schwerbewaffneten Eheleuten K. überfallen worden, und es sei ihm keine andere Möglichkeit geblieben, als sich nach Kräften zu wehren. Das LSG ist ferner davon ausgegangen, W. habe nach den gesamten Umständen sogleich erkannt, daß K. ihn zu dieser Zeit und an diesem Ort wegen der familiären Streitigkeiten erwartet habe. Dieser Annahme steht nicht, wie die Revision meint, als denkgesetzliche Unmöglichkeit entgegen, daß er sich dann nicht von seinem Arbeitskollegen S. mit dessen Pkw bis vor sein Haus hat fahren lassen, um damit dem beabsichtigten Angriff zu entgehen. Voraussetzung für eine solche Annahme wäre jedenfalls, daß W. den bevorstehenden Angriff bereits erkannt hätte, bevor er den Pkw verließ oder S. wenigstens noch nicht weitergefahren war. Dafür gibt der Sachverhalt aber keinen zwingenden Anhalt, denn K. erwartete den W. nicht an der Einmündung der Straße "Tannensande", wo W. den Pkw verließ, sondern vor seinem - des K. - Hausgrundstück, das nach den festgestellten örtlichen Verhältnissen etwa 10 Meter von der Einmündung entfernt begann. Es ist also mindestens denkgesetzlich möglich, daß W. den K. und dessen Angriffsabsicht erst erkannte, als er die letzte Wegstrecke zu Fuß bereits angetreten hatte und S. weitergefahren war. Der telefonische Bericht seiner Ehefrau am Nachmittag und die Tatsache, daß K. einen "Knüppel" in der Hand hatte, sind im übrigen Umstände, die die Schlußfolgerung des LSG bekräftigen, W. habe den beabsichtigten Angriff erkannt.

Wenn das LSG weiterhin die körperliche Überlegenheit des W. als Umstand gewertet hat, dem gegenüber Dunkelheit und Abgelegenheit des Ortes keine Rolle mehr gespielt hätten und auch das "Überraschungsmoment" im Hinblick auf die "Vorwarnung" der Ehefrau des W. vom Nachmittag nicht wesentlich gewesen sei, dann liegt auch hierin nicht eine von der Revision angenommene "fehlerhafte" Beweiswürdigung. Sie mißt nur entgegen dem LSG dem "Überraschungsmoment" eine wesentlich höhere, wenn nicht gar die allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Bewertung ist aber nicht derart zwingend, daß demgegenüber die Auffassung des LSG denkgesetzlich unmöglich erscheint. Im übrigen trifft es zwar zu, daß K. außer dem Knüppel, den er in der Hand trug, auch noch zwei Messer zu sich gesteckt hatte. Das konnte W. aber nicht bekannt sein, ganz abgesehen davon, daß die Stiche nicht mit diesen Messern geführt worden sind. Wenn die Revision schließlich eine Alternative des LSG dazu vermißt, daß W. sich auf die Auseinandersetzung "eingelassen" bzw sich in diese hat "hineinziehen" lassen (Urteil S. 19 Mitte), so liegt diese andere Möglichkeit darin, daß W. seinen Weg nicht fortgesetzt, sondern sich beschleunigt zurückgezogen hätte.

Auch die von dem LSG vorgenommene "Aufteilung des Geschehensablaufs in zwei Abschnitte" ist weder unmöglich noch sachlich fehlerhaft. Das LSG hat insoweit dem Verhalten des W. von dem Zeitpunkt an, in dem er den bevorstehenden Angriff erkannte (vgl Urteil des 2. Senats vom 31. März 1965 - 2 RU 7/63 - unveröffentlicht), eine wesentliche Bedeutung für den weiteren Geschehensablauf beigemessen und dabei auch berücksichtigt, daß die tödlichen Verletzungen von seinem eigenen Messer herrührten, wobei allerdings nicht festzustellen war, wie dies in die Gewalt des K. oder gar seiner Ehefrau gekommen war. Ein einheitlicher Geschehensablauf, wie ihn die Revision demgegenüber als allein gerechtfertigt annimmt, wäre nur dann gegeben, wenn W. von dem Angriff völlig unvorbereitet und arglos überrascht worden wäre. Diese von der Revision allein für richtig gehaltene Beurteilung des Geschehensablaufes ist aber nach dem oben Gesagten gegenüber derjenigen des LSG nicht die allein denkbare. Einen Erfahrungssatz des täglichen Lebens, gegen den das LSG verstoßen haben soll, bezeichnet die Revision nicht.

Die Erwägungen des LSG, daß sich der Überfall auch zu jeder anderen Zeit und an jedem beliebigen anderen Ort hätte ereignen können, sind für die Entscheidung nur insoweit rechtserheblich, als das LSG in von der Revision nicht erfolgreich angegriffener Weise davon ausgegangen ist, daß die örtlichen und zeitlichen Umstände nicht wesentliche Mitursachen für den Tod des W. waren. Die Gesamtumstände und die vom LSG festgestellten Tatsachen rechtfertigen vielmehr die Folgerung, daß allein rechtserhebliche Ursache für den Tod des W. die persönlich motivierte Auseinandersetzung mit den Eheleuten K. gewesen ist.

Nach alledem mußte die Revision der Kläger, ohne daß diese der Beklagten Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs 4 SGG), zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654095

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