Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig ist, in welchem Umfang die beklagte Landesversicherungsanstalt berechtigt ist, mit ihren Beitragsansprüchen gegen das Altersruhegeld aufzurechnen, das dem während des Revisionsverfahrens verstorbenen Kläger zugestanden hat.
Der 1907 geborene Kläger betrieb ein Fliesenfachgeschäft; sein Antrag auf Konkurseröffnung über sein Vermögen wurde im Dezember 1975 vom Amtsgericht Koblenz rechtskräftig abgelehnt. Im September 1975 teilte die beigeladene Innungskrankenkasse der Beklagten mit, der Kläger schulde Gesamtsozialversicherungsbeiträge, von denen 14.346,54 DM auf die Rentenversicherung der Arbeiter entfielen. Daraufhin rechnete die Beklagte wegen dieses Beitragsrückstandes ab 1. November 1975 in Höhe von monatlich 200,-- DM gegen das damals monatlich 622,20 DM betragende Altersruhegeld des Klägers auf (Bescheid vom 8. Oktober 1975 und - während des Berufungsverfahrens ergangen - Widerspruchsbescheid vom 8. August 1977). Der Kläger hielt die Aufrechnung für rechtswidrig und rief das Sozialgericht (SG) an.
Das SG Koblenz hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Oktober 1976). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat unter Abänderung dieses Urteils den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und im Urteil vom 29. August 1978 festgestellt, der Kläger wohne mit seiner Ehefrau in einem den Schwiegerkindern gehörenden Haus zur Miete. Die monatlichen Aufwendungen für diese Wohnung hätten ursprünglich 350,-- DM betragen. Da der Kläger außer der Rente über kein Einkommen verfüge, zahle er nur einen Grundbetrag von 100,-- DM monatlich.
Das LSG hat weiter ausgeführt, die Beklagte habe bei der Aufrechnung das ihr nach § 1299 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. obliegende Ermessen verletzt, weil der Kläger durch die Aufrechnung sozialhilfebedürftig geworden sei. Der Sozialhilferichtsatz für den Kläger (als Haushaltungsvorstand) habe ab November 1975 250,-- DM betragen, dazu sei ihm ein Alterszuschlag in Höhe von 30% dieses Regelsatzes (75,-- DM) anzurechnen. Selbst wem man nur die vom Kläger tatsächlich gezahlten 100.-- DM für Miete berücksichtige, übersteige ein etwaiger Sozialhilfeanspruch des Klägers den verbleibenden Rentenbetrag geringfügig. Der monatliche Aufrechnungsbetrag könne nicht vom Gericht, sondern müsse von der Beklagten festgesetzt werden; denn es sei nicht nur eine einzige richtige Festsetzung möglich. Insbesondere könne die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen dem Kläger wegen seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau einen größeren Teil der Rente belassen. Für die Zeit ab Januar 1976 sei eine Aufrechnung nur noch im Rahmen des § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zulässig; sie dürfe erst recht nicht zur Sozialhilfebedürftigkeit führen. Dies verdeutliche die beabsichtigte Neufassung des § 51 Abs. 2 SGB I.
Mit der Revision wendet sich die Beklagte gegen diese Rechtsauffassung. Sie ist der Ansicht, ihre Aufrechnung sei nicht nur nach § 1299 RVO a.F. ermessensfehlerfrei gewesen, sondern stehe auch mit der seit dem 1. Januar 1976 durch § 51 Abs. 2 SGB I geschaffenen Rechtslage im Einklang. Bei der Neufassung (Ergänzung) der Vorschrift durch Art. II § 28 Nr. 4 des Zehnten Buches des SGB - Verwaltungsverfahren - (SGB X) handele es sich um keine rückwirkende Klarstellung. Sie könne deshalb hier nicht angewandt werden, auch nicht über Art. II § 37 Abs. 1 SGB X, weil danach nur begonnene Verwaltungsverfahren nach den neuen Vorschriften zu Ende zu führen seien, während das vorliegende Verwaltungsverfahren schon lange vor dem Inkrafttreten des SGB X seinen Abschluß gefunden habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 29. August 1978 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Koblenz vom 21. Oktober 1976 zurückzuweisen.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Der Zulässigkeit der Entscheidung steht nicht entgegen, daß der Kläger während des Revisionsverfahrens (am 17. Februar 1980) verstorben und sein Rechtsnachfolger nicht festgestellt ist; wegen der Vertretung durch einen nach § 166 Sozialgerichtsgesetz (SGG) postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten tritt keine Unterbrechung des Verfahrens ein (§ 202 SGG i.V.m. §§ 239 Abs. 1, 246 Abs. 1 Zivilprozeßordnung). Von der Möglichkeit, die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen, hat weder der Bevollmächtigte noch die Beklagte Gebrauch gemacht.
Die Revision der Beklagten ist im wesentlichen unbegründet.
Soweit die Aufrechnung die Rentenbezugszeiten vom 1. November bis zum 31. Dezember 1975 betrifft, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. In dieser Zeit galt § 1299 RVO a.F., wonach geschuldete Sozialversicherungsbeiträge gegen Leistungsansprüche aufgerechnet werden durften. Daß sich die Beklagte bei der Aufrechnung im Rahmen dieser ihr vom Gesetz eingeräumten Befugnis gehalten hat, unterliegt keinem Zweifel. Fraglich könnte nur sein, ob die Beklagte bei ihrer Entschließung, einen Betrag von monatlich 200,-- DM aufzurechnen, die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1967 - 4 RJ 447/66 = BSGE 27, 54, 57 = SozR Nr. 10 zu § 1299 RVO). Zu einer solchen Annahme besteht jedoch kein Anhalt. Zwar enthält weder der Bescheid noch der Widerspruchsbescheid zu diesem Punkt Hinweise oder eine Begründung. Dies ist aber im Hinblick darauf, daß durch die Nichtangabe entsprechender Gesichtspunkte der Kläger in der zweckmäßigen Verteidigung seiner Rechte beeinträchtigt blieb (hierzu im einzelnen: Urteil des Senats vom 10. Juni 1980 - 4 RJ 103/79 = SozR 2200 § 1301 Nr. 12), ohne ausschlaggebende Bedeutung. Vielmehr kommt es darauf an, daß überhaupt das Ermessen zulässig ausgeübt wurde. Die Ermessensausübung lag darin, gegen die monatlich fällig werdenden Zahlbeträge des Altersruhegeldes von damals 622,20 DM nur mit jeweils 200,-- DM aufzurechnen. Das war nicht fehlerhaft. Die Rechtsprechung zu jener Vorschrift legte dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der ordnungsgemäßen Beitragsentrichtung eine erhebliche Bedeutung zu. Sie hielt eine Aufrechnung nicht schon deshalb für ermessensfehlerhaft, weil dadurch der Versicherte die Sozialhilfe überhaupt oder stärker in Anspruch nehmen mußte (vgl. BSG, Urteil vom 1. November 1968 - 12 RJ 342/66 BSGE 28, 288, 291 f.; Urteil vom 14. Januar 1969 - 4 RJ 309/67 = SozR Nr. 13 zu § 1299 RVO), und sie beurteilte es als ermessensgerecht, wenn dem Versicherten ein dem Regelsatz der Sozialhilfe gleichkommender Betrag der Rente belassen wurde (BSGE 27, 54, 57). In diesem Rahmen hielt sich die Beklagte, zumal sie - auch nach den Feststellungen des LSG - dem Kläger mehr beließ, als der Regelsatz und die tatsächliche Mietbelastung ausmachten. Für eine Anbindung an die Sozialhilfe in der Weise, daß der Mehrbedarf i.S. von § 23 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit einzubeziehen sei, bestand bei der Ermessensentscheidung nach § 1299 RVO a.F. keine Veranlassung. Auch die Rechtsprechung zu § 1265 RVO stellt im übrigen auf den "Mindestbedarf" ab und läßt hierbei die sich aus § 23 BSHG ergebenden Beträge außer Ansatz. Das LSG kam seine gegenteilige Ansicht auf Erwägungen, die im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 47/77 - (= BSGE 45, 271, 276) enthalten sind, schon deshalb nicht stützen, weil jene Entscheidung nicht § 1299 RVO a.F. betraf.
Eine andere Rechtslage besteht für die Rentenbezugszeiten seit dem 1. Januar 1976. Seit diesem Zeitpunkt ist Art. I § 51 SGB I an die Stelle des aufgehobenen § 1299 RVO a.F. getreten (Art. II § 4 Nr. 1, § 23 SGB I). Da eine Übergangsvorschrift fehlt, ist unabhängig vom Eintritt des Versicherungsfalles und dem Zeitpunkt des Bescheides die neue Vorschrift auf die vom 1. Januar 1976 an fällig gewordenen Geldleistungen anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. November 1976 - 5/12 RJ 172/75 = SozR 2200 § 1299 Nr. 1).
§ 51 Abs. 1 SGB I räumt dem Leistungsträger die Befugnis ein, gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufzurechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 3 pfändbar sind. § 51 Abs. 2 SGB I lautet:
"Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig i.S. der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird."
Der Halbsatz ab "soweit" wurde erst durch Art. II § 28 Nr. 4 SGB X vom 18. August 1980 (BGBl. I 1469) eingefügt und trat am 27. August 1980 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 5 SGB X). Ob nun diese Ergänzung durch den Gesetzgeber als auf den 1. Januar 1976 zurückwirkende "Klarstellung" aufzufassen ist (so der 8. und 5. Senat des Bundessozialgerichts - BSG - Urteile vom 18. Dezember 1980 - 8a RU 12/78 - und 30. Juni 1981 - 5b/5 RJ 18/80), bedarf für den vorliegenden Sachverhalt keiner Entscheidung. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß die Bundesregierung in der Begründung zum SGB X (Drucks. 8/2034, S. 44) differenzierend das Inkrafttreten am Tage nach der Verkündung des Gesetzes für erforderlich gehalten habe, "um die notwendigen Klarstellungen im Wohngeldgesetz sowie die angegebenen Änderungen im Ersten Buch Sozialgesetzbuch frühestmöglich zu erreichen …". Denn die Anwendung des § 51 Abs. 2 SGB I in der ergänzten neuen Fassung ergibt sich aus folgenden Gründen:
Nach Art. II § 37 Abs. 1 SGB X sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Dem Gesetz läßt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, was "Verfahren" i.S. dieser Vorschrift bedeuten soll. Unklar ist auch, ob das SGB X einen Unterschied zwischen "Verfahren" und "Verwaltungsverfahren" machen will. Einerseits gebraucht es die beiden Begriffe, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, nebeneinander (Verfahren z.B. in den §§ 10, 12 Abs. 2, 13 Abs. 3, 21 Abs. 4, 25 Abs. 1 Satz 1; Verwaltungsverfahren z.B. in den §§ 9, 13 Abs. 1, 16, 17, 18, 25 Abs. 1 Satz 2), andererseits fällt auf, daß bei den verhältnismäßig ähnlichen Überleitungsvorschriften in Art. II § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB I von noch nicht abgeschlossenen "Verwaltungsverfahren" und in Art. II § 37 Abs. 1 SGB X von bereits begonnenen "Verfahren" die Rede ist. Vom sprachlichen Verständnis her deutet manches darauf hin, daß "Verfahren" der weitere Begriff ist, der neben dem "Verwaltungsverfahren" auch noch andere Handlungsabläufe, so auch das gerichtliche Verfahren umfaßt. Das kann jedoch dahinstehen.
Der Senat folgert aus Sinn und Zweck der Regelung, daß jedenfalls das in der Überleitungsvorschrift zum SGB X erwähnte "Verfahren" nicht schon mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes (Bescheid, Widerspruchsbescheid), sondern erst mit dem Eintritt der Bindungswirkung (§ 77 SGG) abgeschlossen ist. Das hat der 9. Senat des BSG im Urteil vom 19. September 1979 - 9 RV 68/78 - (SozR 1200 § 44 Nr. 1) für das Verwaltungsverfahren i.S. der Überleitungsvorschriften zum SGB I ausgesprochen. Er hat dabei zum Begriff "Abschluß des Verwaltungsverfahrens" u.a. ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sei eine selbstverständliche Voraussetzung unserer Rechtsordnung; es könne nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber hiervon habe abweichen wollen, indem er das Verwaltungsverfahren selbst dann als abgeschlossen gelten lasse, wenn sich in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes herausstellen sollte. Dem schließt sich der erkennende Senat an, Nur das unanfechtbar abgeschlossene Verfahren kann in diesem Sinn als beendet angesehen werden, weil zuvor der Verwaltungsakt (§ 8 SGB X) und damit die Regelung eines Einzelfalles (§ 31 Satz 1 SGB X) eben gerade noch nicht die unmittelbare Rechtswirkung nach außen haben (§ 31 Satz 1 SGB X), auf die es bei jedem (Verwaltungs-) Verfahren letztlich ankommt.
Die Rechtsauffassung des Senats, daß die Regelung des Art. II § 37 Abs. 1 SGB X alle Verfahren erfaßt, die noch nicht bindend (rechtskräftig) abgeschlossen sind - also auch solche Verfahren, die noch vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig sind -, wird durch eine weitere Erwägung gestützt. Die Änderung des § 51 Abs. 2 SGB I wird durch Art. II § 28 Nr. 4 SGB X angeordnet. Diese Vorschrift trat, wie bereits erwähnt, am 27. August 1980 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 5 SGB X). Von diesem Zeitpunkt an muß somit die neue Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I ohnehin in allen Verwaltungsverfahren angewendet werden, die noch nicht durch Verwaltungsakt abgeschlossen, mithin noch anhängig im engeren Sinne sind. Wenn aber Art. II § 37 Abs. 1 SGB X, der zum 1. Januar 1981 in Kraft trat, gleichfalls nur diese Verfahren meinen würde, wie die Beklagte annimmt, müßte es als fraglich erscheinen, von welchem Zeitpunkt an - 27. August 1980 oder 1. Januar 1981 - die "neue" Regelung anzuwenden wäre. Die vom Senat vertretene Meinung läßt solche Zweifel nicht entstehen. Aus Art. II § 28 Nr. 4 SGB X folgt, daß ab 27. August 1980 alle Verwaltungsakte die "neue" Regelung zugrunde legen müssen, aus Art. II § 37 Abs. 1 SGB X folgt, daß darüber hinaus die "neue" Regelung auf alle die Fälle anzuwenden ist, in denen ein einschlägiger Verwaltungsakt zwar bereits ergangen, das Verfahren jedoch noch nicht bindend oder rechtskräftig abgeschlossen ist. Daraus folgt weiterhin, daß bereits bindend oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht nochmals neu aufzunehmen sind.
Mit der Rechtsauffassung, die der erkennende Senat vertritt, wird dem Zweck des SGB X am besten entsprochen. Dem Gesetzgeber kam es offenbar darauf an, die Reform des Verwaltungsverfahrens und die beabsichtigte Verbesserung des Rechtsschutzes so umfassend und so rasch wie möglich wirksam werden zu lassen; die bereits erledigten Fälle sollten jedoch nicht wieder aufgenommen werden, weil das einen unangemessenen Verwaltungsaufwand erfordert hätte. Solange aber ein Verwaltungsakt auf einen Rechtsbehelf hin noch gerichtlich überprüft wird und damit noch nicht bindend ist, erscheint es angemessen und geboten, ihn nach dem neuen Recht zu beurteilen; die Verbesserung des Rechtsschutzes kommt damit einem möglichst großen Kreis von Betroffenen zugute, ohne daß der Behörde ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand entstünde.
Die Beklagte hat mit ihren Aufrechnungen für die Zeit ab Januar 1976 § 51 Abs. 2 SGB I in der sonach anzuwendenden Neufassung verletzt. Dabei bedarf es keiner Untersuchung, ob der Kläger durch die Aufrechnung überhaupt erst oder nur stärker sozialhilfebedürftig geworden ist; dem nach Sinn und Zweck der Vorschrift sind beide Tatbestände gleich zu behandeln. Das LSG hat im einzelnen dargelegt, daß unter Zugrundelegung des im angefochtenen Bescheid festgesetzten Aufrechnungsbetrages von monatlich 200.-- DM dem Kläger weniger verblieben wäre, als er nach den Vorschriften des BSHG hätte beanspruchen können, daß also bei der Aufrechnung die "Grenze der Hilfebedürftigkeit" nicht beachtet wurde. Die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind von der Beklagten nicht angegriffen worden und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG). Ein Rechtsfehler bei der Anwendung der Vorschriften des BSHG ist nicht zu erkennen. Insbesondere hat das LSG zu Recht auch den Anspruch auf den Mehrbedarf (§ 23 BSHG) mit einbezogen (vgl. VDR-Kommentar, Stand: 1. Januar 1981, Anm. 6 zu § 51 SGB I). Da die Beklagte mit der Aufrechnung gegen § 51 Abs. 2 SGB I für die Zeit ab 1. Januar 1976 verstoßen hat, war ihr Bescheid insoweit aufzuheben.
Der Senat hat erwogen, ob eine nur teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides in dem Umfang in Betracht kommt, in dem der Aufrechnungsbetrag den Rentenauszahlungsbetrag unter die durch die Sozialhilfe gezogene Grenze absinken läßt, weil es in § 51 Abs. 2 SGB I heißt, "soweit" (nicht: wenn) der Leistungsberechtigte durch die Aufrechnung nicht hilfebedürftig wird. Der Senat hält das für nicht zulässig. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Aufrechnung die mit "soweit" gekennzeichnete Betragsgrenze überschritten hat. Den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit obliegt es nicht, einen Aufrechnungsbetrag selbst festzusetzen. War bei der Aufrechnung die zulässige Grenze überschritten, so kann dies nur dazu führen, daß der Versicherungsträger eine neue, nunmehr fehlerfreie Entscheidung zu treffen hat und in dieser bestimmt, ob und in welcher Höhe er aufrechnet. Dabei steht dem Versicherungsträger der gesamte Ermessensspielraum zur Verfügung. Würde das Gericht die Aufrechnung mit einem bestimmten Betrag - etwa bis zur zulässigen Grenze der Sozialhilfe - selbst aussprechen, so würde es damit eine ganz bestimmte Ermessensentschließung dem Sozialversicherungsträger vorwegnehmen. Bei der neuen Ermessensentscheidung wird die Beklagte insbesondere auch zu berücksichtigen haben, daß für die Zeit ab 1. Januar 1976 sich einerseits sowohl das Altersruhegeld des Versicherten erhöht hat als auch andererseits die Sozialhilfesätze angehoben worden sind. Beide Fakten beeinflussen die Grenzen der künftigen zulässigen Aufrechnung.
Demzufolge war das Urteil des Berufungsgerichts im wesentlichen, nämlich soweit es Rentenbezugszeiten ab 1. Januar 1976 betrifft, zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; es war zu berücksichtigen, daß die Revision der Beklagten nur in geringem Ausmaß Erfolg hatte.
Fundstellen
BSGE, 98 |
Breith. 1982, 886 |