Leitsatz (redaktionell)
1. Die Grenzen des Rechts freier richterlicher Beweiswürdigung sind nicht überschritten, wenn das Gericht sich ohne Hinzuziehung eines Psychologen selbst ein Bild über die Täterpersönlichkeit gemacht hat.
2. Wenn auch die in der Gewaltverbrecher-Verordnung vorgesehene Todesstrafe durch die Militärregierung Deutschlands grundsätzlich aufgehoben wurde, so führt dies im vorliegenden Falle doch nicht zur Annahme eines Willküraktes der Besatzungsmacht.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Oktober 1967 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Württ. Oberversicherungsamts vom 25. März 1953 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sämtlicher Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Vater der Kläger, A P (P.), Volksdeutscher aus Jugoslawien, wurde im 2. Weltkrieg zur Waffen-SS einberufen und im Arbeitslager der Waffen-SS (KZ-Lager) Radom verwendet. In dem später nach V/Enz verlegten Lager war er zweiter Koch. Bei Kriegsende geriet er in Dachau in amerikanische Gefangenschaft. Hier wurde er von ehemaligen Lagerinsassen erkannt, den französischen Streitkräften übergeben und als Kriegsverbrecher beim Oberen Gericht der Militärregierung der französischen Besatzungszone in Deutschland angeklagt. Es wurde ihm vorgeworfen, er habe zusammen mit dem ersten Koch im Lager V Häftlinge, die um die Küche herumschlichen oder versuchten, sich Küchenabfälle zu holen, mit einem Ochsenziemer geschlagen, und zwar im allgemeinen solange, bis Blut geflossen sei. Mehrere von ihnen seien danach im Revier verstorben. Neben "vielen anderen Mordtaten" wurden die Köche des Mordes an einem Professor der Universität W und an einem Russen namens K beschuldigt. Die Anklage stützte sich auf die §§ 211, 212, 226, 227 und 242 des Deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) sowie auf § 1 des Kontrollratsgesetzes (KRG) Nr. 10. Das Tribunal Général der Militärregierung der französischen Besatzungszone in Deutschland sprach P. mit Urteil vom 21. November 1947 der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 2 des KRG Nr. 10 schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Das Urteil wurde im Revisionsverfahren vor dem Obersten Gericht der französischen Militärregierung durch Urteil vom 15. Dezember 1947 bestätigt. Die Gnadengesuche der Verteidigung und der Witwe des P. (früher Klägerin zu 1), sowie der Antrag, den Zeugen Friedmann zu vernehmen, wurden abgelehnt. Das Urteil wurde am 14. Februar 1948 durch Erschießen vollstreckt. Im Februar 1951 beantragten die Kläger und ihre inzwischen verstorbene Mutter, die Witwe des P., Hinterbliebenenversorgung. Das Versorgungsamt lehnte durch Bescheid vom 22. Oktober 1951 den Versorgungsantrag ab. Das Oberversicherungsamt (OVA) wies die Berufung der Kläger durch Urteil vom 25. März 1953 zurück. Der beim Landesversicherungsamt Württemberg-Baden eingelegte Rekurs der Kläger ging beim Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht (LSG) über. Das LSG wies die Berufung mit Urteil vom 7. Februar 1957 zurück und ließ die Revision zu. Daß P. Angehöriger der Waffen-SS gewesen sei, sei nicht mehr streitig. Eine Schädigung durch militärischen oder militärähnlichen Dienst (§ 1 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) sei seine Hinrichtung indes nicht gewesen, denn sie habe auf dem Urteil der französischen Besatzungsmacht beruht. Die Bewachung von Zivilpersonen durch Angehörige der Waffen-SS sei auch kein militärischer Dienst, sondern eine politische Aufgabe gewesen und die Handlungen, die zur Verurteilung und Hinrichtung geführt hätten, seien nicht wegen, sondern nur während des Dienstes vorgenommen worden. Auch § 1 Abs. 2 BVG ergebe keinen Versorgungsschutz der Kläger. Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG werde zwar unterstellt, die Hinrichtung sei aber nicht durch die Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden. Schließlich sei auch § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht anwendbar. Aufgrund des KRG Nr. 10 hätte nämlich auch ein deutsches Gericht nach den im Urteil des Militärgerichts getroffenen Feststellungen die Todesstrafe aussprechen können. Das Urteil des französischen Militärgerichts beruhe vielleicht auf einem mangelhaften Verfahren, weil Entlastungszeugen angeblich nicht gehört worden seien. Es könne aber keineswegs als "Nicht-Urteil" angesehen werden, denn dem Angeklagten sei die Möglichkeit des Gehörs, der Verteidigung und der Revision gegeben worden. Die Urteile des französischen Militärgerichts seien im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nachzuprüfen. Auf die damalige Revision der Kläger hat der erkennende Senat mit Urteil vom 31. Juli 1962 das LSG-Urteil vom 7. Februar 1957 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Er hat ua ausgeführt, eine besondere Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG könne auch dann gegeben sein, wenn das Gericht der Besatzungsmacht aus der Animosität des Siegers heraus die Verteidigung des Angeklagten in unangemessener Weise beschränkt, ihn also einem Verfahren unterworfen habe, das den in den Kulturnationen üblichen Rechtsgarantien für einen Angeklagten nicht entspreche, und wenn anzunehmen sei, daß aus diesem Grunde oder wegen der feindlichen Einstellung des Gerichts zugunsten des Angeklagten sprechende wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben seien. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hätten ohne Bindung an sog. Kriegsverbrecherurteile der Besatzungsmächte selbst zu prüfen, welche Strafen die in derartigen Urteilen bestraften Handlungen bei Aburteilung durch ein deutsches Gericht in Anwendung des deutschen Strafrechts nach sich gezogen hätten. Das LSG werde den Versorgungsanspruch der Kläger also nur verneinen können, wenn seine Ermittlungen und Erwägungen ergäben, daß P. auch nach dem damals geltenden deutschen Strafrecht wegen der aus den Strafakten der Besatzungsgerichte zu gewinnenden Feststellungen wahrscheinlich zum Tode verurteilt worden wäre oder jedenfalls nach deutschem Gesetz hätte verurteilt werden können. Sollte dies zutreffen, werde das LSG weiter zu prüfen haben, ob das Besatzungsgericht die Rechte des Angeklagten hinreichend gewahrt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Urteils vom 31. Juli 1962, das in BSG 17, 225 ff veröffentlicht worden ist, Bezug genommen.
Das LSG hat nach umfangreichen Ermittlungen mit Urteil vom 25. Oktober 1967 das Urteil des Württembergischen OVA vom 25. März 1953 dahin abgeändert, daß der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Oktober 1951 verpflichtet wird, den Klägern für die Zeit ab 1. Oktober 1950
a) einen Bescheid über die Gewährung von Waisenrente nach dem BVG und
b) als Rechtsnachfolgern der inzwischen verstorbenen Klägerin T P einen Bescheid über die Gewährung von Witwenrente nach dem BVG zu erteilen.
Es hat ua festgestellt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß P. als Angeklagter in seiner Verteidigung in einer einem Rechtsstaat nicht angemessenen Weise behindert worden und zu vermuten sei, daß das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhe. Dagegen liege eine "besondere Gefahr" im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG deshalb vor, weil die gegen P. ausgesprochene Todesstrafe in keinem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt seiner Straftaten stehe. Für die von ihm begangenen Verbrechen und Vergehen habe das deutsche Strafrecht nicht die Todesstrafe bestimmt. P. habe im Falle M den objektiven Tatbestand des § 211 StGB erfüllt. Dabei sei schon das Aufhängen des Häftlings an den auf den Rücken gefesselten Händen als "grausam" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aF anzusehen. Denn hier habe es sich um ein Übel gehandelt, das dem Opfer über die Vernichtung des Lebens hinaus zugefügt worden und das nach natürlichem Gefühl als unbarmherzig zu verabscheuen sei. Dasselbe gelte für das gemeinschaftliche wechselseitige Einprügeln mittels eines Stockes bzw. eines Gummiziemers auf den hilflos von der Decke hängenden Deportierten. Dieser Akt sei ein Ausdruck äußerster Roheit und Brutalität. Der zwei Tage später eingetretene Tod des M stehe in ursächlichem Zusammenhang mit der erlittenen Folterung. P. habe mit N, W und M bewußt und gewollt zusammengewirkt; als Mittäter im Sinne des § 47 StGB sei ihm auch das Aufhängen des Häftlings an den Händen und das Abspritzen mittels eines Wasserschlauchs anzurechnen, denn er habe die Gesamttat unter Mitwirkung der anderen als eigene Handlung verwirklichen wollen. Wenn P. sonach tatbestandsmäßig und rechtswidrig gehandelt habe, so sei es doch nicht möglich, ihm den für eine Bestrafung aus § 211 StGB aF erforderlichen Tötungsvorsatz nachzuweisen. Gegenüber den seiner Obhut anvertrauten Häftlingen habe er, wie die meisten psychisch einfach strukturierten Persönlichkeiten, den für ihn leichteren und schnelleren Weg der sich bis zur körperlichen Gewaltanwendung steigernden Furchteinflößung gewählt, um sich Respekt zu verschaffen. Damit sei aber sein Ziel bereits erreicht gewesen, und eine darüber hinausgehende, etwa in der psychischen Vernichtung seiner Opfer gipfelnde Steigerung sei für ihn nicht erforderlich gewesen. Ein bedingter Vorsatz, der für § 211 StGB aF ausreichen würde, sei gleichfalls nicht erkennbar. Die Nichterweislichkeit des Tötungsvorsatzes könne P. im Hinblick auf den Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" nicht angelastet werden. Dagegen habe er tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft im Sinne des § 226 StGB gehandelt. Das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang sei jedoch nicht mit dem Tode, sondern nur mit einer zeitlichen Zuchthausstrafe bedroht gewesen. Der Deportierte K sei von P. in der Küche mißhandelt worden, doch sei nicht erwiesen, daß der zwei Tage danach eingetretene Tod hierauf zurückzuführen sei; denn die Todesursache sei durch keinen der gehörten jüdischen Ärzte festgestellt worden und 93 % der Häftlinge seien Opfer des allgemeinen Kräfteverfalls, der Tuberkulose und der am 22. Februar 1945 ausgebrochenen Typhusepidemie geworden. Ebenso sei nicht erwiesen, ob der Häftling J an den Folgen der Mißhandlung durch P. gestorben sei. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage wäre sonach ein deutsches Strafgericht nicht zum Ausspruch der Todesstrafe gelangt. Auch im Hinblick auf das KRG Nr. 10 hätte nichts anderes gegolten.
Nach alledem sei die Hinrichtung des P. Ausfluß einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebietes zusammenhängenden "besonderen Gefahr" im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses LSG-Urteils Bezug genommen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 103 und 128 SGG sowie der §§ 1 Abs. 2 a und 5 Abs. 1 Buchst. d BVG. Er hat ua ausgeführt, soweit das KRG Nr. 10 durch die deutschen Gerichte anzuwenden gewesen sei, habe es sich um deutsches Recht gehandelt. Bei den Normen des KRG Nr. 10 habe es sich nicht um neu gesetztes Strafrecht, sondern um schon immer geltendes Recht gehandelt, weshalb der Grundsatz "nulla poena sine lege" dem KRG Nr. 10 als deutschem Strafrecht nicht entgegenstehe. Nach den Feststellungen des LSG rechtfertige der ermittelte Sachverhalt zwar nicht, ihn unter § 211 StGB zu subsumieren, da das innere Tatbestandsmerkmal, der Tötungsvorsatz, nicht nachzuweisen sei. Das LSG habe dabei aber völlig übersehen, daß der dolus eventualis mit zu prüfen gewesen wäre. Im übrigen habe zum deutschen Strafrecht, das eine Straftat mit der Todesstrafe belegt habe, zu jener Zeit außer § 211 StGB auch die Verordnung (VO) gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 gehört. Nach § 1 dieser VO sei mit dem Tode bestraft worden, wer ua bei einer schweren Gewalttat Schuß-, Hieb- oder Stoßwaffen oder andere gleichgefährliche Mittel angewandt oder mit einer solchen Waffe einen anderen an Leib oder Leben bedroht habe. Darüberhinaus hätte das LSG bei weiterer Sachaufklärung und einer darauf beruhenden zutreffenden Beweiswürdigung auch den subjektiven Tatbestand des § 211 StGB bejahen müssen. Die Annahme, P. habe aufgrund seiner landsmannschaftlichen oder sozialen Herkunft mit großer Wahrscheinlichkeit an Minderwertigkeitskomplexen gelitten und diese nur in der Form der krassen Gewaltanwendung zu kompensieren vermocht, lasse sich nicht aus dem ermittelten Sachverhalt ableiten, sondern beruhe auf allgemein gehaltenen psychologischen Erwägungen, ohne daß das Persönlichkeitsbild des P. als Tätertyp in einem strafrechtlich verwertbaren Umfange aufgehellt werde. Um auch den subjektiven Tatbestand zu klären, hätte das LSG einen Diplom-Psychologen hören müssen. Dieser hätte aufgrund der aktenkundigen Vorgänge sicherlich festgestellt, daß das charakterliche Verhalten des P. psychologisch eher hemmungsloser Gewalttätigkeit als Minderwertigkeitskomplexen, die hätten kompensiert werden sollen, zuzuschreiben sei. Als Folge des Hangs zu Gewalttätigkeiten habe P. in Kauf genommen, daß durch sein Verhalten Menschen getötet worden seien, so daß Tötungsvorsatz anzunehmen sei. Das LSG habe dadurch, daß es diese weitere Sachaufklärung unterlassen und deshalb die Täterpersönlichkeit des P. verkannt habe, gegen §§ 103 und 128 SGG verstoßen.
Der Beklagte beantragt,
das LSG-Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Württembergischen OVA vom 25. März 1953 als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Berufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach den tatbestandsmäßigen Feststellungen des LSG, die der Beklagte nicht angegriffen habe, entfielen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Anwendung der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939. Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Februar 1965 - 9 RV 154/62 - (SozR Nr. 41 zu § 5 BVG) könne auf den vorliegenden Fall wegen des völlig anders gelagerten Sachverhalts nicht angewendet werden. Aber selbst bei gegenteiliger Rechtsansicht würde nach den vom LSG getroffenen Feststellungen auch hier bei P. der zur Erfüllung dieser Strafvorschriften erforderliche innere Tatbestand fehlen und damit eine Verurteilung zum Tode entfallen. Der gerügte Verfahrensmangel liege nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und deshalb zulässig (vgl. §§ 162 Abs. 1 Nr. 1; 164, 166 SGG); sie ist auch sachlich begründet.
Wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 31. Juli 1962 ausgesprochen hat, liegt eine der militärischen Besetzung Deutschlands eigentümliche "besondere Gefahr" im Sinne des hier streitigen § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht in Maßnahmen der gesetzgebenden, rechtsprechenden oder vollziehenden Gewalt der Besatzungsmacht, die sich von Maßnahmen einer deutschen Regierung, Rechtsprechung oder Verwaltung nicht wesentlich unterscheiden. Nur insoweit, als die Besatzungsmächte von ihrer damaligen Strafgewalt gegenüber Deutschen in einer Weise Gebrauch gemacht haben, der nach deutscher Rechtsauffassung keinesfalls zugestimmt werden kann, hat es sich um eine "besondere Gefahr" gehandelt, die der militärischen Besetzung eigentümlich gewesen ist. Deshalb ist die von einem Gericht der Besatzungsmacht verhängte Strafe nur dann zu den schädigenden Vorgängen im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG zu rechnen, wenn sie wegen ihres groben Mißverhältnisses zu der Strafe, auf die vermutlich ein deutsches Gericht erkannt hätte, dem Unrechtsgehalt der Straftat nach deutschem Strafrecht unverkennbar nicht entsprochen hat und unter Würdigung aller wesentlichen Umstände ein offensichtliches Unrecht darstellt. Das LSG hatte demgemäß nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen, ob P. auch nach dem damals geltenden deutschen Strafrecht wegen der aus den Strafakten der Besatzungsgerichte zu gewinnenden Feststellungen wahrscheinlich zum Tode verurteilt worden wäre oder jedenfalls nach deutschem Gesetz hätte verurteilt werden können. Dazu hat das LSG - von der Revision unangegriffen - festgestellt, daß P. im Falle des Häftlings M durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand des § 211 StGB aF, der die Todesstrafe vorsah, erfüllt habe. In subjektiver Hinsicht hat es den für eine Bestrafung nach § 211 StGB aF erforderlichen Tötungsvorsatz jedoch nicht als nachgewiesen erachtet. Insoweit hat die Revision zwar eine Verletzung der §§ 103 und 128 SGG gerügt, diese Verfahrensrüge greift jedoch nicht durch. Zunächst ist von der Revision nicht hinreichend dargetan, in welcher Hinsicht das Persönlichkeitsbild des längst verstorbenen P. noch hätte aufgehellt werden können und müssen und weshalb die umfangreichen Akten nicht ausgereicht haben sollten, um dem Berufungsgericht einen Eindruck von dem Charakter des P. zu vermitteln. Abgesehen davon mag zwar in einem Strafprozeß gegen einen lebenden Angeklagten die Anhörung eines Diplom-Psychologen in Betracht kommen, um die charakterliche Veranlagung des Täters aufgrund einer psychologischen Exploration nach wissenschaftlichen Maßstäben und Erkenntnissen zu ermitteln und zu beurteilen. Da P. jedoch schon 1948 erschossen worden ist, andererseits zahlreiche Unterlagen, darunter die vollständige Abschrift der Sitzungsniederschrift über den Strafprozeß, vorliegen, aus denen das Verhalten des P. unter menschlich schwierigen Umständen ersichtlich ist, hat das LSG nicht die Grenzen seines Rechts freier richterlicher Beweiswürdigung überschritten, wenn es sich - ohne Hinzuziehung eines Psychologen - selbst ein Bild über die Täterpersönlichkeit des P. gemacht und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Mit Recht rügt die Revision jedoch, daß das LSG, wenn es das innere Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes nicht als nachgewiesen ansah, hätte prüfen müssen, ob P. wegen der von ihm festgestellten Handlungen nicht nach der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 von einem deutschen Gericht zum Tode hätte verurteilt werden können. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 26. Februar 1965 - 9 RV 154/62 - (vgl. SozR Nr. 41 zu § 5 BVG) ausgeführt, daß nach § 1 der VO gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 (RGBl I 2378) eine schwere Gewalttat, d. h. eine solche, bei der gefährliche Mittel angewendet wurden, mit dem Tode zu bestrafen und daß nach § 4 dieser VO sogar für die Beihilfe zu solchen Gewalttaten allgemein die Strafe zulässig war, die für die vollendete Tat vorgesehen gewesen ist. Nach den Feststellungen des LSG verabreichte P. häufig "aus eigener Machtvollkommenheit" zumeist 25 Schläge mit einem Stock, einer Peitsche oder einem Gummiziemer; er war im Lager (allgemein) als Schläger bekannt und gefürchtet; er hat sich insbes. in dem hier entscheidenden Fall der "Folterung" des Deportierten M die sich im September oder Oktober 1944 ereignete, daran beteiligt, auf den hilflos von der Decke herunterhängenden Häftling einzuschlagen. Das LSG hat in dem Aufhängen des Häftlings an den auf den Rücken gefesselten Händen eine Grausamkeit im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aF erblickt und dazu festgestellt, es habe sich dabei um ein Übel gehandelt, das dem Opfer über die Vernichtung des Lebens hinaus zugefügt worden und das nach natürlichem Gefühl als unbarmherzig zu verabscheuen sei; dasselbe gelte für das gemeinschaftliche wechselseitige Einprügeln mittels eines Stockes bzw. eines Gummiziemers auf den hilfslos von der Decke hängenden Deportierten; dieser Akt sei ein Ausdruck äußerster Roheit und Brutalität gewesen; der zwei Tage später eingetretene Tod des M stehe in ursächlichem Zusammenhang mit dieser Folterung. P. habe mit P, K und M bewußt und gewollt zusammengewirkt; als Mittäter im Sinne des § 47 StGB sei ihm auch das Aufhängen des Häftlings an den Händen und das Abspritzen mittels eines Wasserschlauchs anzurechnen, denn er habe die Gesamttat unter Mitwirkung der anderen als eigene Handlung verwirklichen wollen. Damit ist aber der objektive Tatbestand des § 1 der Gewaltverbrecherverordnung vom 5. Dezember 1939 erfüllt. Denn in dem Aufhängen des M an den auf den Rücken gefesselten Händen und in dem unbarmherzigen gemeinschaftlichen wechselseitigen Einprügeln mittels eines Stockes bzw. eines Gummiziemers auf den hilflos von der Decke hängenden Deportierten ist eine "schwere Gewalttat" zu erblicken, bei der gefährliche Mittel, d. h. solche, die der Anwendung von Schuß-, Hieb - oder Stoßwaffen "gleich gefährlich" sind (vgl. § 1 der VO), verwendet wurden. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich ferner, daß insoweit auch der subjektive Tatbestand in der Person des P. erfüllt ist. Denn das LSG hat lediglich den "Tötungsvorsatz" nicht als nachgewiesen erachtet, im übrigen aber festgestellt, daß sich P. den Respekt der ihm Unterstellten dadurch verschafft habe, daß er, wie die meisten psychisch einfach strukturierten Persönlichkeiten in gleicher Lage den für ihn leichteren und schnelleren Weg der sich bis zur körperlichen Gewaltanwendung steigernden Furchteinflößung gewählt habe; damit sei sein Ziel bereits erreicht und eine darüber hinausgehende, etwa in der psychischen Vernichtung seiner Opfer gipfelnde Steigerung nicht erforderlich gewesen. Demgemäß hat es abschließend festgestellt, daß P. tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft im Sinne des § 226 StGB (Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) gehandelt habe. Da dieses "Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang" nach den obigen Darlegungen den Tatbestand einer schweren Gewalttat im Sinne der Gewaltverbrecher-VO erfüllte, konnte P. sonach auch nach deutschem Recht mit dem Tode bestraft werden.
Zwar ist die in der Gewaltverbrecher-VO vorgesehene Todesstrafe durch Art. IV Nr. 8 des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung Deutschlands grundsätzlich aufgehoben worden. Dies führt aber im vorliegenden Falle nicht zur Annahme eines Willküraktes der Besatzungsmacht. Denn im Gesetz Nr. 1 ist bestimmt, daß die Todesstrafe zwar abgeschafft ist, ausgenommen aber für Taten, die durch ein vor dem 30. Januar 1933 geltendes oder durch ein von der Militärregierung oder mit deren Ermächtigung verkündetes Gesetz mit dem Tode bedroht sind. Durch KRG Nr. 10, d. h. durch eine von den vier Militärregierungen kraft deren "oberster Regierungsgewalt" eingesetzte Gesetzgebungsinstanz (vgl. Kontrollratsproklamation Nr. 1 Abs. II) ist jedoch die Todesstrafe in Art. II Abs. 1 c, 2 und 3 a für die dort bezeichneten Gewalttaten, unmenschlichen Handlungen usw. aufrechterhalten worden. Inwieweit sie noch auf Straftaten, die nach deutschem Recht nicht mit der Todesstrafe bedroht waren, ausgedehnt worden ist und welche Folgerungen in solchen Fällen von den deutschen Gerichten zu ziehen sind, kann hier dahingestellt bleiben. Wenn sonach 1947 zum Zeitpunkt der Urteilsfällung bzw. 1948 (bis zur Vollstreckung der Todesstrafe an P.) ein deutsches Gericht nur deshalb die nach deutschem Recht zulässige Todesstrafe nicht mehr hätte aussprechen können, weil die deutsche Strafvorschrift von der Militärregierung beseitigt, von ihr aber in anderem Rahmen wieder eingeführt worden ist, so liegt darin allein noch kein Umstand, der das Todesurteil des Besatzungsgerichts als Willkürakt bzw. offensichtliches Unrecht im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG erscheinen ließe (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Februar 1965 und des 8. Senats des BSG vom 29. Oktober 1964 - 8 RV 383/64 -). Da, wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 31. Juli 1962 betont hat, nach der damaligen Verfassung des Landes Baden (vom 22. Mai 1947, RegBl 1947, 129) ein Todesurteil an sich noch möglich war, erweist sich der Anspruch der Kläger schon aus den obigen Gründen als unbegründet, ohne daß noch auf die Frage, ob bei P. nicht wenigstens ein bedingter Tötungsvorsatz (dolus eventualis) anzunehmen ist und auf die weitere Frage, ob das KRG Nr. 10 allgemein als deutsches Strafrecht anzusehen ist, einzugehen war.
Nach alledem war das Urteil des LSG vom 25. Oktober 1967 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Württ. OVA vom 25. März 1953 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen