Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsiedlung im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg. Politische Vorgänge. Unfall bei der Umsiedlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg besteht in den Fällen des BVG § 5 Abs 1 Buchst d nicht nur bei unmittelbaren militärischen und kriegerischen Maßnahmen, sondern auch bei politischen Vorgängen, die mittelbar auf den kriegerischen Maßnahmen beruhen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Zwang zu der Umsiedlung bestand, muß die berechtigte Erwartung von Nachteilen oder Gefahren durchaus als erheblich angesehen werden.
2. Eine zwangsweise Umsiedlung liegt nicht nur bei einem unmittelbaren administrativen Zwang vor, vielmehr genügt ein auch nach objektiven Maßstäben durchaus begründeter innerer Zwang, wenn Umstände gar keine andere Wahl zuließen, als an der Umsiedlung teilzunehmen.
3. Unter den besonderen Verhältnissen bei der Umsiedlung kann auch in der Benutzung der Straße eine besondere Gefahr liegen.
Orientierungssatz
Die Umsiedlung der Galizien-Deutschen steht im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg. Die Umsiedlung ist auch zwangsweise erfolgt; außer dem unmittelbaren administrativen Zwang genügt insoweit auch ein innerer Zwang, wenn für die Zukunft erhebliche Nachteile zu erwarten sind. Eine mit der Umsiedlung zusammenhängende "besondere Gefahr" kann sich auch aus den zeitlichen (Winter) und örtlichen Verhältnissen (schlechte Wege) ergeben, unter denen die Umsiedlung erfolgen muß.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. Februar 1968 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Der im Jahre 1903 geborene Kläger ist Volksdeutscher; er war vor dem 2. Weltkrieg als Fuhrunternehmer in K (Ost-Galizien) ansässig. Dieses Gebiet wurde aufgrund eines geheimen Zusatzprotokolls zu dem am 23. August 1939 zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR geschlossenen Nichtangriffspakt in der Zeit vom 17. September bis 5. Oktober 1939 von russischen Truppen besetzt. Nach einem weiteren Abkommen zwischen den Vertragsstaaten vom 16. November 1939 stand es jedem Einwohner der russisch bzw. deutsch besetzten Teile des ehemaligen polnischen Staates frei, sich in das Interessengebiet der anderen Besatzungsmacht umsiedeln zu lassen. Der Kläger entschloß sich mit seiner Familie zur Umsiedlung, nachdem die SS, wie er angibt, massiven Druck auf die deutschstämmigen Bewohner der russisch besetzten Gebiete ausgeübt hatte, sich zur Umsiedlung zu melden, weil sie sonst in das Innere Rußlands verschleppt würden. Der Kläger schloß sich im Winter 1939/1940 mit einem von zwei Pferden gezogenen und mit persönlicher Habe beladenen Fuhrwerk einem nach seinen Angaben mangelhaft organisierten und durchgeführten Treck nach P - der vorgeschriebenen Grenzübergangsstelle - an, das etwa 120 km von K entfernt ist. Seine Familienangehörigen wurden mit der Eisenbahn transportiert. Der Kläger gibt weiter an, nach einer Übernachtung in einer Ortschaft habe er infolge Übermüdung die Weiterfahrt des Trecks verschlafen und sei infolgedessen allein und beschleunigt mit seinem Fuhrwerk dem Treck nachgefahren. Etwa 15 km vor P sei sein Wagen auf der winterlichen, unebenen und von Schneeverwehungen bedeckten Straße steckengeblieben und habe umzustürzen gedroht. Er habe vergeblich versucht, dies zu verhindern und sei unter den umstürzenden Wagen geraten. Hierbei habe er sich einen Bruch des rechten Unterschenkels und auch noch Erfrierungen an beiden Füßen zugezogen, da er erst nach ein bis zwei Stunden von einer zufällig vorbeikommenden russischen Militärstreife befreit und nach P gebracht worden sei. Der Kläger war anschließend in verschiedenen deutschen Krankenhäusern und wurde 1942 mit seiner Familie im W. angesiedelt. Bei Kriegsende kam der Kläger nach Westdeutschland. Im Anschluß an die Beinverletzung hatte sich eine Osteomyelitis entwickelt, die Anfang 1969 die Amputation des rechten Beines im Unterschenkel erforderlich machte.
Am 2. Juni 1960 stellte der Kläger beim Versorgungsamt (VersorgA) H den Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das VersorgA Braunschweig, an das die Sache zuständigkeitshalber abgegeben worden war, lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 18. Mai 1961 ab. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Bescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Niedersachsen vom 15. September 1961). Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat - nachdem sein erstes zusprechendes Urteil vom 20. März 1962 durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 19. Dezember 1962 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen worden war - ein Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme von Dr. von K, Referent an der Ostdeutschen Akademie in L, vom 16. März 1964 eingeholt und in der mündlichen Verhandlung den Facharzt für innere Krankheiten Dr. Sch zu einem von Dr. K vom Versorgungsärztlichen Dienst erstatteten Gutachten gehört. Alsdann hat das SG durch Urteil vom 28. Oktober 1966 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, "Zustand nach Unterschenkelbruch rechts mit chronischer Osteomyelitis und zeitweiliger Fistelbildung sowie Krampfadern, mäßige trophische Störungen an den Zehen bds. nach Erfrierung" als Versorgungsleiden festgestellt und den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1960 unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins in seinem Beruf als Fuhrunternehmer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. zu zahlen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG Niedersachsen durch Urteil vom 6. Februar 1968 das Urteil des SG Lüneburg vom 28. Oktober 1966 aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG lägen nicht vor. Der Tatbestand der Umsiedlung im Sinne dieser Bestimmung sei nicht erfüllt, da diese nicht "im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg" gestanden habe. Die Umsiedlung sei vielmehr zu einer Zeit durchgeführt worden, als zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR kein Krieg im völkerrechtlichen Sinne vorgelegen habe. Auch das weitere Tatbestandsmerkmal der "zwangsweisen" Umsiedlung sei nicht erfüllt. Den Volksdeutschen sei es ausdrücklich freigestellt gewesen, sich umsiedeln zu lassen. Ein objektiver, durch behördliche Maßnahmen ausgeübter Zwang zur Umsiedlung habe mithin für den Kläger nicht bestanden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. von K sei zwar als erwiesen anzusehen, daß die Volksdeutschen in Galizien sich in einer inneren Zwangslage befunden hätten, weil sie befürchten mußten, ohne Umsiedlung nach Deutschland von den Russen verschleppt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) begründe jedoch die Furcht vor einem schädigenden Vorgang und dessen Folgen noch keinen Versorgungsanspruch. Der Anspruch des Klägers scheitere aber auch daran, daß es an dem Tatbestandsmerkmal der "besonderen" Gefahr, die der schädigende Vorgang verursacht haben müsse, fehle. Die Gefahrenquelle, die den Unfall herbeigeführt habe, bildeten die schlechten, jahreszeitlich bedingten Straßen- und Wegeverhältnisse, denen jeder Benutzer dieser Straße ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe als Fuhrunternehmen mit einem Pferdefuhrwerk umgehen können, der Wagen sei auch nicht überladen gewesen; die örtlichen Verhältnisse auf dem Wege nach Przemysl seien dem Kläger bekannt gewesen. Ob der Treck mangelhaft beaufsichtigt und organisiert gewesen sei, könne offen bleiben, da dieser Umstand für den Unfall des Klägers nicht ursächlich gewesen sei. Daß der Kläger den Weiterzug des Trecks infolge Verschlafens versäumt habe, könne ebenfalls nicht als eine der Umsiedlung eigentümliche Gefahr angesehen werden. Ferner habe keine Notwendigkeit bestanden, sich "fluchtartig" oder besonders "eilig" um einen Anschluß an den Treck zu bemühen. Die Tatsache, daß eine russische Militärstreife den Kläger gefunden, aus seiner Notsituation befreit und nach P weitergeführt habe, beweise, daß über die für jeden Verkehrsteilnehmer mit Pferdefuhrwerk bestehende allgemeine Transportgefahr hinaus keine besonderen Umstände vorgelegen hätten, die als der Umsiedlung eigentümliche Gefahren angesehen werden müßten.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 18. Februar 1968 zugestellte Urteil durch einen Schriftsatz vom 14. März 1968, eingegangen beim BSG am 18. März 1968, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 18. Mai 1968 durch einen Schriftsatz vom 20. Mai 1968, eingegangen beim BSG am gleichen Tage, begründet.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 6. Februar 1968 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 28. Oktober 1966 zurückzuweisen.
Der Kläger rügt in seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, die Verletzung des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG und der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er trägt dazu u. a. vor, der Zusammenhang der Umsiedlung aus Galizien mit dem 2. Weltkrieg sei schon deshalb gegeben, weil die Umsiedler in die im Polenfeldzug eroberten Gebiete ziehen sollten, um diese mit Deutschen zu besiedeln. Zudem sei die Umsiedlung die Folge des geheimen Zusatzprotokolls vom 23. August 1939 zum Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Russland gewesen, der ausschließlich der Vorbereitung des Polenfeldzuges gedient habe. Da der Nichtangriffspakt mit Russland überdies von Hitler nicht ernst gemeint gewesen sei, habe die Aussiedlung der Volksdeutschen aus Galizien in Wahrheit auch der Vorbereitung des Angriffs auf Russland gedient. Die Umsiedlung sei auch eine zwangsweise gewesen; körperlicher Zwang sei nicht erforderlich. Die Volksdeutschen hätten sich aber in einer inneren Zwangslage befunden, da ihnen praktisch keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich umsiedeln zu lassen. Von einem freien Entschluß könne keine Rede sein. Das BSG habe bereits ausgesprochen, daß eine zwangsweise Umsiedlung auch dann vorliege, wenn die ganze Bevölkerungsgruppe umgesiedelt werde, die deutschen Schulen geschlossen, die Kirchengemeinde aufgelöst werden und die Umsiedler nur wenig von ihrem Vermögen mitnehmen dürften. Das LSG habe nicht aufgeklärt, ob solche Umstände hier vorgelegen hätten, was als Verstoß gegen § 103 SGG gerügt werde. Das LSG habe sich auch über das Gutachten vom 16. März 1964, das einen objektiven Zwang zur Umsiedlung bejaht habe, hinweggesetzt und damit gegen § 128 SGG verstoßen. Der Unfall sei schließlich die Folge einer besonderen Gefahr gewesen. Die Gefahr sei hier zwar von den schlechten, jahreszeitlich bedingten Wegeverhältnissen ausgegangen, denen jeder Benutzer ausgesetzt gewesen sei. Eine besondere Gefahr könne aber auch dann vorliegen, wenn eine allgemeine Gefahr des täglichen Lebens erheblich gesteigert sei. Diese erhebliche Steigerung sei hier dadurch gegeben, daß er - der Kläger - allein gewesen sei, so daß ihm niemand habe helfen können; andernfalls hätte vielleicht das Umstürzen des Wagens vermieden werden können. Auch sei er gezwungen gewesen, den Weg gerade zu dieser Jahreszeit und mit einem vollbeladenen Wagen zu benutzen, was er unter normalen Umständen nicht getan hätte. Schließlich sei nicht gewürdigt worden, daß er außer dem Bruch des Unterschenkels auch Erfrierungen erlitten habe, die nur darauf zurückzuführen seien, daß er längere Zeit ohne Hilfe unter dem Wagen habe liegen müssen. Zumindest für diese Erfrierungen sei eine besondere Gefahr gegeben gewesen. Das LSG habe alle diese Umstände unter Verstoß gegen § 128 SGG nicht beachtet.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist frist- und formgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revisionsbegründungsfrist war zwar nur bis zum 18. Mai 1968 verlängert worden, während die Revisionsbegründungsschrift erst am 20. Mai 1968 beim BSG eingegangen ist. Der 18. Mai 1968 war jedoch ein Sonnabend, so daß die Revisionsbegründungsfrist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages endete (vgl. § 64 Abs. 3 SGG). Die Revision ist daher zulässig; sie ist auch begründet.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger, der keinen militärischen oder militärähnlichen Dienst geleistet hat (vgl. § 1 Abs. 1 BVG), ein Versorgungsanspruch dann zusteht, wenn die Schädigung, die er bei dem Unfall erlitten hat, durch eine "unmittelbare Kriegseinwirkung" im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG herbeigeführt worden ist. Das ist nur dann der Fall, wenn einer der Tatbestände des § 5 BVG erfüllt ist (vgl. BSG 2, 29; 2, 265; Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juli 1969 - 10 RV 156/67), denn diese Vorschrift enthält eine Aufzählung der Tatbestände, bei deren Vorliegen allein das Vorhandensein einer unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG anzunehmen ist (vgl. BSG aaO). Von den in § 5 BVG genannten Einzeltatbeständen kommt hier als Anspruchsgrundlage lediglich § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG in Betracht, denn der Kläger hat seine Körperschädigung weder durch Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängende militärische Maßnahmen (Buchst. a), noch durch behördliche Maßnahmen "im unmittelbaren Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung" (Buchst. b), noch durch Einwirkungen der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben (Buchst. c), noch durch nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben (Buchst. e i. V. m. Abs. 2), erlitten. Gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG gelten als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG u. a. schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der zwangsweisen Umsiedlung ... zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind, wenn sie im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege - hier also mit dem 2. Weltkrieg - stehen.
Das LSG hat die Ablehnung des geltend gemachten Versorgungsanspruchs zunächst damit begründet, daß die Umsiedlung des Klägers "nicht im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg stand". Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden; sie beruht auf einer Verkennung des Inhalts der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG und auf einer unzureichenden Würdigung der kriegerischen und politischen Vorgänge, die zu der Umsiedlung ganzer Völkergruppen im Anfang des 2. Weltkrieges geführt haben. Zunächst zeigt ein Vergleich mit den Fällen des § 5 Abs. 1 Buchst. a bis c und e BVG, daß in diesen Vorschriften "Kampfhandlungen und insbesondere die Einwirkung von Kampfmitteln", "behördliche Maßnahmen im unmittelbaren Zusammenhang mit Kampfhandlungen", "besondere Umstände der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib und Leben" und "nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben", als tatbestandsmäßige Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch ausdrücklich genannt sind, daß dagegen in § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG von derartigen kriegerischen oder militärischen Maßnahmen oder Vorgängen nicht gesprochen wird. Diese Differenzierung, die der Gesetzgeber zwischen dem Tatbestand des Buchst. d und den anderen Tatbeständen des § 5 Abs. 1 BVG getroffen hat, legt nach Auffassung des Senats den Schluß nahe, daß ein Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg in den Fällen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht nur bei unmittelbaren militärischen und kriegerischen Maßnahmen besteht, sondern auch bei politischen Vorgängen, die mittelbar auf den kriegerischen Maßnahmen beruhen. Zumindest hat dies im Rahmen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG dann zu gelten, wenn die politischen Vorgänge, die zu der Umsiedlung geführt haben, als direkter Ausfluß der kriegerischen Vorgänge anzusehen sind. So liegt der Fall aber hier.
Deutschland befand sich seit dem 1. September 1939 im Kriegszustand mit Polen, dem Heimatland des Klägers. Dieser Kriegszustand war jedenfalls im Winter 1939/1940 noch nicht beendet, auch wenn ganz Polen von deutschen und russischen Truppen besetzt war. Dem Kriegsausbruch unmittelbar vorausgegangen und von entscheidender Bedeutung für den Krieg gegen Polen war der Nichtangriffspakt, der am 23. August 1939 zwischen Deutschland und der UdSSR unterzeichnet worden war. Dieser Nichtangriffspakt enthielt ein geheimes Zusatzprotokoll, dessen Punkt 2) lautet: "2. Für den Fall einer territorialpolitischen Umgestaltung der zum polnischen Staat gehörenden Gebiete werden die Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San abgegrenzt". (vgl. Hohlfeld, Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte, Bd. 5 S. 90). Das bedeutete also, daß bereits vor Ausbruch der Kampfhandlungen das Land Polen unter den Vertragsschließenden aufgeteilt war, wobei auch Russland seine "Interessensphäre" vom 17. September 1939 an mit militärischen Machtmitteln in Besitz nahm. Zu dem von Russland besetzten Teil Polens gehörte auch der Wohnort des Klägers. Weder Deutschland noch Russland konnten aber daran interessiert sein, daß ihre eigenen Volkszugehörigen ungefragt und gegen deren Willen in den Interessenbereich und - wie sich jedenfalls bei Russland gezeigt hat - in das Staatsgebiet des anderen Staates fielen. Deshalb wurde bereits am 28. September 1939 - also während die letzten Kampfhandlungen und die Besetzung des russischen Interessengebietes durch russische Truppen noch im Gange waren - in Moskau ein vertrauliches Protokoll unterzeichnet, wonach Deutschland und die UdSSR sich verpflichteten, den in ihrem Interessengebiet ansässigen Staats- und Volkszugehörigen des anderen Staates keine Schwierigkeiten zu bereiten, sofern diese den Wunsch hätten, in den anderen Staat oder dessen Interessengebiete überzusiedeln (vgl. Hohlfeld aaO S. 132). Hitler erklärte überdies bei seiner Reichstagsrede am 6. Oktober 1939 aus Anlaß der Beendigung des Polenfeldzugs, die wichtigste Aufgabe sei "eine neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse, d. h. eine Umsiedlung der Nationalitäten so, daß sich am Schluß der Entwicklung bessere Trennungslinien ergeben, als es heute der Fall ist" (vgl. Hohlfeld, aaO S. 136). Das endgültige Umsiedlungsabkommen wurde dann am 16. November 1939 geschlossen (bei Hohlfeld, aaO S. 156 mit dem Datum vom 3. November 1939 nach einer Meldung des "Völkischen Beobachters" vom 4. November 1939 nur unvollständig zitiert) und sah die Umsiedlung der deutschstämmigen bzw. der ukrainischen und weißrussischen Bevölkerung jeweils aus der Interessensphäre des anderen Staates vor. Damit zeigt sich aber, daß die vereinbarte Umsiedlung nicht denkbar ist ohne die kriegerischen Vorgänge des 2. Weltkrieges. Diese Umsiedlung stand also im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg; sie stellte die "Bereinigung" der beiden Interessensphären von der fremdstämmigen Bevölkerung dar und war die unmittelbare Folge der politischen und kriegerischen Vorgänge vom August/September 1939.
Ferner deutet der vom Gesetzgeber gewählte Begriff der "Umsiedlung", der eine geregelte Umsetzung von ganzen Familien und Volksgruppen unter Mitnahme eines Teiles der beweglichen Habe zum Zwecke der Seßhaftmachung und der endgültigen politischen und sozialen Eingliederung am Ort der Seßhaftmachung unter Verlust der bisherigen Heimat beinhaltet (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1960 - 10 RV 324/57 -) darauf hin, daß ein unmittelbarer Zusammenhang mit kriegerischen Vorgängen nicht zu bestehen braucht. Andernfalls wären die Begriffe Evakuierung oder Räumung gebraucht worden, die behördliche Maßnahmen "in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung" darstellen (vgl. BSG 4, 128; Wilke, BVG, 3. Aufl., § 5 Anm. B II 2). Das BSG hat überdies bereits entschieden (vgl. Urteil vom 26. Juni 1957 - 8 RV 121/55 - in SozEntsch. BSG XI/3, § 5 BVG Nr. 13), daß ein Zusammenhang der Umsiedlungsaktion, die aufgrund des Vertrages zwischen Deutschland und der UdSSR über die Umsiedlung lettischer Bürger deutscher Volkszugehörigkeit vom 30. Oktober 1939 (vgl. Hohlfeld aaO Bd. 5 S. 152 ff) erfolgt ist, mit dem 2. Weltkrieg schon deshalb gegeben ist, weil die umgesiedelten Balten nach Westpreußen und in die im Polenfeldzug eroberten Gebiete gebracht wurden, um diese Gebiete mit Deutschen zu besiedeln. Das LSG hat dieser Entscheidung offenbar deshalb nicht folgen zu können geglaubt, weil zwischen den beteiligten Staaten (Deutschland, Russland, Lettland) im damaligen Zeitpunkt kein Kriegszustand bestand. Der vorliegende Fall ist jedoch gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Umsiedlung der Volksdeutschen aus Galizien ausschließlich durch den Krieg mit Polen, die zwangsweise Besetzung des polnischen Staatsgebietes durch deutsche und russische Truppen und die - ohne Befragung Polens - erfolgte Aufteilung in "Interessenzonen", deren Grenzen bald als Staatsgrenzen angesehen wurden, bedingt war.
Dabei ist es auch unschädlich, daß die Umsiedlung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als Galizien noch nicht als "ehemals deutsch besetztes Gebiet" angesehen werden konnte (vgl. BSG 12, 99, 103). Schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der zwangsweisen Umsiedlung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind, stehen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG selbständig neben solchen, die aus einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr herrühren (s. auch Urteil BSG vom 27. Januar 1970 - 9 RV 50/67). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, wo, d. h. in welchem Staatsgebiet, der Umsiedler gewohnt hat und ob dieses von deutschen Truppen besetzt war und zu welchem Zeitpunkt die Umsiedlung erfolgt ist, sofern nur der unmittelbare Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege gewahrt ist. Das aber ist nach den obigen Ausführungen der Fall.
Entgegen der Auffassung des LSG hat es sich auch um eine "zwangsweise" Umsiedlung gehandelt. Dem steht nicht entgegen, daß diese Umsiedlung, wie das LSG richtig hervorhebt, im Art. 1 Abs. 3 des Umsiedlungs-Abkommens vom 16. November 1939 als "freiwillig" bezeichnet wurde, der Aussiedlung nur solche Personen unterlagen, welche "den Wunsch zur Umsiedlung geäußert hatten", und auch kein unmittelbarer oder mittelbarer Zwang ausgeübt werden durfte. Dahinstehen kann, ob die vom LSG nicht erörterte Behauptung des Klägers zutrifft, daß die SS einen unzulässigen äußeren Zwang auf ihn ausgeübt habe, an der Umsiedlung teilzunehmen, zumal gegen diese Behauptung spricht, daß im Zeitpunkt der Umsiedlung bzw. der Meldung dazu das nähere Heimatgebiet des Klägers bereits von russischen Truppen besetzt war, und daß das Deutsche Reich "auf den Gebieten der UdSSR" lediglich Gebiets- und Ortsbevollmächtigte unterhalten durfte, die gemeinsam mit den russischen Regierungsvertretern die Meldungen der Umsiedlungswilligen entgegenzunehmen hatten (vgl. Art. 13 der Umsiedlungs-Vereinbarung), es also für den Kläger ein Leichtes gewesen wäre, sich an die russischen Regierungsvertreter zu wenden und sich der Umsiedlung zu entziehen, wenn er den ernsthaften Willen dazu gehabt hätte. Mit Recht weist der Kläger jedoch darauf hin, daß von einer "Freiwilligkeit" dann nicht gesprochen werden kann, wenn nach den historisch bekannten Tatsachen den Deutschstämmigen praktisch überhaupt keine andere Wahl blieb, als sich der Umsiedlung anzuschließen. In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß zur Frage der Freiwilligkeit oder des Zwangs bei der Umsiedlung das Urteil des BSG vom 15. Oktober 1963 (Breithaupt 1964 S. 407) nichts ergibt, in welchem nur gesagt ist, daß als eine "besondere Gefahr" im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht schon die Furcht vor einer solchen Gefahr angesehen werden kann. Hier an dieser Stelle handelt es sich aber gar nicht darum, ob der Kläger einer besonderen Gefahr erlegen ist, sondern darum, ob überhaupt eine "zwangsweise Umsiedlung" vorgelegen hat, der dann besondere Gefahren entsprungen sind. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Zwang zu der Umsiedlung bestand, muß aber die berechtigte Erwartung von Nachteilen oder Gefahren durchaus als erheblich angesehen werden. In dieser Beziehung mußte für den Kläger bedeutsam sein, daß zu der Zeit, als sein Heimatstaat (Polen) nach Westen im Kampf stand, der ganze östliche Teil Polens und damit auch das nähere Heimatgebiet des Klägers von Russland unter Bruch des russisch-polnischen Nichtangriffspaktes von 1932 überfallen und von russischen Truppen besetzt worden war. Den dortigen Bewohnern konnte auch nicht verborgen bleiben, daß Russland den Zustand von 1914 wieder herstellen und diese Gebiete zum russischen Staatsgebiet schlagen wollte. Der Kläger war aber nicht verpflichtet, unter Verlust seiner bisherigen - polnischen - Staatsangehörigkeit "freiwillig" die Auferlegung einer anderen Staatsangehörigkeit - mit dem zwangsläufig damit verbundenen anders gearteten Herrschafts- und Gesellschaftssystem - hinzunehmen, die nicht seiner Volkszugehörigkeit entsprach.
Der Senat vermag dem LSG auch nicht darin zu folgen, daß im vorliegenden Fall die "innere Zwangslage" - nämlich zwischen der Umsiedlung und der damit verbundenen staatlichen Eingliederung entsprechend der Volkszugehörigkeit einerseits und der Unterstellung unter ein anderes Herrschaftssystem mit der damit verbundenen Trennung von seinen Volksgenossen und einer in Aussicht stehenden anderen zwangsweisen Umsiedlung in das Innere Russlands andererseits zu wählen - nicht ausreicht, um das Tatbestandsmerkmal der zwangsweisen Umsiedlung zu erfüllen. Diese Auffassung wird den großen Volksverschiebungen, die während und nach Beendigung des 2. Weltkrieges durchgeführt wurden, und den dabei angewandten Methoden - insbesondere von den totalitären Staaten - nicht gerecht. Zu erwähnen sind hier nur die Auflösung der sowjet-deutschen Wolgarepublik und die Verschleppung nahezu der gesamten dortigen Bevölkerung. Eine zwangsweise Umsiedlung liegt demnach nicht nur bei einem unmittelbaren administrativen Zwang vor - der im vorliegenden Fall von den deutschen Behörden auf russischem Interessengebiet gar nicht ausgeübt werden konnte. Vielmehr genügt ein auch nach objektiven Maßstäben durchaus begründeter innerer Zwang, wenn die bei Ausschlagung der angebotenen Umsiedlung zu erwartenden nachfolgenden administrativen Maßnahmen - zwangsweiser Wechsel der Staatsangehörigkeit, Benachteiligung wegen des Volkstums, Verschickung in das Innere Russlands - und andere Umstände gar keine andere Wahl zuließen, als an der Umsiedlung teilzunehmen. Das BSG hat überdies auch schon in seiner Entscheidung vom 26. Juni 1957 - 8 RV 121/55 - im Zusammenhang mit der Umsiedlung der Baltendeutschen ausgesprochen, daß gegen die Annahme der auch in dem Vertrag vom 30. Oktober 1939 über die Umsiedlung lettischer Bürger deutscher Volkszugehörigkeit vorgesehenen "Freiwilligkeit" ernste Bedenken bestehen, wenn fast die gesamte deutsche Volksgruppe umgesiedelt wird und als Folge davon die deutschen Schulen geschlossen und die Kirchengemeinden aufgelöst werden und wenn nicht einmal das gesamte bewegliche Eigentum mitgenommen werden kann und das unbewegliche Vermögen - zunächst entschädigungslos - zurückgelassen werden muß. Nach einer amtlichen Mitteilung (vgl. Hohlfeld aaO S. 156, Fußnote) sind aufgrund der Umsiedlungs-Vereinbarung vom 16. November 1939 rund 130000 deutsche Staats- und Volkszugehörige aus Galizien und Wolhynien nach Deutschland und in die deutschen Interessengebiete umgesiedelt worden. Diese Zahl ist so bedeutsam, daß nur geringe Reste der ansässigen deutschstämmigen Bevölkerung zurückgeblieben sein können. Eine besondere Beweiserhebung hielt der Senat bei diesen historisch bekannten und unbestrittenen Tatsachen für entbehrlich, zumal auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, daß ein Zusammenhang der Umsiedlung des Klägers mit dem 2. Weltkrieg anzunehmen ist und daß auch nach seiner Auffassung ein innerer Zwang, der aus der Zeit heraus zu beurteilen ist, genügt, um die Freiwilligkeit entfallen zu lassen.
Der Senat ist weiter der Auffassung, daß bei dem Kläger infolge dieser zwangsweisen Umsiedlung auch eine "besondere Gefahr" vorgelegen haben kann, der er bei seinem Unfall erlegen ist. Das LSG hat seinen ablehnenden Standpunkt insoweit damit begründet, daß die schlechten, jahreszeitlich bedingten Straßen- und Wegeverhältnisse, denen jeder Benutzer dieser Straßen ausgesetzt war, die Gefahrenquelle für den Kläger gebildet haben. Es hat jedoch nicht geprüft, ob diesen gefährdenden Umständen, denen jeder Benutzer der Straße ausgesetzt gewesen sein soll, der Kläger allein deswegen ausgesetzt war, weil er wegen der Umsiedlung die gefährliche Straße zu dieser Zeit benutzen mußte. Das LSG hat verkannt, daß auch ein allgemeiner Lebensvorgang, z. B. ein Verkehrsunfall, dann versorgungsrechtlich geschützt sein kann, wenn er durch Kriegseinflüsse (im erweiterten Sinne der §§ 1 ff BVG) wesentlich mitbedingt worden ist. Die Einfügung des Wortes "besondere" vor "Gefahr" bringt zwar eine Einschränkung der zu berücksichtigenden Gefahrenquellen zum Ausdruck; Gefahren, die in ähnlicher Weise auch ohne die zwangsweise Umsiedlung hätten eintreten können, sollen als Versorgungsgrund ausscheiden, selbst wenn sie im Einzelfall mit der Umsiedlung ursächlich zusammenhängen (vgl. BSG in Breithaupt 1964, 601). Das BSG hat aber zu dem Begriff der besonderen Gefahr in § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß eine derartige Gefahr vorliegt, wenn diese der militärischen Besetzung, der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung "eigentümlich" ist (vgl. BSG 2, 103; 3, 263; 4, 236; 5, 118; 8, 204; 12, 13; 17, 225; 20, 114), d. h. wenn die Gefahr überhaupt erst durch die versorgungsrechtlich geschützten Tatbestände geschaffen worden ist oder dadurch ihre entscheidende Verschärfung erfahren hat. Der Senat hat keine Veranlassung, von dieser gefestigten Rechtsprechung der Kriegsopfersenate des BSG abzuweichen.
Die Fragestellung im vorliegenden Fall kann daher nur lauten, ob der Kläger seinen Umzug unter diesen gefährlichen Umständen - d. h. mit einem vollbeladenen Pferdewagen - und zu diesem Zeitpunkt - d. h. im Winter - und bei diesen Straßenverhältnissen - d. h. auf schlechten, mit Schneeverwehungen bedeckten Wegen - vorgenommen hat, weil er durch die besonderen Umstände der zwangsweisen Umsiedlung dazu gezwungen war. Hierzu ist auf Art. 2 der Umsiedlungs-Vereinbarung vom 16. November 1939 hinzuweisen, wonach die Umsiedlung mit dem Tage der Unterzeichnung der Vereinbarung zu beginnen und bis zum 1. März 1940 zu beenden war. Die Umsiedlung konnte also nur in den Wintermonaten 1939/1940 - ohne Rücksicht auf die gerade bestehenden Witterungs- und Straßenverhältnisse - durchgeführt werden. Ergänzend bestimmte Art. 18 der Vereinbarung, daß der Abmarsch zu den Grenzübergangsstellen in Marschgruppen (Trecks), jedoch nicht einzeln durchzuführen war, und daß die Zusammenstellung der Marschgruppen nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse zu erfolgen hatte. Der Zeitraum, der in dem Umsiedlungsabkommen für die Umsiedlung insgesamt vorgesehen war, wurde dadurch für die Umsiedler noch weiter eingeschränkt. Sie waren gezwungen, sich an einem bestimmten Tag einer Marschgruppe anzuschließen und auf dem vorgeschriebenen Weg und unter Einhaltung der von der Treckleitung vorgesehenen Marschpausen die vorgeschriebene Grenzübergangsstelle (Art. 17; hier: Przemysl) zu erreichen. Die Art der Beförderung (zweispännige Fuhre je Haushalt) und der Umfang der mitzunehmenden persönlichen Habe und des mitzuführenden Viehs - außer den zwei Pferden - waren in der Umsiedlungs-Vereinbarung gleichfalls vorgeschrieben (Art. 3). Da sämtliches zurückgelassene Eigentum für den Umsiedler endgültig verloren war (vgl. Art. 16 der Vereinbarung), entsprach es durchaus dieser Umsiedlung, daß die Umsiedler mit der erlaubten Fuhre so viel ihrer Habe mitzunehmen versuchten, als erlaubt und möglich war. Der Kläger hat daher nicht etwa selbst eine von dieser Umsiedlung unabhängige Gefahr geschaffen, daß er sich mit Pferd und Wagen auf die Fahrt begab, und zwar zur Winterszeit auf den für Fahrzeuge gefährlichen Straßen.
Dieser Auffassung, daß unter den besonderen Verhältnissen bei der Umsiedlung auch in der Benutzung der Straße eine besondere Gefahr liegen kann, steht auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. Juni 1963 (Breithaupt 1964, 601) nicht entgegen. Dieser Fall war dadurch gekennzeichnet, daß die Klägerin im Zusammenhang mit der Umsiedlung einen normalen Verkehrsunfall erlitten hatte, bei dem sie auf ihrem Fahrrad mit einem tschechischen Auto zusammengestoßen war. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Gefahrenquelle, welcher die Klägerin erlegen ist, der Straßenverkehr mit den ihm notwendigerweise anhaftenden Risiken, denen jeder Verkehrsteilnehmer unterworfen ist, gewesen ist, und daß "Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß diese für jeden Verkehrsteilnehmer im Zeitpunkt des Unfalls bestehende allgemeine Verkehrsgefahr durch Umsiedlungsmaßnahmen hervorgerufen oder doch zumindest so erhöht worden ist, daß sie als eine der Umsiedlung eigentümliche Gefahr angesehen werden müßten, weder vom LSG festgestellt noch sonst ersichtlich sind". Der Senat hat also auch in dieser Entscheidung - ebenso wie in dem vorliegenden Fall - zwischen der allgemeinen Verkehrsgefahr und der "durch die Umsiedlungsmaßnahmen hervorgerufenen oder zumindest erhöhten Gefahr" unterschieden.
In gleicher Weise hat der 9. Senat des BSG entschieden (Urteil vom 9. Dezember 1969 - 9 RV 772/68), daß der Verkehrsunfall, bei dem der dortige Kläger von einem deutschen Militär-Auto angefahren worden war, deshalb nicht als Versorgungstatbestand anerkannt werden könne, weil der Verkehr im Zeitpunkt des Unfalls und am Unfallort nicht unmittelbar durch Kampfhandlungen beeinträchtigt gewesen und die Fahrweise des Militärkraftwagens nicht unmittelbar durch feindliche Flugzeuge oder Luftangriffe beeinflußt worden ist. Auch in dieser Entscheidung hat das BSG demnach zum Ausdruck gebracht, daß ein "normaler" Verkehrsunfall dann einen Versorgungsanspruch begründen kann, wenn zu dem Unfall besondere, auf kriegseigentümliche Einflüsse zurückgehende Gefahren - allein oder mindestens wesentlich neben anderen Umständen - geführt haben.
Im vorliegenden Fall wird demnach festzustellen sein, ob zu dem Unfall des Klägers tatsächlich eine dieser Umsiedlung "eigentümliche" Gefahr - die also in dem Befahren der winterlich schlechten Straße mit einem beladenen Pferdefuhrwerk bestand - beigetragen hat und ob diese Gefahr auch ursächlich im Sinne der in der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm für den Unfall gewesen ist. Dabei wird zu beachten sein, daß das Verschlafen des Klägers und das Versäumen der Treckabfahrt - insbesondere wenn beides auf Übermüdung infolge der Treckanstrengungen beruht haben sollte - den Zusammenhang mit dem versorgungsrechtlich geschützten Gefahrenbereich nicht ausschließt. Etwas anderes käme nur in Frage, wenn der Kläger die gemeinsame Weiterfahrt absichtlich (vgl. § 1 Abs. 4 BVG) oder aus persönlichen Gründen, z. B. wegen Alkoholgenusses, versäumt und dadurch selbst eine Gefahr geschaffen hätte, der er bei seiner Alleinfahrt, nicht aber in der Treckgemeinschaft erliegen mußte. Das LSG hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht, keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen, wie sich die Umsiedlung und der Unfall des Klägers im einzelnen abgespielt haben, insbesondere welche Umstände zu dem Unfall geführt haben. Der Senat konnte daher in der Sache nicht selbst entscheiden; vielmehr war die Sache unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl. § 170 Abs. 2 SGG).
Fundstellen