Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 1989 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Mutterschaftsgeld zu gewähren hat.
Die Klägerin ist seit 1. August 1971 Verwaltungsangestellte bei der Stadt Kassel. Anläßlich der Geburt ihres ersten Kindes wurde sie für die Zeit vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1987 beurlaubt. Am 1. Juli 1987 nahm sie ihre Tätigkeit bei der Stadt Kassel wieder auf, beendete sie aber wegen einer erneuten Schwangerschaft mit Beginn der Mutterschutzfrist am 13. August 1987.
Ihren Antrag vom 14. Juli 1987 auf Mutterschaftsgeld lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24. September 1987 und Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1988).
Das Sozialgericht (SG) Kassel hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld zu gewähren (Urteil vom 8. November 1988). Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG-vom 22. Juni 1989). In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils wird unter anderem ausgeführt: Die Klägerin habe Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach der zweiten Alternative des § 200 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Durch die Beurlaubung sei das Arbeitsverhältnis zwischen der Stadt Kassel und der Klägerin nicht beendet worden. Es habe während der Zeit der Beurlaubung lediglich geruht. Nur wenn man zwischen den Begriffen Beschäftigungsverhältnis und Arbeitsverhältnis differenziere, habe die zweite Alternative in § 200 Abs 1 RVO Sinn. Denn dann stehe einer Arbeitnehmerin auch Mutterschaftsgeld zu, wenn sie nicht oder nur teilweise während der Rahmenfrist beschäftigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis aber in dieser Frist ununterbrochen bestanden habe. Der mit der Gewährung von Mutterschaftsgeld verfolgten gesetzlichen Zweckbestimmung widerspreche es nicht, ein durch Beurlaubung ruhendes Arbeitsverhältnis in den gesetzlichen Schutzbereich mit einzubeziehen. Der Gesetzgeber habe mit der Einfügung der Vorversicherungszeit den Schutz vor ungerechtfertigtem Bezug von Mutterschaftsgeld, zB durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Schwangerschaft, sicherstellen wollen. Eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme dieser Leistung sei aber gerade im Falle einer zeitlich beschränkten Beurlaubung zum Zwecke der Kindererziehung nicht feststellbar, weil die Klägerin durch ihre Vereinbarung mit dem Arbeitgeber deutlich mache, daß sie gerade nicht aus dem Arbeitsleben habe ausscheiden wollen. Ihr Fortsetzungswille ergebe sich durch die Wiederaufnahme der Arbeit nach dem Ende der vereinbarten Beurlaubung. In einem solchen Falle sei die Betroffene schutzwürdig wie eine Arbeitnehmerin, die tatsächlich in der Zeit zwischen dem 10. und 4. Monat vor der Entbindung gearbeitet habe. Denn auch die in der Zeit vor Beginn der Mutterschutzfrist überwiegend beurlaubte Mutter erleide einen durch Mutterschaftsgeld auszugleichenden Verdienstausfall.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 200 RVO und macht geltend: Ein ruhendes Arbeitsverhältnis unterliege keinen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten. Deshalb führe es auch nicht zu Ansprüchen auf Leistungen, die gerade die Nachteile aus den Beschäftigungsverboten ausgleichen sollten. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich entnehmen, daß die Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO dann nicht in Betracht komme, wenn mit der Leistung der Zweck des Gesetzes nicht erreicht werden könne. Frauen, deren Schutzfrist während einer Beurlaubung beginne, die nicht innerhalb der Schutzfrist ende, würden von dem Gesetz nicht erfaßt. Jede Ursächlichkeit des Beschäftigungsverbots für eventuelle Einkommenseinbußen fehle, ebenso jede Notwendigkeit, zum Wohle des Kindes und der Mutter Verstöße gegen die Beschäftigungsverbote durch finanzielle Unterstützung möglichst zu unterbinden. Möge auch zunächst durch das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu Beginn der Schutzfrist oder die (zulässige) Auflösung eines solchen durch den Arbeitgeber während der Schwangerschaft nach der Entschließung des Gesetzgebers indiziert sein, daß die Arbeitnehmerin einen auszugleichenden finanziellen Verlust erleide, so sei dieses Indiz doch durch die tatsächlich bestehenden Verhältnisse widerleglich. Im übrigen zeige auch § 200b RVO, daß die Ansprüche auf Mutterschaftsgeld differenziert seien. Wer die Voraussetzungen der §§ 200 und 200a RVO nicht erfülle, habe lediglich einen Anspruch von 150,– DM zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Daraus lasse sich aber entnehmen: Die Regelung in § 200 RVO gehe vom Beitrags- und Versicherungsprinzip aus. Dieses Prinzip sei hier nicht aus Gründen allgemeiner sozialer Fürsorge verdrängt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. November 1988 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend: Zwischen der Schutzfrist des § 3 Abs 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) und dem Lohnausfall bestehe ein ursächlicher Zusammenhang. Die nach dem Ende der Beurlaubung wiederaufgenommene Arbeit habe mit Beginn der erneuten Mutterschutzfrist eingestellt werden müssen. Dadurch sei sie, die Klägerin, gehindert gewesen, Arbeitsentgelt zu erzielen.
Die Beigeladene hält ebenfalls die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt unter anderem aus: Die Klägerin sei infolge des Beginns der Schutzfristen für die zweite Schwangerschaft an der weiteren Ausübung der nach Beendigung der Beurlaubung wiederaufgenommenen entgeltlichen Tätigkeit gehindert gewesen. Dies berücksichtige die Beklagte nicht. Zu Recht führe das LSG aus, daß vermehrt zur Betreuung und Erziehung von Kindern die Arbeit für längere Zeit unterbrochen werde. Insoweit sei ein gesellschaftlicher Wandel festzustellen. Wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf diese Entwicklung den Begriff des Arbeitsverhältnisses iS des § 200 RVO hätte anders als sonst üblich verstehen wollen, so hätte er dies anläßlich der in den letzten Jahren erfolgten Neuregelungen deutlich machen können. Das sei aber nicht geschehen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat mit zutreffenden Gründen angenommen, daß der Klägerin die begehrte Leistung zusteht.
Nach § 200 Abs 1 Satz 1 RVO idF des Art 1 § 1 Nr 6 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil – Finanzänderungsgesetz 1967 – vom 21. Dezember 1967 (BGBl I, 1259) erhalten ua Versicherte, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen, Mutterschaftsgeld. Voraussetzung ist, daß in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung für mindestens 12 Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 200 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Vorschriften sind erfüllt.
Die Klägerin war bei Beginn der Schutzfrist, dh bei Eintritt des Versicherungsfalls für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld (vgl dazu BSGE 39, 162, 163 mN = SozR 2200 § 200a Nr 2; BSGE 40, 211, 212 = SozR 2200 § 200 Nr 2), krankenversichert und stand in einem Arbeitsverhältnis. In der ärztlichen Bescheinigung wurde als mutmaßlicher Tag der Entbindung der 25. September 1987 angegeben. Die Mutterschutzfrist begann deshalb am 13. August 1987. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin als Verwaltungsangestellte der Stadt Kassel tätig und aufgrund ihrer Beschäftigung nach der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 165 Abs 1 Nr 2 RVO für den Fall der Krankheit versichert.
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert der geltend gemachte Anspruch nicht an der Regelung des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO. Wie das LSG und die Beteiligten zu Recht annehmen, bestand zwischen der Stadt Kassel und der Klägerin in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat vor der Entbindung ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, nämlich ein auf einem Arbeitsvertrag beruhendes Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (vgl dazu BSGE 45, 114, 116 = SozR 7830 § 13 Nr 3; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, § 200 Anm 3c; Zmarzlik/Zipperer/ Viethen, MuSchG, 4. Aufl, § 13 MuSchG RdNr 5; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II, S 412c). Daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1987 beurlaubt war, hatte auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses keinen Einfluß. Eine Beurlaubung hebt das Arbeitsverhältnis auch dann nicht auf, wenn der Arbeitnehmer während der Beurlaubung keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat (vgl dazu BAGE 7, 207, 208 ff; 14, 343, 346 und 55, 137, 146). Für den Anspruch auf das Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO ist es ausreichend, daß die Versicherte in der Rahmenfrist in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.
Das Gesetz unterscheidet nicht danach, ob die Arbeitnehmerin während der Rahmenfrist aufgrund des Arbeitsverhältnisses eine Berufstätigkeit tatsächlich ausgeübt hat oder ob das Arbeitsverhältnis geruht hat. Die herrschende Meinung (vgl dazu das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 14. Dezember 1987, DOK 1988, 241; Schmatz/ Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl, Stand: Oktober 1989, § 200 RVO RdNr 14 und § 13 MuSchG RdNr 54; Zmarzlik/ Zipperer/Viethen, § 13 MuSchG RdNr 5; Brackmann, Bd II S 412g I; Töns, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, Stand: August 1984, § 200 Anm I 1e, und Peters, § 200 Anm 5b) cc) und § 200 Anm 3c) läßt deshalb zu Recht auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis in der Rahmenfrist für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld genügen.
Diese Auslegung des Gesetzes steht weder im Widerspruch zum Zweck des Mutterschaftsgeldes noch zu den mit der Regelung in § 200 Abs 1 Satz 2 RVO verfolgten Zielen des Gesetzgebers. Das Mutterschaftsgeld ersetzt das Arbeitsentgelt, das wegen und während der Beschäftigungsverbote in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablauf von 8 Wochen danach (§ 3 Abs 2 und § 6 Abs 1 MuSchG) ausfällt und sichert damit den Unterhalt der (werdenden) Mutter für diese Zeiten (BSGE 40, 211, 212 = SozR 2200 § 200 Nr 2). Um den Leistungsanspruch auszulösen, muß das Arbeitsverhältnis von dem Beschäftigungsverbot betroffen werden können (BSGE 34, 76, 78 = SozR Nr 3 zu § 200 RVO). Dies ist auch bei einem in der Rahmenfrist des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO ruhenden Arbeitsverhältnis der Fall. Denn die Beschäftigungsverbote der §§ 3 Abs 2 und 6 Abs 1 MuSchG sollen verhindern, daß die Arbeitstätigkeit in den Schutzfristen fortgesetzt oder – beim ruhenden Arbeitsverhältnis – wiederaufgenommen wird. Zwar können die Parteien des Arbeitsvertrages regeln, daß die bisher vereinbarte Beurlaubung endet; jedoch wird die Rückkehr der Arbeitnehmerin an den Arbeitsplatz während der Schutzfrist, also das Wiederaufleben der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung, durch die Beschäftigungsverbote für die in § 3 Abs 2 und § 6 Abs 1 MuSchG genannten Fristen ausgeschlossen. Damit verliert die Arbeitnehmerin die Möglichkeit, Arbeitsentgelt zu verdienen, so daß die Beschäftigungsverbote sich auch dann auf die finanzielle Situation der (werdenden) Mutter auswirken können, wenn sie während der Rahmenfrist von ihrem Arbeitgeber beurlaubt ist.
Ob der nach dem Gesetzeszweck notwendige Ursachenzusammenhang allerdings auch dann anzunehmen ist, wenn die Arbeitnehmerin ohnehin – also auch unabhängig von den Schutzfristen – während der Rahmenfrist und darüber hinaus bis zum Ablauf der Schutzfristen nicht wieder beruflich tätig werden will, es somit bei dem ruhenden Arbeitsverhältnis bleiben soll, kann der Senat offenlassen. Denn die Klägerin hat am 1. Juli 1987, also mehrere Wochen vor Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs 2 MuSchG ihre Tätigkeit bei der Stadt Kassel wiederaufgenommen und damit ihren Willen zur weiteren beruflichen Tätigkeit gezeigt.
Auch die erkennbare Absicht des Gesetzes, durch die Regelung des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Mutterschaftsleistungen auszuschließen (vgl dazu Peters, § 200 Anm 5a unter Hinweis auf BT-Drucks IV/3652, S 8 f zu §§ 200 und 200a RVO; BSGE 34, 76, 78 f = SozR Nr 3 zu § 200 RVO), zwingt nicht zu einer restriktiven Auslegung im Sinne der Revision. Der Gesetzgeber hat die Gefahr des Mißbrauchs nur darin gesehen, daß (werdende) Mütter noch kurz vor Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs 2 MuSchG ein Arbeitsverhältnis begründen oder eine Beschäftigung aufnehmen können, um dadurch in den Genuß der Mutterschaftsleistungen zu gelangen. Diese Mißbrauchsmöglichkeit ist dadurch ausgeschlossen worden, daß nunmehr in der Rahmenfrist des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO für mindestens 12 Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden haben muß.
Soweit die Revision darauf hinweist, daß die Regelung in § 200 RVO auf dem Beitrags- und Versicherungsprinzip basiert, ist dies nur insoweit zutreffend, als die (werdende) Mutter im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles, also bei Beginn der Schutzfrist (vgl BSGE 40, 211, 212 = SozR 2200 § 200 Nr 2) krankenversichert sein muß. Für die Zeit der Rahmenfrist gilt dies nicht. Hier genügt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, ohne daß die Arbeitnehmerin auch Mitglied der Krankenkasse ist. Zu Recht weist das LSG in diesem Zusammenhang auf folgendes hin: Die 2. Alternative des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO wird nur dann verständlich, wenn darunter auch Arbeitsverhältnisse zu verstehen sind, die – wie das ruhende Arbeitsverhältnis – keine Versicherungspflicht auslösen, weil eine Beschäftigung nicht ausgeübt wird.
Daß das Mutterschaftsgeld in den §§ 200, 200a und 200b RVO von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig gemacht ist, spricht ebensowenig für die Auffassung der Beklagten. Die Regelung in den §§ 200a und 200b RVO kann nicht zur Auslegung des § 200 Abs 1 RVO herangezogen werden. Nach der Systematik des Gesetzes ist nur dann zu prüfen, ob ein Anspruch nach § 200a bzw 200b RVO besteht, wenn die Voraussetzungen des § 200 RVO nicht vorliegen. Das wird durch die Worte „Andere Versicherte” in § 200a RVO und „Versicherte, die keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach den §§ 200 und 200a haben” in § 200b RVO deutlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen