Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Bewertungsmaßstab. keine pauschale hausärztliche Vergütung bei Erbringung von speziellen fachärztlichen Leistungen. Anteil der hausärztlichen Grundleistungen bei gleichzeitiger hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung im EBM-Ä, wonach dem Arzt die pauschale hausärztliche Vergütung in einem Behandlungsfall nicht zusteht, in dem er bestimmte spezialisierte fachärztliche Leistungen erbracht hat, ist rechtmäßig.
2. Der Anspruch des bis Ende 1995 gleichzeitig an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes für innere Medizin auf die hausärztliche Vergütung hängt nicht davon ab, daß er mit hausärztlichen Grundleistungen einen Anteil von zumindest 30 % seines gesamten Punktzahlenvolumens erzielt hat.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 87 Abs. 2a S. 3 Fassung: 1992-12-21; EBM-Ä Kap. B Abs. I Nr. 1 S. 1 Fassung: 1993-08-17; SGB V § 73 Abs. 1c S. 1, § 87 Abs. 1 S. 1; EBM-Ä Kap. O Abs. III; SGB V § 73 Abs. 1, 1a; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 2) wird das soweit die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale IV/94, II/95 III/95 und IV/95 aufgehoben worden sind. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren und ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Der Beigeladene zu 2) hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten für das Revisionsver-fahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der als Internist ohne Teilgebietsbezeichnung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger wehrt sich im Honorarberichtigungsverfahren dagegen, daß ihm die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) in den Quartalen II/94, III/94 und I/95 die hausärztliche Grundvergütung generell und in den Quartalen IV/94, II/95, III/95 und IV/95 in bestimmten Behandlungsfällen versagt.
Zum 1. April 1994 ist in den Einheitlichen Bewertungsmaßstaß (EBM) eine neue Abrechnungsposition „hausärztliche Vergütung” aufgenommen und mit 45 Punkten bewertet worden. Diese pro Behandlungsfall anfallende Pauschale steht dem Arzt nach Kap B I. 1. EBM unter anderem in solchen Fällen nicht zu, in denen er eine oder mehrere Leistungen abgerechnet hat, die in der Liste zu § 6 Abs 2 des Vertrages über die hausärztliche Versorgung vom 6. September 1993 (Hausarztvertrag) aufgeführt sind „fachärztliche Leistungen”). Ergänzend bestimmt Ziff 4 der Übergangsvereinbarung zum Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) vom 16. Februar 1994 (Deutsches Ärzteblatt ≪DÄ≫ 1994, C-663), daß die hausärztliche Vergütungsregelung bis zum 31. Dezember 1995 unter anderem nur für solche Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung Anwendung findet, die in ihrem gegenüber den KÄVen abgerechneten Punktzahlvolumen im jeweils vorausgehenden Kalendervierteljahr einen Anteil an Grundleistungen nach den Abschnitten B I., II. und IV. des EBM von mindestens 30 % haben.
Die Beklagte versagte dem Kläger die hausärztliche Vergütung in den Quartalen II/94, III/94 und I/95 generell, weil sein Anteil an Grundleistungen in den Quartalen I/94, II/94 und IV/94 mit 27,5 %, 29,41 % und 28,26 % die maßgebliche Grenze von 30 % am gesamten Punktzahlenvolumen nicht erreicht habe. In den Quartalen IV/94, II/95, III/95 und IV/95 verweigerte die Beklagte die Zahlung der hausärztlichen Vergütung lediglich in den Behandlungsfällen, in denen der Kläger fachärztliche Leistungen nach der Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages erbracht hat. Die generelle Ausschlußregelung kam nicht zur Anwendung, weil sich der Anteil der Grundleistungen in den jeweiligen Vorquartalen auf 31,73 %, 33,99 %, 34,49 % und 32,8 % belaufen hatte.
Mit seinem Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/94 machte der Kläger geltend, es sei sachwidrig, daß ein an der hausärztlichen Versorgung teilnehmender Internist auch in Behandlungsfällen, in denen er typisch hausärztliche Leistungen erbracht habe, die hausärztliche Grundvergütung nicht erhalten könne, weil er entweder zusätzlich fachärztliche Leistungen erbracht habe, wozu er berechtigt sei, oder weil der punktzahlmäßige Anteil fachärztlicher Leistungen am Gesamtumsatz im vorangegangenen Quartal den Grenzwert von 70 % überschritten habe. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und verwies auf die einschlägigen gesetzlichen bzw vertraglichen Regelungen, an die sie gebunden sei (Bescheid vom 24. Mai 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat den Honorarbescheid für das Quartal II/94 idF des Widerspruchsbescheides sowie die Honorarbescheide für die Quartale III/94 bis einschließlich IV/95, gegen die der Kläger jeweils Widerspruch eingelegt hatte, aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Honoraransprüche des Klägers eine neue Entscheidung zu treffen. Es hat für die Regelungen über den generellen wie auch für den lediglich auf einzelne Behandlungsfälle bezogenen Ausschluß der hausärztlichen Grundvergütung eine gesetzliche Grundlage für erforderlich gehalten, die es nicht gebe (Urteil vom 22. Oktober 1996).
Mit ihren vom SG zugelassenen Sprungrevisionen rügen die beklagte KÄV und der zu 2) beigeladene AOK-Bundesverband eine fehlerhafte Anwendung insbesondere des § 87 Abs 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Zu Unrecht habe das SG angenommen, die Regelung über den Ausschluß der hausärztlichen Grundvergütung bei Abrechnung fachärztlicher Leistungen im jeweiligen Behandlungsfall könne sich nicht auf § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V stützen. Diese Vorschrift ermächtige die Partner des Bewertungsausschusses zur Schaffung einer Behandlungsfallpauschale ungeachtet der im einzelnen Behandlungsfall erbrachten hausärztlichen Leistungen. Darüber hinaus sei der Bewertungsausschuß berechtigt, abgrenzend zu bestimmen, wann hausärztliche Versorgung vorliegt und in welchen Behandlungsfällen fachärztliche Leistungen überwiegen. Insoweit habe sich der Bewertungsausschuß zu einer Verweisung auf die von den Partnern des Bundesmantelvertrages im Hausarztvertrag getroffenen Regelungen entschlossen, was rechtlich nicht zu beanstanden sei.
Die Regelung in Ziff 4 der Übergangsvereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge vom 16. Februar 1994 finde ihre Rechtfertigung darin, daß nach § 73 Abs 1c Satz 2 SGB V Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt seien, an der hausärztlichen Versorgung teilzunehmen und zugleich Leistungen zu erbringen, die der fachärztlichen Versorgung zugerechnet werden. Da dies dem Leitbild der Trennung der ambulanten ärztlichen Versorgung in hausärztliche und fachärztliche Versorgung widerspreche, sei es sachgerecht gewesen, eine bestimmte Untergrenze von hausärztlichen Leistungen an der Gesamtheit der gegenüber der KÄV abgerechnete Leistungen festzulegen, die überschritten sein müsse, wenn ein Internist noch als ein an (auch) der hausärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt behandelt werden solle. Diese Regelung rechtfertige sich auch durch die Erwägung, daß die hausärztliche Grundvergütung eine Kompensation für die Selbstbeschränkung des Arztes darstelle, ausschließlich hausärztlich tätig zu sein. Ein solcher Kompensationsbedarf bestehe nicht, wenn ein Hausarzt im Behandlungsfall oder generell überwiegend fachärztliche Leistungen erbracht habe.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. Oktober 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an und weist ergänzend darauf hin, daß in § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V bestimmt sei, daß für üblicherweise von Hausärzten erbrachte Leistungen eine auf den Behandlungsfall bezogene Bewertung (hausärztliche Grundvergütung) vorzusehen sei, während Satz 4 dieser Vorschrift regele, daß die Bewertungsmaßstäbe „weitere” Leistungen enthalten können, die nur von hausärztlich tätigen Ärzten erbracht und abgerechnet werden können. Zu diesen Leistungen zähle ausdrücklich die hausärztliche Grundvergütung nicht, die von jedem Arzt erbracht werden könne, der einzelfallbezogen tatsächlich hausärztlich tätig sei. Im übrigen sei die 30 %-Regelung insbesondere deshalb willkürlich und unverständlich, weil sie auf das Abrechnungsverhalten des Vorquartals abstelle und zur Folge habe, daß die hausärztliche Grundvergütung nicht gewährt werde, auch wenn der Arzt im jeweiligen Behandlungsquartal ganz überwiegend hausärztliche Leistungen erbracht habe. Schließlich sei dem SG im Ergebnis schon deshalb zu folgen, weil die gesetzlichen Bestimmungen über die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung verfassungswidrig seien, wie sich insbesondere aus dem zu den Akten gereichten Gutachten von Prof. Dr. H … ergebe.
Die Beigeladenen zu 1) und 3) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. Oktober 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) ist der Auffassung, § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V enthalte entgegen der Auffassung des SG keine Verpflichtung des Bewertungsausschusses, eine Vergütungsregelung zur Abgeltung einer „gebührenordnungsmäßig meßbaren Leistung” einzuführen. Die hausärztliche Grundvergütung solle vielmehr Querschnittsleistungen abgelten, die gerade nicht gebührenordnungsmäßig meßbar, sondern pauschalierungsbedürftig seien. Nach § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V sei der Bewertungsausschuß berechtigt, durch Regelungen im EBM sicherzustellen, daß diese Grundvergütung nur solchen Ärzten zugute kommt, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. In Ausführung der Ermächtigung des § 73 Abs 1c SGB V hätten die Partner des Bundesmantelvertrages danach differenzieren dürfen, ob ein Arzt jeweils nur an der hausärztlichen bzw fachärztlichen Versorgung oder – bis Ende 1995 – an beiden Versorgungsformen beteiligt ist. Für die letztgenannte Gruppe von Ärzten sei bestimmt worden, daß die Erbringung spezialisierter fachärztlicher Leistungen in einem konkreten Behandlungsfall als unwiderlegbares Indiz dafür zu werten sei, daß der Arzt in diesem Fall fachärztlich tätig geworden sei. Da die Gewährung der hausärztlichen Grundvergütung an Ärzte, die auch fachärztlich tätig seien, nur gerechtfertigt sei, wenn diese tatsächlich typische Hausarztfunktionen wahrnehmen, sei eine Abgrenzung in Form einer Mindestquote von Grundleistungen vorgenommen worden. Da typischerweise bei hausärztlich tätigen Internisten 50 % der angeforderten Punkte auf die Grundleistungen entfielen, sei mit der Grenzziehung schon bei 30 % allen Besonderheiten angemessen Rechnung getragen worden.
Die Beigeladenen zu 4) – 8) stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen der beklagten KÄV und des zu 2) beigeladenen AOK-Bundesverbandes sind zulässig. Der Beigeladene zu 2) ist nach § 69 Nr 3 SGG Beteiligter des Verfahrens und kann gemäß § 75 Abs 4, § 160 Abs 1 SGG selbständig Revision einlegen. Die für sein Rechtsmittel erforderliche materielle Beschwer ergibt sich daraus, daß im Rahmen des anhängigen Honorarstreits über die Gültigkeit von Bestimmungen des EBM zu entscheiden ist, an deren Zustandekommen der Beigeladene zu 2) kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung beteiligt ist. Die nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen in Bezug auf den Bewertungsmaßstab zukommende Regelungshoheit ist betroffen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheids einer KÄV inzident eine diesem zugrundeliegende Vorschrift des EBM verworfen und die KÄV zu einer Vergütung ohne Berücksichtigung der mittelbar angegriffenen EBM-Regelung verurteilt wird (vgl BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 34 f).
Die Revisionen sind nur teilweise begründet. Sie haben keinen Erfolg, soweit die Quartale II/94, III/94 und I/95 betroffen sind, in denen die beklagte KÄV dem Kläger generell die hausärztliche Grundvergütung versagt hat. Zu Unrecht hat das SG dagegen die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auch in denjenigen Behandlungsfällen aus den Quartalen IV/94, II/95, III/95 und IV/95 neben den erbrachten Leistungen die hausärztliche Vergütung zu gewähren, in denen er spezifisch fachärztliche Leistungen erbracht hat, die in der Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages aufgeführt sind.
Die Regelung über die Gewährung der hausärztlichen (Grund-)Vergütung für die Wahrnehmung der besonderen hausärztlichen Versorgungsfunktion durch den behandelnden Vertragsarzt ist mit Wirkung vom 1. April 1994 in den EBM und dem folgend in den Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (BMÄ) und in die Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) aufgenommen worden (Beschluß des Bewertungsausschusses über die Neuaufnahme des Gebührenordnungsunterabschnitts B I. Nr 1, veröffentlicht in DÄ 91, Heft 11 vom 18. März 1994, C-514). Die hausärztliche Vergütung je kurativ-ambulanten Behandlungsfall war ab dem 1. April 1994 mit 45 Punkten, ab dem 1. Januar 1995 mit 90 Punkten bewertet.
Die Vorschrift des EBM (Kapitel B I. Nr 1 Satz 1) definiert die hausärztliche Vergütung als solche gemäß § 87 Abs 2a SGB V. In der insoweit in Bezug genommenen Norm wird der Bewertungsausschuß zur Schaffung einer auf den Behandlungsfall bezogenen Bewertung für die üblicherweise von Hausärzten erbrachten Leistungen verpflichtet (Abs 2a Satz 3 aaO). Nach den Sätzen 2 und 3 der genannten Regelung des EBM sind – neben anderen – diejenigen Fälle von der hausärztlichen Vergütung je Behandlungsfall ausgenommen, auf deren Behandlungsausweise eine oder mehrere der Leistungen abgerechnet werden, die in der Liste zu § 6 Abs 2 des – zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen am 6. September 1993 geschlossenen – Hausarztvertrages (DÄ 1993, C-1837) aufgeführt sind (fachärztliche Leistungen). In der – ebenfalls von den Partnern des Hausarztvertrages vereinbarten – Liste (Vereinbarung vom 17. März 1994 – DÄ 91, 1994, A-916) sind, wie es in § 6 Abs 2 Satz 1 Hausarztvertrag heißt, solche Leistungen verzeichnet, die in der hausärztlichen Versorgung nicht vergütet werden. Die Vereinbarung vom 17. März 1994 schließt die Vergütung solcher Leistungen in der hausärztlichen Versorgung jedoch erst ab dem 1. Januar 1996 aus (Punkt 1 aaO). Darüber hinaus dürfen nach der Übergangsregelung des § 9 Hausarztvertrag diejenigen Vertragsärzte, welche in der vertragsärztlichen Versorgung nachweislich vor dem 1. Januar 1994 regelmäßig ärztliche Leistungen der Liste nach § 6 Hausarztvertrag abgerechnet haben, solche Leistungen längstens bis zum 31. Dezember 2002 erbringen und abrechnen.
Soweit erlauben die Regelungen des EBM und des Hausarztvertrages den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten, die in der Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages genannten Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin zu erbringen und abzurechnen. Ihnen steht aber im jeweiligen Behandlungsfall, in denen eine dieser Leistungen abgerechnet worden ist, kein Anspruch auf die hausärztliche Vergütung gemäß Nr. 1 des Kapitel B I. EBM zu.
Die Regelung des EBM (Kapitel B I. Nr 1) beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V und ist durch sie gedeckt. Diese durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingefügte Vorschrift (Artikel 1 Nr 45 Buchstabe b, Artikel 35 Abs 1 GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) enthält einen Auftrag an den Bewertungsausschuß, für die üblicherweise von Hausärzten erbrachten Leistungen, insbesondere für die Betreuungs-, Koordinations-, und Dokumentationsleistungen, eine auf den Behandlungsfall bezogene Bewertung vorzunehmen (hausärztliche Grundvergütung). Ergänzend bestimmt Satz 4 aaO, daß im EBM weitere, nur vom Hausarzt abrechenbare Leistungen festzulegen sind. § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V setzt damit auf der Ebene der Bewertung ärztlicher Leistungen als maßgeblicher Grundlage für deren Vergütung (zur Bedeutung des EBM für den Vergütungsanspruch s Urteil des Senats vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen) die Entscheidung des Gesetzgebers um, die vertragsärztliche Versorgung in einen hausärztlichen und in einen fachärztlichen Versorgungsbereich zu gliedern und die in der vertragsärztlichen Versorgung bestehenden Arztgruppen den jeweiligen Versorgungsbereichen zuzuordnen (§ 73 Abs 1 und Abs 1a SGB V; die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bejahend: Urteile des Senats vom 18. Juni 1997 – 6 RKa 58/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen, – 6 RKa 63/96 und 13/97 –). Der Gesetzgeber hat diese funktionale Gliederung der Versorgungsbereiche als ein geeignetes Mittel angesehen, kostensteigernde Entwicklungen in der vertragsärztlichen Versorgung, die auch aufgrund der ständigen Zunahme spezialisierter fachärztlicher Leistungen bedingt sind, zu begrenzen und auf diese Weise die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Er wollte zugleich die Qualität der Grundversorgung der Versicherten durch eine Stärkung der hausärztlichen Versorgungsfunktion fördern (zum Ganzen: Urteile des Senats vom 18. Juni 1997 – aaO). Als Folgeregelung zu dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers will § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V über die Schaffung einer speziellen Vergütungspauschale für die typischen hausärztlichen Versorgungsfunktionen eine Verbesserung der hausärztlichen Vergütung bewirken und auf diese Weise den Anreiz zur Wahrnehmung der Hausarztfunktion erhöhen (vgl Begründung des Gesetzentwurfs zum GSG der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drucks 12/3608, S 89, zu Nr 92).
Der gesetzlichen Verpflichtung des Bewertungsausschusses, für die üblicherweise von Hausärzten erbrachten Leistungen eine hausärztliche Grundvergütung vorzusehen, entspricht seine Berechtigung, die Kriterien festzulegen, bei deren Vorliegen ein Behandlungsfall als hausärztlich zu qualifizieren ist. Sie umfaßt notwendigerweise zugleich die Befugnis, negativ abzugrenzen, welche Behandlungsfälle nicht mehr als hausärztlich geprägt anzusehen sind. Das Vorgehen des Bewertungsausschusses hält sich deshalb im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage, auch insoweit, als er festgelegt hat, daß der Behandlungsfall, in dem ein an der hausärztlichen Versorgung teilnehmender Vertragsarzt aufgrund der dargestellten Übergangsregelung zulässigerweise spezialisierte fachärztliche Leistung erbracht hat, nicht mehr als hausärztlich anzusehen ist. Dies hat den Ausschluß der Abrechenbarkeit der hausärztlichen Vergütung gemäß Kapitel B I. Nr 1 im EBM im jeweiligen Behandlungsfall zur Folge.
Die konkrete Umsetzung des Ausschlusses bestimmter Behandlungsfälle von der hausärztlichen Vergütung durch den Bewertungsausschuß ist nicht zu beanstanden. Er hat zwar die fachärztlichen Leistungen, deren Erbringung zu diesem Vergütungsausschluß im jeweiligen Behandlungsfall führt, nicht in den EBM aufgenommen, sondern insoweit auf die Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages verwiesen. Diese ist auf der Ermächtigungsgrundlage des § 73 Abs 1c Satz 1 SGB V von den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, also den Partnern des Bundesmantelvertrages (§ 87 Abs 1 SGB V), gemeinsam und einheitlich vereinbart worden. Gegen die Bezugnahme des EBM als normativer Regelung (hierzu zuletzt: Urteil des Senats vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen) auf eine von den genannten Vertragspartnern getroffene Vereinbarung, die von diesen auch verändert werden kann, bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer dynamischen Verweisung Bedenken. Zwar ist der Bewertungsausschuß ein organisationsrechtlich verselbständigtes Organ. Er hat aber nach dem Gesetz die Stellung und Funktion eines Vertragsorgans, durch das die genannten Partner des Bundesmantelvertrages den EBM vereinbaren (§ 87 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der EBM ist damit ebenso wie der Hausarztvertrag eine den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zuzurechnende vertragliche Vereinbarung.
Auch inhaltlich ist die Regelung des Kapitels B I. Nr 1 EBM mit der Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V vereinbar. Bei den insoweit vom EBM in Bezug genommenen Leistungen, die in der Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages aufgeführt sind, handelt es sich um spezialisierte Leistungen, die – was hier allein zu prüfen ist – nicht dem Kerngebiet der Inneren Medizin zuzurechnen sind. Für ihre Erbringung und Abrechnung ist auf der Grundlage des ärztlichen Weiterbildungsrechts in dem Fachgebiet der Inneren Medizin der Erwerb eingehender Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich oder vorrangig im Schwerpunkt, in einer fakultativen Weiterbildung oder zum Erwerb eine Fachkunde Voraussetzung (§ 6 Abs 1 Hausarztvertrag; vgl hierzu auch die Verlautbarung der KBV, DÄ 91, 1994, A-916). Mit dieser Anknüpfung an Leistungen, die nach ärztlichem Berufsrecht ausschließlich oder vorrangig spezialisierten Fachärzten vorbehalten sind, wird den normativen Vorgaben in § 73 Abs 1, Abs 1a SGB V zur Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einem hausärztlichen und einem fachärztlichen Versorgungsbereich angemessen entsprochen. Denn diese im Regelfall spezialisierten Fachärzten vorbehaltenen Leistungen sind typischerweise nicht Bestandteil der hausärztlichen Versorgung. Es erweist sich deshalb als sachgerecht, in den Fällen, in denen solche Leistungen erbracht werden, davon auszugehen, daß im Behandlungsfall nicht die für die hausärztliche Betreuung kennzeichnenden Leistungen im Vordergrund stehen.
Die vom Kläger in den streitigen Behandlungsfällen erbrachten fachärztlichen Leistungen zählen zu den in der Liste zu § 6 Abs 2 des Hausarztvertrages aufgeführten Leistungen des Kap O III EBM (Speziallabor) oder zu den Röntgenleistungen des Kapitels Q EBM. Für die Erbringung von Röntgenleistungen werden eingehende Kenntnisse und Erfahrungen nicht in der Weiterbildung im Fachgebiet der Inneren Medizin erworben. Hierzu gehört lediglich der Erwerb eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Beurteilung von Röntgenbildern der inneren Organe, der Gefäße sowie des Skelettsystems bei internen Erkrankungen (Abschnitt I Nr 15. Ziffer 1. 8. Spiegelstrich der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer – nach den Beschlüssen des 95. Deutschen Ärztetages 1992 – und der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 30. Januar 1993, die durch Erlaß des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW vom 27. September 1994 genehmigt worden ist ≪Ministerialbl NW 1994, 1366 ff≫ – Weiterbildungsordnung –) bzw nach der allgemeinen Beschreibung von Inhalt und Ziel der Weiterbildung die „Deutung von Röntgenbildern des Gebietes”. Die Leistungen der Röntgendiagnostik des Skeletts bei internen Erkrankungen und der aufgeführten inneren Organe sind vielmehr Gegenstand der Fachkunde „Internistische Röntgendiagnostik” (vgl Abschnitt I Nr 15. A. 2 der Muster-Weiterbildungsordnung). Für den Zeitraum bis zur Genehmigung der Weiterbildungsordnung galt aufgrund der Berufs- und Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 23. April 1977 idF der Änderung vom 23. April 1988 (Ministerialbl NRW 1988, 875 ff) nichts anderes. Auch dort wurde bereits als Inhalt der Weiterbildung im Gebiet Innere Medizin die „Deutung von Röntgenbildern des Gebietes” genannt.
Hinsichtlich einiger im Kap O III EBM in der ab 1. April 1994 geltenden Fassung aufgeführten speziellen Laborleistungen werden zwar auch in der Weiterbildung im Fachgebiet der Inneren Medizin eingehende Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt „Methodik und Durchführung des speziellen Labors des Gebietes …”, Abschnitt I. Nr 15 Ziff 1.7. Spiegelstrich der Weiterbildungsordnung), doch dominieren insoweit die besonders aufwendigen laborärztlichen bzw nuklearmedizinischen Untersuchungen. Da zudem für die Abrechnung aller im Kap O III EBM aufgeführter Leistungen eine besondere Genehmigung der KÄV erforderlich ist (Ziff 4 des Anhangs zu Abschnitt E der Richtlinien der KÄBV für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen in der kassenärztlichen Versorgung in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung, abgedruckt bei Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, RdNr V 19a ff), ist es nicht zu beanstanden, daß im Rahmen einer notwendigerweise generalisierenden Regelung alle O III-Leistungen als spezielle fachärztliche Leistungen eingestuft worden sind.
Der Senat vermag schließlich auch die geltend gemachten Verfassungsverstöße nicht zu erkennen. Wie er in seinen Urteilen vom 18. Juni 1997 (- 6 RKa 58/96, 63/96, 17/97 –) im einzelnen ausgeführt hat, besaß der Bundesgesetzgeber gemäß Art 74 Abs 1 Nr 12 des Grundgesetzes (GG) die Kompetenz zum Erlaß der Regelung über die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich und zur Zuordnung von Arztgruppen zu diesen Versorgungsbereichen. Für die dem folgende Regelung hinsichtlich der Bewertung hausärztlicher Leistungen in § 87 Abs 2a SGB V gilt nichts anderes.
Die genannte Norm und die sie umsetzende Vorschrift des Kapitels B I. Nr 1 EBM erweisen sich auch als verfassungskonforme Regelungen der Berufsausübung der Vertragsärzte iS von Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Der Senat hat bereits zu den Bestimmungen des § 73 Abs 1 und Abs 1a SGB V entschieden, daß es sich bei dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich um eine verfassungsgemäße Konkretisierung des Grundrechts der Berufsfreiheit handelt (vgl im einzelnen Urteil vom 18. Juni 1997 – 6 RKa 58/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen, – aaO). Diese Gesichtspunkte beanspruchen auch für die Regelung des § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V und der sie umsetzenden Bestimmung des Kapitels B I. Nr. 1 EBM Gültigkeit. Die Maßnahme wirkt sich über die Zusammenfassung und Bewertung von Leistungen auf der Ebene der vertragsärztlichen Vergütung aus und berührt damit nicht den Zulassungsstatus des Vertragsarztes (vgl insoweit bereits Urteile vom 18. Juni 1997, aaO). Durch die Regelung in Kapitel B I. Nr 1 Sätze 2 und 3 EBM wird der Kläger nicht von der Erbringung (haus-)ärztlicher Leistungen ausgeschlossen. Es wird lediglich festgelegt, daß in Behandlungsfällen, die aufgrund der erbrachten Leistungen typischerweise dem fachärztlichen Versorgungsbereich zuzurechnen sind, eine hausärztliche Vergütung in Höhe von 45 bzw 90 Punkten je Behandlungsfall nicht zu gewähren ist. Die insoweit getroffene Berufsausübungsregelung ist von geringer Intensität, zumal sie den Kläger von einer Leistung ausschließt, die ohnehin jedenfalls teilweise durch die erbrachte fachärztliche Leistung mitabgegolten ist; denn die mit der hausärztlichen Grundvergütung zu honorierende Dokumentationspflicht etwa ist schon bei der punktmäßigen Bewertung der Röntgenleistungen nach Kapitel Q EBM berücksichtigt. Zur Röntgendiagnostik gehört auch die Beurteilung und die obligatorische schriftliche Befunddokumentation sowie ggf die Eintragung in ein Röntgennachweisheft (vgl Kapitel Q I. EBM). Der auf der Stufe der Berufsausübung liegende Eingriff ist – ebenso wie die ihm zugrundeliegende Grundentscheidung des Gesetzgebers – durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls, nämlich ökonomische Fehlentwicklungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu beseitigen und damit die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern sowie die Qualität der Grundversorgung der Versicherten zu fördern, gerechtfertigt. Die Regelung ist darüber hinaus geeignet, erforderlich und den Betroffenen angesichts ihrer geringen Intensität auch zumutbar.
Zu Recht hat das SG dagegen die angefochtenen Bescheide für die Quartale II/94, III/94 und I/95 aufgehoben, soweit die Beklagte dem Kläger generell die hausärztliche Vergütung versagt hat. Sie hat ihre Entscheidung insoweit auf Ziff 4 der Übergangsvereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der KÄBV vom 16. Februar 1994 gestützt. Danach steht die hausärztliche Vergütung ua Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung dann nicht zu, wenn der Anteil der Grundleistungen nach den Abschnitten B I., II. und IV. des EBM an dem gegenüber den KÄVen abgerechneten Punktzahlvolumen im jeweils vorausgegangenen Kalendervierteljahr nicht mindestens 30 % betragen hat. Zwar ist die letztgenannte Voraussetzung in diesen Quartalen erfüllt, weil der Anteil der Grundleistungen bei dem Kläger in den Vorquartalen zwischen 27,5 und 29,41 % geschwankt hat. Ziff 4 der Übergangsvereinbarung ist jedoch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb unwirksam.
Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß die Vorschriften zur Umsetzung der zum 1. April 1994 neugestalteten Teile des EBM nicht formell vom Bewertungsausschuß als Bestandteil des EBM beschlossen, sondern von den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit der KÄBV außerhalb des EBM vereinbart worden sind. Der Senat hat es stets als rechtmäßig angesehen, daß die Partner der Bundesmantelverträge Übergangsregelungen im Zuge von Neugestaltungen der Bewertungsmaßstäbe treffen. Er hat es weiterhin gebilligt, daß die Partner der Bundesmantelverträge ergänzende Abrechnungsbestimmungen zu einzelnen Ziffern der Bewertungsmaßstäbe einführen können (vgl zuletzt BSGE 78, 191, 200 = SozR 3-2200 § 368i Nr 1 S 11 für den zahnärztlichen Bereich, mwN). Die Partner der Bundesmantelverträge sind zwar nicht berechtigt, das Bewertungsgefüge des EBM zu verändern. Sie sind jedoch nicht gehindert, Regelungen zur Ausführung des EBM zu treffen und insbesondere zu vereinbaren, wie sich der Übergang von einer alten zu einer neuen Fassung einzelner Positionen des Bewertungsmaßstabs vollziehen soll. Die Bestimmung in Ziff 4 der Übergangsvereinbarung hält sich indessen inhaltlich nicht in dem Rahmen, der den Partnern des BMV-Ä in § 73 Abs 1c SGB V idF des GSG zur Regelung überantwortet worden ist. Nach Satz 1 dieser Vorschrift vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der KÄBV gemeinsam und einheitlich das Nähere, insbesondere über den Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung. Nach Satz 2 regeln sie weiterhin die Bedingungen, zu denen Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung bis zum 31. Dezember 1995 sowohl an der hausärztlichen als auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen können. Die Ermächtigung zur Regelung dieser Bedingungen umfaßt aber nicht die Befugnis, einzelne Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung unabhängig von den im jeweiligen Behandlungsfall erbrachten Leistungen für einen bestimmten Zeitraum generell von der Teilnahme an der hausärztlichen Vergütungsregelung auszuschließen.
Aus § 73 Abs 1a SGB V ist abzuleiten, daß diejenigen Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung, die bereits am 1. Januar 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen haben, berechtigt sind, längstens bis zum 31. Dezember 1995 sowohl hausärztlich wie fachärztlich tätig zu sein. Bis zu diesem Zeitpunkt mußten diese Ärzte sich für die eine oder die andere Versorgungsform entscheiden. Das bedeutet, daß sie zuvor grundsätzlich beiden Versorgungsbereichen zuzuordnen waren, wie dies § 10 Abs 2 Satz 1 des Hausarztvertrages ausdrücklich klarstellt. Diese gesetzliche Zuordnung durften die Vertragspartner des BMV-Ä lediglich näher ausgestalten und dabei gegebenenfalls erforderliche Abgrenzungsregelungen für einzelne Behandlungsfälle treffen, um diese nach typisierenden Merkmalen und dem Schwerpunkt der Leistungserbringung dem hausärztlichen oder dem fachärztlichen Versorgungsbereich zuzuordnen. Ziff 4 der Übergangsvereinbarung geht indessen darüber hinaus und schließt Ärzte im Hinblick auf eine bestimmte Verteilung von Grundleistungen und spezialisierten Leistungen generell für ein ganzes Quartal von der hausärztlichen Vergütungsregelung aus. Das gestattet § 73 Abs 1c Satz 2 SGB V nicht, weil im Hinblick auf die gesetzlich für eine kurze Übergangszeit ohne materielle Einschränkung zugelassene gleichzeitige Teilnahme von Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung an der hausärztlichen wie an der fachärztlichen Versorgung ein bestimmter Umsatzanteil an Grundleistungen keine sachgerechte Bedingung der Teilnahme an beiden Versorgungsbereichen darstellt.
Die hausärztliche Grundvergütung soll – wie oben dargelegt – den Aufwand des Vertragsarztes honorieren, der aus der kontinuierlichen hausärztlichen Betreuung eines Patienten und der damit verbundenen Koordinations- und Dokumentationsverpflichtung erwächst. Auch ein Internist ohne Teilgebietsbezeichnung, der in erheblichem Umfang spezialisierte diagnostische Leistungen erbringt, kann diese Aufgaben wahrnehmen, wie sich schon daraus ergibt, daß diese Arztgruppe berechtigt war, auch für die ausschließliche Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung zu optieren. Es ist keine Rechtfertigung dafür erkennbar, die pauschalierte Grundvergütung für im einzelnen nicht mit Punkten bewertete ärztliche Leistungen einem Arzt nicht zuzubilligen, der im konkreten Behandlungsfall tatsächlich nur Grundleistungen oder einfache diagnostische Leistungen, die im Rahmen der hausärztlichen Versorgung anfallen, erbracht und die typische Funktion eines Hausarztes tatsächlich ausgeübt hat und kraft Gesetzes übergangsweise trotz gleichzeitiger fachärztlicher Tätigkeit ausüben durfte. Dabei erstreckt sich die Wirkung des generellen Ausschlusses von der hausärztlichen Vergütung gemäß Ziff 4 der Übergangsvereinbarung auch auf die Abrechnungsfähigkeit zumindest einer weiteren, ausschließlich den hausärztlich tätigen Ärzten vorbehaltenen Leistung. Jedenfalls ab dem Quartal IV/94 durfte der Arzt, der keinen Anspruch auf die hausärztliche Grundvergütung hatte, auch die Leistung nach Nr 10 BMÄ/E-GO in der vom 1. Oktober 1994 bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung nicht erbringen und abrechnen. Diese mit 210 Punkten nahezu viermal so hoch wie die hausärztliche Grundvergütung bewertete Leistung, die Erörterung, Planung und Koordination gezielter therapeutischer Maßnahmen zum Gegenstand hat, ist nach ihrer Leistungslegende nur für Ärzte berechnungsfähig, die nach Maßgabe des Hausarztvertrages einen Anspruch auf die „hausärztliche Vergütung” nach § 87 Abs 2a SGB V gemäß Kap B I. 1. des EBM haben. Beide Regelungen hätten zur Folge, daß die in § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V genannten Ärzte bis zum Ablauf der Optionsfrist am 31. Dezember 1995 Hausärzte mit eingeschränkter Rechtsposition gewesen wären. Das ist indessen vom Gesetz nicht gedeckt.
Da Ziff 4 der Übergangsvereinbarung der Spitzenverbände vom 16. Februar 1994 unwirksam ist, hat das SG die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale II/94, III/94 und I/95 zu Recht aufgehoben. Die Beklagte muß über den Anspruch des Klägers auf Gewährung der hausärztlichen Vergütung ohne Anwendung der 30 %-Grenze neu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
NZS 1998, 348 |
SozR 3-2500 § 87, Nr.17 |