Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulassung einer Sprungrevision durch Beschluß des Vorsitzenden einer Kammer des SG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
2. Ein Blindenführhund kann ein Arbeitsgerät iS des RVO § 549 sein. Voraussetzung ist, daß er seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen gebraucht wird.
Leitsatz (redaktionell)
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens werden nicht deshalb zum Arbeitsgerät iS des RVO § 549, weil sie für das Zurücklegen des Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit unerläßlich sind.
Normenkette
RVO § 549 Fassung: 1963-04-30; SGG § 160 Abs. 3 Fassung: 1974-07-30, § 161 Abs. 1 Fassung: 1974-07-30, Abs. 2 S. 2 Fassung: 1974-07-30
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 1975 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger ist blind und arbeitet als Sachbearbeiter in einem Ausgleichsamt. Am 26. Mai 1972 legte er den Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle mit seinem Blindenführhund zurück. Er führte seinen Hund während der Mittagspause aus. Auf dem Weg stürzte der Kläger und zog sich einen Speichenbruch am linken Arm zu. Er war wegen der Unfallfolgen bis zum 20. Juli 1972 arbeitsunfähig krank. Nach dem Gutachten vom 16. November 1972 beträgt die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit 25 v.H.
Das beklagte Land lehnte mit Bescheid vom 26. November 1973 Entschädigungsansprüche ab, da der Kläger nicht wegen seiner versicherten Tätigkeit, sondern wegen seiner Erblindung auf den Führhund angewiesen sei.
Der Kläger hat Klage erhoben.
Das Sozialgericht (SG) hat in seinem Urteil vom 19. Februar 1975 das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bejaht und in den Entscheidungsgründen u.a. ausgeführt: Die Kammer sehe den Blindenführhund als ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 der Reichsversicherungsordnung (RVO) an. Ohne den Hund sei dem Kläger das Aufsuchen der Arbeitsstelle ohne fremde Hilfe unmöglich. Deshalb diene der Hund unmittelbar den Interessen des Arbeitgebers, und damit rechtfertige sich, den Hund als Arbeitsgerät anzusehen. Aus den gleichen Erwägungen heraus werde in Rechtsprechung und Literatur die Person, die einen Blinden oder Schwerverletzten auf dem Weg zur Arbeit begleite, als gegen Arbeitsunfall versichert angesehen. Der Blindenführhund sei hier nicht einem Beförderungsmittel gleichzustellen, denn er diene nicht dem Arbeitsweg oder erleichtere ihn nicht, sondern ermögliche ihn erst ohne fremde Hilfe für den Blinden. Auch für Wege innerhalb der Arbeitsstätte und während der Arbeitszeit diene das Tier regelmäßig als Blindenführhund. Das Ausführen des Blindenführhundes zur Verrichtung der Notdurft diene der "Instandhaltung" des Tieres.
Das beklagte Land hat nach Zustellung des Urteils des SG am 3. April 1975 mit beigefügter schriftlicher Zustimmung des Klägers beim SG am 2. Mai 1975 beantragt, die Revision zuzulassen. Der Vorsitzende der Kammer hat durch Beschluß vom 9. Mai 1975 die Revision gemäß §§ 161, 160 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen.
Das beklagte Land hat dieses Rechtsmittel eingelegt und ausgeführt: Über die Zulassung der Sprungrevision habe der Vorsitzende der Kammer ohne ehrenamtliche Richter entscheiden dürfen, weil deren Tätigkeit mit Erlaß des Urteils ende (s. BSG 1, 1, 5). Das SG habe in der Sache selbst jedoch unzutreffend entschieden. Es sei nicht jeder Gegenstand, nur weil er zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht werden könne, ein Arbeitsgerät im Rechtssinne. Die Notwendigkeit eines Blindenführhundes hänge mit den persönlichen Lebensverhältnissen des Klägers selbst zusammen. Ein innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Erfordernis eines Blindenführhundes und der versicherten Tätigkeit als Sachbearbeiter beim Ausgleichsamt bestehe nicht.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 19. Februar 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Revision für zulässig, da ehrenamtliche Richter an Beschlüssen nicht mitzuwirken hätten, wenn sie ohne mündliche Verhandlung ergingen. Im angefochtenen Urteil sei jedoch zutreffend entschieden. Für den Begriff des Arbeitsgerätes sei entscheidend, ob das Gerät bei der Tätigkeit tatsächlich gebraucht oder nur in anderem Zusammenhang benutzt werde. Jede Ortsveränderung innerhalb der Dienststelle sei jedoch von dem Blindenführhund abhängig. Ebenso habe das SG mit Recht auf die Analogie zum Versicherungsschutz von Begleitpersonen Schwerbehinderter hingewiesen. Das Ausführen des Blindenführhundes habe auch der "Instandhaltung" des "Arbeitsgerätes" gedient.
II
Die Revision ist statthaft.
Die Sprungrevision hat der Vorsitzende der Kammer, die das angefochtene Urteil gefällt hat, ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter auf Antrag durch Beschluß zugelassen. Der Senat hat zunächst geprüft, ob er nach § 161 Abs. 2 Satz 2 SGG an die Zulassung auch gebunden ist, wenn ehrenamtliche Richter bei der Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß mitzuwirken haben. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 (BGBl I 1625) die Entscheidung über die Zulassung der Revision als grundsätzlich bindend und unanfechtbar angesehen (vgl. BSG 6, 70, 71; 10, 240, 241; BSG SozR Nr. 109 zu § 162 SGG). Es hat jedoch bei offensichtlich gesetzwidrig erfolgter Zulassung eine Bindung des Revisionsgerichts verneint (BSG 10, 240, 241; s. auch BSG 8, 84, 85; BSG SozR Nr. 22 zu § 161 SGG). Im Schrifttum wird zum Teil erörtert (s.Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 160 Anm. 6, S. III/80 - 34/1), ob diese Ausnahme von der Bindung an die Revisionszulassung noch zulässig ist, nachdem seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. Juli 1974 (aaO) sowohl in § 160 Abs. 3 als auch in § 161 Abs. 2 Satz 2 SGG ausdrücklich der Grundsatz der Bindung des BSG an die Zulassung der Revision aufgenommen worden ist. Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. Die Revision ist im vorliegenden Fall selbst dann statthaft, wenn das Revisionsgericht weiterhin an eine offensichtlich gesetzwidrige Zulassung nicht gebunden ist. Die Gesetzwidrigkeit der Zulassung der Sprungrevision könnte sich hier allerdings daraus ergeben, daß das SG die Revision durch Beschluß ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zugelassen hat. Die Entscheidung allein durch den Kammervorsitzenden rechtfertigt sich nicht daraus, daß über die Zulassung der Sprungrevision nach Erlaß des Urteils durch Beschluß entschieden wird. Eine dem § 5 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Vorschrift, nach der ehrenamtliche Richter u.a. bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mitwirken, enthält das SGG nicht. Das SGG sieht bei Beschlüssen vielmehr zum Teil die Zuziehung ehrenamtlicher Richter ausdrücklich vor (s. § 160 a Abs. 4 Satz 2 SGG) oder schließt sie ausdrücklich aus (s. § 105 Abs. 1, § 169 Satz 3 SGG). Des ausdrücklichen Ausschlusses der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter bei den angeführten Beschlüssen hätte es nicht bedurft, wenn sich bereits aus der Entscheidung durch Beschluß ergäbe, daß ehrenamtliche Richter, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, nicht mitwirken. Zwar wird in den meisten Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung die Zuziehung ehrenamtlicher Richter nicht erforderlich sein. Doch folgt das nicht aus der Form, sondern aus dem Inhalt der Entscheidung. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision bildet einen wesentlichen Teil des Urteilsinhalts. Wird über die Zulassung der Sprungrevision nicht schon im Urteil, sondern nachträglich auf Antrag durch Beschluß entschieden, so ergänzt diese Entscheidung insoweit das bereits ergangene Urteil. Ohne gesetzliche Ermächtigung darf eine zwar nachträgliche, aber noch dem Inhalt des Urteils zuzurechnende Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter getroffen werden. Während der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGG BT-Drucks. VI/2006 noch vorsah, daß die Sprungrevision nach Erlaß des Urteils auf besonderen Antrag "vom Vorsitzenden durch Beschluß zugelassen wird", enthielt bereits der Entwurf BT-Drucks. 7/861 die später Gesetz gewordene Fassung des § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG, die eine entsprechende Ermächtigung für den Vorsitzenden zur Entscheidung durch Beschluß ohne ehrenamtliche Richter nicht mehr enthält. Dies spricht ebenso für eine Beteiligung ehrenamtlicher Richter an dem Beschluß über die Zulassung der Sprungrevision wie der Vergleich mit der aufgrund des Vorschlages des zuständigen Bundestagsausschusses eingeführten Regelung in § 160 a Abs. 4 Satz 2 SGG. Das BSG entscheidet über die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls unter Zuziehung ehrenamtlicher Richter. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch nicht aus dem Beschluß des Großen Senats vom 21. April 1955 (BSG 1, 1), daß an der Entscheidung über die Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß ehrenamtliche Richter nicht mitzuwirken haben. Nach diesem Beschluß des Großen Senats gliedert sich das Urteilsverfahren in drei Abschnitte: in das vorbereitende Verfahren, die Sitzung des Gerichts und den der Sitzung nachfolgenden Verfahrensabschnitt (BSG aaO S. 4). Die Tätigkeit der ehrenamtlichen Richter endet mit dem Erlaß des Urteils (BSG aaO S. 5). Die Zulassung der Revision auf Antrag durch Beschluß folgt zwar zeitlich nach dem Erlaß des Urteils Sie ist jedoch nicht dem dritten Abschnitt des Urteilsverfahrens in dem oben angeführten Sinne zuzurechnen, der alle Vorgänge des Verfahrens umfaßt, die dem Erlaß der Entscheidungen folgen und die notwendig sind, um deren Verwirklichung zu ermöglichen und zu sichern (BSG aaO). Die Zulassung der Revision durch Beschluß folgt vielmehr dem Urteil als dessen Ergänzung und demnach noch als eine Entscheidung des zweiten Abschnitts des Urteilsverfahrens, die das SG auch im Urteil selbst von Amts wegen hätte treffen können. Von einer abschließenden Entscheidung der Frage, ob ehrenamtliche Richter an dem Beschluß über die Zulassung der Sprungrevision mitzuwirken haben, muß der Senat jedoch absehen, weil sie die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision der Beklagten nicht tragen würde. Die Gesetzwidrigkeit der Zulassung der Sprungrevision ohne ehrenamtliche Richter ist jedenfalls nicht offensichtlich, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt und die Entscheidung, daß ehrenamtliche Richter auch bei der Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß mitzuwirken haben, wie die vorausgegangenen Ausführungen zeigen, doch erst mit Hilfe verschiedener Auslegungskriterien zu treffen ist. Fehlt es demnach an einer offensichtlichen Gesetzwidrigkeit der Revisionszulassung, so ist das BSG an die Zulassung gebunden, selbst wenn - was der Senat unentschieden lassen konnte - auch nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 30. Juli 1974 (aaO) die aufgezeigte bisherige Rechtsprechung des BSG über die Ausnahmen der Bindung an die Revisionszulassung durch die Regelungen in § 160 Abs. 3 und § 161 Abs. 2 Satz 2 SGG unberührt geblieben ist.
Die auch form- und fristgerecht eingelegte und somit zulässige Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen ist.
Der Kläger ist nach den bisher vom SG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht bei einer mit seinem Beschäftigungsverhältnis zusammenhängenden Instandhaltung eines Arbeitsgerätes im Sinne von § 549 RVO verunglückt.
Der Begriff des Arbeitsgerätes ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Er ist daher, wie das SG nicht verkannt hat, für die Anwendung des § 549 RVO aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 24, 243, 246), der sich der 8. Senat des BSG angeschlossen hat (BSG SozR 2200 § 549 Nr. 1; BSG Urteil vom 22. Oktober 1975 - 8 RU 68/75 - zur Veröffentlichung vorgesehen), ist nicht jeder Gegenstand, nur weil er zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht werden kann, ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 RVO. Wird er aber von einem Beschäftigten entsprechend den betrieblichen Erfordernissen zur Arbeit verwendet, so sind im allgemeinen die Begriffsmerkmale des Arbeitsgerätes gegeben (BSG Bd. 24 aaO). Dies trifft nicht nur auf Gerätschaften zu, die ihrer Zweckbestimmung nach als typische Arbeitsgeräte in Betracht kommen, sondern auch z.B. auf Beförderungsmittel, die wie beispielsweise ein Pkw auch zu anderen Zwecken als zur Arbeit verwendet werden und deshalb nicht schon ihrer Natur nach Arbeitsgeräte darstellen. Der erkennende Senat hat es deshalb z.B. bei einem Pkw als erforderlich erachtet (BSG aaO), in streitigen Fällen besonders zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Pkw als Arbeitsgerät anzusehen ist. Entsprechendes gilt für die Entscheidung, ob ein Blindenführhund ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 RVO ist. Auch er scheidet nicht von vornherein als Arbeitsgerät im Sinne dieser Vorschrift aus, weil er nach seiner Zweckbestimmung kein typisches Arbeitsgerät ist und auch zur Blindenführung bei mit dem Beschäftigungsverhältnis nicht zusammenhängenden Tätigkeiten verwendet wird. Wie bei jedem Werkzeug oder sonstigem Hilfsmittel, dessen man sich zur Verrichtung von Arbeit bedient, ist aber auch bei ihm in erster Linie erforderlich, daß er zur Verrichtung versicherter Tätigkeiten gebraucht wird. Dabei genügt es nicht, daß im Verhältnis zur gesamten Verwendung der auf die betriebliche Benutzung entfallende Anteil überhaupt als erheblich in Erscheinung tritt; vielmehr ist grundsätzlich erforderlich, daß er seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit in dem Unternehmen gebraucht wird (BSG aao; BSG 16, 77, 79; Brackmann Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl., S. 482 e; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 549 Anm. 8). Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG braucht der Kläger seinen Blindenführhund zum Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO. Ebenso wie bei einem Beförderungsmittel (s.BSG aaO) ist indes das Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht einer Tätigkeit im Unternehmen in dem oben aufgezeigten Sinn gleichzusetzen. Dies folgt im Rahmen des § 549 RVO, dessen Neufassung durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241) gegenüber dem bis dahin geltenden Recht (s. § 543 Abs. 2 RVO aF) keine inhaltliche Änderung enthält, schon daraus, daß die gesondert unter Versicherungsschutz gestellten Behandlungen eines Arbeitsgerätes auf die "in §§ 539, 540, 543 bis 545 genannten Tätigkeiten" und nicht zugleich auf den Versicherungsschutz auf Wegen im Sinne des § 550 RVO bezogen sind. Der Senat hat unter Zustimmung des Schrifttums ein für Fahrten nach und von dem Ort der Tätigkeit benutztes Beförderungsmittel nicht als Arbeitsgerät angesehen (BSG Bd. 16 und 24 aaO; BSG SozR Nr. 72 zu § 542 RVO aF; Hess. LSG BB 1959, 270, 271; Brackmann aaO S. 482 f; Lauterbach aaO; Jegust, Der Arbeitsunfall, 4. Aufl., 1973, S. 87; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennzahl 060, S. 2). Das gilt auch, wenn der Versicherte z.B. wegen der weiten und verkehrsmäßig ungünstigen Entfernung vom Arbeitsort oder als hochgradig Körperbehinderter auf das Fahrzeug zum Aufsuchen der Arbeitsstelle angewiesen ist (Brackmann aaO). Es gibt zahlreiche Gegenstände - z.B. Kleidungsstücke -, deren auch ein nicht behinderter Versicherter unbedingt bedarf, um seine Arbeitsstelle aufsuchen und dort seine Arbeit verrichten zu können. Allein deshalb sind diese Gegenstände aber noch kein Arbeitsgerät. Ebenso sind zahlreiche nicht so schwer Behinderte wie der Kläger auf Hilfsmittel (z.B. Prothesen oder Brillen) angewiesen, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Bei ihnen sind diese Hilfsmittel ebenfalls nicht allein deshalb Arbeitsgeräte, weil sie für das Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit unerläßlich sind (vgl. zur Brille: BSG Urteil vom 10. Dezember 1975 - 8 RU 66/75; LSG Baden-Württ. Breithaupt 1955, 18, 22; Brackmann aaO S. 482 f I; Lauterbach aaO; Podzun aaO S. 1; Haase/Koch, Die Unfallversicherung 1963, § 549 Anm. 8; Jegust aaO S. 87; Wagner, Der Arbeitsunfall, 4. Aufl., S. 312; Vollmar, Die Sozialversicherung 1958, 322, 323). Somit rechtfertigt auch der Hinweis des Klägers, der Blindenführhund werde als orthopädisches Hilfsmittel von den Trägern der Kranken- und Rentenversicherung sowie denen der Sozialhilfe anerkannt, keine andere Beurteilung. Für die Krankenversicherung ist umstritten, ob ein Blindenführhund ein Hilfsmittel ist (bejahend: SG Münster Breithaupt 1974, 375; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 b Anm. 4 e; verneinend - zu § 193 RVO aF: SG Bayreuth Sozialberater 1967, 66). Für die Sozialhilfe sind in § 9 Abs. 2 Nr. 6 der Eingliederungshilfe-Verordnung idF vom 1. Februar 1975 (BGBl I 433; § 10 Abs. 2 Nr. 6 der VO vom 28. Mai 1971 - BGBl I 731) als andere Hilfsmittel im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 des Bundessozialhilfegesetzes Blindenführhunde mit Zubehör angeführt. Die Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung und der Sozialhilfe dienen jedoch der Hilfe des Versicherten bzw. Sozialhilfeempfängers in seinem gesamten Lebensbereich und nicht nur bei der Ausübung seines Berufes. Insbesondere die Eingliederungshilfe ist nicht auf die Eingliederung in das Berufsleben begrenzt; sie soll vielmehr "den Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder erleichtern" (BVerwG 36, 256, 257). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Versorgung des Behinderten mit einem Kfz in Betracht gezogen, wenn der Behinderte bei Vorenthaltung eines Kfz in seiner Eingliederung - in dem oben ausgeführten weiteren Sinn und nicht beschränkt auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit - Schaden nähme (BVerwG Sammlung Buchholz 436.01 Nr. 2 zu § 8 EingliederungshilfeVO). Demgegenüber setzt - wie bereits dargelegt - der Begriff des Arbeitsgerätes im Sinne des § 549 RVO grundsätzlich voraus, daß es nach seiner Zweckbestimmung hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen gebraucht wird. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH), bei einem schwer körperbehinderten Steuerpflichtigen, der seinen Arbeitsplatz nicht zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, sei der Pkw ein Arbeitsmittel im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften (BStBl 1966 III 291, 292), beruht gleichfalls auf den von Sinn und Zweck des § 549 RVO wesensverschiedenen Besonderheiten des Steuerrechts.
Das SG meint zu Unrecht, der Blindenführhund müsse ein Arbeitsgerät sein weil eine Person, die einen Schwerbeschädigten auf dem Wege zur Arbeit begleite, gemäß § 539 Abs. 2 RVO unter Versicherungsschutz stehen könne. Das SG verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom 30. November 1962 (BSG 18, 143, 146). Der diese Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden in dem hier in Betracht kommenden Vergleich jedoch schon insoweit, als dort ein schwerbeschädigter Versicherter bei einer betrieblichen Tätigkeit und nicht auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit begleitet wurde. Auf den im Rahmen des § 549 RVO wesentlichen Unterschied zwischen den Tätigkeiten im Sinne des § 539 RVO und einem Weg im Sinne des § 550 RVO ist hier bereits hingewiesen. Inwieweit dies bereits hier hinsichtlich des Ausführens eines Blindenhundes eine andere Entscheidung rechtfertigt, kann dahinstehen. Auch ein schwerbehinderter Versicherter, der seinerseits die Person, die ihn täglich zum Ort der Tätigkeit fährt und/oder dort abholt, auf einem Weg begleitet, steht dabei nicht unter Versicherungsschutz, selbst wenn dieser Weg - z.B. zum Arzt - erforderlich ist, um sicherzustellen, daß diese Person ihn - den Versicherten - weiterhin zur Arbeit bringen und/oder von dort abholen kann.
Das SG hat festgestellt, daß der Kläger Sachbearbeiter im Lastenausgleichsamt ist. Es hat jedoch aufgrund seiner, vom Senat nicht geteilten Rechtsauffassung keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger den Blindenführhund bei seiner versicherten Tätigkeit selbst benötigt. Das SG hat auf S. 6 seines Urteil lediglich ausgeführt, auch für Wege innerhalb der Arbeitsstätte und während der Arbeitszeit diene das Tier regelmäßig als Blindenführhund. Die Dienststellung des Klägers als Sachbearbeiter im Ausgleichsamt ergibt zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, sie schließt es aber nicht aus, daß der Blindenführhund nach den Besonderheiten des Einzelfalles im Vergleich seines Einsatzes für privaten Zwecken dienenden Verrichtungen einerseits und für betriebliche Tätigkeiten andererseits doch hauptsächlich für die Tätigkeit in dem Unternehmen gebraucht wird.
Zu den für die Entscheidung dieser Frage noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen ist die Sache an das SG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Fundstellen