Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.02.1989) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 1989 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Zahlung von Konkursausfallgeld (Kaug) auch eine betriebliche Jahressonderzahlung zu berücksichtigen ist.
Die Kläger waren bis 30. April 1985 Arbeitnehmer der Firma S. in H., Kreis H.. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 1. November 1984 das Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagte bewilligte den Klägern Kaug für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 1984, ohne jedoch eine Jahressonderzahlung zu berücksichtigen, die die Kläger für den Kaug-Zeitraum aufgrund der tarifvertraglichen Vereinbarung vom 21. Januar 1977 zwischen dem Fachverband Metall Baden-Württemberg und der Industriegewerkschaft Metall beanspruchten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Bescheide vom 5. Dezember 1984 idF der Widerspruchsbescheide vom 15. März 1985 aufgehoben sowie die Beklagte verurteilt, den Klägern ein höheres Kaug zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ua ausgeführt: Die Jahressonderzuwendung sei zwar Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die hier vereinbarte Jahressonderzuwendung sei aber im vorliegenden Falle nicht kaug-fähig. Denn den Klägern stehe diese Zahlung nicht für den Kaugzeitraum zu, auch nicht anteilig, weil sie nach dem Inhalt der tarifvertraglichen Vereinbarung vom 21. Januar 1977 nicht den einzelnen Monaten zugeordnet werden könne. Die Zahlungen seien erst am 1. Dezember 1984 und damit nach dem Kaug-Zeitraum fällig geworden, so daß insoweit keine Kaug-Ansprüche erwachsen seien. Der Senat stütze die getroffene Auslegung der Vereinbarung darauf, daß für Arbeitnehmer, die vor dem Fälligkeitstag ausgeschieden seien, keine, auch keine anteilige, Jahressonderzahlung vorgesehen sei. Dies deute klar darauf hin, daß die Jahressonderzahlung nicht als Gegenleistung für eine konkrete, in Zeitabschnitten erfaßbare Arbeitsleistung gewollt sei. Ferner spreche für diese Auslegung der Vereinbarung, daß anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, die wegen Berentung aus dem Erwerbsleben ausschieden, die volle Jahressonderzuwendung erhielten, auch wenn sie nicht das ganze Jahr über in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätten. Die Vereinbarung vom 21. Januar 1977 enthalte damit den Willen der Vertragspartner, den Arbeitnehmern die Jahressonderzuwendung losgelöst von einer konkret in Zeitabschnitten geleisteten Arbeit zu gewähren.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügen die Kläger zu 1) und 2) eine Verletzung des Anspruchs auf das rechtliche Gehör (§ 62 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Das LSG habe sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. September 1988 – 10 RAr 13/87 – gestützt, ohne die Kläger auf die bis heute noch nicht veröffentlichte Entscheidung, die eine wesentliche Abweichung von der bisherigen Entscheidungspraxis bringe, vorher hinzuweisen. In der Sache selbst müsse davon ausgegangen werden, daß die im Tarifvertrag zwischen dem Fachverband Metall Baden-Württemberg und der IG Metall vom 21. Januar 1977 getroffenen Regelungen hinsichtlich der Bemessung der betrieblichen Sonderzahlungen nicht nur auf den in § 1 dieses Tarifvertrages (TV) genannten räumlichen Geltungsbereich beschränkt seien. Insbesondere die IG Metall habe bundesweit in Tarifverträgen die Regelungen über die betrieblichen Sonderzahlungen bewußt und gewollt wie in der dem Klagverfahren zugrundeliegenden Art. und Weise vereinbart. Deshalb seien die Bestimmungen dieses Tarifvertrages revisibel. Entgegen der Auffassung des LSG könne die Jahressonderzahlung sehr wohl einzelnen Monaten zugeordnet werden. Ziffer 6 TV treffe die entscheidende Regelung, daß eine anteilige betriebliche Sonderzahlung solchen Arbeitnehmern gewährt werde, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise ruhe. Ganz deutlich gehe daraus hervor, daß bei einem späteren Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses eine andere Regelung gegenüber dem Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag habe getroffen werden sollen. Der bei der betrieblichen Sonderzahlung zu berücksichtigende Aspekt der Betriebstreue komme durch diese Regelung im Vergleich zur Regelung des Ausscheidens des Arbeitnehmers vor dem Stichtag ganz besonders zur Geltung. Der Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung entstehe damit nach dem genannten Tarifvertrag nicht erst am 1. Dezember 1984, sondern aufgrund der Arbeitsleistung während des ganzen Jahres. Allein auf das Fälligkeitsdatum – 1. Dezember 1984 – abzustellen, widerspreche der getroffenen tarifvertraglichen Regelung. Der Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung sei auch während des Kaug-Zeitraumes entstanden und vom Arbeitgeber nicht befriedigt. Daher sei die Beklagte ausgleichspflichtig.
Die Kläger zu 3) und 4) rügen eine Verletzung des § 141b AFG. Das BSG sei bei der Anwendung des TV vom 21. Januar 1977 nicht an die Auslegung durch das LSG gebunden. Die streitigen Regelungen über die betrieblichen Sonderzahlungen stellten revisibles Recht dar. Die Tarifvertragsparteien hätten auch außerhalb des Bezirkes für das Land Baden-Württemberg Tarifverträge über betriebliche Jahressonderzahlungen vereinbart, die in allen hier maßgebenden Punkten bewußt und gewollt inhaltlich übereinstimmend gestaltet seien. Von der Zahlung der Jahressonderzahlung solle gemäß Ziff 2.1.2 TV nur der Arbeitnehmer ausgenommen sein, der zu diesem Zeitpunkt sein Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Daraus müsse aber entnommen werden, daß der TV die Jahressonderzahlung nur dann ausschließen wolle, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die vermeidbare Sphäre des Arbeitnehmers, zB durch seine Kündigung, falle. Hingegen soll ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung, und zwar auch anteilig, immer dann bestehen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber angelastet werden müsse bzw in seine Risikosphäre falle. Im TV befinde sich keine Bestimmung, durch die die Zuordnung des Jahressonderzahlungsanspruchs zu Arbeitsleistungen eines bestimmten Lohnzahlungszeitraums ausgeschlossen gewesen sei, mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis gekündigt hätten. Die weitere Ausnahmevorschrift in Ziff 2.6 Abs. 2 TV könne hier unberücksichtigt bleiben. Befinde sieh aber im TV keine spezielle Norm, daß eine Zuordnung ausdrücklich ausgeschlossen sei, so müsse nach Sinn und Zweck des hier maßgeblichen Tarifvertrages davon ausgegangen werden, daß die Jahressonderzahlung als Arbeitsentgelt auch zu zwölfteln sei und somit im Rahmen der Konkursausfallversicherung auch einzelnen Monaten zugeordnet werden müsse.
Die Kläger zu 1) und 2) beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 1989 aufzuheben.
Die Kläger zu 3) und 4) beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 1989 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Dezember 1986 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.
Die Auslegung des einschlägigen TV, wonach die Jahressondervergütung nicht gezwölftelt werden könne und damit die kaug-rechtliche Zuordnung zu einzelnen Monaten ausgeschlossen sei, sei rechtlich möglich und im vorliegenden Falle auch geboten. Für diese Auslegung spreche zunächst einmal der Umstand, daß der TV grundsätzlich eine Zwölftelung der Jahressondervergütung nicht vorsehe und daß eine Regelung für den Fall vorzeitigen Ausscheidens eines Arbeitnehmers auf dessen Veranlassung hin getroffen worden sei, nach der keine anteilige Auszahlung entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit vorgenommen werden müsse. Da der Anspruch auf die hier streitige Jahressondervergütung danach erst nach dem Insolvenzereignis am 1. November 1984 entstanden sei, bestehe insoweit kein Anspruch auf Kaug.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hat keinen Erfolg. Bei der Gewährung von Kaug ist die betriebliche Jahressonderzahlung im vorliegenden Falle nicht zu berücksichtigen.
Nach § 141b Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a der Konkursordnung (KO) sein können (§ 141b Abs. 2 AFG).
Zwischen den Beteiligten ist lediglich streitig, ob auch die den Klägern zustehende Jahressonderzahlung in die Berechnung des Kaug einzubeziehen ist.
Die an die Kläger zu leistende Sonderzahlung regelt die vom Fachverband Metall Baden-Württemberg und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland – Bezirksleitung Stuttgart – getroffene tarifvertragliche Vereinbarung vom 21. Januar 1977. Die Revisionen gehen zu Recht davon aus, daß der Senat bei der Anwendung des TV nicht gehindert ist, die tarifvertraglichen Bestimmungen selbst auszulegen. Zwar gilt die Vereinbarung nur für das Land Baden-Württemberg (§ 1 Nr. 1.1.1), und damit nur im Bezirk des Berufungsgerichts (§ 162 SGG). Gleichwohl handelt es sich aber um revisibles Recht. Denn es gibt außerhalb des Landes Baden-Württemberg mehrere Tarifverträge, die in allen hier maßgeblichen Punkten bewußt und gewollt inhaltlich übereinstimmend gestaltet sind (vgl. dazu BSGE 13, 189, 191 = SozR § 162 SGG Nr. 156), zB in Bayern den TV über die Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens für Arbeiter und Auszubildende vom 17. November 1976, in Berlin den TV über Sonderzahlung für Arbeiter und Angestellte vom 25. November 1976, in Hessen den TV über betriebliche Sonderzahlungen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 13. Juli 1972 – idF vom 30. Juni 1984 –, in Niedersachsen den TV über Sonderzahlungen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 18. Juli 1984 und in Nordrhein-Westfalen den TV über die Absicherung eines Teiles eines 13. Monatsgehaltes für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 3. Juli 1984/15. März 1985. Wenn die beispielhaft aufgeführten Tarifverträge auch nicht in allen Punkten wörtlich mit dem anzuwendenden TV übereinstimmen, insbesondere auch Zusätze, zB für Auszubildende, enthalten, ist der Inhalt der Tarifverträge, soweit es um die hier anzuwendenden Bestimmungen geht, jedoch gleich. Auch der Wortlaut stimmt fast in allen Vorschriften überein. Dies kann nicht auf einem Zufall beruhen. Vielmehr muß daraus geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien bemüht gewesen sind, das Tarifvertragsrecht über die Leistung von Jahressonderzahlungen inhaltlich gleich zu gestalten.
Die Jahressonderzahlung nach § 2 TV ist Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs. 2 AFG. Darunter fallen grundsätzlich alle Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, dh alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (BSG SozR 4100 § 141b Nr. 26 mwN; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Kommentar, § 141b Anm. 4 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 21. Mai 1980 – V AZR 441/78 –). Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit, daß es sich bei der Sonderzahlung um die Gegenleistung des Arbeitgebers für eine Leistung der Arbeitnehmer handelt. Hierfür spricht vor allen die Leistung der Jahressonderzahlung prozentual gestaffelt nach Dauer der Betriebszugehörigkeit (§ 2 Nr. 2.2 TV).
Entgegen der Auffassung der Kläger darf die Jahressonderzahlung nicht bei der Berechnung des Kaug berücksichtigt werden, Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 1. November 1984 das Konkursverfahren eröffnet. Bei Eintritt des Insolvenzereignisses hatten die Kläger noch keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung. Mit dem LSG ist nämlich davon auszugehen, daß die Jahressonderzahlungen erst am 1. Dezember 1984 und damit nach dem Kaug-Zeitraum fällig geworden sind. Eine anteilige Berücksichtigung beim Kaug käme nur dann in Betracht, wenn die Jahressonderzahlung sich einzelnen Monaten zuordnen ließe. Das ist aber nach dem hier anwendbaren TV nicht der Fall. Er enthält keine Staffelung der Sonderzahlung für den Fall, daß jemand während des Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. So erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, die wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichens der Altersgrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden, die volle Leistung (§ 2 Nr. 2.6 TV). Eine anteilige Leistung der Jahressonderzahlung ist lediglich für anspruchsberechtigte Arbeitnehmer vorgesehen, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung teilweise ruht (§ 2 Nr. 2.6 TV). Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß diese Bestimmung eine Ausnahmeregelung darstellt. Aus ihr ist der Schluß zu ziehen: Die Jahressonderzahlung läßt sich in sonstigen Fällen, zB beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers vor dem Auszahlungstag (1. Dezember – vgl. § 2 Nr. 2.1.1 und § 3 Nr. 3.2 TV), nicht aufteilen und einzelnen Monaten zuordnen. Der Anspruch entsteht vielmehr erst mit dem Fälligkeitstag. Sind aber – wie hier – eine Zwölftelung und Zuordnung zu einzelnen Monaten ausgeschlossen, so kann nicht verlangt werden, daß die Jahressonderzahlung anteilig bei der Berechnung des Kaug berücksichtigt wird, wenn das Insolvenzereignis vor dem Fälligkeitstag liegt und somit der Anspruch auf die Jahressonderzahlung noch nicht im Kaug-Zeitraum bestand.
Der Senat hat sich bereits in dem von den Beteiligten angeführten Urteil vom 7. September 1988 – 10 RAr 13/87 – (SozR 4100 § 141b Nr. 42) mit der gleichen Problematik befaßt. Wenn auch der im damaligen Fall anzuwendende TV als irrevisibles Recht angesehen worden ist, gelten die im Urteil vom 7. September 1988 herausgestellten allgemeinen Gesichtspunkte auch hier: Das Tarifvertragsrecht kann zwar keine verbindliche Regelung für das Kaug treffen. Es legt aber arbeitsrechtlich fest, für welche und in welcher Zeit erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers die Sonderzahlung als Gegenleistung gedacht ist. Wenn zB die Zahlung bereits Mitte des Jahres ohne Rücksicht darauf erfolgt, ob der Arbeitnehmer bis zum Ende des Jahres im Betrieb bleibt, so fehlt bereits eine Grundlage für die Aufteilung der Sonderzahlung auf alle Monate des laufenden Jahres. Das gleiche gilt, wenn – wie in dem hier anwendbaren TV – beim vorzeitigen Ausscheiden wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichens der Altergrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes die volle Sonderzahlung durch den Arbeitgeber erbracht wird. Eine solche Regelung steht nicht im Widerspruch zum Konkursausfallgeldrecht. Dieses richtet sich vielmehr, soweit es um die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geht, nach dem Arbeitsrecht und knüpft also an dessen Regelung an. Für die Arbeitnehmer hat ein TV, nachdem die Sonderzahlung nicht einzelnen Monaten zugeordnet werden kann, Vor- und Nachteile. Ist der Anspruch auf die Sonderzahlung in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis entstanden und vom Arbeitgeber nicht befriedigt worden, so besteht in Höhe der Sonderzahlung Anspruch auf Kaug. In allen anderen Fällen, nämlich wenn der Anspruch entweder vor dem Kaug-Zeitraum entstanden ist oder nach dem Insolvenzereignis, dann hat die Beklagte nicht die Pflicht, den Ausfall der Sonderzahlung auszugleichen. Enthält ein TV dagegen eine Staffelung der Jahressonderzahlung, je nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, und läßt sich die Sonderzahlung deshalb einzelnen Monaten zuordnen, so ist auch das Kaug nur anteilig zu gewähren. Die Kaug-Versicherung muß aber in diesem Falle auch bei Insolvenzereignissen in den ersten Monaten des Jahres, wenn erst ein Teil der Sonderzahlung verdient ist, mit Leistungen eintreten. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Rechts auf die Sonderzahlung durch die Tarifvertragsparteien birgt nicht die Gefahr von Manipulationen in sich und steht deshalb nicht in Widerspruch zum Versicherungsprinzip.
Die Vorinstanz hat auch nicht – wie die Kläger zu 1) und 2) meinen – den Anspruch auf das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) dadurch verletzt, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung auf ein Urteil des BSG gestützt worden ist, das den Klägern nicht bekannt war oder bekannt sein konnte. Die Gerichte sind nämlich bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, auf alle in Betracht kommenden Entscheidungen hinzuweisen. Es genügt jedenfalls, wenn die Beteiligten Gelegenheit haben, zu den zu entscheidenden Rechtsfragen Stellung zu nehmen (vgl. dazu BVerwGE 36, 264, 267 und BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 15. September 1986 – 1 BvR 669/86 – SozR 1500 § 62 Nr. 19). Diese Voraussetzung war aber nach dem Inhalt der Akten erfüllt. Auch statuiert das in Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz enthaltene Prozeßgrundrecht keine allgemeine Aufklärungspflicht des Richters (BVerfGE 66, 116, 147; 67, 90, 96).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
BB 1990, 1133 |
ZIP 1990, 524 |