Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der Arbeitslosigkeit in AVG § 25 Abs 2 (= RVO § 1248 Abs 2) schließt neben den Tatbestandsmerkmalen des AVAVG § 75 diejenigen des AVAVG § 76 Abs 1 Nr 1 bis 3 grundsätzlich mit ein.
2. Die Eigenschaft, "berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig zu sein" (AVAVG § 75 Abs 1) kann schon durch den Entschluß zur Aufnahme oder Wiederaufnahme abhängiger Arbeit begründet werden ; die vorherige Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit ist dazu nicht erforderlich (Anschluß BSG 1963-02-28 12 RJ 300/61 = BSGE 18, 287).
3. Ein Versicherter, der nur zu einer Beschäftigung im früher ausgeübten Beruf bereit ist, obgleich er bei verständiger Würdigung fachlich auch für andere Arbeitnehmertätigkeiten in Betracht kommt, steht dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (AVAVG § 76 Abs 1) und ist daher nicht arbeitslos iS des AVG § 25 Abs 2 (= RVO § 1248 Abs 2).
4. "Ernstlich" arbeitsbereit iS des AVAVG § 76 Abs 1 Nr 1 ist nur der Versicherte, dessen Arbeitsbereitschaft durch objektive Umstände so belegt ist, daß an der Arbeitsbereitschaft keine vernünftigen Zweifel bestehen.
Normenkette
BVG § 25 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1248 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVAVG § 75 Abs. 1 Fassung: 1957-04-03, § 76 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-04-03, Nr. 2 Fassung: 1957-04-03, Nr. 3 Fassung: 1957-04-03
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 1960 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Klägerin, geboren am 11. Dezember 1898, beantragte im Dezember 1958 die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit (§ 25 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Die Beklagte verneinte die Arbeitslosigkeit der Klägerin und lehnte daher den Antrag mit Bescheid vom 6. März 1959 ab. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin Erfolg. Die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 5. Oktober 1960 zurück. Es ließ die Revision zu.
Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin vor und nach ihrer 1928 geschlossenen Ehe bis zum Jahre 1945 als Zahntechnikerin und zahnärztliche Helferin versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist nur noch ihr Ehemann berufstätig, während sie sich dem ehelichen Haushalt widmete und daneben den Haushalt ihrer Eltern, nach dem Tode der Mutter (1949) den ihres Vaters mitversorgte. Im September 1957 meldete sie sich als Arbeitsuchende beim Arbeitsamt (ArbA), nachdem sie zuvor mit ihrer Schwester vereinbart hatte, daß diese bei erneuter Berufstätigkeit der Klägerin die Betreuung des Vaters übernehme. Die Klägerin kam der Meldekontrolle beim ArbA laufend nach, bewarb sich 1958 auch selbst bei einem Zahnarzt, erhielt aber keine Arbeitsstelle.
Das LSG hielt die Klägerin seit September 1957 für arbeitslos, weil die Tatbestandsmerkmale der §§ 75, 76 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) gegeben seien. Insbesondere sei die Klägerin ernstlich arbeitsbereit und habe nach langer Unterbrechung "ihre die überwiegende Zeit ihres Lebens währende Arbeitnehmereigenschaft zumindest ab 1957 wieder begründet"; das zeige die Arbeitsuche, die über eine bloße Meldung beim ArbA hinausgegangen sei, und die Freistellung von der Pflege der Eltern, die 1957 in vollem Umfange möglich geworden sei. Das Urteil wurde der Beklagten am 22. November 1960 zugestellt. Am 14. Dezember 1960 legte die Beklagte Revision ein und beantragte,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht der Beklagten hat das LSG § 25 Abs. 2 AVG und in Verbindung damit die §§ 75, 76 AVAVG verletzt. Das LSG habe die Frage, ob neue Umstände die Klägerin im Jahre 1957 zur Arbeitsaufnahme gezwungen haben, mit allgemeinen Erwägungen beantwortet, anstatt zu prüfen, ob die Klägerin bei Bedürftigkeit auch eine Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe erhalten hätte (§ 145 AVAVG i. V. m. der 5. BVG vom 22. Mai 1958); nur in diesem - hier nicht gegebenen - Falle könnte sie als arbeitslos gelten. Die Auslegung des § 25 Abs. 2 AVG durch das LSG verstoße ferner gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift und ermögliche die Umgehung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AVG (vorzeitiges Altersruhegeld für weibliche Versicherte). Ihren Standpunkt sieht die Beklagte durch das Urteil des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Februar 1963 (BSG 18, 287) im Ergebnis bestätigt; sie wendet sich jedoch gegen die dort vertretene Ansicht, lange Zeit aus dem Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer bereits ausgeschiedene Personen könnten allein durch den ernsthaften Willensentschluß zur Wiederaufnahme abhängiger Arbeit in diesen Kreis zurückkehren. Nach der letzten Arbeitnehmertätigkeit bleibe die Arbeitnehmereigenschaft allenfalls noch bis zu zwei Jahren gewährt.
Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Revision. Sie trug vor, das Urteil des LSG sei im Ergebnis zutreffend, in der Begründung jedoch bedenklich, weil das LSG die Arbeitslosigkeit zu Unrecht auch von den Tatbestandsmerkmalen des § 76 AVAVG abhängig mache.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 165 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG) und auch begründet.
Nach § 25 Abs. 2 AVG steht Altersruhegeld den Versicherten zu, die eine Versicherungszeit von 180 Monaten zurückgelegt und das 60. Lebensjahr vollendet haben - was beides bei der Klägerin zutrifft - und außerdem seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos sind.
Da die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, hat die Klägerin das vorzeitige Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG zu beanspruchen, wenn sie mindestens ein Jahr arbeitslos gewesen ist. Für diese Schlußfolgerung reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 14, 53; 15, 131; 18, 287) hat das LSG der Beurteilung der Arbeitslosigkeit zu Recht die §§ 75, 76 AVAVG in der seit April 1957 geltenden Fassung zugrunde gelegt. In diesen Vorschriften ist der Begriff der Arbeitslosigkeit zwar nur in § 75 erläutert, während § 76 die Voraussetzungen festlegt, unter denen der Versicherte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Wie aber das BSG ebenfalls schon entschieden hat (vgl. BSG 15, 131; 18, 287), schließt die Arbeitslosigkeit i. S. des § 25 Abs. 2 AVG die Tatbestandsmerkmale des § 76 AVAVG grundsätzlich mit ein. Eine Verweisung auf andere Rechtsbereiche ist immer nur ein rechtstechnisches Mittel im Dienste der jeweiligen Sachregelung (Langkeit, Sgb 1963, 289, 291). Tragweite und Inhalt der in § 25 Abs. 2 AVG erfolgten Verweisung auf das Recht der Arbeitslosenversicherung richten sich daher nach dem Zweck dieser Vorschrift; danach ist zu entscheiden, ob die Verweisung einschränkend oder ausdehnend auszulegen ist. Wie das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe (§ 145 AVAVG) soll aber auch das Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nur den Versicherten zugute kommen, die trotz ihrer Beschäftigungslosigkeit arbeitswillig und arbeitsfähig sind, die also subjektiv und objektiv der Arbeitsvermittlung - oder doch wenigstens dem Arbeitsmarkt (vgl. BSG 7, 138; 9, 74) - zur Verfügung stehen. Das war für das Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nach § 397 AVG aF, dem § 25 Abs. 2 AVG nachgebildet ist, stets anerkannt und wird außerdem vom Wortlaut des § 75 Abs. 1 AVAVG insofern gestützt, als dieser verlangt, daß der Versicherte "vorübergehend" nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht; auch das setzt voraus, daß der Versicherte trotz seiner Beschäftigungslosigkeit für den Arbeitsmarkt verfügbar bleibt. Sinn und Zweck des § 25 Abs. 2 AVG erfordern es daher, hier in den Begriff der Arbeitslosigkeit regelmäßig die Voraussetzungen des § 76 AVAVG mit einzubeziehen; daß das Recht der Arbeitslosenversicherung die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung gegenüber dem Begriff der Arbeitslosigkeit als selbständiges Tatbestandsmerkmal gestaltet hat, steht dem nicht entgegen.
Nach § 75 Abs. 1 AVAVG bedingt die Arbeitslosigkeit, daß der Versicherte "berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht" (und nicht im Betrieb eines Angehörigen mithilft). Der Versicherte muß also, wie oft kürzer formuliert wird, zum "Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer" gehören. Das hat das LSG hier für die Klägerin bejaht. Obgleich es mehrfach von einer "Unterbrechung" der Arbeitnehmertätigkeit der Klägerin spricht, hat es doch angenommen, daß die Klägerin die Eigenschaft, "berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig zu sein", nach ihrer letzten, im Jahre 1945 beendeten Berufstätigkeit zunächst zwar verloren hatte, diese Eigenschaft im Jahre 1957 aber dadurch "wieder begründete", daß sie sich in diesem Jahre zur Wiederaufnahme abhängiger Arbeit entschlossen hat. Der hiergegen erhobene Einwand der Beklagten, ein bereits aus dem Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer ausgeschiedener Versicherter könne nicht schon durch den bloßen Entschluß, wieder abhängige Arbeit verrichten zu wollen, in diesen Kreis zurückkehren, ist nicht berechtigt. Der Senat schließt sich hier in Ergebnis der mit der Auffassung des LSG übereinstimmenden Ansicht des 12. Senats des BSG in dessen Urteil vom 28. Februar 1963 (BSG 18, 287) an. Er pflichtet dem 1. Senat (Urteil vom 29. Mai 1963 - 1 RA 82/60 -) zwar darin bei, daß diese Rechtsauffassung mit dem Wortlaut des § 75 Abs. 1 AVAVG nicht ohne weiteres zu vereinbaren ist. Ein Versicherter "pflegt" noch nicht oder noch nicht wieder als Arbeitnehmer "tätig zu sein", wenn er dies bloß vorhat oder wieder vorhat. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die Auslegung des § 75 Abs. 1 AVAVG nicht eng an dem Wortlaut dieser Vorschrift haften darf. Dafür spricht schon, daß § 75 AVAVG im wesentlichen den Kreis der leistungsberechtigten "Arbeitnehmer" von anderen Berufen, vor allem gegenüber den Selbständigen, abgrenzen will. Beruflich kann aber auch der schon zum Kreise der Arbeitnehmer gerechnet werden, der sich erst um die Erlangung unselbständiger Arbeit bemüht und zu ihrer Aufnahme (Wiederaufnahme) entschlossen ist. Die enge Auslegung des § 75 Abs. 1 AVAVG nach seinem Wortlaut würde außerdem Personen von dem Bezug der Arbeitslosenhilfe ausschließen, denen der Gesetzgeber einen Anspruch hierauf erkennbar zugedacht hat. Nach § 145 Abs. 1 Nr. 4 AVAVG setzt die Arbeitslosenhilfe u. a. voraus, daß der Berechtigte innerhalb eines Jahreszeitraumes entweder Arbeitslosengeld bezogen (a) oder eine gewisse Zeit in entlohnter Beschäftigung gestanden hat (b). Das Gesetz läßt jedoch Ausnahmen teils selbst, teil durch Rechtsverordnung (§ 145 Abs. 3 AVAVG) zu.
Es stellt der entlohnten Beschäftigung eine Hoch- und Fachschulbildung gleich (§ 145 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 2) und läßt bei den in § 145 Abs. 2 genannten Vertriebenen und Flüchtlingen die Voraussetzungen der Nr. 4 überhaupt entfallen, wenn sie ohne deren Verschulden nicht erfüllt werden konnten. Weitere Ausnahmen bringt die 5. DVO vom 22. Mai 1958 (BGBl I 377), deren §§ 3 und 4 hier vor allem bedeutsam sind, weil sie zahlreiche Tätigkeiten, die keine Arbeitnehmertätigkeiten i. S. des § 75 Abs. 1 AVAVG darstellen, ebenfalls einer entlohnten Beschäftigung gleichstellen (§ 3) und bei einer nicht mehr verheirateten Frau auf die Voraussetzungen der Nr. 4 verzichten, wenn der frühere Ehemann vor Auflösung der Ehe in näher bezeichneter Weise Unterhalt gewährt hat (§ 4). Alle diese Personen dürfen jedoch Arbeitslosenhilfe immer nur dann erhalten, wenn sie auch "arbeitslos" sind (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG, vgl. auch Nr. 2). Da nicht angenommen werden kann, daß der Begriff "arbeitslos" in § 145 AVAVG einen anderen Inhalt hat als in § 75, andererseits viele dieser Personen eine unselbständige Arbeit i. S. des § 75 noch gar nicht oder doch lange nicht mehr verrichtet haben, ergibt die Regelung der Arbeitslosenhilfe im AVAVG mithin einen weiteren Anhaltspunkt dafür, daß das Recht der Arbeitslosenversicherung die Eigenschaft "berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig zu sein" auch dann schon anerkennt, wenn ein Versicherter erst abhängige Arbeit aufnehmen will, trotz seiner Bemühungen eine solche jedoch nicht findet. Auch in diesem Falle gehört er seinem Berufsbild nach zu dem Kreis derer, die "berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegen", und steht er ferner "vorübergehend" nicht in einem Beschäftigungsverhältnis.
Die hiernach für das Recht der Arbeitslosenversicherung maßgebende Auslegung des § 75 Abs. 1 AVAVG entspricht dem Zweck des § 25 Abs. 2 AVG (BSG 15, 131; 18, 287), denjenigen Versicherten ein vorzeitiges Altersruhegeld zukommen zu lassen, die lediglich wegen ihres Alters unverschuldet arbeitslos sind. In diese Lage können auch die Versicherten kommen, die sich erst im Alter wieder zur Aufnahme abhängiger Arbeit entschließen. Wollte man hier, wie es die Beklagte tut, eine "Arbeitslosigkeit" nur bei den Versicherten annehmen, die auch einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, so würden die übrigen u. U. auf Leistungen der Fürsorge verwiesen werden, was der Gesetzgeber erkennbar vermeiden will. Davon abgesehen übersieht die Beklagte aber auch, daß der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe neben der Arbeitslosigkeit (und der Verfügbarkeit) für die Arbeitsvermittlung) die Erfüllung weiterer Voraussetzungen verlangt, die für die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes nicht erforderlich sind; der Kreis der "Arbeitslosen" i. S. von § 25 Abs. 2 AVG kann auch aus diesem Grund nicht begrenzt sein auf Personen, die die Voraussetzungen des § 145 AVAVG erfüllen. Eine Auslegung des § 75 Abs. 1 AVAVG, die in jedem Falle eine vorherige Arbeitnehmertätigkeit fordert, würde im Recht der Rentenversicherung überdies auch sonst Bedenken begegnen. Sie würde z. B. dazu führen, daß eine "unverschuldete Arbeitslosigkeit" in den in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 bis 6 AVG genannten Fällen (im Anschluß an Wehrdienst, Gefangenschaft, Internierung usw.) in keinem Falle als Ersatzzeit gelten könnte, wenn vorher keine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt und eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit erst später aufgenommen worden ist (§ 28 Abs. 2 Satz 2 AVG); das zeigt ebenfalls, daß der Begriff der Arbeitslosigkeit sich auch im Recht der Rentenversicherung nicht zu eng an den Wortlaut des § 75 Abs. 1 AVAVG anlehnen darf.
Das LSG hat daher zu Recht bei der Klägerin Arbeitslosigkeit i. S. des § 75 Abs. 1 AVAVG bejaht. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin seit September 1957 wieder zur Aufnahme abhängiger Arbeit entschlossen gewesen ist und sich darum bemüht hat. Diese Feststellung ist für das BSG bindend, weil zulässige und begründete Revisionsgründe dagegen nicht vorgebracht worden sind (§ 163 SGG). Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, das LSG habe sich bei dieser Feststellung von allgemeinen Erwägungen leiten lassen, kann dahinstehen, ob das Vorbringen den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 SGG entspricht; die Rüge trifft jedenfalls nicht zu, weil das LSG seine Feststellung gerade nicht auf allgemeine Erwägungen, sondern auf konkrete Umstände (Meldung beim ArbA, Arbeitsuche, Freistellung von der Pflege der Eltern) gestützt hat.
Soweit das LSG dagegen im weiteren die Tatbestandsmerkmale des § 76 AVAVG für gegeben angesehen hat, hält das angefochtene Urteil seiner Nachprüfung nicht stand. Der Senat ist der Meinung, daß gerade die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 AVAVG dann einer eingehenden Prüfung bedürfen, wenn der Versicherte - wie hier die Klägerin - seit langer Zeit keine abhängige Arbeit mehr verrichtet hat und sogar schon aus dem Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer ausgeschieden gewesen ist. In diesen Fällen ist, wie die Erfahrung zeigt, die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß der Versicherte mit seiner Meldung beim ArbA von vornherein nur die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes anstrebt und sich infolgedessen nicht ernstlich um die Erlangung eines festen Arbeitsplatzes bemüht. Um dieser auch von der Beklagten befürchteten Gefahr des Mißbrauchs des § 25 Abs. 2 AVG und bei weiblichen Versicherten zugleich einer Umgehung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AVG vorzubeugen, ist es notwendig, in solchen Fällen die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 AVAVG einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG insbesondere an die subjektive Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt strenge Maßstäbe anzulegen. Auf diese Weise kann aber auch der Gefahr des Rechtsmißbrauchs wirksam gesteuert werden, ohne daß andererseits diejenigen Versicherten ungerechtfertigterweise von dem Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit ausgeschlossen werden, die sich im Alter wieder zur Arbeitsaufnahme gezwungen sehen, trotz intensiver Bemühungen jedoch keinen Arbeitsplatz mehr finden.
Nach § 76 Abs. 1 AVAVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer ernstlich bereit (Nr. 1), nach seinem Leistungsvermögen imstande (Nr. 2) und durch keine Umstände gehindert ist (Nr. 3), eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben und - was hier nicht zweifelhaft erscheint - nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsauffassung für eine Vermittlung als Arbeitnehmer in Betracht kommt. Von diesen Voraussetzungen der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt hat das LSG nur die der Nr. 1, nicht dagegen auch die der Nr. 2 und 3 geprüft. An ihnen hat das LSG jedoch nicht vorbeigehen dürfen, da sie ebenfalls zum Begriff der Arbeitslosigkeit i. S. des § 25 Abs. 2 AVG gehören. Insoweit hat der 4. Senat des BSG (vgl. BSG 15, 133) hinsichtlich der Nr. 2 zwar Zweifel geäußert, der erkennende Senat vermag sie jedoch nicht zu teilen, weil kein Grund dafür ersichtlich ist, das Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit im Gegensatz zum Arbeitslosengeld und zur Arbeitslosenhilfe auch bei mangelnder Arbeitsfähigkeit zu gewähren und weil das Recht der Rentenversicherung bei einem geminderten Leistungsvermögen allein Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vorsieht. Die Revision der Beklagten ist daher schon deshalb begründet, weil das LSG § 76 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVAVG bei der Beurteilung der Arbeitslosigkeit der Klägerin nicht angewandt hat. Deren Voraussetzungen können nach dem gegebenen Sachverhalt nicht ohne weiteres unterstellt werden; hinsichtlich der Nr. 3 ist es insbesondere denkbar, daß die Führung des ehelichen Haushalts die Klägerin auch nach Freistellung von der Pflege des Vaters an der Ausübung einer dauernden Beschäftigung mehr als geringfügigen Umfanges gehindert hätte (zur Auslegung der Nr. 2 und 3 vgl. SozR Nr. 3, 6, 7 und 8 zu § 76 AVAVG).
Davon abgesehen hat das LSG außerdem die Nr. 1 des § 76 Abs. 1 AVAVG nicht richtig angewandt. Die Urteilsgründe lassen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, ob die Klägerin bereit gewesen ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Wie aus der (im Urteilstatbestand in Bezug genommenen) Vernehmung der Vermittlerin des ArbA hervorgeht, hat sich die Klägerin dort als "zahnärztliche Helferin" beworben. Der allgemeine Arbeitsmarkt umfaßt jedoch fachlich alle Beschäftigungen, für die der Arbeitslose, ohne Einschränkung auf seinen Beruf, bei verständiger Würdigung des Einzelfalls in Betracht kommt (BSG 11, 16). Auf diesen Kreis von Tätigkeiten muß sich auch ein Versicherter der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen des § 25 Abs. 2 AVG verweisen lassen, da das Recht der Rentenversicherung nur bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit (§ 23 Abs. 2 AVG) die Verweisungsmöglichkeiten stärker begrenzt. (vgl. demgegenüber die Definition der Erwerbsunfähigkeit in § 24 Abs. 2 AVG). Die Klägerin stand daher dem allgemeinen Arbeitsmarkt dann nicht zur Verfügung, wenn sie sich lediglich um eine Beschäftigung in dem früher ausgeübten Beruf bemüht hätte. Es bedarf daher noch der Prüfung, ob die Klägerin auch bereit gewesen ist, eine sonst noch für sie in Betracht kommende Arbeitstätigkeit zu übernehmen.
Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, könnte indes der vom LSG bisher festgestellte Sachverhalt noch nicht genügen, um bei der Klägerin zugleich eine ernstliche Arbeitsbereitschaft i. S. des § 76 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG anzunehmen. Da ein Versicherter, der sich nur scheinbar um Arbeit bemüht, in Wahrheit nicht zur Arbeit "bereit" ist, muß dem im Gesetzestext vorangestellten Wort "ernstlich" eine besondere Bedeutung zukommen. Nach der Auffassung des Senats erschöpft sich die Bedeutung dieses Wortes nicht in einer Anweisung des Gesetzgebers an Verwaltung und Gericht, die Arbeitsbereitschaft eingehend zu prüfen. Die Bereitschaft ist ein subjektiver Vorgang. Sie entzieht sich der unmittelbaren Feststellung und läßt sich allein aus objektiven Gegebenheiten erschließen. Mit Rücksicht hierauf ist das Wort "ernstlich" auf die objektiven Nachweise der Arbeitsbereitschaft zu beziehen. Als "ernstlich" arbeitsbereit kann daher nur der Versicherte gelten, dessen Bereitschaft durch objektive Umstände in einer Weise dargetan (belegt) ist, daß diese keinem vernünftigen Zweifel unterliegt.
Welcher objektive Sachverhalt dabei die Arbeitsbereitschaft als ernstlich kennzeichnen muß, entscheiden immer die Umstände des Einzelfalls. Hat etwa der Versicherte bis zur Arbeitslosmeldung in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, so genügt in aller Regel die Meldung beim ArbA, um die ernstliche Arbeitsbereitschaft zu bejahen. Anders verhält es sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Versicherte lange Zeit keine Arbeitnehmertätigkeit mehr ausgeübt und sich erst gegen Ende des 59. Lebensjahres beim ArbA als arbeitslos gemeldet hat. Hier sind strenge Maßstäbe angezeigt (BSG 18, 287). Es kann dann nicht der vom LSG zwar "mit Vorsicht" angewandte Erfahrungssatz gelten, daß "der Meldung als Arbeitsuchender in der Regel die ernstliche Arbeitsbereitschaft zugrunde liegt". Da in solchen Fällen die Meldung beim ArbA möglicherweise nur den Anschein der Arbeitsbereitschaft hervorrufen soll, reicht sie als Beleg für diese nicht aus. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherte den laufenden Meldekontrollen nachkommt. Dagegen kann eine wesentliche Veränderung in den persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnissen dann schon einen objektiven Anhaltspunkt für die "Ernstlichkeit" der Arbeitsbereitschaft bilden, wenn die Änderung den Versicherten veranlassen mußte, trotz seines Alters wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ein weiterer wichtiger Beleg für die Arbeitsbereitschaft sind jedoch vor allem die gesamten Arbeitsbemühungen innerhalb des fraglichen Zeitraumes.
Sie müssen eindeutig erkennen lassen, daß der Versicherte sich fortlaufend um eine Arbeitnehmertätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bemüht, aber trotz aller Anstrengungen und trotz günstiger Konjunkturlage keine Arbeit gefunden hat.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe genügen die vom LSG bisher festgestellten objektiven Umstände nicht, um die Ernstlichkeit der Arbeitsbereitschaft der Klägerin darzutun. Vor und in dem Zeitraum von der ersten Arbeitslosmeldung (September 1957) bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres (Dezember 1958) ist in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine so wesentliche Änderung eingetreten, daß sie wieder zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (zum Gelderwerb) gezwungen gewesen wäre. Die Freistellung von der Pflege des (im Jahre 1958) verstorbenen Vaters hat ihr allenfalls die erneute Arbeitsaufnahme erleichtert, sie hierzu aber nicht genötigt. Vor allem aber sind nach den bisherigen Feststellungen ihre Arbeitsbemühungen nicht intensiv genug gewesen, um die ernstliche Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren, da sie sich, abgesehen von den Meldungen beim ArbA, lediglich im Jahre 1958 noch bei einem Zahnarzt (Dr. F.) um Arbeit in ihrem früheren Beruf beworben hat. Aus bisherigen Feststellungen des LSG läßt sich mithin nicht der Schluß ziehen, daß die Klägerin zur Ausübung einer Beschäftigung ernstlich bereit gewesen ist. Insoweit handelt es sich nicht um eine dem BSG verschlossene Beweiswürdigung; die Feststellung des Willens und der inneren Einstellung liegt zwar auf tatsächlichem Gebiet, weshalb die Bereitschaft im wesentlichen eine Tatfrage ist; ob die festgestellten objektiven Umstände geeignet sind, die Ernstlichkeit des Arbeitswillens darzutun, stellt dagegen eine Rechtsfrage dar; das Revisionsgericht muß daher prüfen, ob das Berufungsgericht den Sachverhalt zu Recht unter dieses Tatbestandsmerkmal subsumiert hat.
Da die Revision der Beklagten sonach begründet ist, muß das Urteil des LSG aufgehoben werden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache kann das BSG nicht treffen, weil es möglich erscheint, daß die Klägerin über die bisher festgestellten Bemühungen sich auch sonst noch um unselbständige Arbeit bemüht hat, was das LSG von seinem Standpunkt aus nicht zu klären brauchte. Insoweit und u. U. auch wegen der übrigen Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 AVAVG bedarf es noch tatsächlicher Feststellungen. Der Rechtsstreit ist deshalb an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG). Das LSG wird nunmehr die gesamten Arbeitsbemühungen der Klägerin in dem fraglichen Zeitraum erneut zu prüfen haben und hierzu zweckmäßigerweise u. a. die Akten des ArbA beiziehen. Ergibt sich danach, daß die Klägerin sich nicht weiter um Arbeit bemüht hat, oder jedenfalls doch nicht um eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts, so wäre die Klage abzuweisen, ohne daß die Voraussetzungen der Nr. 2 und 3 des § 76 Abs. 1 AVG noch der Prüfung bedürften. Im anderen Falle müßten auch diese geklärt werden.
In dem neuen Berufungsurteil wird das LSG schließlich über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Fundstellen