Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Oktober 1990 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Mai 1987 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Gesundheitsstörung „dislozierter Bruch des rechten Außenknöchels” als Folge eines Arbeitsunfalles des Klägers festzustellen hat.
Der 1965 geborene Kläger war seit Anfang 1984 bei der K … und S … AG als Auszubildender zum Bergvermessungstechniker beschäftigt. Das Unternehmen hatte vom 6. bis 10. August 1984 für alle 44 Auszubildenden dieses Ausbildungsjahrganges im CVJM-Heim in Dassel/Solling ein „Einführungsseminar” veranstaltet, an dem auch der Kläger teilnahm. Ziel dieses Seminars war es nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG), den Auszubildenden zu ermöglichen, sich kennenzulernen und ihren Gemeinschaftssinn sowie ihre Fähigkeit zu kooperativem Verhalten in der Gruppe zu entwickeln. Das LSG hat nicht festgestellt, wie das Seminar im einzelnen ausgestaltet war. Die Seminarteilnehmer hatten in der Unterkunft ua auch die Möglichkeit, in einem dafür hergerichteten Kellerraum des CVJM-Heimes Tischtennis zu spielen. Hiervon machten der Kläger und mehrere andere Lehrgangsteilnehmer am Abend des 8. August 1984 Gebrauch. Gegen 22.00 Uhr glitt der Kläger während eines Spieles aus. Hierbei zog er sich einen dislozierten Bruch des rechten Außenknöchels zu.
Die Beklagte lehnte durch den Bescheid vom 25. Januar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1985 die Entschädigung des Unfalles vom 8. August 1984 generell mit der Begründung ab, der Kläger sei bei einer Freizeitbeschäftigung verunglückt. Mit einer entsprechenden Begründung hat auch das Sozialgericht (SG) Hannover durch Urteil vom 8. Mai 1987 die Klage abgewiesen. Hingegen hat das LSG in seinem ersten Urteil vom 27. Januar 1988 antragsgemäß festgestellt, daß die vorgenannte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles sei. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 3. April 1990 – 8 RKnU 3/88 – das vorgenannte erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache mit der Begründung zurückverwiesen, das LSG habe das Feststellungsinteresse des Klägers nicht geprüft. Dieses könne nur bejaht werden, wenn Spätfolgen des Unfalles vom 8. August 1984 nicht auszuschließen seien. Das LSG hat daraufhin Beweis durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens erhoben, das erstinstanzliche Urteil erneut aufgehoben und wiederum festgestellt, daß die Gesundheitsstörung „dislozierter Bruch des rechten Außenknöchels” Folge des Arbeitsunfalles vom 8. August 1984 sei. Dabei hat es das Feststellungsinteresse des Klägers bejaht, weil nicht auszuschließen sei, daß noch Spätfolgen des Bruches vom 8. August 1984 eintreten könnten. Dieser Bruch sei auch die Folge eines Arbeitsunfalles, weil der Kläger ihn nicht bei einer privaten Freizeitgestaltung, sondern bei einer dem Lehrgangszweck wesentlich dienenden Tätigkeit erlitten habe.
Hiergegen richtet sich die – vom LSG zugelassene – Revision der Beklagten. Sie hält unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zum Versicherungsschutz bei Freizeitaktivitäten im Rahmen betrieblicher Fortbildungsveranstaltungen daran fest, daß der Unfall kein Arbeitsunfall gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Oktober 1990 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Mai 1987 zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die Revision der Beklagten ist im Ergebnis begründet. Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, daß die Gesundheitsstörung „dislozierter Bruch des rechten Außenknöchels” die Folge eines am 8. August 1984 erlittenen Arbeitsunfalles des Klägers ist.
Nach den – für das Revisionsgericht bindenden – Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ist das Feststellungsinteresse des Klägers (§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG) grundsätzlich gegeben. Denn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch das LSG war es jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß die beim Kläger noch vorhandenen Restfolgen des Unfalles vom 8. August 1984 in Zukunft zumindest noch Behandlungsbedürftigkeit zur Folge haben können. Das ist zwar derzeit nicht konkret erkennbar. Es genügt aber für die Bejahung des Feststellungsinteresses, daß eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Leistungspflicht der Beklagten durch das Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer voraussehbarer Unfallfolgen besteht (vgl dazu BGH, VersR 1967, 256 mwN; BGH in JZ 1989, 912; vgl auch Urteil des BGH vom 30. Oktober 1973 – VI ZR 51/72 –, USK 73247 und Urteil des 2. Senats des BSG vom 22. März 1983 – 2 RU 64/91 –, unveröffentlicht, unter Hinweis auf die Begründung zum Gesetzentwurf des § 55 Abs 1 Nr 3 SGG in BT-Drucks, 1. Wahlperiode, Nr 4357 zu § 4, S 27). Demgemäß hat das LSG die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage iS der §§ 54, 55 Abs 1 Nr 3 SGG im Ansatz zu Recht als zulässig angesehen.
Das Feststellungsinteresse fehlt indessen, soweit der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung durch das LSG noch die Feststellung der Gesundheitsstörung „dislozierter Bruch des rechten Außenknöchels” begehrt hat. Denn ein Feststellungsurteil iS des § 55 Abs 1 Nr 3 SGG hat zum Ziel, dem Verletzten für den Fall der Verschlimmerung oder des Hinzutretens von Spätfolgen eines Arbeitsunfalles bei der Realisierung zukünftiger Ansprüche vor allem die Beweisführungslast hinsichtlich der – auch hier in erster Linie streitigen – haftungsbegründenden Kausalität zu ersparen. Eine solche Feststellung kann aber bereits ihrem Wesen nach nur für Gesundheitsstörungen getroffen werden, die in der Zukunft überhaupt noch Folgen entwickeln können. Deshalb kommt es nicht auf den Gesundheitszustand im Zeitpunkt des Unfallereignisses an, sondern auf den Folgezustand des schädigenden Ereignisses im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung. Nur er kann sich in Zukunft überhaupt noch kausal iS des § 55 Abs 1 Nr 3 SGG auswirken. Das hat das LSG nicht hinreichend beachtet. Es konnte mithin ein Feststellungsinteresse nicht für die ursprünglich vorhanden gewesene Gesundheitsstörung „dislozierter Bruch des rechten Außenknöchels” bejahen, sondern nur noch den Umfang der Unfallfolgen als Folgen eines Arbeitsunfalles feststellen, den es nach Maßgabe des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S … selbst im Zeitpunkt seiner letzten Tatsachenfeststellung als feststehend angesehen hat.
Gleichwohl konnte der Senat von der erneuten Zurückverweisung der Sache an das LSG aus diesen Gründen absehen. Denn wie für § 256 der Zivilprozeßordnung (ZPO) allgemein anerkannt ist (vgl dazu BGH, NJW 1978, 2031 mwN), ist das Rechtsschutzbedürfnis iS des § 256 ZPO (= § 55 Abs 1 SGG) in der Form des „berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung” nur eine besondere Prozeßvoraussetzung, die dem Gericht die Sachprüfung selbst nicht verwehrt (vgl dazu auch Stein-Jonas/Schönke/Schumann, Zivilprozeßordnung, 20. Auflage, RdNr 120 f zu § 256 mwN; OLG Karlsruhe, VersR 1989, S 305 mwN).
Im Gegensatz zum LSG hat das SG zutreffend entschieden, daß der Kläger am 8. August 1984 keinen Arbeitsunfall erlitten hat; vielmehr ist er bei einem Spiel verunglückt, das nicht der unter Versicherungsschutz stehenden betrieblichen Fortbildungsveranstaltung zuzurechnen ist. Entgegen der vom LSG vertretenen Ansicht kann nicht der gesamte Lehrgangsaufenthalt des Klägers oder aller Teilnehmer bereits deshalb insgesamt als versicherte Tätigkeit angesehen werden, weil der Lehrgang an einem Ort stattfand, der den Teilnehmern kaum andere „Freizeit”-Aktivitäten sportlicher Art ermöglichte als die Benutzung des von der Heimleitung bereitgestellten Tischtennisraumes. Es kann offen bleiben, ob im Einzelfall die Auswahl des Lehrgangsortes durch das Unternehmen allein schon geeignet sein kann, die gesamte Tätigkeit des Lehrgangsteilnehmers als versichert anzusehen. Denn das war nach den Tatsachenfeststellungen des LSG hier nicht der Fall. Die Lehrgangsteilnehmer konnten über ihre Freizeit selbst bestimmen, sie konnten sich auch aus dem Heim entfernen. Das LSG hat nicht festgestellt, daß ihre Verpflichtung, dies dem Lehrgangsleiter anzuzeigen, betriebsbezogene Gründe hatte oder daß die Lehrgangsteilnehmer nur durch die Beteiligung am Tischtennisspiel die erforderliche Entspannung von der eigentlichen Lehrgangstätigkeit finden konnten. Selbst wenn daher durch die Wahl des Fortbildungsortes die Zielsetzung des Unternehmens, den Gemeinschaftssinn der Seminarteilnehmer zu fördern, besser verwirklicht werden konnte, war es gleichwohl nicht entbehrlich, das Verhalten der Lehrgangsteilnehmer darauf zu untersuchen, ob ihre Tätigkeit dem Ausbildungszweck und damit ihrer beruflichen Tätigkeit selbst diente, ob also die Versicherten einen Unfall bei der Verrichtung von Arbeit erlitten haben, die in einem inneren Zusammenhang mit den Betriebszwecken stand. Andernfalls wäre in der Tat das gesamte Tun eines Lehrgangsteilnehmers „funktionell betriebsbezogen”, auch wenn es sich um eine private Verrichtung handelte, die das Unternehmen weder gefordert hat noch verhindern konnte, sofern sie nur im Unternehmensinteresse lagen. Das wird von der Rechtsprechung so weitgehend nicht angenommen. Nicht jede Maßnahme eines Versicherten, die er unternimmt, um seine körperliche und geistige dienstliche Leistungsfähigkeit aufzubringen oder zu erhalten, steht unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 2 RU 3/89 –, SozR 2200 § 548 Nr 95). Vielmehr steht ein solches Tun mit der versicherten Tätigkeit nur dann in einem ursächlichen Zusammenhang, wenn es aus besonderen Gründen notwendig ist (BSG, Urteil vom 30. Mai 1985 – 2 RU 9/84 –, SozR 2200 § 539 Nr 110 mwN). Eine derartige nähere Beziehung zur dienstlichen Sphäre, welche die Annahme eines wesentlichen inneren Zusammenhanges zwischen dem Beschäftigungsverhältnis und dem Unfallereignis rechtfertigt (BSG aa0 mwN), hat das LSG nicht festgestellt. Es ist selbst davon ausgegangen, daß das gemeinschaftliche abendliche Tischtennisspiel vom Lehrgangsleiter nicht „organisiert”, dh weder angeordnet noch geleitet oder betreut worden war. Seine Empfehlung, auf diese Art die Freizeit zu verbringen, stellte den inneren Zusammenhang mit dem Betriebszweck noch nicht her. Demgemäß handelte es sich nach den vom LSG festgestellten Umständen nur um ein Freizeittreffen interessierter Lehrgangsteilnehmer in dem eigens von dem CVJM-Heim dafür bereitgehaltenen Tischtennisraum. Eine „funktionelle Beziehung” (vgl BSG, 9b-Senat, Urteil vom 26. Januar 1983 – 9b/8 RU 38/81 –, SozSich 1983, 189) hat das LSG nicht festgestellt. Insbesondere fehlen in seinen Tatsachenfeststellungen Anhaltspunkte dafür, daß im Falle des Klägers über die unverbindliche Pflege kollegialer Verbindungen hinaus ein Treffen der Lehrgangsteilnehmer nach Art eines Betriebsfestes oder – ausfluges von der Lehrgangsleitung organisiert und durchgeführt worden ist (BSG aa0).
Dementsprechend ist die Revision der Beklagten begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen