Leitsatz (amtlich)
Ein Übergang des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit findet nach RVO § 183 Abs 5 nicht statt, wenn die Rente rückwirkend von einem Zeitpunkt an gewährt wird, der vor dem Beginn des Krankengeldes liegt.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Kürzung des Krankengeldes nach RVO § 183 Abs 5 ist nicht der Zeitpunkt entscheidend, in dem der Versicherte berufsunfähig (vermindert bergmännisch berufsfähig) geworden ist, sondern der Zeitpunkt der Zubilligung der Rente.
Unter dem Begriff "Zubilligung der Rente" ist - ebenso wie in RVO § 183 Abs. 3 - der Beginn der Rente, dh der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an die Rente zu zahlen ist.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20. Februar 1963 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch zweier Versicherter auf rückwirkend gewährte Berufsunfähigkeits-Rente (BU-Rente) nach § 183 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) - Zweite Novelle zum Leistungs-Verbesserungsgesetz - auf die klagende Kasse übergegangen ist.
Der Versicherte W B (B.) war vom 12. September bis zum 7. November 1961 arbeitsunfähig krank und bezog von der Klägerin vom 13. September 1961 an Krankengeld. Am 17. Oktober 1961 beantragte B. bei der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente wegen Berufsunfähigkeit. Diese wurde ihm durch Bescheid vom 9. Februar 1962 rückwirkend vom 1. September 1961 an gewährt.
Frau M E (E.), ebenfalls Mitglied der Klägerin, war vom 18. Dezember 1961 bis zum 14. Januar 1962 arbeitsunfähig krank und bezog von der Klägerin vom 19. Dezember 1961 an Krankengeld. Sie hatte bereits am 5. Dezember 1961 bei der beklagten LVA Rente wegen BU beantragt. Diese Rente wurde ihr durch Bescheid vom 28. Mai 1962 rückwirkend vom 1. Dezember 1961 an gewährt.
In beiden Fällen machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, der Anspruch der Versicherten auf die BU-Rente sei nach § 183 Abs. 5 RVO auf sie, die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), übergegangen. Die Beklagte lehnte den Anspruch der AOK ab, weil nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen des § 183 Abs. 5 RVO nicht gegeben seien, und zahlte den nachzuzahlenden Rentenbetrag in voller Höhe an die Versicherten aus. Die AOK erhob darauf Klage beim Sozialgericht (SG) Köln mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, im Falle B. 127,98 DM und im Falle E. 65,78 DM an die Klägerin zu zahlen.
Das SG wies die Klage ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Die von der Klägerin erhobenen "Ersatzansprüche" setzten voraus, daß die Rente wegen BU "während des Bezugs von Krankengeld" zugebilligt worden sei. Unter dem Zeitpunkt der Zubilligung der Rente im Sinne von § 183 Abs. 5 RVO sei der Rentenbeginn zu verstehen. Da der Rentenbezug im Falle B. 12 Tage vor der Krankengeldzahlung und im Falle E. 18 Tage vor diesem Zeitpunkt begonnen habe, sei der Rentenanspruch nicht auf die AOK übergegangen. Die Auffassung der Klägerin, § 183 Abs. 5 RVO sei anzuwenden, wenn die Arbeitsunfähigkeit und die Berufsunfähigkeit im gleichen Monat eingetreten seien, sei rechtlich nicht haltbar, zumal sich in vielen Fällen der Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit nicht eindeutig feststellen lasse. Das SG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen.
Die AOK hat mit Einwilligung der beklagten LVA Sprungrevision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin im Falle B. 127,98 DM und im Falle E. 65,78 DM zu zahlen.
Die Revision rügt, das SG habe § 183 Abs. 5 RVO unrichtig angewandt. Diese Vorschrift sei nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, daß in Fällen, in denen während oder mit der Arbeitsunfähigkeit Berufsunfähigkeit eintrete, das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt werde und bei rückwirkender Gewährung der Rente der Rentenanspruch bis zur Höhe des Krankengeldes auf die Kasse übergehe. Es komme also entscheidend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit an, hingegen sei der Zeitpunkt des Beginns der BU-Rente nicht maßgebend.
Die LVA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Rentenansprüche des Versicherten B. und der Versicherten E., welche die AOK unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs gegenüber der beklagten LVA geltend macht. Die Klage umfaßt den Rentenanspruch des Versicherten B. für die Zeit vom 13. September bis 7. November 1961 und den Rentenanspruch der Versicherten E. für die Zeit vom 19. Dezember 1961 bis zum 14. Januar 1962. Es handelt sich danach um zwei selbständige Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für Zeiträume bis zu dreizehn Wochen (drei Monaten), bei denen die Berufung nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen wäre, wenn nicht das SG die Berufung im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen hätte. Es bestehen daher gegen die Zulässigkeit der von der AOK eingelegten Sprungrevision keine Bedenken (§ 161 SGG; BSG 1,69). Die Revision ist jedoch sachlich nicht begründet, weil das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis zutrifft.
Die Versicherten B. und E. gehörten im Zeitpunkt ihrer Erkrankung (12. September 1961 bzw. 18. Dezember 1961) zum Kreis der nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherungspflichtigen Personen. Sie hatten deshalb im Falle der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung (vgl. § 183 Abs. 2 RVO). Jedoch wird nach § 183 Abs. 5 RVO bei einem Versicherten, dem während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen Berufsunfähigkeit (oder Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes) zugebilligt wird, das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt; insoweit geht bei rückwirkender Gewährung der Rente der Rentenanspruch auf die Kasse über. - Die Kürzung des Krankengeldes oder - bei rückwirkender Gewährung der Rente - der Übergang des Rentenanspruchs auf die Kasse tritt somit nur ein, wenn der Rentenversicherungsträger dem Versicherten "während des Bezuges von Krankengeld" Rente wegen Berufsunfähigkeit "zubilligt". Der Gesetzgeber ist offenbar bei dieser - zunächst schwer verständlichen - Regelung von der Erwägung ausgegangen, daß bei Zubilligung der BU-Rente während des Bezuges von Krankengeld dieses im allgemeinen noch auf Grund des Lohnes berechnet worden ist, den der Versicherte noch vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, also meist noch bei ungeminderter Arbeitskraft, verdient hat; es sei daher gerechtfertigt, dieses "volle" Krankengeld bei Hinzutritt der BU-Rente in Höhe der Rente zu kürzen, während bei Zubilligung der BU-Rente schon vor Bezug des Krankengeldes dieses in der Regel von einem durch die Berufsunfähigkeit schon geminderten Entgelt berechnet werde und daher eine - weitere - Minderung wegen der BU-Rente nicht gerechtfertigt sei.
Wollte man unter dem Begriff Zubilligung der Rente im Sinne des § 183 Abs. 5 RVO den Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheides oder der Zustellung dieses Bescheides an den Versicherten verstehen, so würde der Anspruch der Krankenkasse in beiden hier zu entscheidenden Streitfällen schon daran scheitern, daß die beklagte LVA die Bescheide über die Bewilligung der BU-Rente beiden Versicherten erst nach Ablauf des Krankengeldbezuges erteilt hat. Wie der Senat jedoch in seinem zu § 183 Abs. 3 RVO ergangenen Urteil vom 26. März 1963 (BSG 19, 28) entschieden hat, ist als Zeitpunkt der Zubilligung der Rente im Sinne dieser Vorschrift ("der Anspruch auf Krankengeld endet mit dem Tage, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld ... zugebilligt wird") der Beginn der Rente, d. h. der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an die Rente dem Versicherten zusteht. § 183 Abs. 5 RVO spricht zwar nicht ausdrücklich von "dem Tage, von dem an Rente" von einem Träger der Rentenversicherung "zugebilligt" wird, sondern macht die Kürzung des Krankengeldes davon abhängig, daß der Träger der Rentenversicherung dem Versicherten während des Bezugs von Krankengeld Rente wegen BU "zubilligt", ohne den Zeitpunkt der Zubilligung näher zu umschreiben. Es besteht jedoch kein hinreichender Grund für die Annahme, daß der Gesetzgeber den Begriff der "Zubilligung der Rente" in Abs. 3 und Abs. 5 des § 183 RVO in verschiedenem Sinne gebraucht hat.
Die Revision geht demgegenüber davon aus, daß jedenfalls in Fällen, in denen die Berufsunfähigkeit und die Arbeitsunfähigkeit im gleichen Monat eintreten, nach der Absicht des Gesetzgebers das Krankengeld für den Zeitraum gekürzt werde, für den es noch "aus dem normalen Lohn errechnet sei". Es komme entscheidend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit - nicht auf den Zeitpunkt der Zubilligung der Rente - an. Trete die Berufsunfähigkeit mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder während der Arbeitsunfähigkeit ein, so seien die Voraussetzungen für die Kürzung des Krankengeldes nach dem Sinne des § 183 Abs. 5 RVO erfüllt. Diese Erwägungen der Revision sind jedoch mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbar und lassen sich auch nicht mit dem Hinweis auf den Zweck des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte rechtfertigen.
§ 183 Abs. 5 RVO stellt gegenüber § 183 Abs. 2 RVO eine Ausnahmevorschrift dar, die als solche nicht erweiternd in dem von der Revision gemeinten Sinne ausgelegt werden kann. Das Gesetz spricht ausdrücklich davon, daß die Rente wegen Berufsunfähigkeit nur dann eine Kürzung des Krankengeldes bewirkt, wenn sie während des Bezuges von Krankengeld "zugebilligt" wird. Mag es auch sprachlich zweifelhaft sein, ob unter "Zubilligung" einer Rente schon der Zeitpunkt des Rentenbeginns (so BSG 19, 28), des Rentenbescheides oder der Aufnahme der tatsächlichen Rentenzahlung zu verstehen ist, so kann doch darunter keinesfalls der Eintritt der Berufsunfähigkeit verstanden werden, der erst die Zubilligung der Rente zur Folge hat. Entscheidend ist also nach der gesetzlichen Regelung nicht der Zeitpunkt, in dem der Versicherte berufsunfähig geworden ist (§ 1246 RVO), sondern der Zeitpunkt der Zubilligung der Rente, und das ist, wie der Senat in der angeführten Entscheidung zu § 183 Abs. 3 RVO näher dargelegt hat (BSG 19, 28), der Tag des Rentenbeginns (§ 1290 Abs. 1 und 2 RVO). Für die Übernahme dieser Inhaltsbestimmung des Begriffs "Zubilligung der Rente" auch bei der Auslegung des § 183 Abs. 5 RVO spricht - abgesehen von dem im wesentlichen gleichlautenden Wortlaut - vor allem die Erwägung, daß sich der genaue Zeitpunkt, in dem der Versicherte die Grenzen der Berufsunfähigkeit erreicht hat, im allgemeinen - abgesehen von Sonderfällen, wie z. B. bei einem Unfall - nur schwer feststellen läßt, während der Zeitpunkt des Rentenbeginns dem Rentenbescheid eindeutig zu entnehmen ist. Da die Renten nach § 1290 RVO immer vom Beginn eines Monats an zu gewähren sind, braucht der Träger der Rentenversicherung im allgemeinen den genauen Tag des Eintritts der Berufsunfähigkeit nicht festzustellen; wollte man der Rechtsansicht der Revisionsklägerin folgen, so müßte eine - medizinisch oft schwierige - genaue Feststellung des Tages, an dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist, allein wegen der Frage der Kürzung des Krankengeldes und der Abrechnung zwischen Krankenkasse und Träger der Rentenversicherung vorgenommen werden. Dabei dürfte nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit dem Beginn der Berufsunfähigkeit zusammenfällt. Während es bei Beurteilung der in der Regel einen Dauerzustand darstellenden Berufsunfähigkeit eines Versicherten auf einen Vergleich mit der Erwerbsfähigkeit eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen ankommt (§ 1246 Abs. 2 RVO), liegt Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO) vor, wenn der Versicherte infolge einer Krankheit nicht imstande ist, die bisher von ihm ausgeübte Beschäftigung weiter auszuüben. Ein Versicherter, der wegen einer Krankheit selbst während längerer Zeit nicht in der Lage ist, seiner bisherigen Beschäftigung nachzugehen, braucht deswegen nicht berufsunfähig zu sein; andererseits kann Berufsunfähigkeit eintreten, ohne daß der Versicherte vorher arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung war.
Die Revisionsklägerin will nun jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen die Versicherten - wie im vorliegenden Rechtsstreit - die BU-Rente kurz vor oder nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit beantragt haben, offenbar davon ausgehen, daß die Arbeitsunfähigkeit und die Berufsunfähigkeit auf der gleichen Ursache beruhen und daß der Beginn der Berufsunfähigkeit mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit zusammenfällt. Es mag sein, daß dies öfter der Fall ist und daß es in solchen Fällen dem Zweck des Gesetzes mehr entsprechen würde, nicht auf die "Zubilligung der BU-Rente", sondern auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit abzustellen. Indessen wird es auch nicht selten vorkommen, daß bei einer solchen zeitlichen Nähe zwischen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und Rentenantrag die Berufsunfähigkeit - die nicht durch die oft akute Erkrankung herbeigeführt zu sein braucht - erheblich früher oder später beginnt als die Arbeitsunfähigkeit. Es ist daher verständlich, daß das Gesetz nicht auf den - wie dargelegt - meist schwer genau festzustellenden Eintritt der Berufsunfähigkeit, sondern auf die Zubilligung der Rente abgestellt hat.
Auch den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, daß für die Kürzung des Krankengeldes nach § 183 Abs. 5 RVO nicht der Tag des Rentenbeginns, sondern der Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit entscheidend sein solle. Die Begründung des früheren Regierungsentwurfs zu § 200 eines Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KVNG) - BT-Drucks. 3. Wahlp. Nr. 1540 - geht davon aus, daß längere Arbeitsunfähigkeit vielfach zu Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führe, die Leistungsansprüche gegen die Rentenversicherung auslösen könnten; es müsse sichergestellt werden, daß nicht aus beiden Versicherungszweigen Leistungen nebeneinander gewährt werden, die Lohnersatzfunktion haben. In der Begründung zu Abs. 2 des § 200 dieses Entwurfs, der dem § 183 Abs. 5 RVO idF der Zweiten Novelle zum Leistungsverbesserungsgesetz vom 12. Juli 1961 entspricht, heißt es, daß der Versicherte, dem während des Bezugs von Krankengeld eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt werde, meist nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wieder eine Beschäftigung gegen Entgelt aufnehmen werde; er scheide also nicht endgültig aus dem Erwerbsleben aus; seine Rente stelle keinen vollen, sondern nur einen teilweisen Lohnersatz dar; daher müsse das Krankengeld in diesen Fällen weitergezahlt, aber so weit gekürzt werden, als die BU-Rente die Funktion des Lohnersatzes übernehme. Diese Begründung läßt weder erkennen, daß an Stelle des nach dem Gesetzestext maßgebenden Zeitpunktes der Zubilligung der Rente der Eintritt der Berufsunfähigkeit entscheidend sein solle, noch nimmt sie zu der Frage Stellung, ob die Kürzung auch dann eintreten soll, wenn die BU-Rente von einem Zeitpunkt an zugebilligt wird, der vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit liegt. Demgegenüber lautet § 201 Abs. 2 des neuen Regierungsentwurfs eines KVNG (BR-Drucks. 342/62), der an die Stelle des § 183 Abs. 5 RVO idF der Zweiten Novelle des Leistungsverbesserungsgesetzes treten soll:
"Tritt Berufsunfähigkeit mit oder während der Arbeitsunfähigkeit ein und wird dem Versicherten Rente wegen Berufsunfähigkeit von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt, so ist während dieser Arbeitsunfähigkeit das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente zu kürzen; bei rückwirkender Gewährung der Rente geht insoweit der Rentenanspruch auf die Kasse über. ..."
In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es, daß diese Vorschrift materiell dem § 183 Abs. 5 RVO entspreche und daß durch die Neufassung aufgetretene Auslegungsschwierigkeiten beseitigt werden sollen. Diese Formulierung des Entwurfs, die noch nicht Gesetz geworden ist, entspricht der Auffassung, die von der Revision schon für die Auslegung des jetzt geltenden § 183 Abs. 5 RVO vertreten wird. Sie kann aber zur Interpretation der ganz anders lautenden, z. Zt. geltenden Vorschrift nicht herangezogen werden.
Die vom Senat vertretene, dem Wortlaut des § 183 Abs. 5 RVO folgende Auslegung widerspricht auch nicht, wie die Revision meint, dem Sinn des Gesetzes. Dieser ist nicht darauf gerichtet, das Krankengeld immer dann zu kürzen, wenn Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit im gleichen Monat eintreten. Es ist zu berücksichtigen, daß auch in Fällen, in denen die Berufsunfähigkeit erst nach der Arbeitsunfähigkeit eintritt, der Rentenbeginn aber nach § 1290 RVO schon früher liegt, im allgemeinen schon in der Zeit vor der Arbeitsunfähigkeit eine geminderte Erwerbsfähigkeit der Versicherten bestanden haben wird, da die Berufsunfähigkeit - abgesehen bei Unfällen - nicht plötzlich einzutreten pflegt. War aber im allgemeinen die Arbeitskraft eines Versicherten auch schon einige Zeit vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit gemindert, so wird er häufig auch geringeren Lohn und daher auch bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein niedrigeres Krankengeld bezogen haben. Es erscheint daher auch nach dem dem § 183 Abs. 5 zugrunde liegenden Gedanken der Vermeidung von zwei vollen "Lohnersatz-Leistungen" verständlich, daß in solchen Fällen - wie hier - eine Kürzung des Krankengeldes und bei rückwirkender Rentenbewilligung ein Übergang des Rentenanspruchs auf die Krankenkasse unterbleibt. Eine Kürzung des Krankengeldes nach § 183 Abs. 5 RVO tritt somit nur ein, wenn die Rente von einem Zeitpunkt an bewilligt wird, der während des Bezuges von Krankengeld liegt. Diese Voraussetzung ist aber in den hier streitigen beiden Fällen nicht gegeben.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2324263 |
BSGE, 135 |