Leitsatz (amtlich)
Fällt der Zeitpunkt, von dem an eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in Altersruhegeld umgewandelt wird (RVO § 1254 Abs 2), in eine Zeit des Krankengeldbezuges, so geht der Anspruch des Versicherten auf Altersruhegeld nach RVO § 183 Abs 3 nur insoweit auf die Krankenkasse über, als er nicht durch die auf Grund des bisherigen Rentenbescheides an den Versicherten geleistete Zahlung erloschen ist.
Leitsatz (redaktionell)
Bei rückwirkender Umwandlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit in Altersruhegeld hat der Versicherte bis zur Umwandlung Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente an den Fälligkeitstagen. Die KK ist verpflichtet, während der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten das Krankengeld bis zur Zustellung des Umstellungsbescheides zu zahlen; sie kann das bis zur Umstellung gezahlte Krankengeld nicht vom Versicherten zurückfordern.
Normenkette
RVO § 1254 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 13. Dezember 1962 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Anspruch des Beigeladenen A (A.) auf Altersruhegeld nach § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) - Zweite Novelle zum Leistungsverbesserungsgesetz - auf die klagende Kasse übergegangen ist.
Der Beigeladene A. bezog vom 1. April 1960 an von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) in Höhe von zuletzt 92,70 DM. Er übte während des Rentenbezuges eine der Versicherungspflicht unterliegende Beschäftigung aus und war seit dem 21. Januar 1962 krank und arbeitsunfähig. Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) gewährte ihm bis zum 6. März 1962 Krankengeld in Höhe von 12,32 DM täglich. - Nachdem der Beigeladene am 4. Februar 1962 - also nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit - das 65. Lebensjahr vollendet hatte, beantragte er bei der LVA die Gewährung des Altersruhegeldes. Durch Bescheid vom 27. Februar 1962, dem Beigeladenen zugestellt am 5. März 1962, wandelte die beklagte LVA mit Wirkung vom 1. Februar 1962 die BU-Rente in Altersruhegeld um (§ 1248 Abs. 1 i. V. m. § 1254 Abs. 2 RVO). Das Altersruhegeld wurde auf 99,80 DM monatlich festgesetzt. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Februar 1962 bis zum 31. März 1962 in Höhe von 14,20 DM behielt die beklagte LVA bis zur Klärung etwa bestehender Ersatzansprüche ein.
Am 7. März 1962 erhob die AOK gegenüber der LVA Anspruch auf das dem Beigeladenen vom 1. Februar 1962 an zustehende Altersruhegeld in Höhe von 125,50 DM. Die LVA überwies ihr jedoch nur den Unterschiedsbetrag zwischen der BU-Rente und dem Altersruhegeld für die Monate Februar und März 1962 in Höhe von 2 x 7,10 DM = 14,20 DM.
Die AOK erhob darauf Klage beim Sozialgericht (SG) Itzehoe mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von 125,50 - 14,20 DM = 111,30 DM zu verurteilen.
Das SG wies die Klage ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Zwar ende nach § 183 Abs. 3 RVO der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt werde. Falls über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden sei, gehe auch der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über. Die Umwandlung der BU-Rente in Altersruhegeld dürfe jedoch schon im Hinblick auf die Besitzstandsklausel des § 1254 Abs. 2 Satz 3 RVO nicht zu einer Minderung der Rentenleistung führen. Die Krankenkasse könne durch den gesetzlichen Forderungsübergang keine weitergehenden Ansprüche erwerben als sie der Versicherte selbst habe. Die Umwandlung der bisher gewährten BU-Rente in Altersruhegeld bewirke, daß rückwirkend ein Anspruch auf Altersruhegeld nur in Höhe der Differenz zwischen der bereits ausgezahlten BU-Rente und dem Altersruhegeld entstehe. Nur dieser Differenzbetrag werde von dem Forderungsübergang erfaßt. Das SG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen.
Die AOK hat mit Einwilligung der beklagten LVA Sprungrevision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 111,30 DM zu zahlen.
Die Revisionsklägerin ist der Meinung, das Altersruhegeld gehe vom Zeitpunkt seiner Bewilligung an beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 183 Abs. 3 RVO auch dann in voller Höhe auf die Krankenkasse über, wenn der Versicherte vorher eine BU-Rente bezogen habe, die rückwirkend in eine Altersrente umgewandelt worden sei. Als Zeitpunkt der "Zubilligung" des Altersruhegeldes sei der Tag anzusehen, von dem an der Träger der Rentenversicherung die BU-Rente in Altersruhegeld umgewandelt habe, im vorliegenden Falle also der 1. Februar 1962. Von diesem Zeitpunkt an habe der Versicherte keinen Anspruch mehr auf BU-Rente gehabt; der Bescheid über die Bewilligung der Altersrente und die Umwandlung der BU-Rente habe zugleich eine rückwirkende Aufhebung des BU-Rentenbescheides zum Inhalt. Die dem Versicherten in der Zeit vom 1. Februar 1962 an gewährte Rente sei somit nicht mehr auf Grund des früheren BU-Rentenbescheides geleistet worden, sondern als Teilleistung oder als Vorschuß auf das Altersruhegeld zu betrachten.
Die LVA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie sei auf Grund des bindend gewordenen Bescheides über die Bewilligung der BU-Rente verpflichtet gewesen, dem Beigeladenen bis zur Erteilung des Bescheides über die Umwandlung in Altersruhegeld die BU-Rente zu zahlen. Da der Beigeladene die BU-Rente schon vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogen habe, sei diese Rente nicht nach § 183 Abs. 3 RVO auf die klagende Kasse übergegangen.
II
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Rentenanspruch des Beigeladenen A., den die AOK unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs für die Zeit vom 1. Februar 1962 bis zum 6. März 1962 geltend macht. Es handelt sich danach um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen (drei Monate), bei dem die Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an sich ausgeschlossen ist. Da das SG die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat (§ 150 Abs. 1 Nr. 1 SGG), bestehen gegen die Zulässigkeit der von der AOK eingelegten Sprungrevision keine Bedenken (§ 161 SGG; BSG 1, 69). Die Revision ist jedoch sachlich nicht begründet, weil das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis zutrifft.
Der Beigeladene A. gehörte im Zeitpunkt seiner Erkrankung - 21. Januar 1962 - zum Kreis der nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherungspflichtigen Personen, weil er trotz Bezugs der ihm vom 1. April 1960 an wegen Berufsunfähigkeit gewährten Rente (BU-Rente) weiterhin eine der Versicherungspflicht unterliegende Beschäftigung ausgeübt hat (§ 165 Abs. 6 RVO). Deshalb stand seinem Anspruch auf Krankengeld die Vorschrift des § 182 Abs. 1 Nr. 2 letzter Satz RVO (idF des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall vom 12. Juli 1961, BGBl I 913), die sich auf die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO bezeichneten Versicherten bezieht, nicht entgegen (vgl. BSG 19, 28 f).
Nach § 183 Abs. 3 RVO endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Ist über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so geht der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gesetzlichen Krankengeldes auf die Kasse über; übersteigt das Krankengeld die Rente, so verbleibt dem Versicherten der überzahlte Betrag des Krankengeldes. Ergänzend schreibt § 183 Abs. 4 RVO vor, daß ein Anspruch auf Krankengeld bis zu sechs Wochen - gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an - besteht, wenn während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersruhegeld Krankengeld gewährt wird. Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, denn die Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen ist - im Gegensatz zu dem in BSG 19, 28 behandelten Fall - schon vor Vollendung des 65. Lebensjahres und vor dem "Bezug" des Altersruhegeldes, nämlich am 21. Januar 1962 eingetreten. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 4 RVO liegen mithin nicht vor.
Der Anspruch des Beigeladenen auf Krankengeld endete daher an sich mit dem 1. Februar 1962, dem Tage, von dem an ihm die beklagte LVA das Altersruhegeld zugebilligt hat (§ 183 Abs. 3 Satz 1 RVO). Als maßgebender Zeitpunkt im Sinne dieser Vorschrift ist, wie der Senat in BSG 19, 29 näher dargelegt hat, der Beginn der Rente, d. h. der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an der Anspruch auf Rente besteht, also Rente zu zahlen ist. Die Krankenkasse war jedoch, solange die dem Beigeladenen zustehende BU-Rente nicht gemäß § 1254 Abs. 2 RVO in Altersruhegeld umgewandelt war - dies ist erst durch den Bescheid der beklagten LVA vom 27. Februar 1962 geschehen -, verpflichtet, dem Beigeladenen während der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen, weil der Bezug der Rente wegen BU dem Anspruch auf Krankengeld nicht entgegenstand. Die AOK hat mithin dem Beigeladenen, dem der Umstellungsbescheid am 5. März 1962 zugestellt worden ist, bis zu diesem Zeitpunkt das Krankengeld mit Recht ausgezahlt; sie kann dieses über den Zeitpunkt der rückwirkenden Zubilligung des Altersruhegeldes hinaus gezahlte Krankengeld auch von dem Beigeladenen nicht zurückfordern. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 Abs. 3 Satz 3 RVO. Diese Vorschrift, die sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf den die Rente übersteigenden Betrag des Krankengeldes bezieht, beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß der Versicherte bei Überzahlungen von Krankengeld, die durch die rückwirkende Zubilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld bedingt sind, mit Rückforderungsansprüchen nicht belastet werden soll.
Der von der AOK gegen die LVA für die Zeit vom 1. Februar 1962 bis zum 6. März 1962 erhobene Anspruch ist, soweit er den Differenzbetrag zwischen der BU-Rente und dem Altersruhegeld übersteigt, nicht begründet; denn die LVA hat dem Beigeladenen die für die Monate Februar und März 1962 geschuldete Leistung in Höhe der BU-Rente zu Recht gezahlt. Dem Beigeladenen stand auf Grund des bindend gewordenen BU-Rentenbescheides vom 6. September 1960 gegen die LVA bis zur Umstellung der BU-Rente in Altersruhegeld (§ 1254 Abs. 2 Satz 2 RVO) ein Anspruch auf Zahlung der BU-Rente zu. Diese Rente, die den Anspruch auf Krankengeld nicht ausschloß, war in monatlichen Beträgen im voraus zu zahlen (§ 1297 Satz 1 RVO). Der Anspruch des Versicherten auf die laufende BU-Rente war daher am 1. Februar und 1. März 1962 fällig geworden. Die beklagte LVA war deshalb verpflichtet, die auf die Monate Februar und März 1962 entfallende Rente, die sie vor der Umwandlung in Altersruhegeld noch auf Grund des BU-Rentenbescheides vom 6. September 1960 zu leisten hatte, am Ersten dieser beiden Monate an den Beigeladenen auszuzahlen. Sie war vor der - erst mit Zustellung des Umwandlungsbescheides am 5. März 1962 rechtlich wirksamen - Umwandlung der BU-Rente in Altersruhegeld nicht berechtigt, die dem Versicherten nach dem Rentenbescheid vom 6. September 1960 zustehenden Rentenleistungen für Februar und März vorsorglich etwa im Hinblick auf die zu erwartende Umwandlung der BU-Rente zugunsten der Krankenkasse einzubehalten. Ein solches Recht kann auch nicht aus § 183 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVO hergeleitet werden. Zwar ist die BU-Rente mit Wirkung vom 1. Februar 1962 in Altersruhegeld umgewandelt worden, so daß die am 1. Februar und 1. März 1962 an den Versicherten geleisteten Rentenzahlungen vom 5. März 1962 an als Leistungen auf Grund des Umwandlungsbescheides, also als Teilzahlungen des Altersruhegeldes, anzusehen sind. Daraus folgt aber nicht, daß die beklagte LVA nach Stellung des Antrages auf Altersruhegeld die Zahlung der BU-Rente im Hinblick auf die bevorstehende Umwandlung hätte einstellen dürfen. Die LVA war vielmehr, wie dargelegt, verpflichtet, dem Versicherten bis zur Umwandlung die BU-Rente in der bisherigen Höhe an den gesetzlichen Fälligkeitstagen zu zahlen. Hat aber die LVA die dem Beigeladenen geschuldete Leistung in Höhe der BU-Rente für die Monate Februar und März 1962 zu Recht bewirkt, so ist der Rentenanspruch des Beigeladenen insoweit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB); durch die Zahlung der BU-Rente ist auch der Anspruch auf Altersruhegeld insoweit getilgt. Der durch rechtmäßige Zahlung an den Versicherten erloschene Rentenanspruch konnte daher nicht mehr auf die klagende AOK übergehen. Ein Übergang des durch den Umstellungsbescheid vom 27. Februar 1962 festgestellten Anspruchs auf Altersruhegeld auf die Krankenkasse hat daher nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO nur insoweit stattgefunden, als er nicht schon durch rechtmäßige Zahlung an den Beigeladenen erloschen war, d. h. nur in Höhe des Differenzbetrages zwischen der BU-Rente und dem Altersruhegeld (ebenso Bayer. LSG in Breith. 1963, 385; a. A. SG Düsseldorf in Breith. 1963, 388). Diesen Differenzbetrag hat aber die LVA an die Klägerin abgeführt, der weitergehende Anspruch der Klägerin ist nicht begründet.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen