Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der überbetrieblichen Berufsausbildung. Gastschulgeld (Handwerk). Berufsausbildungsbeihilfe. Berücksichtigung sonstiger Kosten
Orientierungssatz
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen der Förderung der beruflichen Ausbildung beim Besuch von Blockunterricht (hier: bundesoffene Landesberufsschule für Hörgeräteakustik) Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung von Gastschulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren zu gewähren ist.
2. Für die Förderung der beruflichen Ausbildung durch die BA ist es ohne Bedeutung, daß es Sache anderer Stellen, zB des Bundes, der Länder, der Wirtschaft oder der Ausbildenden wäre, die anfallenden Kosten zu übernehmen, solange die Auszubildende mit Kosten für die Ausbildung endgültig belastet ist. Die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung nach dem AFG bezweckt zwar nicht sonstige Kostenträger zu entlasten. Sie setzt aber dort ein, wo der Auszubildende nach dem jeweils geltenden Recht letztlich Kosten zu tragen hat.
Normenkette
AFG § 40 Abs 1 S 1 Fassung: 1969-06-25; AusbFöAnO § 14; BBiG § 2 Abs 1, § 5 Abs 2 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 4, §§ 34, 42; HwO §§ 31, 39
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Die 1957 geborene Klägerin durchlief vom 1. August 1973 bis zum 31. Juli 1976 bei der Hörgeräte G T G KG in H eine Ausbildung zur Hörgeräteakustikerin. Während der Ausbildung besuchte die Klägerin ua vom 9. April bis 7. Mai 1975, 18. November bis 12. Dezember 1975 und 4. bis 28. Mai 1976 den Blockunterricht der bundesoffenen Landesberufsschule für Hörgeräteakustik in I. Einer Abschlußprüfung unterzog sich die Klägerin mit Erfolg in der Zeit vom 31. Mai bis 4. Juni 1976. Der "Besuch der Berufsschullehrgänge im Ausbildungszentrum für Hörgeräteakustik in L" war im Berufsausbildungsvertrag vorgesehen; die Lehrfirma hatte sich verpflichtet, hierfür die Kosten zu übernehmen, sofern diese nicht anderweitig gedeckt seien.
Nachdem die Beklagte aufgrund verschiedener bindender Bescheide für diese Ausbildung BAB gewährt und dabei die Berücksichtigung von Kosten für Lehrgänge in L abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin am 3. April 1975, ihr die Kosten für den vom 9. April bis 7. Mai 1975 dauernden Lehrgang zu erstatten. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 7. April 1975 ab. Die Erstattung von Kosten für die nachfolgenden Lehrgänge lehnte die Beklagte durch die Bescheide vom 23. März und 11. August 1976 ab. Die Widersprüche hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 29. September 1976).
Das Sozialgericht (SG) Dortmund gab der Klage statt; es ließ die Berufung zu (Urteil vom 25. Januar 1977). Während des Berufungsverfahrens gewährte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 7. Dezember 1978 für die erwähnten drei Lehrgänge sowie für einen 1973 absolvierten Lehrgang BAB unter Berücksichtigung der Unterbringungs- und Verpflegungskosten in L, Taschengeld, Kosten für Lernmittel und Arbeitskleidung; außerdem erkannte die Beklagte dem Grunde nach den Anspruch auf Gewährung von Fahrkosten für den Besuch der Schule in L an. Wegen Gastschulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, die die Beklagte nicht berücksichtigt hatte, setzten die Beteiligten den Rechtsstreit, zu dem das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen beigeladen hatte, fort. Durch Urteil vom 28. Februar 1979 hat das LSG die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt blieb, der Klägerin für die Teilnahme am Blockunterricht der Fachklasse für Hörgeräteakustik an der Landesberufsschule in L (9. April bis 7. Mai und 18. November bis 12. Dezember 1975, 4. bis 28. Mai und 31. Mai bis 4. Juni 1976) BAB (auch) unter Berücksichtigung von Gastschulgeld, Lehrgangsgebühren und Prüfungsgebühren zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, BAB werde Jugendlichen für eine geeignete berufliche Ausbildung usw gewährt, soweit diese die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufbringen könnten und ihren Unterhaltspflichtigen die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet werden könne. Durch den Bescheid vom 7. Dezember 1978 habe die Beklagte inzident anerkannt, daß der Blockunterricht dem Grunde nach förderungsfähig sei. An diesen Erklärungsinhalt bleibe die Beklagte selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Erklärung nicht habe abgeben wollen, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt habe; der Bescheid habe wie die Erklärung hinsichtlich der Fahrkosten die Bedeutung eines prozessualen Anerkenntnisses, das nach Annahme nicht widerrufen und auch nicht wegen Irrtums angefochten werden könne. Daher sei nur noch darüber zu befinden, ob bei der Berechnung der BAB auch Schulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren zu berücksichtigen seien. Hierfür fehlten in der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AAusbildung) konkrete Vorschriften, zumal § 13 Nr 1 AAusbildung nicht anwendbar sei. Jedoch sehe § 14 AAusbildung vor, daß sonstige Kosten ausnahmsweise von der Beklagten getragen würden, wenn sie durch die Ausbildung unvermeidbar entstünden. Der Besuch des Blockunterrichts in L sei für die Klägerin nicht nur zweckmäßig und notwendig, sondern entsprechend ihrem Berufsausbildungsvertrag auch unvermeidbar gewesen. Dabei werde nicht verkannt, daß der Klägerin die ihr nach ihrem Vortrag darlehnsweise von der Lehrfirma vorgeschossenen Kosten nicht endgültig zur Last fielen, weil nach dem Berufsausbildungsvertrag die Lehrfirma die Kosten trage, soweit diese nicht anderweitig gedeckt seien. Nach § 14 AAusbildung komme es aber nicht entscheidend darauf an, daß die Kosten der Klägerin unvermeidbar entstünden, sondern darauf, daß die Kosten unvermeidbar durch die Ausbildung entstünden. Dies sei bei der Klägerin der Fall gewesen, weil sie ohne Besuch des Unterrichts in L und der damit zwangsweise verbundenen Kosten nicht Hörgeräteakustikerin hätte werden können. Selbst wenn die Angaben des Kultusministers des beigeladenen Landes zutreffen sollten, daß Auszubildende im Hörgeräteakustik-Handwerk in Nordrhein-Westfalen fachtheoretische Grund- und Spezialkenntnisse durch den Besuch der Fachklassen für Feinmechanik und Elektrotechnik sowie für Radio- und Fernsehtechnik erwerben könnten, sei nicht zu übersehen, daß kein Hörgeräteakustiker einen Ausbildungsvertrag abschließe, wenn sich der Auszubildende nicht verpflichte, den Blockunterricht in L zu besuchen. Ohne entsprechende Verpflichtung hätte daher auch die Klägerin nicht in diesem Handwerk ausgebildet werden können. Die strittigen Kosten seien unvermeidbar auch durch den unvermeidbaren Unterrichtsbesuch entstanden, weil ohne sie das Lehrgangsziel nicht zu erreichen gewesen wäre. Dabei komme es auch hier nicht darauf an, ob diese Kosten endgültig möglicherweise anderweitig, etwa von dem beigeladenen Land oder der Lehrfirma getragen werden müßten. Entscheidend sei allein, daß die Klägerin entsprechend der Auskunft der Schule ohne Zahlung der Kosten an dem Unterricht nicht hätte teilnehmen können.
Die Beklagte macht mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung von § 40 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 14 AAusbildung geltend; außerdem rügt sie mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts. Sie führt hierzu insbesondere aus: Die Erstattung der streitigen Kosten komme nur in Betracht, wenn die Kosten durch die Ausbildung unvermeidbar entstanden seien. Zweifelhaft sei zunächst die Rechtmäßigkeit der Gebührenforderung; sie habe das LSG nicht nachgeprüft. Schulträger der bundesoffenen Landesberufsschule für Hörgeräteakustik sei die Bundesinnung für Hörgeräteakustik, geschäftsführend vertreten durch die Handwerkskammer L; räumlich sei die Schule dem Ausbildungszentrum für Hörgeräteakustik angegliedert. Die Schule führe in der Fachklasse Hörgeräteakustik zentral für Auszubildende aller Bundesländer Blockunterricht durch. Schleswig-Holstein erhebe als einziges Bundesland Gastschulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren von Nichtlandeskindern; nach der Auffassung aller anderen Bundesländer fehle es hierfür an einer Rechtsgrundlage. Jedenfalls stehe die Haltung Schleswig-Holsteins im Widerspruch zu dem Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 14./15. Mai 1964, in dem die Länder auf eine gegenseitige Erstattung von Beiträgen der fraglichen Art verzichtet hätten. Im Vollzug des Grundsatzes der Schulgeldfreiheit sei es allein Sache der Länder, Auszubildende von Kosten freizustellen, die durch den Schulbesuch bedingt seien. Im gleichen Umfange fehle es an einer Leistungspflicht der Beklagten. Eine Rahmenvereinbarung der Kultusminister und -Senatoren der Länder über die Bildung länderübergreifender Fachklassen für Schüler in Berufen mit geringer Zahl an Auszubildenden, die einen Verzicht auf Gastschulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren vorsehe, sei in Vorbereitung. Hinzu komme, daß die Kosten nicht unvermeidbar entstanden seien. Der zentralisierte Blockunterricht sei im Interesse der Ausbildungsbetriebe bzw der Innung ins Leben gerufen worden, weil der auf Landesebene gebotene Berufsschulunterricht den berufsspezifischen Anforderungen qualitativ nicht entsprochen habe. Daher erscheine es gerechtfertigt, von einer Kostenpflicht der Ausbildenden bzw der Innung auszugehen, die zudem im Rahmen der Blockbeschulung regelmäßig zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen durchführe, was das LSG allerdings nicht festgestellt habe. Der § 5 Abs 2 Nr 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), demzufolge Vereinbarungen über die Verpflichtung der Auszubildenden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, nichtig seien, finde hinsichtlich der hier streitigen Ansprüche entsprechend Anwendung; der Ausbildende könne daher keine Entschädigung für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte verlangen, soweit diese in den Ausbildungsgang einbezogen seien. Die in dem Berufsausbildungsvertrag der Klägerin enthaltene Einschränkung der Übernahme der Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, soweit diese nicht anderweitig gedeckt seien, beziehe sich nicht auf Sach- und Personalkosten im Rahmen der individuellen Förderung der Berufsausbildung aus Mitteln der Beklagten, weil hier nur Kosten berücksichtigt werden könnten, die dem Auszubildenden rechtmäßig erwüchsen. Das sei aber gerade bei den hier strittigen Geldern nicht der Fall.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage
abzuweisen, soweit die Beklagte unter Aufhebung ihrer
Verwaltungsentscheidungen verurteilt worden ist,
der Klägerin BAB (auch) unter Berücksichtigung von
Gastschulgeld, Lehrgangsgebühren und Prüfungsgebühren
zu gewähren,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Beklagte habe selbst 1973 gegenüber dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Ansicht vertreten, daß weder dem BBiG noch der Handwerksordnung (HandwO) eine Verpflichtung der Ausbildenden entnommen werden könne, für die Kosten aufzukommen, die durch die Teilnahme der Auszubildenden am Pflichtblockunterricht der Berufsschulen entstünden. In diesen Fällen übernehme die Beklagte bei Bedürftigkeit diese Kosten, die an sich die Länder zu tragen hätten. Die hier geltend gemachten Kosten seien aber solche des Berufsschulbesuchs, nicht Kosten einer überbetrieblich durchgeführten und deshalb den Ausbildungsbetrieben obliegenden Maßnahme. Die Betriebe seien nicht verpflichtet, die Kosten des Berufsschulbesuchs zu tragen; Einrichtung und Unterhaltung von Schulen fielen nicht in den Verantwortungsbereich der Betriebe.
Das beigeladene Land, das einen Antrag nicht stellt, führt aus, der Grundsatz der Schulgeldfreiheit verpflichte das Land nicht, Auszubildende von allen durch den Schulbesuch bedingten Kosten freizustellen; weder Art 9 Abs 1 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung noch das Gesetz über die Einführung und Durchführung der Schulgeldfreiheit im Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 1956 (GVBl NW 95) biete eine Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten wie Gastschulgeld, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren und Internatskosten, die durch die Beschulung in anderen Bundesländern entstanden seien. Nordrhein-Westfalen gewähre allen Schülern ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz oder den ihrer Erziehungsberechtigten Schuldgeldfreiheit. Die Heimunterbringung im Rahmen der Blockbeschulung für Splitterberufe werde von der Schulgeldfreiheit nicht erfaßt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, daß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen wird.
Gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 AFG in der ursprünglichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582), die wegen der am 1. Januar 1976 schon laufenden und geförderten Ausbildung der Klägerin nach Art 1 § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden ist, gewährt die Beklagte Jugendlichen und Erwachsenen Zuschüsse und Darlehen ua für eine geeignete Ausbildung in Betrieben, soweit die Jugendlichen und Erwachsenen die hierfür erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen können und ihren Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet wird. Soweit das Gesetz nichts Näheres geregelt hat, bestimmt die Beklagte nach § 39 Abs 1 Satz 1 AFG durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung. Daß nach der aufgrund dieser Ermächtigung ergangenen AAusbildung vom 31. Oktober 1969 idF der Bekanntmachung von 1971 (ANBA 1971, 480), zu Beginn der Ausbildung der Klägerin geltend idF der 4. Änderungsanordnung vom 4. Oktober 1972 (ANBA 1972, 109) und bei Abschluß der Ausbildung, zuletzt geändert durch die 10. Änderungsanordnung vom 23. März 1976 (ANBA 1976, 481), die Ausbildung zur Hörgeräteakustikerin, einem in der Anlage A zur HandwO aufgeführten Gewerbe (vgl § 2 Nr 1b AAusbildung), förderbar, Ausbildung und Ausbildungsgang im Einzelfall unbedenklich sind und sonstige Gesichtspunkte einer Förderung nicht entgegenstehen, ist nicht zweifelhaft und zwischen den Beteiligten auch nicht strittig. Danach steht der Klägerin für die Ausbildungszeit BAB zu, wenn der zu berücksichtigende Bedarf das anzurechnende Einkommen übersteigt.
Nach § 9 Satz 1 AAusbildung in der seit dem 31. März 1975 geltenden und damit für die hier streitigen Zeiten maßgebenden Fassung der Bekanntmachung 1975 (ANBA 1975, 103) bemißt sich die BAB nach dem Bedarf für den Lebensunterhalt (§§ 11 und 12 AAusbildung), nach dem Bedarf für die Ausbildung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme (§ 13) und nach dem Bedarf für sonstige Kosten (§ 14 AAusbildung). Da die Anordnung, wie das LSG zutreffend erkannt hat, die durch den Besuch einer Berufsschule anfallenden Schul- und Prüfungsgelder nicht bei dem Bedarf für die Ausbildung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme (§ 13 AAusbildung) berücksichtigt hat und diese Gelder auch nicht nach § 13a Abs 1 AAusbildung vom Arbeitsamt zu übernehmen sind, hat das LSG sie als Bedarf für sonstige Kosten angesehen und geprüft, ob sie nach § 14 AAusbildung von der Beklagten zu tragen sind. Ob angesichts der in der AAusbildung vorgegebenen Unterscheidung zwischen dem Bedarf für den Lebensunterhalt, dem Bedarf für die Ausbildung und dem Bedarf für sonstige Kosten daran festzuhalten ist, daß als sonstige Kosten nach § 14 AAusbildung auch solche Aufwendungen von der Beklagten getragen werden, die typischerweise Bedarf für die Ausbildung darstellen, aber im § 13 AAusbildung nicht als solcher "anerkannt" sind (vgl Urteil des Senats vom 1. Dezember 1976 7 RAr 44/57; in diesem Sinne auch Gagel/Jülicher, AFG, § 40 RdNr 10; Hoppe/Berliner, Förderung der beruflichen Bildung, § 40 AFG Anm 11 e, 16. Lieferung Januar 1979), bedarf keiner Entscheidung. Die AAusbildung entspräche nämlich nicht dem gesetzlichen Auftrag iSd §§ 39, 40 AFG, sollte sie die Berücksichtigung von Kosten für den fachlich zweckmäßigen Besuch einer bestimmten Berufsschule, der an die Stelle des gesetzliche vorgesehenen Berufsschulbesuchs tritt, bei der BAB nicht vorsehen oder ermöglichen, soweit diese Kosten andernfalls der Auszubildende oder dessen Unterhaltsverpflichtete zu tragen hätten.
Nach § 40 Abs 1 AFG in der hier anzuwendenden Fassung sind Zuschüsse und Darlehen zu gewähren, soweit die Auszubildenden die für die Ausbildung erforderlichen Mittel nicht aufbringen können und ihren Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet wird. Der bei der Bemessung der Leistungen zu berücksichtigende Bedarf richtet sich daher zwingend danach, welche Mittel für die Ausbildung erforderlich sind und von den Auszubildenden und ihren Unterhaltsverpflichteten selbst aufgebracht werden müssen. Welche Mittel für die Ausbildung erforderlich sind, ist hinsichtlich des Bedarfs für die Ausbildung nach der jeweiligen Ausbildung zu bestimmen; sind bestimmte Ausbildungsmaßnahmen vorgesehen oder üblich (wie zB der Besuch einer bestimmten Berufsschule), gehören hierdurch anfallende Kosten zu den für die Ausbildung erforderlichen Mitteln. Ob die Mittel von den Auszubildenden oder ihren Unterhaltsverpflichteten selbst aufgebracht werden müssen, ist nach dem für die jeweilige Ausbildung anwendbaren Recht zu beurteilten. Daß es Sache anderer Stellen, zB des Bundes, der Länder, der Wirtschaft oder der Ausbildenden wäre, diese Kosten zu übernehmen, ist für die Förderung der beruflichen Ausbildung durch die Beklagte ohne Bedeutung, solange die Auszubildenden mit Kosten für die Ausbildung endgültig belastet sind. Die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung nach dem AFG bezweckt zwar nicht, an die Stelle der herkömmlichen Finanzierung der Ausbildungsstellen und -schulen zu treten; insbesondere sollte die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung Ausbildende, Schulträger und sonstige Kostenträger wie die Länder von den Kosten der Ausbildung oder der Schulhaltung nicht entlasten. Die Förderung der Ausbildung durch die Beklagte setzt aber dort ein, wo der Auszubildende nach dem jeweils geltenden Recht letztlich Kosten zu tragen hat. Erst die Berücksichtigung auch der im Ausnahmefall dem Auszubildenden von Rechts wegen verbleibenden Kosten ermöglicht die für die Bemessung der Förderungsleistung maßgebende Beurteilung, ob der Auszubildende die für die Ausbildung erforderlichen Mittel aufbringen kann bzw ob die Aufbringung den Unterhaltsverpflichteten üblicherweise zugemutet wird. Andernfalls verbliebe dem Auszubildenden, den Kosten treffen, die andere Auszubildende nicht zu tragen haben, und seinen Unterhaltsverpflichteten für den Lebensbedarf nicht das, was die AAusbildung an sich ihnen hierfür zubilligt. Ob deshalb in den Fällen, in denen Auszubildende zu Unrecht, aber tatsächlich mit Kosten belastet werden, die sie von Rechts wegen nicht zu tragen haben, auch die zu Unrecht erhobenen Kosten, solange sie nicht zurückgezahlt worden sind, zum Bedarf zu zählen sind und es, entsprechend dem in § 38 und § 40 Abs 3 AFG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, der Beklagten überlassen bleibt, nach Gewährung entsprechend höherer BAB in dieser Höhe Ansprüche des Auszubildenden auf Rückgewähr durchzusetzen, läßt der Senat offen. Jedenfalls wenn, wie das bei der Klägerin der Fall ist, der Ausbildende die Kosten vorschießt und endgültig trägt, sofern die Kosten nicht anderweitig gedeckt sind, kann es, ohne daß der Fortgang der Ausbildung gefährdet wird, Auszubildenden und Ausbildenden zugemutet werden, daß sie sich rechtzeitig in ihrem eigenen Interesse gegen eine nicht gerechtfertigte Inanspruchnahme mit Kosten wehren.
Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war der Besuch der Berufsschule in L fachlich zweckmäßig und in dem Ausbildungsberuf üblich. Der Berücksichtigung der hierdurch entstandenen Kosten steht nicht entgegen, daß der Besuch der L Schule überwiegend im Interesse des Betriebes bzw des Hörgeräteakustik-Handwerks stattgefunden hätte. Die Förderung einer Bildungsmaßnahme, die auf die Zwecke eines Betriebes oder Verbandes ausgerichtet ist, ist nur im Bereich beruflicher Fortbildung und Umschulung regelmäßig ausgeschlossen (§§ 43 Abs 2, 47 Abs 1 Satz 2 AFG). Die Erstausbildung in einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf ist schon ihrer Natur nach nicht zweckgebunden im Sinne des § 43 Abs 2 AFG; daher kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift bei der Förderung der beruflichen Ausbildung nicht in Betracht (vgl BSGE 40, 234, 245 = SozR 4100 § 47 Nr 14). Danach sind, soweit die Klägerin die fraglichen Entgelte schuldete und nicht anderweit ersetzt verlangen kann, diese im Rahmen der BAB beim Bedarf anzusetzen. Ob allerdings die Klägerin die Entgelte schuldete, läßt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
Die Klägerin schuldete die Entgelte, die sie in L gezahlt hat, insbesondere die Prüfungsgebühren, nicht, soweit es sich um Gebühren für die für die Ausbildung zur Hörgeräteakustikerin vorgesehenen Zwischen- und Abschlußprüfungen oder Teile davon handelte. Die Klägerin hat eine Berufsausbildung in einem Handwerk durchlaufen. Gebühren für die in den §§ 31 Abs 1 und 39 Abs 1 HandwO vorgesehenen Zwischen- und Gesellenprüfungen fielen nicht ihr zur Last; die Prüfungen sind für den Lehrling (Auszubildenden) nämlich gebührenfrei (§§ 31 Abs 3, 39 Satz 2 HandwO).
Im übrigen ist die Erhebung von öffentlich-rechtlichen oder privat-rechtlichen Entgelten für die Teilnahme am Unterricht im Rahmen der Berufsausbildung und für die zur Verfügungstellung von Lernmitteln bundesrechtlich grundsätzlich nicht untersagt. Soweit die Berufsbildung in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen, gilt das BBiG nicht (§ 2 Abs 1 BBiG). Maßgebend ist das Landesrecht. Dieses kann für den Schulbesuch die Erhebung von Entgelten vom Berufsschüler oder dessen Unterhaltsverpflichteten durch die Schulträger zulassen oder selbst vorsehen. Ob dies der Fall ist, kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden. Das LSG hat insbesondere nicht geprüft, ob nach dem erst durch § 141 Nr 4 des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes vom 2. August 1978 (GVBl SH 255) gänzlich aufgehobenen schleswig-holsteinischen Gesetz über Schulgeldfreiheit, Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1952 (GVBl SH 115) das hier fragliche Gastschulgeld, die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren von der Klägerin erhoben werden durften; überhaupt kann dem Urteil nicht entnommen werden, von wem und aufgrund welcher Rechtsvorschriften die fraglichen Entgelte erhoben worden sind. Die Ausführungen des LSG, die Klägerin habe ohne Zahlung der Kosten an dem Unterricht nicht teilnehmen können, sind tatsächlicher Art. Ihnen kann nicht entnommen werden, daß die Erhebung des Gastschulgeldes sowie der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren von der Klägerin nach schleswig-holsteinischem Landesrecht rechtmäßig gewesen ist; die Frage der Rechtmäßigkeit der Entgelte ist in den Vorinstanzen von keiner Seite erörter worden. Der Senat kann daher nicht gemäß § 202 SGG, § 562 ZPO, § 162 SGG davon ausgehen, daß die Klägerin nach schleswig-holsteinischem Landesrecht die fraglichen Entgelte schuldete.
Die Entgelte, die die Klägerin danach etwa schuldete, sind insoweit allerdings nicht von der Beklagten zu übernehmen, als die Klägerin ihre Erstattung von dem Ausbildenden verlangen kann. Das kommt in Betracht, soweit die Entgelte für Ausbildungsmittel gezahlt worden sind, die zum Ablegen der Zwischen- und Abschlußprüfung erforderlich waren; diese Mittel hat nämlich der Ausbildende dem Auszubildenden kostenlos zur Verfügung zu stellen (§ 6 Abs 1 Nr 3 BBiG). Darüberhinaus kann die Beklagte die Klägerin allerdings nicht auf Ansprüche gegen den Ausbildenden verweisen. Allerdings folgt aus der Nichtigkeit einer Verpflichtung des Auszubildenden gegenüber dem Ausbildenden, für die Ausbildung eine Entschädigung zu zahlen (§ 5 Abs 2 Nr 1 BBiG), daß Kosten von Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte (zB Ausbildung in anderen Betrieben oder überbetriebliche Bildungseinrichtungen), soweit der Ausbildende durch sie seiner Ausbildungspflicht genügt, jedenfalls im Verhältnis Auszubildender - Ausbildender von letzterem zu tragen sind (vgl Herkert, Berufsbildungsgesetz, § 5 RdNr 8). Kosten des Berufsschulbesuchs zählen hierzu jedoch nicht. Der Ausbildende hat den Auszubildenden zwar zum Besuch der Berufsschule und zur Führung der Berichtshefte anzuhalten, ihn hierfür freizustellen und ggf Berichtshefte durchzusehen (§§ 6 Abs 1 Nr 4, 7 BBiG). Weitere Verpflichtungen hinsichtlich der Berufsschule obliegen dem Ausbildenden nicht. Die den Ausbildenden obliegende betriebliche Ausbildung umfaßt nicht die schulische Bildung; die Beschulung der Auszubildenden steht vielmehr neben der betrieblichen Ausbildung. Auch der außerhalb des Ausbildungsortes durchgeführte Berufsschulbesuch steht neben der betrieblichen Ausbildung; der Schulbesuch wird nicht deshalb zu einem vom Ausbildenden zu verantwortenden Teil betrieblicher Ausbildung, weil im Interesse einer qualitativ besseren Schulbildung eine eigens für das Handwerk eingerichtete Berufsschule ausgewählt worden ist. Die durch die Schule in L, die die Klägerin offensichtlich anstelle einer Berufsschule in Nordrhein-Westfalen besucht hat, entstandenen Kosten fallen nach dem BBiG daher nicht dem Ausbildenden zur Last. Die Lehrfirma war somit befugt, sich zur Übernahme der durch den Berufsschulbesuch in L entstandenen Kosten nur insoweit zu verpflichten, als die der Klägerin entstandenen Kosten nicht anderweit gedeckt sind. Ob dies auch für Kosten gilt, die durch eine neben dem Besuch der Berufsschule erfolgte Teilnahme von Kursen am "Ausbildungszentrum für Hörgeräteakustik" entstanden sind, hängt davon ab, ob die Kursteilnahme dem Ausbildenden einen Teil seiner Ausbildung abnimmt; doch stellt sich diese Frage nicht, da nach den Feststellungen des LSG das Gastschulgeld sowie die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren für die Teilnahme am Berufsschulunterricht zu zahlen waren.
Auf einen etwaigen Anspruch der Klägerin gegen das beigeladene Land oder andere öffentlich-rechtliche Stellen, ihr das in Schleswig-Holstein zu entrichtende Gastschulgeld sowie die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren zurückzugewähren oder zu erstatten, kann die Beklagte die Klägerin nicht verweisen, solange die öffentlich-rechtlichen Stellen ihrer Leistungspflicht nicht tatsächlich nachkommen. Bis dahin ist die Beklagte vielmehr zur Vorleistung nach § 38 Abs 1 AFG verpflichtet. Ob das beigeladene Land verpflichtet ist, die Entgelte zu erstatten, ist daher unerheblich.
BAB wird grundsätzlich als Zuschuß gewährt (§ 19 Abs 1 AAusbildung). Der § 19 Abs 2 AAusbildung sieht jedoch anstelle des Zuschusses ein zinsloses Darlehen vor, wenn der gewählte Ausbildungsweg zwar fachlich zweckmäßig, seine Ausgestaltung und der Aufwand dafür über die üblichen Formen und Kosten hinausgehen. Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels Verfahrensrügen der Beklagten gebunden ist, ist es jedoch üblich, daß Auszubildende in dem Handwerk Hörgeräteakustik die bundesoffene Landesberufsschule für Hörgeräteakustik in L besuchen. Daher ist ein Fall des § 19 Abs 2 AAusbildung nicht gegeben. Eine wegen der fraglichen Kosten zu gewährende BAB wäre deshalb als Zuschuß zu gewähren.
Die Entscheidung des Rechtsstreits ist nach alledem davon abhängig, welche der gezahlten Entgelte Gebühren für Zwischen- und Abschlußprüfungen iSd § 31 Abs 3 und § 39 Satz 2 HandwO bzw für Ausbildungsmittel bei den Prüfungen waren und ob die Erhebung der übrigen Entgelte nach schleswig-holsteinischem Landesrecht zulässig war. Beide Fragen sind durch das LSG nicht geklärt worden. Eine Entscheidung der Sache selbst ist daher, auch soweit Ermittlungen nach dem Inhalt schleswig-holsteinischen Landesrechts durch das Revisionsgericht zulässig sind, untunlich. Danach ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen