Kritischer Blick auf die Ausbildung
Knapp 5.000 Schülerinnen, Schüler und Azubis sowie über 1.700 Ausbildungsverantwortliche aus Unternehmen haben für die diesjährige Studie Azubi-Recruiting-Trends ihre Erfahrungen und Meinungen geteilt. Die Studie, Initiiert von U-Form Testsysteme und wissenschaftlich begleitet von Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz, vergleicht die Perspektiven von Bewerbenden und Betrieben miteinander und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab. Der diesjährige thematische Schwerpunkt zeigt Optimierungsbedarf in den Berufsschulen und bei der Weiterbildung der betrieblichen Ausbilder auf.
Wenig Lust auf die Berufsschule
So richtig begeistert sind Azubis nicht vom regelmäßigen Berufsschul-Besuch: 55 Prozent finden es grundsätzlich gut, zur Berufsschule zu gehen. 19 Prozent haben darauf eigentlich "keine Lust" und 26 Prozent sind unentschieden. Was sie dort vor allem stört, ist die Art und Weise, wie Inhalte vermittelt werden. Nur 13 Prozent zeigen sich "sehr zufrieden" und 34 Prozent "zufrieden" mit den Lehrmethoden.
Kein Wunder, dass "altmodische Lehrmethoden" auf Rang zwei der größten Mängel von den Berufsschulen aus Azubi-Sicht stehen. An erster Stelle, nur knapp davor, nennen die Auszubildenden zu lange Schulwege. An dritter Stelle liegt die mangelnde Passung der Inhalte zu den praktischen Anforderungen des Berufs und an vierter Stelle die unattraktive Ausstattung der Berufsschulen.
Auch die Ausbildungsverantwortlichen sind nicht sehr begeistert von den Lehrmethoden in den Berufsschulen. Aus ihrer Sicht steht die altmodische Vermittlung von Inhalten bei den Problemfeldern des begleitenden Schulunterrichts an erster Stelle. Bei den dort vermittelten Inhalten, zu denen auch allgemeinbildende Fächer gehören, sind die Ausbildungsverantwortlichen weniger kritisch als die Azubis. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Ausbildungsverantwortlichen sind der Meinung, dass die Berufsschulen auch Fächer wie Sport oder Deutsch unterrichten sollten. Bei den Azubis ist knapp die Hälfte (49 Prozent) dieser Ansicht.
Ausbaufähige Kompetenzen der betrieblichen Ausbilder
Nicht nur zur Berufsschule – die sie übrigens lieber im Blockunterricht besuchen würden – äußern die jungen Leute Kritik. Sie blicken mit gemischten Gefühlen auf die Kompetenzen ihrer betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder in den Abteilungen. Eine Mehrheit bestätigt ihren Ausbildern zwar uneingeschränkt, dass die geduldig und motiviert sind und dass sie gut erklären können. Bei den für den Ausbildungserfolg besonders wichtigen Kompetenzen "größere Aufgaben stellen" und "Feedback geben" attestiert aber nur eine Minderheit der Azubis ihren Ausbildern uneingeschränkt entsprechende Kompetenzen.
Die Ausbildungsverantwortlichen sehen die Kompetenzen der betrieblichen Ausbildenden in den Abteilungen ihres Betriebs zum Teil sogar kritischer als ihre Azubis. Die meisten von ihnen stellen den eigenen Ausbilderinnen und Ausbildern kein uneingeschränkt gutes Zeugnis aus, egal welches Kriterium. Am schlechtesten schneiden die Ausbilder aus Sicht der Ausbildungsverantwortlichen bei der Aufgabe ab, größere Aufgaben zu stellen.
Ausbildungsbeauftragte mit Schulungsbedarf
Schaut man sich genauer an, wie die Ausbilderinnen und Ausbilder in den jeweiligen Abteilungen für ihre Aufgaben geschult werden, überrascht die Kritik der Azubis und der Ausbildungsverantwortlichen nicht. Nur 17 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen stimmen voll und ganz der Aussage zu, dass die Ausbildenden regelmäßig geschult werden. Uneingeschränkten Zugriff auf Inhalte und Materialien, die ihnen die Ausbildungsarbeit erleichtern, erhalten 33 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder in den Abteilungen. Dabei wird deren Arbeit durchaus schwieriger. Immerhin 36 Prozent der befragten Ausbildungsverantwortlichen beobachten, dass im Ausbildungsumfeld vermerkt Generationenkonflikte auftreten.
Künstliche Intelligenz in der Ausbildung
Über die Hälfte der Azubis (57 Prozent) hat bereits Erfahrungen im Umgang mit KI gesammelt, die meisten davon mit ChatGPT. Auch der Hälfte der Ausbildungsverantwortlichen (50 Prozent) sind KI-basierte Anwendungen nicht fremd. 24 Prozent haben KI schon einmal im Azubi-Recruiting eingesetzt. Auf der anderen Seite haben 32 Prozent der Azubis schon einmal KI bei der Bewerbung genutzt.
Sollte KI Inhalt der Ausbildung sein? Die meisten Azubis sind aufgeschlossen: 58 Prozent sagen: "Ja, aber nur in bestimmten Berufen". 32 Prozent finden, dass KI grundsätzlich auf die Ausbildungsagenda gehört. Lediglich zehn Prozent antworten mit "Nein". In der Praxis ist dieser Wunsch allerdings noch nicht Realität geworden. Nur zehn Prozent der Ausbildungsbetriebe vermitteln KI-Inhalte in der Ausbildung. Bei weiteren 26 Prozent ist das in Planung.
Digitalisierung der betrieblichen Ausbildung
Die große Mehrheit der Azubis nutzt im Alltag digitale Angebote. Auch in der Ausbildung sind diese erwünscht. Besonders gut finden die jungen Menschen die digitale Verfügbarkeit ihres Ausbildungsplans, das Anzeigen ihrer Lernfortschritte, digitale Berichtshefte, E-Learning-Angebote zu Ausbildungsinhalten sowie digitale Wege für den Austausch mit der Berufsschule und der Kommunikation mit anderen Azubis.
Doch der Digitalisierungsgrad der dualen Ausbildung in den Betrieben ist eher gering. Nur eine Minderheit der Unternehmen hat Ausbildungsprozesse digitalisiert, obwohl es dazu mittlerweile gute Möglichkeiten gibt. Am häufigsten erfolgt die Verwaltung von Ausbildungsnachweisen digital (56 Prozent), an zweiter Stelle steht der Austausch mit Azubis (47 Prozent) und an dritter Stelle das Erstellen von Ausbildungsplänen (39 Prozent). Wenig digitalisiert sind das Nachhalten von Lernfortschritten (20 Prozent) und das Anzeigen von Lernfortschritten (21 Prozent). Die Vermittlung von Ausbildungsinhalten durch Virtual Reality kommt nur in fünf Prozent der befragten Betriebe vor.
Im ersten Teil der Studie Azubi-Recruiting-Trends wurde erfragt, wo junge Menschen nach potenziellen Lehrstellen suchen und wie gut sie sich über Ausbildungsberufe informiert sind. Die Ergebnisse können Sie hier einsehen.
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