Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Besetzung des Berufungsgerichts
Orientierungssatz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durften auch in den auf Zeit nach § 210 SGG gebildeten Senaten nicht gleichzeitig zwei Hilfsrichter - Sozialgerichtsräte - mitwirken (Anschluß an BSG 1959-02-04 10 RV 663/58 = BSGE 9, 137; BSG 1961-08-25 2 RU 259/58).
Normenkette
SGG § 210
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.10.1959) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.09.1957) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Oktober 1959 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die im Jahre 1912 geborene Klägerin begehrt die Zahlung von Invalidenrente. Durch Bescheid vom 5. November 1955 lehnte die Beklagte den Rentenantrag wegen fehlender Invalidität ab.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf. Nach Einholung weiterer ärztlicher Gutachten wurden die erhobenen Rentenansprüche durch Urteil vom 10. September 1957 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin ließ sich das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen von dem Facharzt für innere Medizin, Röntgenologie und Strahlenheilkunde Dr. med. M... und dem Facharzt für Orthopädie Dr. med. D... in D... zwei weitere ärztliche Gutachten vom 30. Juni und 8. Juli 1959 erstatten. Durch Urteil vom 14. Oktober 1959 wurde die Berufung zurückgewiesen, weil auch die neuen Untersuchungen noch keine Invalidität oder Berufsunfähigkeit ergeben hätten.
Gegen das ihr am 25. März 1960 zugestellte Urteil, in welchem die Revision nicht zugelassen worden war, hat die Klägerin am 22. April 1960 Revision eingelegt und diese am 14. Mai 1960 begründet. Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückzuverweisen,
hilfsweise,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Schlußanträgen in dem früheren Rechtszuge zu erkennen und der Beklagten die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie rügt als wesentliche Verfahrensmängel, welche die Revision statthaft machen sollen, einmal unrichtige Besetzung des Berufungsgerichts. Dieses habe unzulässigerweise in der Besetzung mit einem Senatspräsidenten als Vorsitzenden und, außer den beiden ehrenamtlichen Beisitzern, zwei Sozialgerichtsräten als weiteren Berufsrichtern entschieden. Außerdem sei § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt worden; bei der Urteilsverkündung und erst recht zur Zeit der Zustellung des Urteils hätten die erstatteten ärztlichen Gutachten schon so lange zurückgelegen, daß sie im Hinblick auf die weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht mehr zur Grundlage des Urteils hätten gemacht werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthafte Revision mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG führen. Mit Recht rügt die Klägerin als wesentlichen Verfahrensmangel die unvorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - u.a. BSG 9, 137, 143; 11, 22; SozR § 33 SGG Bl. Da 3 Nr. 6; 9 RV 190/59 vom 18. Juli 1961; 2 RU 259/58 vom 29. August 1961 - durften auch in den auf Zeit nach § 210 SGG gebildeten Senaten nicht gleichzeitig zwei Hilfsrichter mitwirken. Wie in den genannten Entscheidungen näher ausgeführt ist, widerspricht die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem solchen Spruchkörper rechtsstaatlichen Grundsätzen. Eine derartige Besetzung gewährleistet nicht die erforderliche Unabhängigkeit und Stetigkeit der Hechtspflege (so auch Siegert, NJW 1957, 1622). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an, zumal mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 210 a SGG, die durch das Dritte Gesetz zur Änderung des SGG vom 16. Mai 1960 (BGBl I 305) in das Sozialgerichtsgesetz eingefügt worden ist. Diese Vorschrift besagt, daß in den Senaten der Landessozialgerichte ein Hilfsrichter an Stelle des einen der weiteren Berufsrichter mitwirken kann, auch dieses aber nur bis zum 31. Dezember 1960. Damit hat der Gesetzgeber des Sozialgerichtsgesetzes eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern keinesfalls billigt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 14. Oktober 1959 haben nach dem Kopf des angefochtenen Urteils u.a. als Vorsitzender ein Senatspräsident und als weitere Berufsrichter zwei Sozialgerichtsräte mitgewirkt.
Damit steht fest, daß das LSG in dieser Sitzung unvorschriftsmäßig mit zwei Hilfsrichtern besetzt war.
Mit Rücksicht hierauf war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, ohne daß es noch auf die weitere Verfahrensrüge der Verletzung der Aufklärungspflicht angekommen wäre. Das LSG wird auch die abschließende Kostenentscheidung zu treffen haben.
Fundstellen