Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß des Doppelbezuges von Kindergeld und Kinderzuschuß

 

Orientierungssatz

Die Gewährung eines Kinderzuschusses nach § 1262 Abs 1 RVO an die nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BKGG zu berücksichtigende leibliche Mutter erlaubt es nach § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG nicht, dem Kläger Kindergeld zu zahlen, auch wenn der Kinderzuschuß auf das Jugendamt von der er Pflegegeld erhält, übergeleitet ist. Der Ausschluß des Doppelbezuges gleichartiger Leistungen aus öffentlichen Mitteln verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 GG).

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs 1 S 1 Nr 1, § 8 Abs 1 Nr 1; RVO § 1262 Abs 1; GG Art 3 Abs 1; JWG § 82

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.11.1980; Aktenzeichen L 5 Kg 806/80)

SG Konstanz (Entscheidung vom 26.03.1980; Aktenzeichen S 7 Kg 894/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für 3 Enkelkinder in der Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. März 1979 und ab 1. Dezember 1979 Kindergeld zu zahlen und die rückständigen Leistungen ab 1. Juni 1978 mit 4 % zu verzinsen.

Der Kläger ist Vater von 6 Kindern. Er hat kurz nach ihrer Geburt die Kinder seines Sohnes Paul und dessen früherer Ehefrau, nämlich Remo, Ivana und Marco in seinem Haushalt aufgenommen. Den Eltern dieser Kinder ist das Personensorgerecht entzogen. Der Kläger und seine Ehefrau erhalten seit 1970 von der Beigeladenen für die 3 Enkelkinder Pflegegeld, wobei Kindergeld unter Kürzung des Grundbedarfssatzes pauschal um 50,-- DM monatlich je Kind berücksichtigt wurde.

Bis 1972 hat die Ehefrau des Klägers für die 3 Enkel Kindergeld erhalten. Als dem Kläger Rente und Kinderzuschüsse für seine Kinder und die 3 Enkel gezahlt wurden, fiel das Kindergeld weg. Da ab 1. Juli 1976 wegen Gesetzesänderung für Enkel und Pflegekinder kein Kinderzuschuß zur Rente mehr gezahlt werden durfte, bewilligte die Beklagte dem Kläger ab Oktober 1976 Kindergeld für die 3 Enkel unter Berücksichtigung seines Sohnes Markus als Zählkind (Bescheid vom 27. Mai 1977).

Die ehemalige Schwiegertochter des Klägers erhielt ab 5. Mai 1978 von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und ab 1. April 1979 auf Dauer, in der Kinderzuschüsse für ihre 3 Kinder und ab 1. Januar 1979 ein Kindergeld - Ausgleichsbetrag für das dritte Kind Marco - enthalten waren. Die Kinderzuschüsse wurden der Beigeladenen ausbezahlt.

Die Beklagte entzog dem Kläger ab 1. Juni 1978 wegen der bewilligten Kinderzuschüsse das Kindergeld (Bescheid vom 8. Mai 1978). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. März 1978). Während des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Januar 1979 für Ivana einen Kindergeld-Ausgleichsbetrag (Bescheid vom 20. Februar 1979).

Das Sozialgericht (SG) Konstanz hat die Klage ab-, das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung zurückgewiesen (Urteile vom 26. März 1980 und 11. November 1980).

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 1 Nr 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), § 25 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1), § 1262 Abs 1 Ziff 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) und Art 3 Grundgesetz (GG).

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg

vom 11. November 1980 und des Sozialgerichts Konstanz

vom 26. März 1980 sowie die Bescheide vom 8. Mai 1978

in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 1978

und vom 27. November 1979 aufzuheben und die Beklagte

zu verurteilen, ihm Kindergeld für die 3 Enkelkinder

vom 1. Juni 1978 bis 31. März 1979 und ab 1. Dezember 1979

zu zahlen und die Rückstände seit 1. Juni 1978 mit 4 % zu

verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Revision.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen. Dem Kläger steht für die streitige Zeit außer dem bewilligten Teilkindergeld kein Kindergeld für seine 3 Enkel zu. Für eine Verzinsung von "Rückständen" fehlt ein rechtlicher Grund.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger das Kindergeld nach der damals noch gültigen Vorschrift des § 22 BKGG zu entziehen war, nachdem die Anspruchsvoraussetzungen weggefallen waren.

Nach § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG wird Kindergeld für ein Kind nicht gewährt, für das einer Person, bei der das Kind nach § 2 Abs 1 berücksichtigt wird, ein Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht. Der Mutter der Kinder steht seit 5. Mai 1978 auf Zeit und seit 1. April 1979 auf Dauer ein solcher Kinderzuschuß für die 3 Kinder zu, sofern und solange die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 1262 RVO gegeben sind. Durch ihn wird der Anspruch auf Kindergeld nicht nur gegenüber dem Anspruchsberechtigten, sondern auch gegenüber anderen Berechtigten ausgeschlossen (BSGE 30, 31, 33 f; 32, 46, 47). Dem steht weder die Rangfolge in § 3 Abs 2 BKGG noch die Überleitung des Kinderzuschusses auf die Beigeladene nach § 82 Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), § 90 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entgegen, weil der gesetzliche Forderungsübergang zwar die Gläubigerstellung ändert, den Anspruch als solchen aber in seiner Rechtsnatur nicht berührt. Nichts anderes ist § 25 Abs 1 SGB 1 zu entnehmen, der ausdrücklich auf die §§ 1 bis 10 BKGG verweist.

Daß die Regelung in § 8 Abs 1 BKGG, mit der ein Doppelbezug gleichartiger Leistungen aus öffentlichen Mitteln verhindert werden soll, nicht gegen Art 3 GG verstößt, haben das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wiederholt ausgesprochen (BSGE 45, 89, 90, 95, 100 mwN; BVerfGE 44, 70, 90 ff). Der Kindergeldanspruch wird auch dann ausgeschlossen, wenn ein vom Jugendamt genehmigtes Pflegschaftsverhältnis (§ 28 JWG) besteht und Pflegegeld gezahlt wird (§ 80 JWG), sofern einem Elternteil Kinderzuschuß zur Rente zusteht. Daran kann auch der wegen des Wegfalles des § 7 BKGG überholte Beschluß des BVerfG vom 11. Juli 1967 (BVerfGE 22, 163 f), dem überdies ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, nichts ändern. Der Ausschluß des Doppelbezuges gleichartiger Leistungen rechtfertigt sich durch die Verbesserung der Unterhaltsfähigkeit der Mutter mit Hilfe des Kinderzuschusses, die im Ergebnis zur Entlastung der Pflegeeltern führt. Der übergeleitete Kinderzuschuß wirkt sich auf die Höhe des Pflegegeldes aus, das grundsätzlich in kostendeckender Höhe gewährt wird und wobei Zuflüsse aus öffentlichen Mitteln pflichtgemäß berücksichtigt werden.

Die unterschiedlichen Höhen gewährter Kinderzuschüsse je nach Versicherungsart und -grund sowie zugeflossener Pflege- und Kindergelder (Zahl- oder Zählkind) führen ebenfalls nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG), da die Typisierung oder Differenzierung im Ermessen des einfachen Gesetzgebers liegt (vgl hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 20. Januar 1982 - 10/8b RKg 18/80 -).

Durch das Zusammentreffen öffentlich-rechtlicher fürsorgerischer Leistungen, die dem Familienlastenausgleich dienen und die Kürzung oder den Wegfall einzelner Leistungen nach sich ziehen, wird auch Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt (BVerfGE 28, 104, 113; 40, 121, 132; 43, 108, 121). Das Verfassungsgebot der Familienförderung geht nicht soweit, jede Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Es obliegt der Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers, auf welche Weise er den Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will (BSGE 45, 89, 94).

Da sonach keine rückständigen und laufenden Leistungen zu erbringen sind, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die geforderte Verzinsung von Rückständen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657416

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