Leitsatz (amtlich)
Bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann wegen des Erhalts einer Abfindung, wenn dem Arbeitslosen wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit gegen seinen Arbeitgeber kein Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr zugestanden hätte.
Stand:10. April 2000
Beteiligte
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 15. August 1996 bis 23. September 1996.
Die im Jahre 1938 geborene Klägerin war seit 1985 als Telefonistin bei der Maschinenfabrik S. in S. beschäftigt. Sie war ua ab 13. Juli 1995 arbeitsunfähig krank und bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 14. August 1996 fortlaufend Krankengeld. Am 15. Juli 1996 schloß die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1996 endete. Sie erhielt „für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige freiwillige Abfindung gemäß § 3 Nr 9 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 12.700,00 DM”. Nach Angaben des Arbeitgebers erfolgte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen; eine Umsetzung der Klägerin im Betrieb sei nicht möglich gewesen. Die Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Wochen zum Quartalsende.
Die Klägerin meldete sich am 2. August 1996 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg, das mit Bescheid vom 19. August 1996 ab 24. September 1996 bewilligt wurde. Durch weiteren Bescheid vom 24. August 1996 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs vom 1. August bis zum 23. September 1996 (54 Kalendertage) wegen Erhalts einer Abfindung fest. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Bescheid vom 13. Februar 1997 zurück.
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) machte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen geltend, sie sei im Jahre 1996 fortlaufend arbeitsunfähig krank gewesen. Mithin habe sie auch über den 31. Juli 1996 hinaus keine Arbeitsleistung erbringen können und folglich auch keinen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber gehabt. Grundvoraussetzung für ein Ruhen des Anspruchs auf Alg gemäß § 117 Abs 2 und Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei jedoch, daß im Ruhenszeitraum bzw bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist überhaupt ein Vergütungsanspruch denkbar gewesen sei.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. März 1998), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG in seinem Urteil vom 12. März 1999 ausgeführt, der im übrigen gemäß §§ 100 ff AFG bestehende Anspruch der Klägerin auf Alg habe für die hier noch streitige Zeit ab 15. August 1996 aufgrund der erhaltenen Abfindung in Höhe von 12.700,00 DM für 54 Kalendertage geruht. Hieran ändere der Umstand nichts, daß die Klägerin aufgrund ihrer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Vergütung gegen den Arbeitgeber mehr gehabt habe. Denn der Arbeitgeber habe sich unabhängig von dem Bestehen eines arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruchs wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer Abfindungszahlung verpflichtet. Somit folge der Anspruch auf Vergütung unmittelbar aus der Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 117 Abs 2 AFG gerade eine Prüfung im Einzelfall, ob eine bestehende Abfindung entgegen der gesetzlichen Vermutung keinen Lohnausfall vergüte, vermeiden wollen. Sei der Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden und sei der ursächliche Zusammenhang zwischen der Gewährung einer Abfindung und dem Ausscheiden gegeben, so werte § 117 Abs 2 bis Abs 4 AFG einen Teil der Arbeitgeberleistung als Arbeitsentgelt für die Zeit nach dem Ausscheiden. Die Berechnung des Ruhenszeitraums sei zutreffend.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung von § 117 Abs 2 AFG. Diese Vorschrift könne schon deshalb keine unwiderlegbare Vermutung enthalten, weil § 117 Abs 3 Satz 2 Nrn 2 und 3 AFG selbst Ausnahmen zulasse. Nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG ruhe der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis hätte fristlos kündigen können. In diesem Falle unterstelle das Gesetz, daß die Abfindung aus sozialen Gründen gewährt werde. Vergleiche man ihren Fall mit den Fallgestaltungen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG, so liege eine mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht mehr zu vereinbarende Ungleichbehandlung vor. Wer schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße und deshalb fristlos gekündigt werden könne, dürfe Alg erhalten und gleichzeitig die Abfindung behalten, obwohl er den bis zur Kündigung bestehenden Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber aus eigenem Verschulden verloren habe. Wer wie sie (die Klägerin) aufgrund langer Krankheit ohne jedes Verschulden keinen Vergütungsanspruch mehr gegen den Arbeitgeber habe, müsse sich hingegen fiktiv so behandeln lassen, als enthalte die Abfindung Vergütungsanteile. Bestehe kein Vergütungsanspruch mehr, so müsse ebenso wie bei § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG davon ausgegangen werden, der Arbeitgeber leiste die Abfindung allein aus sozialen Gründen. § 117 Abs 2 AFG sei daher so auszulegen, daß die Vermutung, die Abfindung enthalte Arbeitsentgelt, auch dann als widerlegt gelten könne, wenn aus rechtlichen Gründen offensichtlich kein Arbeitsentgeltanspruch mehr gegen den Arbeitgeber bestand. In diesem Falle sei – ebenso wie bei § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG – davon auszugehen, daß die Abfindung keine Entgeltansprüche ausgleichen solle. Schließlich sei hier zu beachten, daß die Beklagte ihr ab 15. August 1996 in jedem Fall Alg hätte bewilligen müssen, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis fristgemäß zum 30. September 1996 gekündigt worden wäre. Hierbei hätte von den Vorinstanzen zudem auch § 105a AFG geprüft werden müssen. Schließlich hätten die Vorinstanzen auch überprüfen müssen, ob ihr von ihrem Arbeitgeber nicht fristlos hätte gekündigt werden können, mithin ohnehin ein Fall des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG vorliege, weil sie wegen anhaltender Krankheit zur Fortsetzung ihrer Arbeit unfähig gewesen sei und dieser Tatbestand allein die Voraussetzungen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG erfülle (Hinweis auf BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1, S 14 f).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 1999 und des Sozialgerichts Landshut vom 5. März 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 1997 aufzuheben, den Bescheid vom 19. August 1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 15. August 1996 bis 23. September 1996 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des LSG beruht nicht auf einer Verletzung des § 117 Abs 2 und 3 AFG (idF, die § 117 AFG durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996, BGBl I 1078, erhalten hat). Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin für den hier streitigen Zeitraum vom 15. August 1996 bis 23. September 1996 keinen Anspruch auf Alg hat; nur um diesen Zeitraum geht es der Klägerin. Die Annahme der Klägerin, die Anwendung der Ruhensregelung sei ausgeschlossen, weil ihr für den streitigen Zeitraum – bei Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses – ein Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht mehr zugestanden hätte, entspricht nicht dem Gesetz. § 117 Abs 2 AFG ist insoweit auch nicht einschränkend auszulegen oder verfassungswidrig.
Nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt, falls der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Kündigung vorausgegangen ist, mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Satz 2). Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß danach ein Ruhen immer dann eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis „vorzeitig” beendet worden ist und dem Arbeitnehmer eine der in § 117 Abs 2 Satz 1 AFG genannten Leistungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht oder gewährt worden ist.
Beide Voraussetzungen sind gegeben. Da die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers sechs Wochen zum Quartalsende betrug, hätte bei Einhaltung einer entsprechenden, am 15. Juli 1996 beginnenden Frist das Arbeitsverhältnis von Rechts wegen erst zum 30. September 1996 gekündigt werden können. Das Arbeitsverhältnis ist daher am 31. Juli 1996 ohne Einhaltung dieser Frist, also vorzeitig beendet worden. Auch hat die Klägerin – nach den Feststellungen des LSG – die Abfindung in Höhe von 12.700,00 DM wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten (vgl hierzu BSGE 76, 294, 296 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12, S 81, und BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 5, S 28). Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ist bei einer vergleichsweisen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht zweifelhaft; dies gilt auch, sofern die Abfindung aus sozialen Gründen oder als freiwillige Zuwendung gewährt wird (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 5, S 37).
Die Rechtsfolge des Ruhens nach § 117 Abs 2 und 3 AFG wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin nach Erschöpfung ihres Krankengeldanspruchs aufgrund ihrer über den 14. August 1996 hinaus fortdauernden Arbeitsunfähigkeit (möglicherweise) keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen ihren Arbeitgeber mehr gehabt hätte. § 117 Abs 2 AFG unterscheidet nicht danach, ob während der Ruhenszeit – bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestanden hätte oder ein solcher – zB wegen Arbeitsunfähigkeit – entfallen wäre. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß der Gesetzgeber in § 117 Abs 2 AFG in typisierender Wertung davon ausgeht, daß jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, in einem bestimmten, durch § 117 Abs 3 AFG pauschalierten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält (BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6, S 36 ff; zustimmend der 11. Senat in BSGE 76, 294, 298 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12). § 117 Abs 2 AFG enthält damit die unwiderlegliche Vermutung, daß Abfindungen, die unter den Voraussetzungen dieser Regelung gewährt werden, in bestimmtem Umfang eine Entschädigung für Lohnausfall enthalten.
Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Diese beruht nicht nur auf der Rechtsentwicklung und dem Wortlaut des § 117 Abs 2 AFG, sondern entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers.
Zur Begründung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neufassung des § 117 Abs 2 und Abs 3 AFG durch das 4. AFGÄndG (vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557), die ohne wesentliche Änderung Gesetzeskraft erlangt hat, ist dargelegt worden, daß der Anspruch auf Alg künftig immer dann ruhen soll, wenn der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers ausgeschieden ist, und eine Ausnahme allein dann zu gelten hat, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos hätte kündigen können, weil in diesen Fällen eine gezahlte Abfindung allein der Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes dient (BT-Drucks 8/857 S 9; vgl dazu auch BSG SozR 4100 § 117 Nr 14 zum Fall einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist). Der Gesetzgeber hat sich damit ganz bewußt für eine vereinfachte, typisierende Regelung entschieden und die frühere, auf die Umstände des Einzelfalles abstellende Regelung des § 96 Abs 1 des Gesetzes zur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ersetzt. Dementsprechend ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rahmen der typisierenden Grundstruktur des § 117 Abs 2 AFG unbeachtlich, ob die Partner des Arbeitsverhältnisses irrtümlich von einer kürzeren als der von Rechts wegen richtigen ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers ausgegangen sind (BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142), ob auch dem Arbeitnehmer ein Recht auf fristlose Kündigung zugestanden hätte (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6), ob die Abfindung auch gezahlt worden wäre, wenn die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden wäre (BSGE 76, 294 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12), oder ob die Parteien subjektiv davon ausgegangen sind, eine gewährte Abfindung habe keinen Entgeltcharakter (BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142). Bei der von § 117 Abs 2 AFG geforderten typisierenden Betrachtungsweise kann auch für die Fallgruppe der Arbeitnehmer, die nach Erschöpfung ihres Krankengeldanspruchs die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung aus Krankheitsgründen weiterhin nicht mehr erbringen können und die dementsprechend in der Regel keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr haben, nichts anderes gelten. Vielmehr sollte bis auf den in § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG vom Gesetzgeber selbst vorgesehenen Ausnahmefall eine Prüfung im Einzelfall, ob eine bestimmte Abfindung entgegen der Annahme des Gesetzgebers keinen Lohnausfall vergütet, gerade nicht erfolgen. Streitigkeiten dieser Art wollte der Gesetzgeber durch die Erfassung aller Abfindungen, die bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, gerade verhindern (vgl BSGE 76, 294, 298 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12; ferner BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6).
Auch soziale Schutzgesichtspunkte geben keine Veranlassung zu einer einschränkenden Auslegung des § 117 Abs 2 AFG in dem Sinne, daß Fallgestaltungen wie die hier vorliegende aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen wären. Die Klägerin war nicht – auch nicht wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Beschäftigung – gezwungen, einer vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, um Alg erhalten zu können. Sie hätte vielmehr – wie sie selbst hervorhebt – auch bei Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist ab dem 15. August 1996 Alg beziehen können, wenn sie ab diesem Zeitpunkt faktisch beschäftigungslos war. Denn sie hätte, auch wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 1996 fortbestanden hätte, dann nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne gestanden (vgl hierzu und zur Differenzierung zwischen beitragsrechtlichem und leistungsrechtlichem Begriff des Beschäftigungsverhältnisses zuletzt BSG SozR 3-4100 § 101 Nr 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung), so daß ihr – die weiteren Anspruchsvoraussetzungen der §§ 100 ff AFG wie Verfügbarkeit für andere Beschäftigungen als der einer Telefonistin unterstellt – auch bei Nichtabschluß des Aufhebungsvertrages zum 31. Juli 1996 nach Beendigung des Krankengeldbezugs nahtlos Alg hätte gewährt werden können.
Daß die Klägerin sich einen Teil der Abfindung als Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt anrechnen lassen muß, stellt auch keinen Wertungswiderspruch zu der Ausnahmevorschrift des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG dar. Kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus wichtigem Grunde fristlos kündigen, so steht zugleich fest, daß ex nunc jeder Lohnanspruch des Arbeitnehmers entfallen ist. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich sachwidrig, wenn der Gesetzgeber in diesem Ausnahmefall unterstellt, daß die gezahlte Abfindung allein der Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes dient (BT-Drucks 8/857, S 9). Der Gesetzgeber trägt damit vielmehr den sachlichen Unterschieden Rechnung, die zwischen einer Abfindung, die im Falle einer Berechtigung zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gewährt wird, und einer solchen, die bei Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gewährt wird, bestehen. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß im letztgenannten Fall Abfindungen typischerweise Teile des ausgefallenen Entgelts entschädigen, während dies bei Abfindungen im Falle einer Berechtigung zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund typischerweise nicht der Fall ist.
Der Senat hat insofern auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 117 Abs 2 AFG. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedenfalls die Typisierung des Gesetzgebers dahingehend, daß bei einer Abkürzung oder Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist die Vermutung besteht, bei der erhaltenen Abfindung habe das Entgeltelement in der Regel eine höhere Bedeutung als bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, nicht beanstandet (BVerfGE 42, 176, 184 = SozR 4100 § 117 Nr 1). Dem ist der Senat beigetreten (insbesondere BSGE 46, 20, 25 = SozR 4100 § 117 Nr 2; zustimmend auch BSGE 76, 294, 298 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12). Der Gesetzgeber darf, wie das BVerfG wiederholt ausgeführt hat, typisieren und bei den notwendigen typisierenden Regelungen auch gewisse Härten in Kauf nehmen, soweit die betroffene Gruppe zahlenmäßig gering ist (BVerfGE 84, 348, 360; BVerfGE 87, 234, 255, 266 f; BVerfGE 90, 226, 236). Im übrigen hat der Gesetzgeber den Ruhenszeitraum nach § 117 Abs 3 AFG in mehrfacher Hinsicht begrenzt; ua ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können (§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG). Danach kann – auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – ein Ruhen entfallen, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit gehabt hätte.
Vorliegend ergeben sich nach den Feststellungen des LSG allerdings keine Anhaltspunkte dafür, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos hätte kündigen können. Ob der Klägerin selbst eine solche Kündigungsmöglichkeit zugestanden hätte, ist nach dem Willen des Gesetzgebers unbeachtlich (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 2 und Nr 6); es kommt vielmehr ausschließlich auf die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers an. Zwar sind, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt, anhaltende oder dauernde Krankheit weiterhin als typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iS des § 626 BGB zu bilden (vgl BAG AP Nr 87 zu § 626 BGB; Fischermeier in Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften – KR-Komm –, 5. Aufl, § 626 BGB RdNrn 87 ff). Diesem Tatbestand kommt allerdings nicht die Bedeutung zu, daß bei seinem Vorliegen der Ausnahmetatbestand des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG automatisch als erfüllt zu gelten hätte. Es kommt vielmehr auf die konkrete arbeitsrechtliche Beurteilung des Sachverhalts an. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Entscheidung des BVerfG zu der entsprechenden Regelung in § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 9 AFG aF (ab 1. Januar 1993 § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG bzw ab 1. April 1999 § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB III) berufen, in der im Hinblick auf die zu fordernde Verantwortung des Arbeitgebers bezüglich seiner Erstattungspflicht eine hypothetische und damit notwendig generalisierende Prüfung des wichtigen Grundes des Arbeitgebers zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung gefordert und dazu ausgeführt ist, daß ein solcher Kündigungsgrund in aller Regel bereits dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer wegen gesundheitlicher Einschränkungen die von ihm vertraglich übernommene Arbeit auf Dauer nicht mehr verrichten kann (BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 14 f, 16; vgl dazu Wolff in KR-Komm, § 128 AFG, RdNrn 62 ff). Die dort genannten Gründe für eine verfassungskonforme Auslegung des § 128 AFG lassen sich von vornherein nicht auf § 117 AFG übertragen, weil es bei dieser Bestimmung weder um die bei § 128 AFG zu fordernde besondere Verantwortung des Arbeitgebers noch um das bei Berufsausübungsregelungen gemäß Art 12 Abs 1 GG zu beachtende Übermaßverbot geht. Vielmehr ist im Rahmen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG auf die konkrete arbeitsrechtliche Beurteilung des Sachverhalts abzustellen und dabei zu beachten, daß nach der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist (BAG AP Nr 143 zu § 626 BGB; BAG AP Nr 3 zu § 626 BGB Krankheit = NZA 1993, 998). In besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Ausschluß der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung, kann es dem Arbeitgeber bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie etwa einer negativen Prognose hinsichtlich des zukünftigen Leistungsvermögens des Arbeitnehmers mit der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz erlaubt sein, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen. Die Klägerin hat hier nicht zum Kreis der unkündbaren Arbeitnehmer gehört. Zudem hätte dem Arbeitgeber auch bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen kein Recht auf eine fristlose Kündigung zugestanden; vielmehr wäre auch dann die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten gewesen (zu dieser zweiten Stufe der Prüfung vgl Lepke, Kündigung bei Krankheit, 10. Aufl 1999, RdNrn 196 ff). Insoweit gilt der Grundsatz, daß eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nur dann in Betracht kommt, wenn die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist (vgl Lepke, aaO, RdNr 197). Vorliegend ist kein derartiger Grund für den Arbeitgeber ersichtlich. Mithin hätte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht aus wichtigem Grund fristlos kündigen können.
Somit ruht – wie das LSG zutreffend erkannt hat – der Alg-Anspruch der Klägerin aufgrund der erhaltenen Abfindung gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG im zeitlichen Umfang des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG. Aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten ist ersichtlich, daß die Beklagte den Ruhenszeitraum gemäß § 117 Abs 3 AFG richtig berechnet hat. Aufgrund des Lebensalters und der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren gemäß § 117 Abs 3 Satz 3 AFG 40 vH der Abfindung zu berücksichtigen. Nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG wurde der Ruhenszeitraum mit 54 Kalendertagen (beginnend ab dem 1. August 1996) richtig berechnet. Danach ruhte der Anspruch der Klägerin auf Alg mithin vom 1. August 1996 bis 23. September 1996.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
BuW 2001, 218 |
FA 2000, 203 |
AP, 0 |
AuA 2000, 174 |
NZS 2000, 568 |
NJOZ 2001, 116 |
SozSi 2001, 180 |
info-also 2000, 164 |
info-also 2001, 30 |