Leitsatz (amtlich)
Berechnung der Rente für Teilmonate - Höhe der Witwenrente für die ersten drei Monate: 1. Die "für die ersten drei Monate" zu gewährende Witwenrente (sogenanntes "Sterbevierteljahr") ist, soweit sie auf Teilmonate entfällt, nach dem Verhältnis der Tage des Monatsteils zur Gesamtzahl der Tage dieses Kalendermonats zu berechnen.
Normenkette
RVO § 1268 Abs. 5 Fassung: 1972-10-16, § 1290 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1967-12-21
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 1978 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. November 1977 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Hinterbliebenenrente der Klägerin für das sogenannte Sterbevierteljahr drei volle Monatsrenten beträgt oder nach Teilbeträgen der Monatsrente im Verhältnis von Kalendertagen zur Tagesanzahl der betroffenen Monate des Jahres errechnet wird (§ 1268 Abs 5 in Verbindung mit § 1290 Abs 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Der am ... Februar 1976 gestorbene Ehemann der Klägerin hatte keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen. Mit Bescheid vom 9. Juni 1976 errechnete die Beklagte die Monatsrente für das Sterbevierteljahr auf 1.253,10 DM. Sie brachte für Februar 1976 (24. bis 29.) 6/29 des Monatsbetrages = 259,30 DM, für März und April jeweils den vollen Betrag und für Mai 1976 (1. bis 23.) 23/31 des Monatsbetrages = 929,80 DM, also insgesamt 3.695,30 DM in Ansatz. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden drei volle Monatsbeiträge zu, also 3 X 1.253,10 DM = 3.759,30 DM. Das Sozialgericht Itzehoe (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin den Differenzbetrag von 64,- DM zu zahlen (Urteil vom 24. November 1977). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten zurückgewiesen und im Urteil vom 5. Dezember 1978 im wesentlichen ausgeführt: Nach dem Wortlaut des § 1268 Abs 5 RVO erhalte die Witwe "für die ersten drei Monate" die Rente, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zugestanden habe, also hier das Dreifache von 1.253,10 DM. Daß dieser Zeitabschnitt als nur nach Monaten, nicht nach Tagen aufspaltbar zu verstehen sei, folge schon aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Witwen; die Berechnung nach. Monatsteilbeträgen führe in der Regel zu abweichenden Ergebnissen. Da im übrigen die anschließend an das Sterbevierteljahr zu gewährende Witwenrente einer Monatsteilberechnung unterliege, führe diese Auslegung zu einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung und einer Beschränkung der Notwendigkeit von Monatsteilberechnungen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 1268 Abs 5, § 1290 Abs 1 Satz 3 RVO. Der Gesetzeswortlaut spreche entgegen der Auffassung des LSG nicht für die Gewährung von jeweils drei vollen Monatsrenten im Sterbevierteljahr. Da nach § 1290 Abs 1 Satz 3 RVO abweichend vom regelmäßigen Rentenbeginn die Witwenrente in bestimmten Fällen vom Todestag des Versicherten an zu erbringen sei, ergebe sich daraus zwangsläufig die Berechnung nach Monatsteilbeträgen. Nur wenn das Gesetz die Zahlung von drei Monatsrenten etwa in bestimmter Höhe angeordnet hätte, träfe die vom LSG angewandte Berechnungsart zu. So wie sie - die Beklagte - verführen im übrigen alle Versicherungsträger.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 1978 sowie das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. November 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen § 1268 Abs 5, § 1290 Abs 1 Satz 3 RVO. Denn nach diesen Vorschriften hat die Beklagte die Witwenrente für die Monate Februar und Mai zutreffend nach tatsächlich verstrichenen Tagen in 29teln bzw 31teln der Monatsrente berechnet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den ihr in erster wie in zweiter Instanz zugesprochenen Mehrbetrag von 64,- DM.
Der Wortlaut des § 1268 Abs 5 RVO gebietet entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung nicht, im Sterbevierteljahr die Rente stets in vollen Monatsbeträgen zu zahlen. Danach wird der Witwe "für die ersten drei Monate" die Rente nach den Absätzen 1 bis 4 in Höhe der Rente des Versicherten ohne Kinderzuschuß gewährt, aus der die Rente nach den Absätzen 1 bis 3 zu errechnen ist, mindestens jedoch die Rente ohne Kinderzuschuß, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustand. Die Formulierung "für die ersten drei Monate" kann sprachlich zwar gleichermaßen als Bezeichnung der Rentenhöhe wie als rein zeitliche Begrenzung verstanden werden. Für letzteres spricht jedoch die Systematik des Gesetzes:
Nach § 1290 Abs 1 Satz 3 RVO ist die Hinterbliebenenrente vom Zeitpunkt des Todes an zu gewähren, wenn für den Versicherten im Sterbemonat keine Rente zu zahlen war. Auch die Witwenrente errechnet sich gemäß § 1268 Abs 1 und 2 iVm § 1253 Abs 1 und 2 RVO nach Jahresbeträgen. § 1297 RVO bestimmt sodann die aus dem Stammrecht fließenden Einzelansprüche als monatlich wiederkehrende und im voraus zahlbare Leistungen (vgl Urteile des BSG vom 28.6.1976 - 3 RK 97/75 - BSGE 42, 219, 222 = SozR § 29 RVO Nr 6 Seite 14 und vom 24.8.1978 - 5 RKn 1/77 = SozR 2200 § 183 Nr 16 Seite 39). Dementsprechend legt § 1290 RVO den Rentenbeginn grundsätzlich auf den Monatsersten. Wenn nun § 1290 Abs 1 Satz 3 RVO, von diesem Prinzip ausnahmsweise abweichend, die Möglichkeit des Rentenbeginns im Verlaufe eines Monats schafft, folgt daraus notwendig, daß die Rente entsprechend den angefallenen Kalendertagen zu berechnen ist. In diese Richtung gehen auch folgende Überlegungen: Vollendet eine Witwe, deren verstorbener Ehemann noch keine Rente bezogen hatte, während des Sterbevierteljahres das 45. Lebensjahr, so ist ihr anstatt der "kleinen" Witwenrente nach § 1268 Abs 1 RVO in Höhe der Berufsunfähigkeitsrente des Versicherten die "große" Witwenrente nach § 1268 Abs 2 Nr 1 RVO in Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten zu gewähren, und zwar gemäß § 1290 Abs 1 RVO vom Ablauf des Monats an, in den der 45. Geburtstag fällt (vgl VDR-Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, Stand Juli 1973 § 1268 RdNr 15 und Stand Januar 1978 § 1290 RdNr 8; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 6. Aufl 1978, § 1268 Anm 10; Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, § 1268 Anm II 4 S 10). In diesem Fall ist eine Berechnung nach Teilmonatsbeträgen unumgänglich, nämlich zum einen für die Zeit vom Todestag des Versicherten bis zum Ablauf des Monats, in dem die Witwe ihr 45. Lebensjahr vollendet, zum anderen von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Sterbevierteljahres. Eine einheitliche Berechnung gewährleistet mithin allein die von der Beklagten gewählte Methode. Diese hat das BSG - in allerdings anderem Zusammenhang - auch schon für rechtmäßig erachtet. Mit Urteil vom 24. August 1978 - 5 RKn 1/77 - aaO würde für den Übergang einer Rente nach § 183 Abs 3 Satz 2 RVO auf die Krankenkasse entschieden, daß deren Forderung entsprechend dem Anteil an den tatsächlichen Tagen des Kalendermonats zu ermitteln sei und nicht - pauschaliert - stets auf der Basis von 30 Kalendertagen. Dem hat sich der 3. Senat angeschlossen (Urteil vom 16. November 1978 - 3 RK 10/77 - = SozR 2200 § 183 RVO Nr 17; so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 2, Stand September 1970, S 396 m). Dabei sind beide Senate davon ausgegangen, daß der Versicherungsträger, wenn er dem Versicherten Rente nur für den Teil eines Kalendermonats zu zahlen hat, den Zahlbetrag anhand der tatsächlichen Tage dieses Monats errechnen muß.
Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift stehen dem nicht entgegen. § 1268 Abs 5 RVO wurde durch das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArbVNG) vom 23.2.1957 (BGBl I S 45, 58) geschaffen, und zwar in Anlehnung an den damals geltenden § 122 Abs 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) (vgl BSG vom 20. Dezember 1963 - 12 RJ 534/61 - SozR Nr 4 zu § 1268 RVO Bl Aa 4). Danach erhielt der überlebende Ehegatte für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate als Sterbegeld die Dienstbezüge des Verstorbenen. Zweck dieser Regelung war, dem hinterbliebenen Ehegatten die mit der letzten Krankheit des Verstorbenen und dem Todesfall verbundenen Aufwendungen zu einem Teil abzunehmen und ihm die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse finanziell zu erleichtern (vgl BSG aaO unter Hinweis auf Fischbach, BBG, 2. Aufl, I zu § 122 Abs 1 BBG).
Da den Erben eines verstorbenen Beamten nach § 121 Abs 1 BBG aF für den Sterbemonat dessen Dienstbezüge verblieben, entsprach dies dem in der RVO geregelten Fall, daß der Versicherte bereits vor seinem Tode Rente bezog. Nach § 1294 RVO wird dann die Rente für den ganzen Sterbemonat gezahlt, und die Witwenrente beginnt nach § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO erst mit dessen Ablauf, so daß bei der Auszahlung dreier Monatsrenten im Sterbevierteljahr keine Quotelung nach Tagen in Betracht kommt. Das gleiche galt für die Zeit vor dem 1.1.1968, als nach § 1290 Abs 1 Satz 1 aF RVO alle Renten grundsätzlich vom Beginn des Monats an zu gewähren waren, in dem sich ihre Voraussetzungen erfüllten. Seine heutige Fassung erhielt § 1290 Abs 1 RVO erst durch Art 1 § 1 Nr 25a FinanzÄndG vom 21.12.1967 (BGBl I S 1259). Mit dem Hinausschieben des Rentenbeginns um einen Monat wollte der Gesetzgeber finanzielle Verluste der Rentenversicherung ausgleichen. Nur bei Hinterbliebenenrenten ließ er - wenn der Versicherte keine Rente bezogen hatte - ausnahmsweise die Zahlung bereits mit dem Todestag beginnen (vgl schriftl. Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestags über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des FinanzÄndG 1967 zu BT-Drucks V 2341, S 7). Wie die Rente dann zu berechnen ist, ergeben die Materialien allerdings nicht.
Dem gesetzgeberischen Ziel, der Witwe die mit dem Tode des Versicherten verbundenen Aufwendungen sowie die finanzielle Umstellung zu erleichtern, läuft die von der Beklagten gehandhabte Berechnungsmethode jedenfalls nicht zuwider. Zwar ergeben sich, berechnet man die Witwenrente im Sterbevierteljahr für Teilmonate in 30teln, 31teln, 29teln oder 28teln, in bestimmten Fällen Abweichungen im Vergleich zu dem Betrag dreier voller Monatsrenten dahin, daß die Witwe teils einen Mehr-, teils einen Minderbetrag erhält, je nachdem, in welchem Monat das Sterbevierteljahr beginnt. Andererseits entspricht es aber der Unterhaltsersatzfunktion der Rente, wenn beim Monatsteilbetrag entsprechend den tatsächlichen Tagen, auf die die Rente im Verhältnis zum vollen "konkreten" Kalendermonat entfällt, aufgeteilt wird (vgl SozR 2200 § 183 Nr 16 S. 39, aaO Nr 17 S. 42). Im übrigen ist die abweichende Summe stets geringfügig (bei der Klägerin zB 64,- DM bei einem Gesamtbetrag von 3.759,30 DM).
Die vorbezeichnete Berechnungsweise enthält auch - entgegen der Auffassung des LSG - keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 des Grundgesetzes - GG -), wie ihn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu § 1268 Abs 5 RVO idF des ArVNG im Beschluß vom 8.3.1973 - 1 BvR 674/70 - (BVerfGE 32, 365, 371, 372) konkretisiert hat. Dort ist § 1268 Abs 5 RVO aF insoweit für verfassungswidrig erklärt, als der Witwe eines Versicherten, dem vor seinem Tode Rente wegen Berufsunfähigkeit zustand, in jedem Fall nur die Berufsunfähigkeitsrente gewährt wurde, während die Witwe eines Versicherten, dem vor seinem Tode Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zustand, die Witwenrente in dieser Höhe erhielt. In der Begründung hat das BVerfG maßgeblich darauf abgehoben, daß die Benachteiligung einer Witwe, deren Ehemann Berufsunfähigkeitsrente bezog und in der Regel zusätzlich gearbeitet habe, dem Gesetzeszweck zuwiderlaufe, der Witwe die Anpassung an die neuen Lebensverhältnisse zu erleichtern. Da der Unterschied zwischen der vollen Versichertenrente und der um ein Drittel niedrigeren Berufsunfähigkeitsrente innerhalb des Sterbevierteljahres eine ganze Monatsrente ausmache, bedeute dies eine mehr als nur geringfügige Ungleichbehandlung. So liegt es aber - wie ausgeführt - bei der hier gegebenen Fallgestaltung gerade nicht.
Nach alledem ist die von der Beklagten gewählte Berechnungsart, die im übrigen mit der Praxis aller Versicherungsträger übereinstimmt, nicht zu beanstanden. Auf ihre Revision hin waren deshalb die Urteile von LSG und SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen