Leitsatz (amtlich)
Die Einkünfte aus dem Beruf als nicht fest besoldeter Fleischbeschauer im Lande Nordrhein-Westfalen gehören zu den im BVG § 33 Abs erwähnten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iS des EStG § 19 Abs 1 Nr 1
Normenkette
BVG § 33 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1956-06-06; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 31. März 1955 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Detmold zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger ist Fleischbeschauer im Landkreis Paderborn. Er erhielt eine Kriegsbeschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. gemäß den Vorschriften der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 21. April 1952 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA.) Soest dem Kläger zwar weiterhin für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an gemäß den §§ 29, 32 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Grund- und Ausgleichsrente nach einer MdE. um 50 v.H. Bei der Bemessung der Ausgleichsrente rechnete es ihm jedoch seine Einnahmen aus der Tätigkeit als Fleischbeschauer in Höhe von monatlich DM 59,-- in voller Höhe unter Berücksichtigung der Einkommensgrenze des § 33 BVG auf die Ausgleichsrente an. Der Beschwerdeausschuß des VersorgA. Soest wies den Einspruch des Klägers mit der Entscheidung vom 16. Juni 1953 zurück. Auf die Berufung des Klägers, die mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SSG) am 1. Januar 1954 gemäß § 215 Abs. 2 dieses Gesetzes als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Detmold übergegangen war, änderte dieses mit Urteil vom 31. März 1955 den Bescheid vom 21. April 1952 dahin ab, daß die Ausgleichsrente nach dem Einkommen des Klägers von monatlich DM 59,-- abzüglich des Sozialversicherungsbeitrages zu berechnen ist. Insoweit hob es auch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16. Juni 1953 auf.
Das SG. gab dem Begehren des Klägers, seine Einnahmen aus der Tätigkeit als Fleischbeschauer als Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen und dieses Einkommen erst nach Abzug des in § 33 Abs. 2 Satz 2 BVG bestimmten Freibetrages bei der Gewährung der Ausgleichsrente zu berücksichtigen, nicht statt. Es führt in der Urteilsbegründung aus, daß nach der Rechtsstellung der Fleischbeschauer - unbeschadet der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung - ein Arbeitsverhältnis weder zum Staat oder einem anderen öffentlichen Dienstherrn noch zu dem einzelnen Tierbesitzer bestehe. Es könne sich also bei der Beschäftigung der Fleischbeschauer nicht um eine nichtselbständige Tätigkeit handeln. Die Definition der nichtselbständigen Arbeit sei dem § 33 BVG zu entnehmen, der auf § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verweist. Es komme deswegen darauf an, ob der Kläger lohn- oder einkommensteuerpflichtig sei. Da von dem Einkommen des Klägers Lohnsteuer nicht abgeführt werde, bestehe keine Veranlassung, von der Auffassung der Finanzämter abzuweichen, die zur Entscheidung über Steuerfragen berufen sind.
Das SG. ließ die Berufung zu.
Gegen das am 9. Juli 1955 zugestellte Urteil hat der Kläger Sprungrevision eingelegt. Die Revisionsschrift nebst der schriftlichen Einwilligungserklärung des Beklagten ist am 5. August 1955 eingegangen. Sie enthält den Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils sowie des Bescheides des VersorgA. Soest vom 21. April 1952 den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen, dem Kläger eine Ausgleichsrente unter Berücksichtigung seines Einkommens als Fleischbeschauer als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit zu gewähren.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch hilfsweise beantragt, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG. Detmold zurückzuverweisen.
Die Revisionsbegründungsschrift ist am 28. September 1955 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangen, nachdem die Frist zur Begründung der Revision gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 SGG bis zum 9. Oktober 1955 verlängert worden war.
Der Kläger rügt eine Verletzung des § 33 Abs. 2 BVG. Er ist der Ansicht, daß sein Einkommen als Fleischbeschauer Einkommen aus unselbständiger Arbeit ist. Er begründet seine Ansicht damit, daß die Fleischbeschauer wie andere Angestellte des öffentlichen Dienstes in bestimmten Rechtsbeziehungen zum Lande stehen. Diese Ansicht werde auch in verschiedenen ministeriellen Runderlassen oder Schreiben und gerichtlichen Entscheidungen vertreten, in denen die Fleischbeschauer als Arbeitnehmer bezeichnet sind oder in denen gesagt ist, daß sie in einem beamtenähnlichen, öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er stützt seine gegenteilige Ansicht darauf, daß nach wiederholt erteilten Auskünften der Finanzämter die Fleischbeschauer zur Einkommensteuer gemäß § 18 EStG veranlagt werden. Das Einkommen der Fleischbeschauer zähle daher nicht zu den Einkommensarten nach § 19 Nr. 1 EStG, so daß von diesem Einkommen auch nicht der in § 33 Abs. 2 Satz 3 BVG bestimmte Freibetrag bei der Berechnung der Ausgleichsrente außer Ansatz bleiben könne.
Die Sprungrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG). Sie ist nach § 161 Abs. 1 SGG statthaft, da das SG. die Berufung gegen sein Urteil, das die Höhe der Ausgleichsrente betrifft (§ 148 Nr. 3 SGG), zugelassen (§ 150 Nr. 1 SGG) und der Kläger die schriftliche Einwilligungserklärung des Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision der Revisionsschrift beigefügt hat. Die Revision ist auch begründet.
Der Kläger rügt mit Recht eine Verletzung des § 33 Abs. 2 BVG durch das SG. Die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Fleischbeschauer sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Das SG. durfte deshalb diese Einkünfte des Klägers nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit ansehen und sie ohne Abzug des im § 33 Abs. 2 Satz 3 BVG bestimmten Freibetrages der Berechnung der Ausgleichsrente zugrunde legen.
Das BVG hat im § 33 Abs. 2 - und zwar unbeschadet des Umstandes, daß diese Vorschrift durch die 3. und 5. Novelle zum BVG teilweise geändert worden ist - bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets einen monatlichen Freibetrag und Teile des darüber hinausgehenden Betrages von der Anrechnung als Einkommen bei der Berechnung der Ausgleichsrente ausgenommen. Solche Einkünfte sind "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG". Dabei ist es rechtlich bedeutungslos, daß diese Bezugnahme auf Nr. 1 des § 19 Abs. 1 EStG - deren Wortlaut seit dem Inkrafttreten des BVG unverändert geblieben ist - in der bis zum 31. Dezember 1954 geltenden Fassung des § 33 Abs. 2 BVG nur in Klammern hinter den Worten "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" enthalten war, dagegen in der vom 1. Januar 1955 - auf Grund der Dritten Novelle - geltenden Fassung des § 33 Abs. 2 BVG unmittelbar in den Wortlaut des Gesetzes aufgenommen worden ist.
Der § 33 Abs. 2 BVG bestimmt die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem entsprechenden steuerrechtlichen Begriff.
Die Bezugnahme des BVG auf § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG bedeutet aber nicht, daß, wie der Beklagte meint, für die Entscheidung der Frage, ob Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen, die Entscheidung der zuständigen Steuerbehörde verbindlich ist. Der Wortlaut des Gesetzes bietet für diese Auffassung keinen Anhalt. Ebenso wie andere Gesetze gelegentlich Begriffe aus einem anderen Rechtsgebiet verwenden, bedient sich auch das BVG im § 33 Abs. 2 eines Begriffs aus einem anderen Rechtsgebiet, ohne damit aber die Entscheidung darüber, ob die tatsächlichen Voraussetzungen die Anwendung dieses Begriffs rechtfertigen, denjenigen Verwaltungsbehörden oder Gerichten zu übertragen, die in erster Linie berufen sind, auf jenem anderen Rechtsgebiet diesen Begriff anzuwenden und auszulegen. Sicher ist es wünschenswert, daß gleiche Begriffe auf den verschiedenen Rechtsgebieten gleich ausgelegt werden. Trotzdem müssen die Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung wie die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, wenn sie beim Vollzug des BVG einen steuerrechtlichen Begriff anzuwenden haben, selbständig beurteilen, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der steuerrechtlichen Norm erfüllt sind, (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 11 IV S. 47 ff. und Forsthoff, Lehrbuch des Verw. Rechts, 6. Aufl., § 6 Abschnitt 1 S. 88 ff [S. 91, 92]). Im vorliegenden Fall war daher vom SG. unbeschadet dessen, daß das zuständige Finanzamt die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Fleischbeschauer nicht für lohnsteuerpflichtig nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehalten hat, selbständig zu prüfen und zu entscheiden, ob es sich um Einkünfte dieser Art beim Kläger handelt. Insoweit ist dem SG. ein Rechtsirrtum bei der Auslegung des § 33 Abs. 2 BVG, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht unterlaufen. Es ist zwar bei der Auslegung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu dem gleichen Ergebnis wie die zuständige Steuerbehörde gekommen, hat aber die Frage, ob die Einkünfte des Klägers als Fleischbeschauer Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift sind, selbständig geprüft und entschieden.
Der Entscheidung selbst konnte der Senat jedoch nicht zustimmen. Entgegen der Auffassung des SG. gehören die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als nicht fest besoldeter Fleischbeschauer im Lande Nordrhein-Westfalen zu den Einkünften nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es handelt sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die als Bezüge für eine Tätigkeit im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.
Dem § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob für die Einordnung von Einkünften unter diese Vorschrift zwei Voraussetzungen gegeben sein müssen, nämlich daß die Einkünfte auf nichtselbständiger Arbeit beruhen und daß sie zudem als Gehälter oder Bezüge für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, oder ob es sich bei dieser Vorschrift nur um eine Erläuterung zu § 2 Abs. 3 Nr. 4 EStG handelt (so Blümich - Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 2 Anm. 9). Bei dieser letztgenannten Auffassung würde es sich schon dann ohne weitere Prüfung immer um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handeln, wenn diese als Gehälter und Bezüge für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Wenngleich der Wortlaut des Gesetzes für die letztgenannte Auffassung spricht, so folgt die steuerrechtliche Praxis auch der anderen Auffassung. Die Einkünfte der Fleischbeschauer werden teils deswegen nicht als Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen, weil sie angeblich nicht aus nichtselbständiger Arbeit herrühren, teils deswegen nicht, weil es sich angeblich nicht um Bezüge handelt, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden (vgl. Rundschau für Fleischbeschauer und Trichinenschauer 1954 S. 24, "Die verworrene arbeits- und steuerrechtliche Lage des nebenberuflich tätigen Beschauerstandes"). Im vorliegenden Fall kann diese Frage aber dahingestellt bleiben; denn die Tätigkeit des Klägers beruht auf nichtselbständiger Arbeit, zudem werden seine Bezüge auch für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt.
Weder das BVG noch das EStG bestimmen, was unter nichtselbständiger Arbeit zu verstehen ist. Einen gewissen Hinweis gibt § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung vom 1. September 1951 (BGBl. I S. 791), der als wesentliches Merkmal einer nicht-selbständigen Arbeit den Umstand ansieht, daß die betreffende Tätigkeit nach Weisung ausgeübt werden muß. Auch im Arbeitsrecht und im Recht der Sozialversicherung wird die Frage, ob eine Tätigkeit in einem abhängigen Verhältnis - d.h. nichtselbständig - ausgeübt wird, wesentlich danach beurteilt, ob bezüglich der Tätigkeit einem anderen ein Weisungsrecht - dort meist Direktionsrecht - genannt - zusteht (Bogs, Beiträge zur Versicherungswissenschaft - Festgabe für Walter Rohrbeck, - Berlin 1955, S. 14/15; Dersch, Gegenwartsfragen sozialer Versicherung, Heidelberg 1950, S. 43 ff.; Dersch, Recht der Arbeit, 1950, S. 321; RVA. in An. 1931 Nr. 4036, AN. 1936 Nr. 4957; EuM. 28 Nr. 194; LAG. Bremen in Arbeit und Recht, 1956, S. 222). Gemessen an dem auch vom Steuergesetzgeber selbst angeführten Weisungsrecht und an den sonstigen Vorschriften und Bestimmungen, welche die Tätigkeit der Fleischbeschauer fest umgrenzen und einschränken, muß die Tätigkeit des Klägers als Fleischbeschauer als eine nichtselbständige Arbeit angesehen werden.
Von einer freien und selbständigen Gestaltung und Entfaltung seiner Tätigkeit kann nach diesen Vorschriften und Bestimmungen, welche sich auf die persönlichen Verhältnisse der Fleischbeschauer beziehen, nicht mehr gesprochen werden. So werden die Fleischbeschauer für einen bestimmten Bezirk bestellt (§ 4 Fleischbeschaugesetz v. 29.10.1940 - RGBl. I S. 1463 = FlBG, §§ 3, 4, 16 der VO über die Durchführung des FlBG v. 1.11.1940 - RMBl. i.V. 1940 S. 289 = DVO-FlBG). Sie führen polizeiliche Aufgaben durch und üben Hoheitsbefugnisse aus (§§ 7, 8 FlBG, §§ 7, 31 Abs. 2 DVO-FlBG). Gegen ihre Maßnahmen war schon früher, ehe Verwaltungsgerichtsordnungen allgemein den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten eröffneten, wenigstens die Beschwerde gegeben (§ 18 Preuß.Ausf.Ges. v. 28.6.1902 - GS. S. 229 und § 68 Preuß.Ausf.Bestimmungen v. 20.3.1903 - Preuß.MBl.i.V. S. 56). Für sie gelten Kündigungsvorschriften; ihr Dienstverhältnis endet mit dem Ablauf des Monats, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollenden (§ 11 DVO-FlBG). Die Ausübung ihrer Tätigkeit kann zeitlich beschränkt werden (§ 17 DVO-FlBG, § 24 Preuß.Ausf.Bestimmungen v. 20.3.1903 i.d.F. des Rd.Erl. v. 9.6.1933 - Preuß.MBl. i.V. Teil II S. 246). Sie sind grundsätzlich verpflichtet, den an sie ergehenden Anforderungen der Tierbesitzer zur Ausübung ihres Amts Folge zu leisten (§ 23 Preuß.Ausf.Bestimmungen v. 20.3.1903).
All diese Regelungen, die in ihrer Gesamtheit für die Unselbständigkeit der Fleischbeschauer sprechen, erhalten ihr besonderes Gepräge noch durch folgende Merkmale. Die Fleischbeschauer unterstehen in fachlicher und sonstiger Beziehung hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit einer Dienstaufsicht (§ 20 Abs. 1 DVO-FlBG) und sind wegen ihrer amtlichen Stellung und Unterstellung nach allgemeinen Grundsätzen einem Weisungsrecht sowohl hinsichtlich der Zweckmäßigkeit als auch der Rechtmäßigkeit ihrer Tätigkeit unterworfen. Gegen sie sind Disziplinarmaßnahmen möglich (§ 20 Abs. 2 DVO-FlBG). Für sie gilt, soweit es sich, wie beim Kläger nicht um beamtete, fest besoldete und hauptberuflich dauernd vollbeschäftigte Fleischbeschauer handelt, eine Dienstordnung, nach der wiederum die wichtigsten allgemeinen Bestimmungen der ATO (§§ 3 bis 6) über Gehorsamspflicht, Schweigepflicht und Annahme von Geschenken gelten (Nr. 3 des RdErl. des RMdJ v. 21.4.1943 i.V. mit Nr. 2 der Anlage zu diesem RdErl. = Dienstordnung für Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer v. 21.4.1943 - RMBl. i.V. S. 710 ff.). Diese Vorschriften begrenzen die Tätigkeit des Klägers persönlich so fest, daß sie sich gegenüber der Tätigkeit eines beamteten oder eines durch privaten Vertrag angestellten Fleischbeschauers in keiner Weise durch eine größere Freiheit abzeichnet.
Hiervon abgesehen deuten auch alle Vorschriften, welche die wirtschaftliche Seite der Tätigkeit des Klägers regeln, auf dessen Unselbständigkeit hin. Die Fleischbeschauer sind nicht frei in der Gestaltung der Forderungen aus ihrer Tätigkeit, sondern sind an Tarife gebunden (§ 14 Abs. 2 des Preuß.Ausf.Gesetzes v. 28.6.1902 - i.d.F. des Preuß. Gesetzes v. 18.5.1933, GS. S. 185) und erhalten, soweit sie wie der Kläger nicht fest besoldet sind, Gebührenanteile (Gebührenordnung für die Schlachtvieh- und Fleischbeschau v. 9.6.1933 - Preuß.MBl. i.V., Teil II S. 261 i.d.F. der VO zur Änderung der Gebührenordnung v. 3.9.1951 - GVOBl. NRW S. 119 - und § 65 der Preuß.Ausf.Bestimmungen i.d.F. des Rd.Erl. v. 9.6.1933 - diese wiederum i.d.F. der VO zur Änderung des § 65 der Preuß.Ausf.Bestimmungen v. 1.8.1952 - GVOBl. NRW S. 171). Besonders wird die Unselbständigkeit der Fleischbeschauer in wirtschaftlicher Beziehung daran sichtbar, daß die Forderung aus ihrer Tätigkeit gar nicht in ihrer Person entsteht, sondern als Gebühr der Staatskasse zusteht und gegebenenfalls im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden kann (§§ 14 Abs. 2, 16 des Preuß.Ausf.Ges. v. 28.6.1902 - i.d.F. des Preuß.Änd.Ges. v. 18.5.1933 - und Rd. Erl. des MdJ v. 9.6.1933 betr. Abrechnungsverfahren - Preuß. MBl. i.V. Teil II S. 263).
Für die Unselbständigkeit der Tätigkeit der Fleischbeschauer, die gleich dem Kläger der Dienstordnung vom 21. April 1943 unterworfen sind, spricht ferner, daß sie eines Urlaubs bedürfen, falls sie ihre Tätigkeit eine zeitlang nicht ausüben wollen, und daß sie bei Krankheit die Dienstbezüge in Höhe der Einnahmen ihres Vertreters bis zur Dauer von drei Tagen fortgezahlt erhalten (Nr. 3 u. 4 der DO. v. 21.4.1943 - RMBl. i.V. 1943 S. 711). Schließlich spricht für die Unselbständigkeit der Fleischbeschauer, daß sie nach den die sozialversicherungsrechtliche Seite ihrer Tätigkeit regelnden Vorschriften und Bestimmungen wie die unselbständigen Tätigen behandelt werden. Es wird in diesem Zusammenhang von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung, von ihrer Angestelltenversicherungspflicht und von ihrer Zusatzversicherungspflicht gesprochen, und zwar unabhängig davon, welche besondere Rechtsstellung die Fleischbeschauer im Einzelfall einnehmen, und unabhängig davon, ob im Einzelfall aus besonderen Gründen eine Versicherungspflicht nicht besteht (§ 63 Abs. 1 Ziff. d der Preuß.Ausf.Bestimmungen i.d.F. des Rd.Erl. v. 9.6.1933, - Abs. 15 des Rd.Erl. v. 9.6.1933 betr. das Abrechnungsverfahren, - Rd.Erl. v. 9.6.1933 betr. zusätzl.Alters- und Hinterbliebenenversorgung - Preuß. MBl. i.V. Teil II S. 288). Hinzu kommt, daß auch von Seiten der Sozialversicherung die Fleischbeschauer unabhängig von der Art ihrer Entlohnung grundsätzlich für versicherungspflichtig, und zwar, was die Rentenversicherungspflicht angeht, für angestelltenversicherungspflichtig angesehen worden sind (Abschn. XVIII der Bestimmung von Berufsgruppen v. 8.3.1924 - RGBl. I S. 274 -, RVA. in AN. 1905 Nr. 1207, 1907 Nr. 1328, 1911 Nr. 2501, 1917 Nr. 2388, EuM. 13 Nr. 106, 17 Nr. 152, 26 Nr. 65, 29 Nr. 84, 30 Nr. 142, 36 Nr. 71). Diesem Umstand kommt um so mehr Bedeutung zu, als entscheidend für die Frage der Versicherungspflicht das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist, und dieses wiederum nur vorliegt, wenn abhängige Arbeit geleistet wird. Dabei kann für den vorliegenden Fall die Streitfrage unerörtert bleiben, ob die Abhängigkeit nur in persönlicher oder auch in wirtschaftlicher Beziehung bestehen muß (Bogs a.a.O. und Dersch a.a.O.). Die Tätigkeit als Fleischbeschauer ist jedenfalls, wie vorher ausgeführt wurde, in beiden Beziehungen abhängig, so daß folgerichtig auch die Einkünfte des Klägers - wie der Fleischbeschauer überhaupt - grundsätzlich und allgemein als versicherungspflichtig angesehen worden sind.
Aber nicht nur auf dem Gebiet der Sozialversicherung, sondern auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist die Tätigkeit der Fleischbeschauer als eine in einem Arbeitsverhältnis verrichtete, nichtselbständige Tätigkeit angesehen worden, weil für das Bestehen eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses auch die Abhängigkeit der verrichteten Tätigkeit von der Direktionsgewalt Dritter ausschlaggebend ist (RAG. in EuM. 38 S. 307, RAG. 25 S. 188, 26 S. 275). Die Tätigkeit des Klägers als nicht fest besoldeter Fleischbeschauer im Lande Nordrhein-Westfalen ist daher als eine nichtselbständige Tätigkeit anzusehen.
Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit sind aber auch Bezüge, "die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst geleistet werden" (Nr. 1 des § 19 Abs. 1 EStG). Ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine Tätigkeit im privaten Dienst oder im öffentlichen Dienst handelt, kann mit Rücksicht auf den Wortlaut der genannten Vorschrift letztlich dahingestellt bleiben. Das Reichsarbeitsgericht (RAG.) sah die Tätigkeit der Fleischbeschauer (RAG. a.a.O.) als eine in einem privaten - arbeitsrechtlichen - Verhältnis geleistete Tätigkeit an. Auch der Reichstreuhänder für den öffentlichen Dienst spricht in seiner Anordnung vom 17. Dezember 1942 und in der TO vom 17. Februar 1943 (RMBl. i.V. 1943 S. 711/713) in diesem Zusammenhang von einem Privatdienstverhältnis. Auf die gleiche Auffassung deutet ebenfalls die uneingeschränkte Bezeichnung der Fleischbeschauer als Arbeitnehmer im Erlaß vom 9. Juni 1933 über die Zusatzversicherung (Preuß.Mbl. i.V. Teil II S. 288) hin, wenngleich hier offenbar die Fleischbeschauer nur nach ihrer Stellung in der Sozialversicherung angesprochen werden sollten.
Nach neuerer Auffassung, welche auch der Senat teilt, wird die Tätigkeit der Fleischbeschauer in einem öffentlichrechtlichen - beamtenähnlichen - Dienstverhältnis ausgeübt (BGH. in NJW. 57, S. 261, Hess.VGH. in Verwaltungsrechtsprechung 5, Nr. 150, VGH. für Süd-Württemberg-Hohenzollern in Verw.Rechtsprechung 9, Nr. 36 und VGH. Württemberg-Baden in Verw.Rechtsprechung 9 Nr. 148). Wie insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH.) in der erwähnten Entscheidung ausgeführt hat, spricht für den öffentlich-rechtlichen Charakter des Dienstverhältnisses die Art der Bestellung der Fleischbeschauer, die ihnen übertragenen hoheitlichen Befugnisse bei der Durchführung ihrer polizeilichen Aufgaben, die obrigkeitliche Gestaltung ihrer Stellung und Tätigkeit, sowie ihre Einordnung in den behördlichen Verwaltungsapparat. Gleichgültig aber, ob der einen oder anderen Auffassung gefolgt wird, so besteht doch insoweit Einheitlichkeit, daß der Kläger nach beiden Auffassungen die Gebührenanteile aus der Fleischbeschau erhält als "Bezüge, die für die Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit den auf privat-sozialversicherungs- und verwaltungsrechtlichem Gebiet maßgeblichen Anschauungen über die Nichtselbständigkeit der Tätigkeit der Fleischbeschauer der Ansicht, daß auch die Einkünfte des Klägers aus seinem Beruf als nicht fest besoldeter Fleischbeschauer im Lande Nordrhein-Westfalen zu den im § 33 Abs. 2 Satz 3 BVG erwähnten Einkünften als nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören.
Die Finanzbehörden und Finanzgerichte haben zwar bisher überwiegend die Tätigkeit der Fleischbeschauer als eine selbständige angesehen und deren Gebühreneinnahmen für umsatzsteuerpflichtig (RFH. 23 S. 189, 41 S. 315, Umsatzsteuerrundschau 1955 S. 191 zum Erl. des BdF. v. 21.7.1955 und Umsatzsteuerrundschau 1956 S. 54 zum Erl. des BdF. v. 31.1.1956) und für gewerbesteuerpflichtig (RFH. 38 S. 104) gehalten. Diese steuerrechtliche Übung konnte den Senat jedoch nicht veranlassen, seine Auffassung zu ändern. Wenn die Umsatzsteuerpflicht von den Finanzbehörden und Finanzgerichten im wesentlichen damit begründet wird, daß die Fleischbeschauer nicht in einem Angestellten-, Beamten- oder beamtenähnlichen Verhältnis stünden, so kann der Senat insoweit dieser Begründung nach den vorstehenden Ausführungen nicht folgen. Im übrigen hat der Bundesfinanzhof (BFH.) die früher vom Reichsfinanzhof vertretene Ansicht zur Umsatzsteuerpflicht der Fleischbeschauer aufgegeben. In seiner Entscheidung vom 4. Juli 1957 - Az. V 201/56 - führt der BFH. aus, daß die Ansicht eines Finanzgerichts, wonach die Tätigkeit eines Fleischbeschauers unselbständig ist, nicht rechtsirrig sei, auch wenn in diesem Fall wegen der Geringfügigkeit der Fleischbeschautätigkeit kein formeller Angestelltenvertrag mit dem Beschauer abgeschlossen worden war.
Desgleichen kann der Senat nicht der Ansicht folgen, daß es sich bei der Tätigkeit des Fleischbeschauers um die Ausübung eines Gewerbes handelt (so Triepl , Festschrift für Karl Binding, Leipzig, 1911, S. 60, und Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, 1952, § 36 Anm. 5 - der lediglich erwähnt, daß Fleischbeschauer bisweilen zu den Gewerbetreibenden gerechnet werden). Das würde bedeuten, daß deren Einkünfte - mithin auch die des Klägers - nicht als Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern als Einkünfte im Sinne des § 15 EStG anzusehen sind. Abgesehen davon, daß bereits die unselbständige Ausübung der Tätigkeit der Fleischbeschauer deren Einordnung in die Gruppe der Gewerbetreibenden widerspricht (Landmann-Rohmer, § 36 Anm. 7), können die Fleischbeschauer schon deshalb kein Gewerbe ausüben, weil als Gewerbe nicht der öffentliche Dienst gilt (Landmann-Rohmer, Einl. Anm. 6 I 2 d S. 38). Die Tätigkeit der Fleischbeschauer wird aber im öffentlichen Dienst, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Durchführung einer polizeilichen Aufgabe ausgeübt.
Das SG. hat daher zu Unrecht das Einkommen des Klägers aus der Fleischbeschau ohne Abzug des in Satz 3 des § 33 Abs. 2 BVG bestimmten Freibetrages bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Berechnung der Ausgleichsrente zugrunde gelegt. Damit hat es den § 33 Abs. 2 BVG unrichtig angewandt.
Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben werden.
Dem Senat erschien es untunlich, in der Sache selbst zu entscheiden, da Feststellungen über die Höhe des Einkommens des Klägers für die Zeit nach Erlaß des angefochtenen Urteils fehlen und daher nicht gewiß ist, ob überhaupt eine Ausgleichsrente von zeitlich unbegrenzter Dauer - selbst unter Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 BVG - zugesprochen werden kann. Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG. Detmold zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2336733 |
BSGE, 271 |