Leitsatz (redaktionell)
Obwohl trotz unterschiedlicher Ausschlußfristen für Wintergeld- und Schlechtwettergeldanträge beide Leistungen auf einem Formblatt beantragt werden konnten, durfte sich die BA auf die Versäumung der Ausschlußfrist nach AFG § 81 Abs 3 in der vor dem 1976-01-01 geltenden Fassung berufen, wenn sie rechtzeitig durch die "Anleitung zur Ausfüllung..." oder Rundschreiben das ihre getan hat, die Baubetriebe vor einer Versäumung der Frist zu bewahren.
Normenkette
AFG § 81 Abs. 3 Fassung: 1972-05-19, § 88 Abs. 2 Fassung: 1972-05-19
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 05.11.1975; Aktenzeichen L 12 Ar 69/74) |
SG Detmold (Entscheidung vom 09.04.1974; Aktenzeichen S 12 Ar 122/73) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1975 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Wintergeld (WG).
Die Klägerin betreibt ein Fernmeldebauunternehmen. Für die Förderungszeit 1972/73 (16. Dezember 1972 bis 15. März 1973) beantragte sie WG. Der Antrag ging am 29. Juni 1973 beim Arbeitsamt Detmold ein. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die gem. § 81 Abs. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu wahrende Drei-Monats-Frist zur Abrechnung des WG sei am 15. Juni 1973 abgelaufen (Bescheid vom 12. Juli 1973; Widerspruchsbescheid vom 20. September 1973). Die Klägerin war nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) rechtzeitig in den Besitz des "Merkblattes über die Winterbauförderung" sowie der "Anleitung zur Ausfüllung der Anträge auf Mehrkostenzuschuß (MKZ) und WG/Schlechtwettergeld (SWG)" gelangt. In der "Anleitung zur Ausfüllung der Anträge auf MKZ und WG/SWG" hieß es unter C 12: "Das WG/SWG wird nur auf Antrag gewährt. Für beide Leistungsarten ist aus Vereinfachungsgründen ein Antragsvordruck vorgesehen. Dieser ist vom Arbeitgeber unter Beifügung der Stellungnahme der Betriebsvertretung (Betriebsrat) spätestens bis 15. Juni bei dem Arbeitsamt einzureichen, in dessen Bezirk die für die Baustelle zuständige Lohnstelle des Betriebes liegt. Sollte nur ein Antrag auf SWG gestellt werden, so kann der Antragsvordruck bis 30. Juni eingereicht werden. Da es sich bei den genannten Fristen um Ausschlußfristen handelt, können WG/SWG nicht mehr gewährt werden, wenn die Anträge nach dem 15. bzw. 30. Juni beim Arbeitsamt eingehen". Die Klägerin hatte auch ein Schreiben des Arbeitsamtes Detmold vom 7. Juni 1973 erhalten, das an alle Bauunternehmen im Bezirk des Arbeitsamtes Detmold gerichtet war und in dem das Arbeitsamt mit folgenden Worten auf den Ablauf der Fristen hingewiesen hatte: "Am 15. März 1973 endete die Förderungszeit und am 31. März 1973 die Schlechtwetterzeit 1972/73. Die Anträge auf Auszahlung der MKZ, des WG und des SWG müssen gemäß § 81 Abs. 2 und 3 bzw. 88 Abs. 2 AFG vom Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Förderungs- bzw. Schlechtwetterzeit beim zuständigen Arbeitsamt eingereicht werden. Hiernach enden diese Fristen am 15. Juni 1973 für die Beantragung der Mehrkostenzuschüsse und des WG und am 30. Juni 1973 für die Beantragung des SWG ... Anträge, die nach diesem Zeitpunkt eingehen, können nicht mehr berücksichtigt werden."
Verantwortlich für die Einreichung der Anträge auf WG war bei der Klägerin deren Lohnbuchhalter P, der bereits 20 Jahre in der Firma tätig war. Der Geschäftsführer der Klägerin sah wegen der Zuverlässigkeit des Lohnbuchhalters keine Veranlassung, die Fristwahrung selbst zu überwachen. Wegen der Höhe der ausstehenden Beträge fragte er lediglich hin und wieder bei dem Lohnbuchhalter an, ob dieser die Frist gewahrt habe. Das Schreiben der Klägerin vom 7. Juni 1973 wurde bei der Klägerin zunächst deren Geschäftsführer vorgelegt. Er pflegt Schriftstücke, die Termine erhalten, mit einem gut sichtbaren "T" zu kennzeichnen. Das Schreiben vom 7. Juni 1973 war jedoch schon rein äußerlich als eine Art Drucksache erkennbar, so daß er es für weniger wichtig hielt und ungeöffnet passieren ließ. Auch der Lohnbuchhalter P, an den das Schriftstück danach gelangte, überprüfte das Schreiben vom 7. Juni 1973 zunächst nicht, weil es schon äußerlich als vervielfachter Rundbrief erkennbar war. Er nahm von seinem Inhalt erst Kenntnis, als die Frist vom 15. Juni 1973 bereits verstrichen war.
Die Beklagte sandte am 9. August 1973 ein Rundschreiben an alle Landesarbeitsämter und Arbeitsämter, in dem sie ausführte, daß die unterschiedlichen Ausschlußfristen für WG und SWG und die Zusammenfassung der Anträge für beide Leistungen in einem Antragsvordruck in mehreren Fällen dazu geführt hätten, daß Anträge auf WG nach dem 15. 6. gestellt worden seien, obwohl die Merkblätter auf die verschiedenen Ausschlußfristen aufmerksam machten. Die neue Regelung der Winterbauförderung habe grundsätzliche Änderungen gegenüber den bisherigen Vorschriften gebracht, deren Einzelheiten verständlicherweise nicht bereits im ersten Jahr den Arbeitgebern des Baugewerbes bekannt seien. Darüber hinaus hätten nicht alle Arbeitgeber des Baugewerbes nach dem Ende der Förderungszeit nochmals unmißverständlich auf den unterschiedlichen Ablauf der Ausschlußfristen für WG und SWG hingewiesen. Da aus den geschilderten Gründen die Berufung auf die Ausschlußfrist wegen der besonderen Umstände in der ersten Schlechtwetter- bzw. Förderungszeit nach Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes zum AFG möglicherweise den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht entsprechen würde, beständen keine Bedenken, Anträge auf WG "in diesem Jahr ausnahmsweise" als rechtzeitig gestellt anzusehen, wenn sie nach dem 15. 6., aber spätestens am 2. 7. 1973 (der 30. Juni war ein Samstag, der 1. Juli 1973 ein Sonntag) beim Arbeitsamt eingegangen seien. Diese Ausnahmeregelung gelte nicht für die Fälle, in denen das Arbeitsamt die Arbeitgeber des Baugewerbes nach dem Ende der Förderungszeit aber rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlußfrist eindeutig (z.B. durch Rundschreiben, das den Arbeitgebern zugesandt worden sei) auf den unterschiedlichen Ablauf der Ausschlußfristen für WG und SWG hingewiesen habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. April 1974). Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 5. November 1975 zurückgewiesen und ausgeführt:
Die Antragsfrist gem. § 81 Abs. 3 AFG sei versäumt. Da es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist handele, sei mit dem Ablauf der Frist der Anspruch der Klägerin verloren gegangen. Zwar trete ein Rechtsverlust bei Fristversäumnis dann nicht ein, wenn die sachliche Berechtigung des verspätet geltend gemachten Anspruchs außer Zweifel stehe und wenn die Berufung des Versicherungsträgers auf den Ablauf der Frist mit deren gesetzgeberischen Zweck nicht zu vereinbaren sei. Liege der Zweck der Frist nur darin, den Anspruchsgegner vor unbegründeten Ansprüchen zu schützen, so sei bei zweifelsfreiem Bestehen des Anspruchs die Berufung auf die Frist nicht möglich. Das sei aber anders, wenn die Fristbestimmung, wie auch im vorliegenden Fall, Ordnungscharakter in dem Sinne habe, daß die Anmeldung an eine Frist gebunden sei, um der Verwaltung einen ausreichenden Überblick über den Umfang der auf sie zukommenden finanziellen Last zu ermöglichen.
Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine unzulässige Rechtsausübung deswegen berufen, weil sie durch ihren Vordruck, der gleichermaßen für WG wie SWG gegolten habe, die Antragsteller verwirrt habe. Die in der dazu erfolgten Belehrung von der Beklagten gewählte Formulierung mache nämlich bei sorgfältigem Lesen jedem Antragsteller klar, daß die Frist für die Beantragung des WG bereits am 15. Juni ablaufe. Der Runderlaß der Beklagten vom 9. August 1973 schaffe für die Klägerin ebenfalls keine Rechte, da die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte Antragstellern Nachsicht gewährt habe, bei der Klägerin nicht zugetroffen hätten.
Auch der mit dem Widerspruch der Klägerin erhobene Antrag auf Wiedereinsetzung könne der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Selbst wenn man das Rechtsinstitut für Wiedereinsetzung hier zulassen wollte, müßte eine Wiedereinsetzung abgelehnt werden. Wiedereinsetzung könne nur gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten (§ 67 SGG). Die Klägerin treffe aber ein Verschulden. Denn der von ihr beauftragte Angestellte P sei zwar nicht als ihr Vertreter, sondern als dessen Hilfsperson tätig geworden. Auch den Geschäftsführer der Klägerin treffe aber ein Verschulden. Sein Verschulden müsse der Klägerin zugerechnet werden.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 81 Abs. 3 AFG, des § 67 SGG und des Art. 3 Grundgesetz (GG). Sie trägt vor:
Die Berufung auf den Ablauf der Frist nach § 81 Abs. 3 AFG sei unzulässig. Die Beklagte habe, indem sie sowohl für das WG wie auch für das SWG einen Antragsvordruck vorgesehen habe, es den Antragstellern erschwert zu erkennen, daß für beide Leistungen jeweils verschiedene Ausschlußfristen gegolten hätten. Auch müsse der Klägerin entsprechend ihrem schon mit der Widerspruchsschrift gestellten Antrag Wiedereinsetzung gewährt werden. Wiedereinsetzung sei nicht nur bei der Versäumung prozessualer Fristen möglich, sondern auch bei materiell-rechtlichen Fristen, insbesondere wenn diese von der öffentlichen Hand gesetzt würden. Dem Geschäftsführer der Klägerin als deren gesetzlichen Vertreter treffe kein Verschulden daran, daß die Frist durch den Lohnbuchhalter P nicht eingehalten worden sei. Der Geschäftsführer habe sich auf den Lohnbuchhalter verlassen dürfen.
Auch müsse die Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 GG anderen Antragstellern gleichbehandelt werden, die ihre Anträge nach dem 15. 6., jedoch vor dem 2. 7. 1973 eingereicht hätten und deren Fristversäumung nach dem Rundschreiben der Beklagten vom 9. August 1973 nicht dazu geführt habe, daß sie ihre Ansprüche auf WG verloren hätten.
Zu berücksichtigen sei auch, daß sie - die Klägerin - eine Geschäftsbesorgung für die Beklagte als öffentlich-rechtliche Körperschaft durchgeführt habe, indem sie das WG, das den Arbeitnehmern von der Beklagten zu zahlen sei, für die Beklagte bereits an die Arbeiter ausgezahlt habe. Wenn die öffentliche Hand der Klägerin Aufgaben auferlege, sogar die Vorauszahlung von an sich der öffentlichen Hand obliegenden Leistungen verlange, so sei es ein Gebot der Gerechtigkeit, derartig kurze Fristen nicht dazu zu benutzen, materiell-rechtlich begründete Ansprüche untergehen zu lassen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Detmold vom 9. April 1974 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin WG für die Förderungszeit 1972/73 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf WG hinsichtlich der Zeit vom 16. Dezember 1972 bis 15. März 1973. Es fehlt an einem rechtzeitigen Antrag der Klägerin.
Anzuwenden ist § 81 Abs. 3 in der bis zum Inkrafttreten des Haushaltsstrukturgesetzes (Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes - HStruktG-AFG - vom 18. Dezember 1975 - BGBl. I S. 3113) also in der bis zum 1. Januar 1976 geltenden Fassung. Während nach der neuen Bestimmung die Ausschlußfrist für den Antrag auf WG ebenso wie die Frist für die Beantragung des Mehrkostenzuschusses (§ 81 Abs. 2 Satz 2) und des SWG (§ 88 Abs. 2 Satz 2 AFG) drei Monate nach dem Ende der Schlechtwetterzeit endet, war nach der bisherigen Vorschrift, die im vorliegenden Fall anzuwenden ist, der Antrag auf WG zum Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Förderungszeit zu stellen. Die Förderungszeit reicht vom 16. Dezember bis 15. März, die Schlechtwetterzeit vom 1.November bis 31. März. Im Jahre 1973 endete danach die Frist für die Beantragung des WG am 15. Juni, hingegen erstreckte sich die Frist für die Beantragung des SWG bis zum 1. Juli 1973. Da die Klägerin den Antrag auf WG erst am 29. Juni 1973 gestellt hat, ist der Antrag verspätet. Die rechtzeitige Stellung des Antrages ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Leistungsanspruchs; infolgedessen fehlt es hier an einer Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.
Es stellt keine fehlerhafte Rechtsausübung dar, wenn sich die Beklagte auf den Fristablauf beruft. Das Bundessozialgericht (BSGE 14, 246) hat zwar entschieden, daß die Fristvorschrift des § 58 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz aF - BVG - nicht für Fälle gilt, in denen die Voraussetzungen des verspätet eingelegten Anspruchs zweifelsfrei gegeben sind. Es hat diesen Schluß damit begründet, daß der Sinn des § 58 BVG aF in erster Linie darin liege, die Verwaltung davor zu schützen, daß Ansprüche gegen sie zu einer Zeit erhoben würden, zu welcher der Sachverhalt nur noch unter den größten Schwierigkeiten aufzuklären sei. Dieses Ziel sei aber nicht gefährdet, wenn die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs zweifelsfrei gegeben seien. Die Funktion der Fristvorschrift lasse in diesem Falle nicht zu, sie anzuwenden. Diese Gründe, die zur Nichtbeachtung der Frist des § 58 Abs. 1 BVG aF geführt haben, treffen jedoch auf § 81 Abs. 3 AFG nicht zu. Wie das BSG zu der Antragsfrist für das SWG mehrfach entschieden hat (BSGE 22, 257; SozR Nr.3 zu § 143 l AVAVG; Urteil vom 23. 6. 1976 12/7 RAr 80/74), ist die Frist für die Einreichung der SWG-Anträge eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, deren Sinn nicht allein darin liegt, die Verwaltung davor zu schützen, daß gegen sie Ansprüche erhoben werden, deren Berechtigung sie nur noch schwer nachprüfen kann. Ihre Funktion liegt vielmehr (auch) darin, sicher zu stellen, daß die Beklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Überblick über den Umfang der zu gewährenden Leistungen erhält. Das gilt in gleicher Weise für die Frist, die für die Beantragung des WG gesetzt ist (BSG v. 23. 6. 1976 - 12/7 RAr 35/74).
Der Beklagten ist es auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht verwehrt, sich auf den Fristablauf nach § 81 Abs. 3 AFG zu berufen. Rechtsmißbrauch kann nach dem Grundgedanken von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dann vorliegen, wenn die Einhaltung der Ausschlußfrist für die Verwaltung von geringer Bedeutung ist und ganz erhebliche, langfristig wirksame Interessen des Bürgers auf dem Spiel stehen (BSG vom 26. Mai 1971 - 12/11 RA 118/70 - SozEntsch. X/E Art. 2 § 5 ANVNG Nr. 1 = BeitrR 1971, 340). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Beklagte würde allerdings auch dann rechtsmißbräuchlich handeln, wenn sie der Klägerin die für ihre Arbeitnehmer begehrten WG-Leistungen aus anderen Gründen ohnehin gewähren müßte. Das wäre der Fall, wenn die Klägerin berechtigt wäre zu verlangen, so gestellt zu werden, als wären die Anträge rechtzeitig eingegangen. Ein solcher Anspruch könne gegeben sein, wenn die Beklagte durch die Verletzung einer ihr obliegenden Betreuungspflicht die Versäumung der Ausschlußfrist verursacht hätte (vgl. BSG vom 18. Dezember 1975, 12 RJ 88/75 - und vom 23. Juni 1976 - 12/7 RAr 80/74). Es kann dahinstehen, ob die Beklagte hier als verpflichtet anzusehen war, vor Ablauf der Ausschlußfrist alle diejenigen Bauunternehmer, die noch keine Anträge auf WG gestellt hatten, auf den Fristablauf am 15. Juni 1973 hinzuweisen. Eine derartige Verpflichtung könnte sich allerdings daraus ergeben, daß der unterschiedliche Ablauf der Frist für das WG und das SWG im Jahre 1973 Mißverständnisse bei den Bauunternehmern hervorrufen konnte. Auch die Tatsache, daß beide Anträge in einem Formblatt gestellt werden konnten, war dazu geeignet, die Bauunternehmer zu verwirren. Die Beklagte hat jedoch sowohl durch die Gestaltung der "Anleitung" zur Ausfüllung der Anträge auf MKZ und WG/SWG wie auch durch das noch einmal vor dem 15. März 1973 versandte Belehrungsschreiben das Ihre getan, um die Bauunternehmer vor einer Versäumung der Frist und damit vor Schaden zu bewahren.
Die Klägerin hat auch nicht deshalb einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte sie die Frist auf Beantragung des WG eingehalten, weil es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde, sich ihr gegenüber auf den Ablauf der Frist zu berufen. Wohl hat die Beklagte entsprechend ihrem Rundschreiben vom 9. August 1973 auch noch Anträge auf WG als rechtzeitig angesehen, die bis zum 2. Juni 1973 gestellt waren. Das hat sie jedoch, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nur in solchen Fällen getan, in denen es die Arbeitsämter versäumt hatten, vor dem 15. Juni 1973 noch einmal die Bauunternehmer ausdrücklich auf die Verschiedenheit der Fristen für die Beantragung von WG und SWG hinzuweisen. Die Beklagte mußte in diesen Fällen befürchten, daß ihre Berufung auf den Fristablauf als treuwidrig angesehen würde. Im Falle der Klägerin ist das aber anders. Die Klägerin war, wie sie einräumt, rechtzeitig vor dem 15. Juni 1973 durch ein Rundschreiben des zuständigen Arbeitsamtes noch einmal auf den Ablauf der Frist am 15. Juni 1973 hingewiesen worden.
Der Ablauf der Frist des § 81 Abs. 3 Satz 2 AFG ist auch nicht deshalb für die Klägerin unschädlich, weil ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die Klägerin hat im Widerspruchsverfahren Wiedereinsetzung beantragt. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung hat grundsätzlich die Behörde zu entscheiden, die über die versäumte Handlung zu befinden gehabt hätte (§ 67 Abs. 4 SGG entsprechend; vgl. § 110 Abs. 4 Abgabenordnung 1977, § 86 Abs. 4 Reichsabgabenordnung, § 32 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz). Gegen die Versäumung einer Verwaltungsverfahrensfrist kann aber auch das mit der Sache befaßte Gericht Wiedereinsetzung gewähren (vgl. Urteil des BSG vom 3. November 1976 - 7 RAr 101/75). Es kann hier dahinstehen, ob es gegen die Versäumung der Frist des § 81 Abs. 3 Satz 2 AFG Wiedereinsetzung geben kann. Das BSG hat das zu § 143 1 Abs. 2 AVAVG verneint (BSGE 22, 257) aber auch zu § 81 Abs. 3 AFG (Urteil vom 23. Juni 1976 - 12/7 RAr 35/74). Der heutige § 88 Abs. 3, der für den Antrag auf SWG weiter eine Ausschlußfrist vorsieht, entspricht § 143 1 Abs. 2 AVAVG (so die Begründung zum Entwurf des AFG Drucks. V/2291, S. 75 zu § 73 AFG, der dem heutigen §§ 88 AFG entspricht). Der Antrag auf WG ist dem Antrag auf SWG nachgebildet. In der Rechtsprechung wird grundsätzlich der Standpunkt vertreten, daß eine Wiedereinsetzung bei der Versäumung materiell-rechtlicher Fristen nicht möglich ist (BVerwGE 9, 90; 24, 154; BSGE 14, 246; 22, 257; 32, 60). Dagegen wird in der Literatur zunehmend erörtert, ob nicht, insbesondere nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes, auch bei der Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlußfristen eine Wiedereinsetzung zu gewähren sei (vgl. Kopp. "Wiedereinsetzung und Nachsicht bei Versäumung materiell-rechtlicher Fristen", Bayer.VerwBlätter 1977, 33; Frank, "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlußfristen in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers, 1977, 45 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kann das jedoch dahingestellt bleiben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte auf jeden Fall nur dann gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Verschuldet kann die Versäumung einer Frist aber nicht nur durch denjenigen sein, den die Obliegenheit zur Einhaltung der Frist trifft, sondern auch durch seinen Vertreter (BSGE 11, 158, 160; NJW 1956, 1946). Als Folge davon ist eine Versäumung, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, nicht als unverschuldet anzusehen (Peters/Sautter/Wolff, Komm. zum SGG, § 67, S. 217). Als Vertreter einer Kommanditgesellschaft (KG), um die es sich im Falle der Klägerin handelt, ist aber nicht nur deren gesetzlicher Vertreter, also der persönlich haftende Gesellschafter (§§ 114, 161 Abs. 2 Handelsgesetzbuch - HGB -) anzusehen. Bei der Wahrung von Fristen wird eine KG ebenso wie eine Einzelperson nicht nur durch sich selbst, also durch den gesetzlichen Vertreter, sondern auch durch solche Personen vertreten, die damit beauftragt worden sind, die Frist zu wahren. Das ist im Falle der Klägerin der Lohnbuchhalter P gewesen, der selbst die Einhaltung der Fristen geprüft und die Fristen durch eigenes Stellen des Antrags (Unterschreiben der Anträge) gewahrt hat. Den Lohnbuchhalter P trifft an der Versäumung der Frist ein Verschulden, weil er nicht nur die Belehrung in der "Anleitung zur Ausfüllung der Anträge auf MKZ und WG/SWG" nicht sorgfältig gelesen hat, sondern auch das Schreiben der Beklagten unbeachtet gelassen hat, mit dem diese noch einmal auf den Ablauf der Frist am 15. 6. 1973 hingewiesen hat. Ob auch dem Geschäftsführer der Klägerin ein Verschulden vorzuwerfen ist, weil er das Belehrungsschreiben der Beklagten unbeachtet gelassen hat, kann daher dahingestellt bleiben.
Da somit die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter denen die Beklagte WG zu gewähren hat, fehlt es an einem Anspruch der Klägerin. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen. Die Revision ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen