Leitsatz (amtlich)

Auf die Bezugsdauer des Krankengeldes (RVO § 183 Abs 2) sind auch solche Zeiten anzurechnen, für die der KK das gezahlte Krankengeld aus einem rückwirkend bewilligten Übergangsgeld nur teilweise ersetzt worden ist (Ergänzung zu BSG 1970-11-10 3 RK 57/70 = SozR Nr 54 zu § 183 RVO).

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 2 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 25. April 1969 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger beansprucht von der beklagten Krankenkasse, deren versicherungspflichtiges Mitglied er war, noch Krankengeld für drei Wochen.

Die Beklagte hatte ihm nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 29. Oktober 1965 Krankengeld mit Unterbrechungen bis zum 22. Juni 1967 gezahlt. Mit diesem Tage war ihrer Ansicht nach die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes (78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, § 183 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) erschöpft; dabei rechnete sie auch die Zeit vom 1. bis zum 21. Februar 1967, für die dem Kläger nachträglich Übergangsgeld aus der Rentenversicherung bewilligt worden war, auf die Bezugsdauer an, weil ihr das für die genannte Zeit gezahlte Krankengeld (390,60 DM) nur teilweise aus dem - niedrigeren - Übergangsgeld (308,70 DM) ersetzt worden war. Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung der Zeit des Übergangsgeldbezuges auf die Krankengeldbezugsdauer und beansprucht, nachdem eine (im Anschluß an eine Kur gewährte) Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem 1. August 1967 in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt worden ist, die Zahlung von Krankengeld für weitere drei Wochen (1. bis 21. August 1967).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger würde für mehr als 78 Wochen Krankengeld erhalten, wenn die fragliche Zeit nicht auf die Bezugsdauer des Krankengeldes angerechnet würde (Urteil vom 25. April 1969, in dem die Berufung zugelassen worden ist).

Der Kläger hat mit Einwilligung der Beklagten Sprungrevision eingelegt. Seiner Ansicht nach entfällt auch bei rückwirkender Bewilligung von Übergangsgeld der Anspruch auf Krankengeld, so daß dessen Bezugsdauer sich entsprechend verlängere. Er beantragt, das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und sie zu verurteilen, ihm noch Krankengeld für die Zeit vom 1. bis 21. August 1967 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Sprungrevision zurückzuweisen. Sie beruft sich u.a. auf die Rechtsprechung des Senats, nach der bei rückwirkender Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente für eine Zeit des Krankengeldbezugs dessen Bezugsdauer sich nicht verlängere, wenn die Krankenkasse nur teilweise aus der Rente entschädigt werde.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig (§§ 144 Abs.1 Nr. 2, 150 Nr. 1, 161 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), aber nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf weiteres Krankengeld gegen die Beklagte nicht zu.

An sich könnte ihm zwar, nachdem die - das Krankengeld verdrängende (§ 183 Abs. 3 RVO) - Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt worden ist, neben dieser ein - nach § 183 Abs. 5 RVO gekürztes - Krankengeld gewährt werden. Wie die Beklagte und das SG jedoch mit Recht entschieden haben, ist der Krankengeldanspruch des Klägers erschöpft, da die streitige Zeit (1. bis 21. Februar 1967) auf die Bezugsdauer des Krankengeldes - höchstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 29. Oktober 1965 (§ 183 Abs. 2 Satz 1 RVO) - anzurechnen ist.

Richtig ist allerdings, daß der Anspruch auf Krankengeld entfällt, solange von einem Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld gewährt wird (§ 183 Abs. 6 RVO); diese Zeit ist dann grundsätzlich nicht auf die Bezugsdauer des Krankengeldes anzurechnen (vgl. BSG 28, 244 für die sechswöchige Bezugsdauer nach § 183 Abs. 4 RVO). Ob auch bei nachträglicher Gewährung von Übergangsgeld der Anspruch auf das - für die gleiche Zeit bereits gezahlte - Krankengeld rückwirkend entfällt, oder ob in einem solchen Fall das Krankengeld im Verhältnis zum Zahlungsempfänger weiterhin als rechtmäßig gezahlt gilt und nur eine Erstattungsregelung zwischen den beteiligten Versicherungsträgern Platz greift (vgl. DOK 1970, 137), kann hier unentschieden bleiben. Selbst wenn ersteres anzunehmen wäre, der Krankengeldanspruch mithin bei nachträglicher Gewährung von Übergangsgeld rückwirkend entfiele, wäre die Zeit der ohne Rechtsgrund erfolgten Krankengeldzahlung nur dann nicht auf die Bezugsdauer des Krankengeldes anzurechnen, wenn die Krankenkasse aus dem Übergangsgeld voll entschädigt wird (Urteil des Senats vom 10. November 1970, SozR Nr. 54 zu § 183 RVO, unter Hinweis auf ein früheres Urteil vom 11. März 1970, BSG 31, 72, zum Zusammentreffen von Kranken- und Verletztengeld). Wird die Krankenkasse dagegen nur teilweise aus der Leistung des anderen Versicherungsträgers entschädigt, bleibt sie also, wirtschaftlich gesehen, mit einem Teil des Krankengeldes endgültig belastet, ist auch eine solche Zeit der Zahlung von Krankengeld auf dessen Bezugsdauer anzurechnen.

Die Beklagte hat insoweit mit Recht auf Entscheidungen des Senats verwiesen, in denen ausgesprochen ist, daß sich bei rückwirkender Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente für eine Zeit des Bezuges von Krankengeld dessen Bezugsdauer nicht verlängert, wenn die Rente niedriger als das Krankengeld ist und die Krankenkasse deshalb aus der Rentennachzahlung keinen vollen Ersatz erhält (BSG 27, 66, 68 und Urteile vom 22. November 1968, 3 RK 22/66, und 25. April 1969, 3 RK 47/68, BKK 1969, 188). Das gleiche muß für den hier gegebenen Fall gelten, daß nicht Erwerbsunfähigkeitsrente, sondern Übergangsgeld rückwirkend bewilligt worden ist. Auch dann geht nämlich - unter sinngemäßer Anwendung der für die Erwerbsunfähigkeitsrente getroffenen Regelung (§ 183 Abs. 3 Sätze 2 und 3 RVO) - einerseits der Anspruch auf das Übergangsgeld bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Krankenkasse über; andererseits kann diese, wenn das Krankengeld das Übergangsgeld übersteigt, den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern (BSG 25, 6; 31, 168). In allen Fällen, in denen die Krankenkasse hiernach für das von ihr gezahlte Krankengeld nur teilweise Ersatz aus einer rückwirkend bewilligten Leistung eines anderen Versicherungsträgers (Rente, Übergangsgeld) erhält, ist die Zeit der Zahlung des Krankengeldes auf dessen Höchstbezugsdauer anzurechnen. Auch im vorliegenden Fall hat deshalb die Beklagte die streitige Zeit mit Recht auf die Krankengeldbezugszeit angerechnet, so daß sich der Klaganspruch und damit die Sprungrevision des Klägers als unbegründet erweist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669524

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