Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung, ob der landwirtschaftliche Unternehmer während der letzten 5 Jahre vor der Abgabe des Unternehmens überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer war (GAL § 41 Abs 1 Buchst d idF vom 1972-07-26), sind Zeiten, in denen der Unternehmer nach einer Beschäftigung als Arbeitnehmer arbeitslos war und Alg bezog, den Zeiten gleichzustellen, in denen er den Arbeitnehmerberuf und den landwirtschaftlichen Unternehmerberuf nebeneinander ausgeübt hat (Fortführung von BSG 1974-12-05 11 RLw 4/74 = BSGE 38, 236).

 

Normenkette

GAL § 41 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1972-07-26

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 18.05.1977; Aktenzeichen 14 Lw 23/76)

SG Regensburg (Entscheidung vom 24.05.1976; Aktenzeichen S 1 Lw 114/74)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1914 geborene Kläger bewirtschaftete seit 1938 ein landwirtschaftliches Unternehmen von ca. 10,30 ha Größe. Hiervon verpachtete er ab Oktober 1973 7,37 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bis Oktober 1986. In den fünf Jahren vor der Verpachtung war er außerdem rd. 31 Monate lang ganztägig als Arbeitnehmer rentenversicherungspflichtig beschäftigt; weitere rd. 14 Monate lang bezog er Arbeitslosengeld.

Im Oktober 1973 beantragte der Kläger die Gewährung von Landabgaberente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil er während der fünf Jahre vor der Abgabe des Unternehmens (1. Oktober 1968 bis zum 30. September 1973) nicht überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne von § 41 Abs 1 Buchst d des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) gewesen sei (Bescheid vom 21. Juni 1974).

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Sozialgericht (SG) statt, das Landessozialgericht (LSG) wies sie ab (Urteile vom 25. Mai 1976 und 18. Mai 1977). Das LSG hat ausgeführt: Bei der Prüfung, ob die hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit überwiege, seien die 31 Monate und fünf Tage auszuklammern, in denen der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei; bei gleichwertig nebeneinander ausgeübten Berufen könne keiner dem anderen gegenüber als Hauptberuf angesehen werden. In der Gesamtschau der letzten fünf Jahre vor Abgabe des Unternehmens überwiege die landwirtschaftliche Tätigkeit nicht, weil der Kläger während der restlichen rd. 29 Monate etwa 14 Monate lang arbeitslos gewesen sei und Arbeitslosengeld bezogen habe. Während des Bezugs vor Arbeitslosengeld liege keine ausschließliche landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit vor. Arbeitslosengeld sei eine Entschädigung für ein nicht erzieltes Einkommen als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer; mit dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld habe der Kläger ausdrücklich bekundet, daß er auch weiterhin gewillt sei, neben dem Beruf des landwirtschaftlichen Unternehmers einen anderen Beruf auszuüben. Daß er während der Arbeitslosigkeit mehr Zeit für seine Landwirtschaft gehabt und das Arbeitslosengeld nur einen Teil des Arbeitnehmereinkommens ausgemacht habe, sei demgegenüber nicht von Bedeutung.

Mit der - zugelassenen - Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Regensburg zurückzuweisen.

Er rügt die Verletzung von § 41 Abs 1 Buchst d GAL. Die Auffassung des LSG, Zeiten der Arbeitslosigkeit seien wie Zeiten einer Beschäftigung als Arbeitnehmer zu werten, widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Bewertung von nebeneinander ausgeübter landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit und vollschichtiger Beschäftigung als Arbeitnehmer. Danach sei das Gesamtbild der letzten fünf Jahre vor Abgabe des Unternehmens maßgeblich. In dieser Zeit habe er aber nur 31 Monate und fünf Tage einen Beruf außerhalb der Landwirtschaft ausgeübt. Arbeitslosigkeit sei kein Beruf; während der 14 Monate Arbeitslosigkeit sei er deshalb ausschließlich landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet; ihm steht die Landabgaberente ab Oktober 1973 nicht zu.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Rentenanspruch des Klägers daran scheitert, daß die Erfordernisse des § 41 Abs 1 Buchst d GAL (in der hier anzuwendenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 26. Juli 1972 - GAL 1972 -) nicht erfüllt sind: Der Kläger war während der fünf Jahre, die der Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens vorausgegangen sind (1. Oktober 1968 bis 30. September 1973), nicht überwiegend hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer. Ob die übrigen - mit Buchst d kumulierenden - Voraussetzungen von § 41 Abs 1 GAL vorliegen, konnte deshalb ungeprüft bleiben.

Die Voraussetzung des § 41 Abs 1 Buchst d GAL ist nicht ohne weitere Prüfung deshalb zu bejahen, weil die zuständige Gemeindebehörde am 3. Oktober 1973 bestätigt hat, der Kläger habe während der maßgeblichen fünf Jahre sein landwirtschaftliches Unternehmen überwiegend im Hauptberuf bewirtschaftet; denn an die gemäß § 41 Abs 5 GAL erteilten Bescheinigungen sind weder die landwirtschaftlichen Alterskassen noch die Sozialgerichte gebunden (BSGE 38, 232, 234; 236, 237); die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 41 Abs 1 Buchst d GAL steht damit noch nicht fest.

In der vom LSG bereits herangezogenen Rechtsprechung (BSGE 38, 236, 239) hat der erkennende Senat für die Fälle, in denen im Fünfjahreszeitraum vor der Abgabe des Unternehmens der Beruf des landwirtschaftlichen Unternehmers teils allein, teils neben einem anderen Beruf gleichwertig ausgeübt worden ist, eine Gesamtschau für erforderlich erachtet, bei der nicht einzelne Monate für sich zu beurteilen oder "auszuklammern" sind; der Senat hat dabei die überwiegende landwirtschaftliche Unternehmereigenschaft bejaht, wenn die Zeit der alleinigen landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit immerhin noch etwa 20 Monate (ein Drittel des Fünfjahreszeitraumes) betragen hat. Diese Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn in den Fünfjahreszeitraum Zeiten fallen, in denen neben der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit eine Beschäftigung als Arbeitnehmer deshalb nicht ausgeübt werden konnte, weil der bisher als Arbeitnehmer Beschäftigte in dieser Zeit arbeitslos war und Arbeitslosengeld bezog.

Entscheidend nach § 41 Abs 1 Buchst d GAL ist nämlich das berufliche Bild; die Vorschrift stellt auf den überwiegenden Hauptberuf ab. Beruflich gesehen, kann eine Zeit der Arbeitslosigkeit aber keine "berufslose" Zeit darstellen; der Arbeitslose ist vielmehr weiterhin dem Beruf zuzurechnen, den er vor Beginn der Arbeitslosigkeit zuletzt ausgeübt hat. Mindestens ist er noch dem Kreis der Arbeitnehmer zuzuordnen. Nach § 75 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), das bis zum 30. Juni 1969 gegolten hat, war arbeitslos, wer berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht; diese Definition hat das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dann in § 101 im wesentlichen übernommen ("ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht"). Die weitere Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer dokumentiert sich dabei auch dadurch, daß sich der Arbeitslose - wie hier der Kläger - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt und bis zur Beendigung des vorübergehenden Zustandes der Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld als Lohnersatz empfängt. Bleibt aber jemand, der Arbeitnehmer war, wenn er arbeitslos ist und Arbeitslosengeld bezieht, dem Beruf nach Arbeitnehmer, dann kann er während der Arbeitslosigkeit beruflich nicht allein als landwirtschaftlicher Unternehmer angesehen werden, Die Zeit der Arbeitslosigkeit ist dann vielmehr der Zeit gleichzustellen, in welcher der Arbeitnehmerberuf und der landwirtschaftliche Unternehmerberuf gleichwertig nebeneinander ausgeübt worden sind.

Diese Konsequenz führt hier dazu, daß beim Kläger zu den rd. 31 Monaten rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmerbeschäftigung weitere rd. 14 Monate zuzurechnen sind. Sonach stehen 45 Monaten an "gemischter" Zeit nur 15 Monate gegenüber, in denen der Kläger die landwirtschaftliche Tätigkeit allein ausgeübt hat; dies ist indessen in der Gesamtschau nicht mehr überwiegend. Tatumstände besonderer Art, die das so abzugrenzende Gesamtbild gleichwohl zugunsten des Klägers verschieben könnten, sind nicht festgestellt; hiernach war der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652709

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