Leitsatz (amtlich)
Wesentliches Merkmal für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb des Arbeitgebers, die mit dessen Weisungsbefugnis oder mit der diese ersetzenden funktionsgerechten Teilhabe am Betriebsablauf verbunden ist.
Sogenannte freie Mitarbeiter von Rundfunk- und Fernsehanstalten, die von den Anstalten jeweils aufgrund von Einzelverpflichtungen in Sendungen als Sprecher meist kurzfristig eingesetzt werden, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an die von der Anstalt vorgegebenen Textunterlagen gebunden sind und für ihren Auftritt ein besonders vereinbartes Honorar erhalten, sind, wenn die Anstalt kein über den jeweiligen Einsatz hinausgehendes Weisungsrecht besitzt, nur für die Dauer ihres Einsatzes sowie der gegebenenfalls hierzu gehörenden Vorbereitung in den Betrieb der Anstalt eingegliedert und unterliegen insoweit als unständig Beschäftige (RVO § 441) grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Angestelltenversicherung.
Bei Rundfunk- und Fernsehsprechern, die jeweils nur für die Mitwirkung in einer Sendung verpflichtet werden, ist ein über den einzelnen Einsatz hinaus fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis selbst dann nicht anzunehmen, wenn sich die Einsätze nahezu täglich wiederholen; ferner steht die Tatsache, daß sich die Sprecher - ohne dazu verpflichtet zu sein - nach ihrem Auftritt in einer Sendung für weitere Einsätze im Gebäude der Anstalt bereit halten, der Annahme einer unständigen Beschäftigung nicht entgegen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
2. Unständige Beschäftigung aus der Natur der Sache.
3. Nach AVG § 118 Abs 2 und AVG § 127 in der für 1968 geltenden Fassung haben unständig Beschäftigte ihre Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung selbst zu entrichten und der Arbeitgeber hat seinen Beitragsanteil dem unständig Beschäftigten zu zahlen (AVG § 127 Abs 4).
4. Dies hat zur Folge, daß die beklagte AOK die Beiträge zur Angestelltenversicherung für das Jahr 1968 nicht von der Fernseh- und Rundfunkgesellschaft (Arbeitgeber) fordern kann.
5. In der Arbeitslosenversicherung sind unständig Beschäftigte nach AVAVG § 67 Abs 1 (AFG § 169 Nr 7) versicherungsfrei.
Normenkette
RVO § 441; AFG § 169 Nr. 7; AVAVG § 67 Abs. 1; AVG § 118 Abs. 2, § 127
Tenor
Auf die Revision des klagenden Bayerischen Rundfunks werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 1972 und des Sozialgerichts München vom 8. Juli 1971 sowie der Bescheid der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse München vom 27. November 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 1970 aufgehoben.
Der Kläger und die Beklagte haben als Gesamtschuldner dem Beigeladenen M-V die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse M (AOK) vom Kläger, dem B Rundfunk, die Entrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung (AnV) und Arbeitslosenversicherung (ArblV) für den beigeladenen M. für das Jahr 1968 verlangen kann. Es geht darum, ob M. selbständig tätig war oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger stand.
Der beigeladene M. ist sogen. ständiger freier Mitarbeiter beim Kläger. Er betätigt sich seit etwa 20 Jahren als künstlerischer Sprecher. Als solcher wird er vom Kläger für einzelne Einsätze herangezogen und erhält dafür ein jeweils vereinbartes Honorar. Er wird vielfach bei festen Sendungen eingesetzt, die in bestimmten Zeitabständen über längere Zeit gesendet werden. Er ist beim Sprechen an die vom Kläger vorgegebenen Texte gebunden. Er arbeitet nur für den Kläger und steht ihm ständig zur Verfügung. 1968 sprach er in 393 Sendungen. Er erhielt dafür eine Vergütung von 45.990,- DM.
Die beklagte AOK erklärte mit Bescheid vom 27. November 1969, sie nehme für die Beschäftigung des M. als Honorarmitarbeiter des B Rundfunks Angestelltenrentenversicherungspflicht sowie Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung und damit auch Beitragspflicht in Anspruch; die Beitragsforderung betrage 3.285,60 DM und richte sich gegen den Bayerischen Rundfunk.
Widerspruch und Klage des Klägers wurden abgewiesen (Bescheid vom 13.3.1970, Urteil des Sozialgerichts - SG - vom 8.7.1971).
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 4.5.1972).
Das LSG hat angenommen, daß M. beim Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Er sei in den Betrieb des Klägers, der die Herstellung und Darbietung von Sendungen im Hörfunk und Fernsehen zum Gegenstand habe, eingegliedert. Dafür spreche der Umfang seines Einsatzes und die Tatsache, daß er schon seit 20 Jahren als Sprecher für den Kläger tätig sei. Infolge seiner Eingliederung in den Betrieb des Klägers sei er von diesem persönlich abhängig, weil er hinsichtlich Zeit, Ort und Art seiner Arbeitsleistung weitgehend gebunden sei und insoweit dem Weisungsrecht des Klägers unterliege.
Der Kläger, der Bayerische Rundfunk, hat Revision eingelegt und beantragt, die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 1970 aufzuheben und festzustellen, daß für die Beschäftigung des M. Versicherungspflicht in der Angestelltenrentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht besteht.
Die Revision sieht §§ 2, 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), § 56 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als verletzt an. Sie führt im wesentlichen aus, das LSG habe zu Unrecht von der Häufigkeit der Mitwirkung des M. auf dessen Vollbeschäftigung und von dieser über die Frage der Existenzgrundlage auf eine persönliche Abhängigkeit geschlossen. M. arbeite jedoch künstlerisch selbstbestimmt. Wenn sich ein Mitarbeiter auf Grund seiner freien Entscheidung mit den Einkünften beim Kläger begnüge, könne daraus nicht eine persönliche Abhängigkeit konstruiert werden. Wirtschaftliche Abhängigkeit sei kein Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses. Entscheidend für die Rechtsform der freien Mitarbeit sei die Möglichkeit, einen Auftrag abzulehnen. Die Unvorhersehbarkeit des weiteren Fortgangs der Tätigkeit sei ein wesentliches Element der Selbständigkeit. Die Tätigkeit der ständigen freien Mitarbeiter passe nicht in die Systematik und Typik des Sozialversicherungsrechts. Die vielfältigen Programmbedürfnisse der Rundfunkanstalten seien mit Arbeitnehmern allein nicht zu befriedigen.
Die beklagte AOK hat beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie meint im wesentlichen, aus der persönlichen Abhängigkeit der ständigen freien Mitarbeiter leite sich deren Sozialversicherungspflicht ab. M. sei nicht in einem eigenen "Betrieb", sondern nur im Betrieb des Klägers tätig. Seine Arbeit sei durch eine Kette aufeinanderfolgender Einzeleinsätze, zum Teil in fortlaufenden Sendereihen, gekennzeichnet. Bei dieser seit Jahren unveränderten Handhabung werde M. in einem auf die Dauer angelegten Arbeitsverhältnis beim Kläger beschäftigt. Er trage kein Unternehmerrisiko, bei dem eingesetztes Kapital zu vermehren oder zu verlieren sei.
Der beigeladene M. hat beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Die freien Mitarbeiter beim Kläger seien zwar unterschiedlich zu beurteilen. Die ständigen freien Mitarbeiter seien im Gegensatz zu der großen Anzahl der gelegentlichen freien Mitarbeiter sozialversicherungsrechtlich Beschäftigte im Sinne von § 165 RVO, § 2 AVG und § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Entscheidend für seine Eigenschaft als Beschäftigter sei die große Zahl seiner Einsätze. Dies und der Umstand, daß er sein gesamtes Einkommen vom Kläger beziehe, zeigten seine tatsächliche Eingliederung in dessen Betrieb. Die Ablehnung von Aufträgen führe in der Regel zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) haben beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Sie schließen sich der Auffassung der beklagten AOK an.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers, des B Rundfunks, ist zulässig und begründet. Er ist nicht verpflichtet, an die beklagte AOK die geforderten Beiträge zur AnV und ArblV für den beigeladenen M. zu entrichten.
Zwar hat das LSG den Beigeladenen zu Recht als gegen Entgelt beschäftigt im Sinne des § 2 AVG angesehen. Er ist aber "unständig beschäftigt" im Sinne des § 441 RVO. Deshalb ist der Arbeitgeber - der klagende Bayerische Rundfunk - nicht verpflichtet, die Beiträge zur AnV zu entrichten: Ein unständig Beschäftigter hat vielmehr selbst die Beiträge einschließlich des Arbeitgeberanteils, den der Arbeitgeber dem unständig Beschäftigten zu zahlen hat, zu entrichten. Dies gilt für das hier in Frage kommende Jahr 1968 gemäß § 118 Abs. 1 und 2 AVG idF vom 23.2.1957 und § 127 Abs. 1 und 4 AVG idF des Finanzänderungsgesetzes 1967 (FinÄndG). Nach dem im Jahr 1968 noch gültig gewesenen § 67 AVAVG war der beigeladene M. versicherungsfrei in der ArblV.
In der Rechtsprechung sind verschiedene Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit auf Grund von Werkverträgen und Dienstverträgen herausgestellt. Dabei ist immer das Gesamtbild als maßgeblich erklärt worden.
Ein wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die Eingliederung des Tätigen in den Betrieb des Arbeitgebers, die mit dessen Weisungsrecht oder der dies ersetzenden funktionsgerechten Teilhabe am Betriebsablauf verbunden ist (vgl. Urteil des Senats vom 1.3.1972 - 12/3 RK 43/69 mit weiteren Nachweisen; SozR Nr. 71 zu § 165 RVO). Der Beschäftigte stellt - anders als der auf Grund selbständigen Dienstvertrags Tätige, dessen Arbeit "selbstbestimmt" ist (zB. der freiberuflich tätige Arzt, Rechtsanwalt, Architekt u. a.) - seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Arbeitgeber für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung ("fremdbestimmte" Tätigkeit). Der Arbeitgeber macht davon Gebrauch, indem er den Beschäftigten anweist, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen hat. Der Beschäftigte schuldet die weisungsgemäße Verwendung seiner Arbeitskraft. Der durch Werkvertrag Verpflichtete schuldet hingegen den faßbaren Erfolg seiner Tätigkeit, ein zu erzielendes Ergebnis. Seine Verpflichtung erschöpft sich nicht in einem Tätigsein während einer bestimmten Zeit. Sie wird erst mit dem gelungenen Ergebnis seiner Tätigkeit erfüllt. Dabei ist für die Beurteilung der Tätigkeit auch von Bedeutung, ob der Verpflichtete in Ausübung eines freien Berufs mit eigenem Betrieb sein Arbeitsergebnis oder seine Dienste verschiedenen Interessenten anbietet. Ein wesentliches Merkmal für eine Eingliederung in den Betrieb ist der Umstand, daß der Verpflichtete seine Tätigkeit nicht ohne die Benutzung der Einrichtungen des Betriebs ausführen kann. Er ist vielmehr vom personalen und sächlichen Apparat des Betriebes abhängig.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten von einem Auftrag- oder Arbeitgeber ist kein brauchbares Abgrenzungsmerkmal; denn bei den vielfältigen Verflechtungen im Berufs- und Wirtschaftsleben ist auch der Freischaffende vom Auftraggeber wirtschaftlich abhängig.
Nach diesen Merkmalen war M. während seiner Einsätze beim Kläger gegen Entgelt beschäftigt im Sinne des § 2 AVG. Er war mit seiner Tätigkeit während des Einsatzes in einer Sendung und der Vorbereitung hierzu in den Betrieb des Klägers - die Darbietung von Sendungen in Hörfunk und Fernsehen - eingegliedert. Er unterlag bei seiner Arbeit den Weisungen des Klägers. Beim Vortragen von Texten war er verpflichtet, die Texte zu sprechen, die der Kläger ihm vorschrieb. Daß er die Texte künstlerisch vorzutragen hatte, ändert nichts daran, daß er den Weisungen des Klägers unterlag. Seine berufliche Fähigkeit zum künstlerischen Sprechen war vielmehr Voraussetzung dafür, daß er seinen Einsatz als Sprecher mit dem Kläger vereinbaren konnte. Er konnte seine Tätigkeit - das künstlerische Vortragen von vorgegebenen Texten - für den Kläger nur unter Verwendung von dessen Einrichtungen ausüben. Die Eingliederung des M. in den Betrieb des Klägers und dessen Weisungsrecht reichten nicht über den einzelnen jeweils vereinbarten Einsatz hinaus. Mit der Beendigung des Einsatzes war jeweils das Beschäftigungsverhältnis beendet. Der Kläger konnte M. nur mit dessen Einverständnis zu einem anderen späteren Einsatz anweisen. Wenn M. meint, mittelbar sei er gezwungen gewesen, Vorschläge des Klägers für Vereinbarungen neuer Einsätze anzunehmen, weil er bei wiederholter Ablehnung solcher Vereinbarungen vom Kläger keine Aufträge mehr bekommen hätte, so sind dies subjektive Überlegungen, die sein Interesse an weiteren Einsätzen zeigen. Ebenso entspringt der Umstand, daß er sich auch zu Zeiten außerhalb seiner Einsätze im Gebäude des Klägers für weitere Einsätze bereit hielt, seinem Interesse an neuen Vereinbarungen. Daraus kann jedoch nicht eine ununterbrochen fortdauernde Eingliederung in den Betrieb des Klägers mit dessen Befugnis, den Beigeladenen zu weiteren Einsätzen anzuweisen, gefolgert werden. Sozialversicherungsrechtlich kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der beiderseitigen Beziehungen und nicht auf die dafür gewählte zivilrechtliche Vertragsbezeichnung an. Tatsächlich war M. nur während des einzelnen, jeweils eigens vereinbarten Einsatzes in den Betrieb des Rundfunks mit Weisungsrecht des Klägers eingegliedert. Außerhalb von Einsätzen hatte der Kläger kein Weisungsrecht, das M. verpflichtet hätte, in späteren Sendungen auf Verlangen des Klägers auch ohne sein jeweiliges neues Einverständnis mitzuwirken. Eine solche Berechtigung des Klägers und Verpflichtung des M. wäre aber Voraussetzung für die Annahme eines über den einzelnen Einsatz hinaus fortdauernden Beschäftigungsverhältnisses. Die Eingliederung in einen Betrieb und das Weisungsrecht des Arbeitgebers betreffen die beiderseitigen Beziehungen, die während des Beschäftigungsverhältnisses bestehen. Sie erstrecken sich nicht auf die Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses. Hierbei sind beide Beteiligten frei, auch wenn Zweckmäßigkeits- und sonstige Überlegungen bei beiden eine Rolle spielen.
Der Kläger kann sich für die Selbständigkeit der Tätigkeit des M. auch nicht auf die steuerrechtliche Durchschnittssatz-Verordnung vom 3.1.1968 (BGBl I 45) berufen. Die Erste Verordnung zur Änderung der Durchschnittssatz-Verordnung vom 15.1.1969 (BGBl I 57) hat die Anlage der Verordnung um die Nummer 20 für selbständige Mitarbeiter bei Bühne, Film, Funk, Fernsehen und Schallplattenproduzenten, Künstler, Artisten ergänzt. Dazu ist im Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28.1.1969 (BStBl 1969 I 94) aber ausgeführt, die Aufnahme der unter Nr. 20 der Anlage genannten Berufe in die Durchschnittssatz-Verordnung bedeute nicht, daß die Angehörigen dieses Berufskreises stets als selbständige Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen seien. Diese Frage sei vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden.
Für die Annahme von Beschäftigungsverhältnissen spricht auch, daß der beigeladene M. kein Unternehmerrisiko in dem Sinne getragen hat, daß eingesetztes Kapital vermehrt oder verloren werden konnte. Zwar ist nicht jede selbständige Tätigkeit mit einem Unternehmerrisiko im Sinne von eingesetztem Kapital belastet. Hier tritt indessen das Fehlen eines Unternehmerrisikos zu den anderen Merkmalen von Beschäftigungsverhältnissen hinzu.
Der Auffassung des Klägers, die Tätigkeit der ständigen freien Mitarbeiter passe nicht in die Systematik der Sozialversicherung, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist richtig, daß das Eingehen häufiger kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse für das Sozialversicherungsrecht nicht die Regel bildet. Das Gesetz sieht aber auch für Beschäftigungsverhältnisse dieser Art eine Regelung vor, wie sich aus folgendem ergibt:
Die Beschäftigungen des M. stellen sich als "unständige Beschäftigungen" im Sinne von § 441 RVO dar. Nach dieser Vorschrift ist unständig die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist. Zu dieser Vorschrift wurde im Entwurf der RVO gesagt: Bei der unständigen Beschäftigung handelt es sich um Personen, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind. § 441 RVO verlangt nicht, daß die unständige Beschäftigung bei stets wechselnden Arbeitgebern ausgeübt wird. Sie kann auch bei demselben Arbeitgeber vorliegen und dies kann sich häufig wiederholen. Dies ist bereits in der Rechtsprechung ausgeführt worden (vgl. AN 1932, 22; SozR Nr. 1 zu § 441 RVO; Urteil des Senats vom 31.1.1973 - 12/3 RK 16/70). Die unständige Beschäftigung begründet Versicherungspflicht. Sie ist nur dann nicht versicherungspflichtig, wenn es sich um eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung handelt. Versicherungsfrei ist nach § 4 Abs. 1 AVG eine Nebenbeschäftigung, wenn sie neben einer regelmäßigen, die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt wird (Nr. 4 aaO) oder wenn eine Person, die berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nicht ausübt, eine solche als Nebenbeschäftigung übernimmt (Nr. 5 aaO, vgl. auch § 442 Abs. 1 RVO). Beide Fälle liegen bei M. nicht vor. Vielmehr ist es seit etwa 20 Jahren sein der Bestreitung seines Lebensunterhalts dienender Hauptberuf, in häufiger Wiederkehr kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse beim Kläger einzugehen.
Die Beschränkung der Beschäftigungen auf die jeweiligen einzelnen Einsätze liegt hier in der "Natur der Sache". Sie ist durch die Besonderheiten bedingt, die der Betrieb des Klägers als Rundfunkanstalt bei der Darbietung von Sendungen mit sich bringt. Sie ergeben sich aus dem Grundsatz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Rundfunk ist eines der mächtigsten Massenkommunikationsmittel (BVerfG 12, 260); er ist der Allgemeinheit verpflichtet (BVerfG 31, 325, 327 f); er ist ein eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung (BVerfG 12, 260) und ein kulturelles Phänomen (BVerfG 12, 229). Seine Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich nicht auf Nachrichtensendungen, politische Kommentare; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, kabarettistischen Programmen bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung (BVerfG 12, 260). So wie die kollegialen Organe des Rundfunks in angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind (BVerfG 12, 261 f), müssen alle diese Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen können. Das Anliegen des Klägers, daß diese Aufgaben wegen der notwendigen Vielfalt und Abwechslung in den Darbietungen nicht allein mit einem fest begrenzten Kreis von Dauerbeschäftigten erfüllt werden können, muß von der Rechtsprechung als berechtigt anerkannt werden. Es ist dem Kläger zuzugeben, daß er imstande sein muß, "mal diese, mal jene" Mitarbeiter oder den einzelnen Mitarbeiter "mal jetzt, mal später" zur Gestaltung und Mitwirkung in Programmen heranzuziehen und daß die Freiheit in der Programmgestaltung und die Notwendigkeit der Abwechslung es nicht zulassen, Mitarbeiter in einem Umfang und einer Häufigkeit und Dauer zu beschäftigen, die nicht von der Programmgestaltung her bestimmt wäre, sondern sich aus rechtlichen Gründen eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses ergeben würden. Die Stellung des Rundfunks ist insofern verschieden von der gewerblicher Produktionsbetriebe oder anderer Dienstleistungsbetriebe; denn diese können ihre Aufgaben mit einem festen Bestand von Beschäftigten erfüllen.
Der beigeladene M. ist somit als Beschäftigter in der AnV versicherungspflichtig.
Nach § 118 Abs. 2, § 127 AVG in der für 1968 geltenden Fassung (vor der Neufassung durch Art. 1 § 2 Nr. 13 des dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 28.7.1969) haben unständig Beschäftigte ihre Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung selbst zu entrichten und der Arbeitgeber hat seinen Beitragsanteil dem unständig Beschäftigten zu zahlen (§ 127 Abs. 4 AVG). Die beklagte AOK kann daher die Entrichtung der im angefochtenen Bescheid geforderten Beiträge zur AnV für M. nicht vom Kläger fordern.
In der ArblV sind unständig Beschäftigte nach § 67 Abs. 1 AVAVG, der für das Jahr 1968 noch in Kraft war, versicherungsfrei. Die beklagte AOK kann daher vom Kläger keine Beiträge zur ArblV für M. verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Die Kostenverteilung erschien im Hinblick darauf angebracht, daß die sachliche Grundlage des angefochtenen Bescheides, nämlich die Versicherungspflicht des M., zu bestätigen war; lediglich die Besonderheiten der Beitragsentrichtung bei unständiger Beschäftigung haben zu dem Urteilsausspruch in der Entscheidung des Senats geführt.
Fundstellen