Beteiligte
Unfallkasse Rheinland-Pfalz |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 21. März 1996 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 1994 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß es sich bei dem Unfall des Klägers vom 13. April 1993 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei dem Unfall des Klägers vom 13. April 1993 um einen Arbeitsunfall handelte.
Der im Jahre 1928 geborene Kläger ist Rentner und freiberuflicher Mitarbeiter einer Firma für Blitzschutzbau. Laut Bestellungsurkunde des Amtsgerichts Daun vom 30. März 1992 war er für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge ehrenamtlicher Betreuer des im Jahre 1911 geborenen und im Jahre 1996 verstorbenen Betreuten. Dieser hatte die Mutter des Klägers geheiratet, als der Kläger nicht mehr bei ihr wohnte, und lebte nach deren Tod in einem Altersheim. Dort besuchte der Kläger ihn des öfteren, manchmal in Begleitung mit dessen früheren Bekannten und machte dabei mit ihm gemeinsame Spaziergänge. Am 13. April 1993 begab er sich allein zum Altersheim und unternahm auf Wunsch des Betreuten mit ihm einen Spaziergang. Dabei glitt er aus und verletzte sich so erheblich, daß er zunächst bis zum 10. Mai 1993 und sodann vom 4. Juni 1993 an für sieben Tage erneut arbeitsunfähig war. Seinen Antrag, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, lehnte die beklagte Unfallkasse mit Bescheid vom 7. Dezember 1993 und Widerspruchsbescheid vom 7. März 1994 ab, weil er während des Spaziergangs nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe; insbesondere falle der Spaziergang nicht unter den ihm als Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 21. März 1996 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 10. Februar 1998 zurückgewiesen. Der Kläger habe während des Spaziergangs am 13. April 1993 nicht nach § 539 Abs 1 Nr 13 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Zwar habe er als gerichtlich bestellter Betreuer zu dem nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO versicherten Personenkreis gehört. Der nach § 548 Abs 1 RVO erforderliche innere Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Handlung und der ehrenamtlichen Tätigkeit sei jedoch nicht gegeben, weil der Spaziergang nicht unter die als Betreuer übernommenen Amtspflichten falle. Insbesondere könne er nicht dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge zugeordnet werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz des § 1897 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach die Pflicht zur persönlichen Betreuung bestehe. Denn der Kläger habe nicht vorgetragen, der Spaziergang habe dazu gedient, das Betreuungsverhältnis betreffende Angelegenheiten zu besprechen oder Dinge zu klären, die für die Mitteilungspflichten des Betreuers von Bedeutung seien. Der innere Zusammenhang zur Betreuertätigkeit lasse sich auch nicht aus § 1901 Abs 2 Satz 1 BGB herleiten, wonach der Betreuer in den dort genannten Grenzen den Wünschen des Betreuten zu entsprechen habe. Diese Vorschrift sei auf Wünsche beschränkt, die sich innerhalb des dem Betreuer übertragenen Aufgabenbereichs bewegten. Schließlich habe der Kläger auch nicht nach § 539 Abs 2 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 13 RVO oder § 539 Abs 1 Nr 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 548 Abs 1 RVO sowie sinngemäß des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Spaziergang mit dem Betreuten zähle nicht zur pflegerischen Betreuung, sondern habe innerhalb des Aufgabenkreises Gesundheitsfürsorge gelegen. Letztere umfasse zunächst alle rechtsgeschäftlichen und organisatorischen Aufgaben. Darüber hinaus habe der Betreuer gemäß Satz 1 des § 1901 Abs 1 BGB die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspreche. Zum Wohle des Betreuten gehöre nach Satz 2 der Vorschrift auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Das schließe einen Spaziergang des Betreuten mit seinem Betreuer ein. Außerdem habe der Betreuer gemäß § 1901 Abs 2 Satz 1 BGB den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dem Betreuer zuzumuten sei. Danach sei er – der Kläger – verpflichtet gewesen, dem Wunsch des Betreuten nach einem Spaziergang nachzukommen. Aber selbst wenn der Spaziergang nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört hätte, sei dies zumindest für ihn als juristischen Laien zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Die mangelnde Sachaufklärung liege darin, daß das LSG ihn nicht gefragt habe, worüber er bei dem Spaziergang mit dem Betreuten gesprochen habe. Dann wäre festgestellt worden, daß sich der Betreute an jenem Tage psychisch sehr schlecht gefühlt und er – der Kläger – ihn deshalb gefragt habe, ob er einen Termin beim Hausarzt vereinbaren solle. Hiermit sei der Betreute einverstanden gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 21. März 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 1994 aufzuheben und festzustellen, daß es sich bei seinem Unfall vom 13. April 1993 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG im Ergebnis für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten stand er unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, als er am 13. April 1993 auf dem Spaziergang mit dem Betreuten verunglückte.
Der Feststellungsanspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 noch nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO, denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind; der geltend gemachte Unfall hat sich aber vor dem Inkrafttreten des SGB VII ereignet.
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Als gerichtlich bestellter Betreuer gehörte der Kläger für die Dauer der Bestellung zu dem nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis. Danach sind ua die für ein Land ehrenamtlich Tätigen gegen Unfall versichert, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird. Ehrenamtliche Betreuer iS des § 1896 BGB (in der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung des Betreuungsgesetzes ≪BtG≫ vom 12. September 1990 - BGBl I 2002 -, im folgenden: Fassung 1992) erfüllen diese Voraussetzungen. Sie sind nicht etwa auf privatrechtlicher Grundlage, sondern im öffentlichen Interesse für ein Land – beim Kläger das Land Rheinland-Pfalz – tätig. Ihrer Tätigkeit liegt das staatliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen zugrunde; zur Durchführung dieser Fürsorge bedient sich der Staat jeweils einer Privatperson (so für den damaligen Vormund entmündigter Volljähriger: BVerfGE 10, 302, 311, 312, 324). Sofern – wie beim Kläger – das Amt des Betreuers ehrenamtlich ausgeübt wird, wird dem Betreuer auch nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts gewährt, weil die Betreuung, abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen, gemäß § 1908i Abs 1 Satz 1 iVm § 1836 Abs 1 BGB (jeweils Fassung 1992) unentgeltlich geführt wird. Zwar steht dem Betreuer nach § 1908i Abs 1 Satz 1 iVm § 1835 Abs 1 BGB (jeweils Fassung 1992) ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen gegen den Betreuten, hilfsweise gegen die Staatskasse, und iVm § 1836a BGB (Fassung 1992) ein gegebenenfalls mit dem erstgenannten Anspruch zu verrechnender Anspruch auf eine pauschale Aufwandsentschädigung zur Abgeltung geringfügiger Aufwendungen zu. Diese Leistungen reichen aber jedenfalls nicht zur Sicherstellung des Lebensbedarfs aus.
Zur Annahme eines Arbeitsunfalls nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der unfallversicherungsgeschützten Tätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 95; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 38). Dieser innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (stRspr s zB BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 539 Nrn 38 und 42). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat der Kläger den Unfall in Ausübung seines Amtes als ehrenamtlicher Betreuer erlitten.
Die allgemeinen Inhalte der Aufgaben des Betreuers sind den §§ 1896 bis 1908i BGB (Fassung 1992) zu entnehmen. Diese Vorschriften sind durch das BtG neu gefaßt worden; sie haben die früheren Regelungen über die Vormundschaft bei Entmündigten und die Pflegschaft bei Volljährigen ersetzt. Nach § 1896 BGB (Fassung 1992) ist Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers, daß ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (Abs 1 Satz 1). Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (Abs 1 Satz 2). Nach § 1897 Abs 1 BGB (Fassung 1992) bestellt das Vormundschaftsgericht zum Betreuer eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen und ihn hierbei im erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
Die Einführung der persönlichen Betreuung stellt ein Kernstück der durch das BtG herbeigeführten Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft dar. Der Gesetzgeber hatte den vor dem Jahr 1992 bestehenden Zustand als bedrückend empfunden, wonach die Betroffenen oft nicht persönlich betreut, sondern nur durch „Berufsvormünder” oder „Berufspfleger” anonym verwaltet wurden, denen oft weit mehr als hundert Fälle übertragen waren. Er kritisierte vor allem, daß in diesen Fällen persönliche Kontakte, insbesondere persönliche Gespräche nicht stattfanden, daß sich ein Vertrauensverhältnis nicht bilden und daß oft der Mündel oder der Pflegling seinen Vormund bzw Pfleger nicht kannte (Begründung des Entwurfs eines BtG, 1. Teil, Abschnitt D, BT-Drucks 11/4528 S 50). Dies sollte mit der Reform grundlegend geändert werden. Die nunmehr vorgesehene persönliche Betreuung, die nicht der Ausübung der Personensorge gleichgesetzt werden darf, ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in allen Aufgabenbereichen – auch bei der Vermögenssorge – anzustreben. Ihr Hauptmerkmal ist der persönliche Kontakt, insbesondere das persönliche Gespräch. Je höher die Zahl der Angelegenheiten ist, um die sich der Betreuer zu kümmern hat, oder je bedeutsamer diese sind, um so stärker wird eine persönliche Betreuung erforderlich sein (Abschnitt F IV aaO S 68). Nach § 1901 BGB (Fassung 1992) hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (Abs 1 Satz 1). Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (Abs 1 Satz 2). Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien ua: „Es ist zwar nicht zu verkennen, daß der Begriff des „Wohles” ein sehr allgemeiner ist. Eine nähere Konkretisierung erscheint angesichts der Vielfalt der Fallgestaltungen – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht möglich. Es erscheint jedoch sinnvoll, im Satz 2 ergänzend klarzustellen, daß zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit gehört, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Von den Betroffenen wird des öfteren zu Recht darüber geklagt, daß dieser Gesichtspunkt in der Praxis nicht immer hinreichend beachtet wird. So wird bei der Vermögenssorge nicht selten die Erhaltung und Mehrung des Vermögens mit dem Wohl des Betroffenen gleichgesetzt und sein Wunsch nach einem vertretbaren Luxus übergangen.” (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 1 des Entwurfs eines BtG, BT-Drucks 11/4528 S 133).
Nach § 1901 Abs 2 Satz 1 (Fassung 1992) hat der Betreuer Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist (Satz 1). Durch diese Zumutbarkeitsregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, „daß überzogene Anforderungen des Betreuten etwa an die Dauer des täglichen Betreuungsaufwandes außer Betracht bleiben. So würde es zB mit dem Wohl des Betreuten durchaus in Einklang stehen, wenn dieser täglich mehrere Stunden mit dem Betreuer über seine Angelegenheiten sprechen will. Solchen Wünschen sollte sich der Betreuer entziehen können” (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 2 des Entwurfs eines BtG, aaO S 134). Ehe der Betreuer wichtige Aufgaben erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft (§ 1901 Abs 2 Satz 3 BGB ≪Fassung 1992≫). Hierzu wird in den Gesetzesmaterialien ua ausgeführt: „Eine generelle Besprechungspflicht für weniger wichtige Angelegenheiten schlägt der Entwurf nicht vor. Eine solche Pflicht würde den Betreuer nicht selten überfordern. Auch wird es dem Wunsch des Betreuten oft nicht entsprechen, daß der Betreuer jede Kleinigkeit mit ihm erörtert. Will der Betreute allerdings jede Einzelheit mit dem Betreuer besprechen und läuft dies seinem Wohl nicht zuwider, so ist der Betreuer nach Satz 1 an diesen Wunsch gebunden, soweit ihm der Umfang der gewünschten Besprechungen zuzumuten ist. Auch hierdurch wird in größtmöglichem Umfang eine persönliche Betreuung gewährleistet” (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 2 Satz 3 des Entwurfs eines BtG, aaO S 134). Schließlich hat der Betreuer nach § 1901 Abs 3 BGB (Fassung 1992) innerhalb seines Aufgabenkreises dazu beizutragen, daß Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Hiernach soll der Betreuer nur „dazu beitragen”, daß die genannten Möglichkeiten genutzt werden; er soll keinesfalls an die Stelle des Arztes oder anderer Fachleute treten, sondern sich deren Hilfe bedienen (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 3 des Entwurfs eines BtG, aaO S 134).
Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß der Kläger mehrere der genannten Voraussetzungen jedenfalls nach dem Wortsinn der Vorschriften erfüllt hat: Er hat den persönlichen Kontakt mit dem Betreuten aufgenommen, insbesondere mit ihm Gespräche geführt, und er hat dessen Wunsch, mit ihm einen Spaziergang zu machen, entsprochen, ohne daß dies dem Wohl des Betreuten widersprochen hätte oder für ihn selbst unzumutbar gewesen wäre. Der Besuch des Betreuers beim Betreuten wird auch in Rechtsprechung und Schrifttum grundsätzlich zu den Betreueraufgaben gezählt (vgl Zimmermann, FamRZ 1998, 521, 523, 524 mwN).
Hinzu kommt, daß der Kläger in drei wichtigen Aufgabenkreisen zum Betreuer bestellt war und er damit eine Stellung einnahm, die eine nahezu umfassende Betreuung erforderte. Nach den genannten Gesetzesmaterialien (Abschnitt F IV aaO S 68) hatte daher bei ihm der Grundsatz der persönlichen Betreuung besonders hohe Bedeutung. Dies aber rechtfertigt, daß er im Rahmen seines Betreueramtes den Betreuten des öfteren besuchen konnte. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß der Betreute nicht in einer Familie, sondern in einem Altersheim lebte. In einem solchen Falle hat ein Betreuter innerhalb des Aufgabenkreises Aufenthaltsbestimmung sich zu vergewissern, ob der Aufenthalt des Betreuten in dem betreffenden Heim seinem Wohle dient oder ob er in einer anderen Einrichtung besser untergebracht wäre. Beim Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge obliegt es dem Betreuer festzustellen, ob die medizinische Betreuung innerhalb des Heims ausreichend ist, insbesondere, ob der Betreute die erforderlichen Medikamente erhält. Auch hat der Betreuer darauf zu achten, daß das Heimpersonal sich im Krankheitsfalle des Betreuten rechtzeitig um die gebotene ärztliche Versorgung kümmert, gegebenenfalls hat er selbst die Einschaltung eines Arztes zu veranlassen. Im Rahmen der Vermögenssorge obliegt es dem Betreuer zu prüfen, ob Wünsche des Betreuten auf Anschaffung von Gegenständen oder auf Erhöhung des Taschengeldes erfüllt werden können. Schließlich hat der Betreuer gegebenenfalls Erkundigungen einzuholen, ob in dem Heim freiheitsbeschneidende Maßnahmen iS des § 1906 Abs 4 BGB vorgenommen werden oder ob solche zum Wohl des Betreuten erforderlich sind und daher beim Vormundschaftsgericht deren Genehmigung einzuholen ist. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind des öfteren Besuche beim Betreuten und vertrauensbildende oder -erhaltende Gespräche mit diesem in der Regel erforderlich, weil nur so dessen Wünsche ermittelt werden können und sich ohne solche Gespräche nur schwer feststellen läßt, was dem Wohle des Betreuten dient.
Vertrauensbildende oder -erhaltende Gespräche kann der Betreuer auch während eines Spaziergangs mit dem Betreuten führen, zumal wenn letzterer dies ausdrücklich wünscht. Das gilt insbesondere, wenn – wie im vorliegenden Fall – keine weiteren Personen an dem Spaziergang teilnehmen und der Betreute frei von der Aufsicht des Heimpersonals und ungestört durch andere Heimbewohner seine Vorstellungen, Wünsche oder Beschwerden in einem vertraulichen Gespräch dem Betreuer mitteilen kann.
Eine Zuordnung des Spaziergangs am 13. April 1993 zu den Betreueraufgaben des Klägers wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß diese durch andere, vorrangige Rechtspflichten überlagert worden wäre. Als Stiefsohn des Betreuten war der Kläger gesetzlich nicht verpflichtet, sich in irgendeiner Weise um seinen Stiefvater zu kümmern. Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger eine entsprechende vertragliche Pflicht oblag, liegen auch nicht vor.
Allerdings sind nach den Feststellungen des LSG bei dem Spaziergang keine in Zusammenhang mit der Betreuung stehenden Fragen rechtsgeschäftlicher oder organisatorischer Art besprochen worden. Soweit die Revision rügt, das LSG habe unter Verstoß des § 103 SGG es unterlassen zu ermitteln, worüber der Kläger mit dem Betreuten während des Spaziergangs gesprochen habe, kann offenbleiben, ob diese Rüge zulässig und begründet ist. Denn selbst wenn die genannte Feststellung des LSG nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend ist, stand der Spaziergang des Klägers mit dem Betreuten nach dem hier maßgebenden Rechtszustand (1992 bis 1998) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Den Vorschriften des BGB (Stand 1992) über die Betreuung ist iVm den Gesetzesmaterialien (aaO S 52, 68, 125) zu entnehmen, daß die vom Gesetzgeber gewünschten vertrauensbildenden und -erhaltenden Kontakte zwischen dem Betreuer und dem Betreuten grundsätzlich auch dann in den Aufgabenbereich des Betreuers fallen, wenn sie nicht unmittelbar auf rechtsgeschäftliche oder organisatorische Maßnahmen der Betreuung abzielen. Andererseits können solchen Kontakten aber auch allein oder überwiegend karitative, freundschaftliche oder verwandtschaftliche Motive zugrunde liegen. Dies führt aber grundsätzlich nach dem hier maßgeblichen Rechtszustand (1992 bis 1998) nicht zu dem Ergebnis, daß solche Kontakte nicht zur Amtsausübung des Betreuers gehören. Denn solches würde mit der in § 1897 Abs 5 BGB (Stand 1992) normierten Regelung nicht in Einklang stehen, daß bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen Bindungen des zu Betreuenden, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern und zum Ehegatten Rücksicht zu nehmen ist. Da bei diesen Personen in der Regel davon ausgegangen werden kann, daß sie in erster Linie durch die familiären oder freundschaftlichen Bindungen zu den Kontakten mit dem Betreuten motiviert sind, würden bei ihnen derartige Kontakte nicht unter ihre Betreueraufgaben fallen. Das aber wäre mit dem Zweck des BtG, die persönliche Betreuung nach Kräften zu fördern, kaum zu vereinbaren.
Äußere Umstände, die beim Kläger darauf schließen lassen, daß sein Besuch beim Betreuten am 13. April 1993 nicht durch seine Betreueraufgabe motiviert war, können den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden, insbesondere nicht, daß er den Betreuten unangemessen oft besucht und damit das aufgrund seines Ehrenamtes Erforderliche überschritten hat. Wann dies der Fall sein kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Im Zusammenhang mit der Vergütung von Berufsbetreuern liegen Gerichtsentscheidungen vor, nach denen ein Besuch pro Monat (LG Passau, JurBüro 1993, 733) oder ein Besuch pro Woche (LG Traunstein, 4 T 2618/94, zitiert bei Zimmermann, FamRZ 1998, 521, 524) nicht unangemessen ist. Beim Kläger ist lediglich festgestellt worden, daß er den Betreuten des öfteren, teils in Begleitung Dritter, besucht. Ausgehend davon, daß in der Regel nur der alleinige Besuch des Betreuers den für die Betreuung erforderlichen Kontakt ermöglicht und daher die Besuche des Klägers in Begleitung Dritter nicht zu seinen Besuchen als Betreuer zu zählen sind, und ausgehend davon, daß der Kläger seinen Stiefvater in drei Aufgabenkreisen, und damit besonders intensiv, zu betreuen hat, ist den Feststellungen des LSG zu entnehmen, daß sich die Einzelbesuche des Klägers beim Betreuten in etwa in dem von der genannten Rechtsprechung umschriebenen Rahmen halten. Letztlich aber kommt es bei der Berücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands beim Betreuer darauf an, ob er aus seiner Sicht die Tätigkeit zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (vgl BayObLG FamRZ 1996, 1169; Knittel, Betreuungsgesetz, § 1836 BGB RdNr 18; Damrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl, § 1835 BGB RdNr 4).
Da eine objektive Möglichkeit, die Motivation des Klägers bei seinem Besuch des Betreuten am 13. April 1993 zu ermitteln, ausscheidet, ist darauf abzustellen, daß er nach den Feststellungen des LSG den Spaziergang mit dem Betreuten aus seiner damaligen Sicht für erforderlich gehalten hat. Dies durfte er auch annehmen, weil die damaligen Vorschriften jedenfalls dem Wortsinne nach als Begrenzung der Betreueraufgaben lediglich das Wohl des Betreuten und die Zumutbarkeit für den Betreuer vorsahen. Diese Grenzen hat er nicht überschritten.
Daß der Kläger damals dieser Auffassung sein durfte, wird dadurch bestätigt, daß sich der Gesetzgeber zu einer genaueren Abgrenzung zwischen der rechtlichen Betreuung einerseits und der pflegerischen oder kommunikativen Betreuung andererseits veranlaßt gesehen hat. Diese Abgrenzung ist mit dem am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen und daher hier nicht anwendbaren Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BtÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl I 1580) herbeigeführt worden. Mit ihm sind die bisherigen Vorschriften ua des BGB über die Betreuung (§§ 1896 bis 1908i BGB) geändert worden. Insbesondere ist dem § 1901 BGB ein neuer Abs 1 eingefügt worden, wonach die Betreuung nur noch alle Tätigkeiten umfaßt, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen. Ob nach den neuen Rechtsvorschriften Kontakte der vorliegenden Art zwischen Betreuer und Betreutem noch zum Aufgabenbereich des Betreuers gehören, ist hier zwar nicht erheblich. Gleichwohl können aus den neuen Regelungen Rückschlüsse auf das bisherige Recht gezogen werden. So heißt es in der Begründung zu Art 1 Nr 13 § 1901 des Entwurfs eines BtÄndG (BT-Drucks 13/7158 S 33) ua: „Bei der Prüfung der Erforderlichkeit von faktischen Maßnahmen zur Rechtsfürsorge ist ein großzügiger Maßstab anzulegen und insbesondere auf das Postulat persönlicher Betreuung Bedacht zu nehmen: Die hierfür gebotene Ermittlung von Willen und Wünschen des Betreuten wird dem Betreuer vielfach nur auf der Grundlage eines Vertrauensverhältnisses zum Betreuten gelingen, das durch Maßnahmen persönlicher Zuwendung aufgebaut und erhalten werden will. Auch solche vertrauensbildenden und – erhaltenden Maßnahmen können deshalb zur Tätigkeit des Betreuers gehören, wenn sie zur Willenserforschung und damit zu einer persönlichen Interessenwahrnehmung durch den Betreuer „erforderlich”, dh geeignet und notwendig sind und zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Bezug zu der dem Betreuer übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind als Ausdruck menschlicher Zuwendung wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen. Sie gehören jedoch nicht zu den dem Betreuer vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung.”
Hieraus läßt sich zugunsten des Klägers einmal der Schluß ziehen, daß er sein Verhalten seinerzeit nicht nach einer Abgrenzung zwischen rechtlicher und karitativer Betreuung ausrichten konnte, wenn diese Abgrenzung erst später gesetzlich vorgeschrieben wurde. Zum anderen ist aus der nach jetzigem Recht großzügigen Handhabung bei der Prüfung der Erforderlichkeit faktischer Maßnahmen zur Rechtsfürsorge zu schließen, daß für den Rechtszustand von 1992 bis 1998 zumindest ein ebenso großzügiger Maßstab anzulegen ist.
Daß sich der Aufgabenbereich Ehrenamtlicher auch nach deren subjektiven Vorstellungen vom Ausmaß ihres Ehrenamtes bestimmt, ist dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht fremd. So hat der Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1991 (SozR 3-2200 § 539 Nr 11) entschieden, daß ein Bürger, der ehrenamtlich mehr als seine Pflicht tut, deshalb nicht vom Versicherungsschutz des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO ausgeschlossen sein kann. In seinem Urteil vom 18. März 1997 (SozR 3-2200 § 539 Nr 38 mwN) hat der Senat entschieden, daß es für den auch bei ehrenamtlich Tätigen erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit darauf ankommt, daß die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignete, dazu bestimmt war, den Zwecken des Unternehmens zu dienen. Maßgebend ist dabei die sich erkennbar ergebende Handlungstendenz. Ob eine Tätigkeit aber dem Unternehmen zu dienen bestimmt war, beurteilt sich nicht danach, ob die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv tatsächlich dienlich war. Vielmehr ist es ausreichend, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß die Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen (BSG SozR 2200 § 550 Nr 39). Letzteres war – wie oben dargelegt – beim Kläger der Fall. Er konnte aufgrund der objektiv vorliegenden und objektiv nachvollziehbaren Umstände davon ausgehen, seine zum Unfall führende Verrichtung, der Spaziergang mit dem Betreuten, werde dem Unternehmen dienlich sein, dh im Rahmen seiner Aufgaben als Betreuer liegen.
Nach alledem waren auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG und das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die begehrte Feststellung auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542826 |
NJWE-FER 1999, 334 |
AuA 2000, 92 |
BtPrax 2000, 30 |
NDV-RD 1999, 67 |
SGb 1999, 350 |
RdW 1999, 743 |
SozSi 2000, 106 |