Leitsatz (redaktionell)
Es wird an der Rechtsprechung festgehalten, daß bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs nach BKGG § 23 Abs 1 die Leistungen der Kindergeldkasse sowie die des Trägers der RV einander nicht Monat für Monat gegenüberzustellen sind. Vielmehr muß von der gesamten Zeitspanne, für die beide Leistungen gewährt worden sind, ausgegangen werden; der Gesamtbetrag des Kindergeldes ist also mit dem Endbetrag der Kinderzuschüsse zu vergleichen. In diesem Rahmen wird auch der Kinderzuschuß für das erste Kind, für das Kindergeld nicht gewährt worden ist, von der Überleitung erfaßt (Festhaltung BSG 1971-05-25 4 RJ 19 c/71 = Breith 1972, 162).
Normenkette
BKGG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1964-04-14, § 8 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. April 1970 wird aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 1. Februar 1968 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu 1) die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Versicherte - der Beigeladene zu 1) - bezog von Dezember 1965 bis Februar 1967 einschließlich von der Klägerin Kindergeld in Höhe von 75,- DM monatlich (für das 2. Kind 25,- DM für das 3. Kind 50,- DM). Mit Bescheid vom 3. Februar 1967 wurde ihm von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Dezember 1965 an gewährt. An Kinderzuschüssen enthielt die Rente für jedes Kind zunächst 60,70 DM monatlich (bis 31. Dezember 1966 einschließlich) und vom 1. Januar 1967 an 65,50 DM monatlich. Die laufende Rentenzahlung begann am 1. April 1967.
Im Hinblick auf die Rentengewährung entzog die Klägerin - die Bundesanstalt für Arbeit (BA) - dem Versicherten durch Bescheid vom 15. Februar 1967 rückwirkend das von ihr gewährte Kindergeld. Sie stellte eine Überzahlung von insgesamt 1125,- DM fest. Wegen dieses Betrages richtete sie eine schriftliche Überleitungsanzeige an die Beklagte (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - in der bis zum Inkrafttreten des 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes vom 16. Dezember 1970 - BGBl I 1725 - geltenden Fassung).
Aus der Rentennachzahlung befriedigte die Beklagte die - beigeladene - Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), die dem Kläger bis zum 13. Januar 1967 Krankengeld gewährt hatte, in Höhe des von ihr geltend gemachten Anspruchs.
Die Klägerin erhielt von der Beklagten 150,- DM und weitere 88,40 DM vom Versicherten, dem aus der Rentennachzahlung noch 1263,70 DM zugeflossen waren, insgesamt also 238,40 DM. Sie begehrt nicht das gesamte von ihr gezahlte Kindergeld in Höhe von 1125,- DM, sondern nur 392,90 DM. Dies ist der - nach Befriedigung der AOK verbliebene - Restbetrag der für die Zeit von Dezember 1965 bis Februar 1967 von der Beklagten gezahlten Kinderzuschüsse. Die Klageforderung richtet sich hiernach auf 154,50 DM (392,90 DM - 238,40 DM).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt (Urteil des SG Nürnberg vom 1. Februar 1968). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. April 1970).
Mit der Revision beantragt die Klägerin,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen(der Versicherte und die AOK) haben in der Revisionsinstanz keine Anträge gestellt.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg zurückgewiesen werden.
Das SG hat den Anspruch der Klägerin zu Recht bejaht. Er ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG aF - die Neuregelung des § 8 Abs. 3 BKGG, die nunmehr jene Vorschrift ersetzt, ist auf den vorliegenden, vor dem 1. Januar 1971 abgeschlossenen Sachverhalt nicht anzuwenden (Art. 5 Abs. 1 des 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes vom 16. Dezember 1970) - i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG. Der Versicherte hat Kindergeld erhalten, das ihm infolge der rückwirkenden Bewilligung der Rente aus der Rentenversicherung nicht zustand. Die Tatsache, daß der überwiegende Teil der Rente - und damit auch Teile der Kinderzuschüsse - der Krankenkasse zugeflossen ist, vermag daran nichts zu ändern (vgl. BSG in SozR Nr. 3 zu § 8 BKGG). Die Klägerin hat den Anspruch des Versicherten auf die Kinderzuschüsse in der von ihr geltend gemachten Höhe wirksam auf sich übergeleitet.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß in Fällen der vorliegenden Art bei der Berechnung des Ersatzanspruchs die Leistungen der Kindergeldkasse sowie die des Trägers der Rentenversicherung einander nicht Monat für Monat gegenüberzustellen sind. Es muß vielmehr von der gesamten Zeitspanne, für die beide Leistungen gewährt worden sind, ausgegangen werden; der Gesamtbetrag des Kindergeldes ist also mit dem Endbetrag der Kinderzuschüsse zu vergleichen. In diesem Rahmen wird auch der Kinderzuschuß für das erste Kind, für das Kindergeld nicht gewährt worden ist, von der Überleitung erfaßt. Zur Begründung wird auf das - zur Veröffentlichung vorgesehene - Urteil des Senats vom 25. Mai 1971 - 4 RJ 19 b/71 - Bezug genommen. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat auch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß.
Da die Klägerin die Vorabbefriedigung der Krankenkasse nicht beanstandet und nur den Restbetrag der für die angegebene Zeit gewährten Kinderzuschüsse verlangt, ist ihr Anspruch auch der Höhe nach gerechtfertigt. Einer Entscheidung über die Rangfolge der Ersatzansprüche der Krankenkasse und der Klägerin bedarf es in diesem Fall nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen