Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Vollbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
Der Zweck des Gesetzes gebietet es, den ohne Lohnfortzahlung beurlaubten Arbeitnehmer als "nicht vollbeschäftigt" anzusehen.
Normenkette
BKGG § 7 Abs. 4 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. September 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger ist als Arbeiter bei der Stadt L beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) in ihrer jeweils geltenden Fassung und die sonstigen jeweils bei der Stadt L in Kraft befindlichen Tarifverträge Anwendung. Der Kläger bezieht für vier Kinder - seine Stiefkinder W und E R geboren am 28. Dezember 1956 und 25. Juli 1958, und seine ehelichen Kinder H und L, geboren am 24. März 1960 und 29. Dezember 1963 - auf Grund des zwischen der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr geschlossenen Tarifvertrages vom 28. Juli 1958 (TVKZ) Kinderzuschläge. Auf seinen Antrag gewährte ihm die Stadt L für die Zeit vom 14. bis 20. Mai 1966 unbezahlten Urlaub. Sie bescheinigte ihm zur Vorlage bei der Kindergeldkasse, daß infolgedessen der Kinderzuschlag für Mai 1966 vom zweiten Kind an entfalle, und stellte ihm anheim, im eigenen Interesse die Zahlung des gesetzlichen Kindergeldes zu beantragen.
Im Juni 1966 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt L - Kindergeldkasse -, ihm für Mai 1966 Kindergeld zu gewähren. Mit schriftlichem Bescheid vom 30. Juni 1966 lehnte die Kindergeldkasse den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, sein Arbeitsverhältnis sei während der Beurlaubung bestehen geblieben. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. August 1966).
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung seiner vier Kinder für Mai 1966 Kindergeld in Höhe von 135,- DM zu zahlen. Während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat das Arbeitsamt L dem Kläger am 7. Oktober 1968 für das vierte Kind Kindergeld in Höhe von 30,- DM überwiesen und dies dem Sozialgericht (SG) mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1968 angezeigt. Der Kläger hat daraufhin nur noch Kindergeld in Höhe von 105,- DM begehrt.
Das SG Lübeck hat durch Urteil vom 26. Februar 1969 den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1966 und den Widerspruchsbescheid vom 10. August 1966 unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses vom 14. Oktober 1968 abgeändert; es hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Monat Mai 1966 Kindergeld in Höhe von 105,- DM zu gewähren.
Die - zugelassene - Berufung der Beklagten ist vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 5. September 1969 zurückgewiesen worden. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) werde Kindergeld zwar Personen nicht gewährt, die, wie der Kläger, Arbeitnehmer einer Gemeinde seien, ohne daß in dieser Vorschrift der Bezug von Kinderzuschlag als besonderes Erfordernis des Anspruchsausschlusses genannt werde. Der Anspruch auf Kindergeld sei nach § 7 Abs. 3 BKGG aber dann nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, unter denen nach besoldungsrechtlichen Vorschriften Kinderzuschläge gewährt werden. Dies gelte sinngemäß auch, wenn im öffentlichen Dienst stehenden Arbeitnehmern aus anderen, z. B. tarifrechtlichen, Gründen kein Anspruch auf Vergütung und auf Kinderzuschlag zustehe (BSG 27, 161). Da der Kläger während seines Urlaubs keine dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen erhalten habe, sei sein Anspruch auf Kindergeld nicht durch § 7 Abs. 1 BKGG ausgeschlossen. Etwas anderes könne auch nicht gelten, wenn der Anspruch des Klägers auf Vergütung und Kinderzuschlag nicht für einen vollen Monat, sondern - wie hier - nur für sieben Tage, also nur für einen Teil des Monats, entfalle. Selbst wenn die Ausschlußregelung deswegen grundsätzlich durchgreifen sollte, werde sie durch § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG wieder aufgehoben. Danach gelte § 7 Abs. 1 Nr. 3 BKGG nicht für Kalendermonate, in denen derjenige, bei dem das Kind nach § 2 Abs. 1 BKGG berücksichtigt werde, nicht voll beschäftigt sei und infolgedessen nicht die Voraussetzungen erfülle, unter denen Arbeitnehmer des Bundes und der Länder nach den tarifvertraglichen Bestimmungen den vollen Kinderzuschlag erhielten. § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG gelte sowohl für sogenannte Halbtagsbeschäftigte als auch für solche Personen, die - wie der Kläger - an einzelnen Tagen des betreffenden Monats überhaupt nicht arbeiteten. Entgegen der Auffassung der Beklagten könnten Gesichtspunkte der Praktikabilität zu keinem anderen Ergebnis führen, weil sie gegenüber dem Gerechtigkeitsgedanken zweitrangig seien. Im übrigen dürfte die Zahlung des vollen Kindergeldes auch praktikabler sein; dies habe der hier in Betracht kommende TVKZ vom 28. Juli 1958 in § 2 Nr. 8 dadurch berücksichtigt, daß in Kalendermonaten, für die Kindergeld zustehe, der Kinderzuschlag nur insoweit gewährt werde, als er das Kindergeld übersteige.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie beantragt,
unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abzuweisen.
Sie rügt, das LSG habe die §§ 7 und 8 BKGG verletzt. Sie meint, der Begriff des nicht vollbeschäftigten Arbeitnehmers umfasse nur die ständig teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Nach den tarifvertraglichen Bestimmungen, auf die § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG sich beziehe, seien nur solche Arbeitnehmer nicht vollbeschäftigt, deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit geringer sei als die für die betreffende Arbeitnehmergruppe festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit. Es erscheine auch sachgerecht, Arbeitnehmer von der Vergünstigung des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG auszuschließen, die unentschuldigt Arbeitszeit versäumen oder ohne Bezüge beurlaubt seien. Weil ihr Arbeitsversäumnis auf einem eigenen Willensentschluß beruhe, seien sie nicht in derselben Weise schutzwürdig wie Teilzeitbeschäftigte, die aus wirtschaftlicher Notwendigkeit oder Neigung eine volle Erwerbstätigkeit ausüben wollten, daran aber wegen ihrer sonstigen Beanspruchung gehindert seien. Das BKGG sehe daher ebenso wie für arbeitsunfähig Erkrankte (§ 7 Abs. 4 Nr. 2 BKGG) aus sozialpolitischen Gründen für diese Personen die Gewährung des vollen Kindergeldes vor. Die Auffassung des LSG habe außerdem die unerwünschte Folge, daß der öffentliche Arbeitgeber schon bei geringen Fehlzeiten auf Kosten des Bundes entlastet werde. Außerdem könne der Arbeitnehmer, ggf. im Zusammenwirken mit seinem Arbeitgeber, ein solches Ergebnis bewußt herbeiführen. Somit sei in Kauf zu nehmen, daß § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG eine Lücke lasse und Arbeitnehmer, die der Arbeit unentschuldigt fernblieben, unter Umständen weder die vollen Kinderzuschläge noch das volle Kindergeld erhielten. Diese Lücke könne nicht dadurch geschlossen werden, daß Kindergeld in Höhe der Differenz zwischen den Beträgen des gekürzten Kinderzuschlages und des vollen Kindergeldes gewährt werde. Da das BKGG weitgehend vom Grundsatz der Typisierung beherrscht sei, komme die Zahlung von Unterschiedsbeträgen nur in Betracht wenn sich für die Lückenausfüllung nicht die entsprechende Anwendung einer mit dem Typisierungsprinzip zu vereinbarenden Vorschrift anbiete. Deshalb sei in Fällen wie dem vorliegenden die in § 8 Abs. 2 BKGG enthaltene schematische Billigkeitsregelung entsprechend heranzuziehen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat eine kombinierte Anfechtungs-und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) erhoben. Angefochten ist der den Antrag des Klägers ablehnende schriftliche Bescheid der Kindergeldkasse (§ 25 BKGG) vom 30. Juni 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1966. Die Beklagte hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens am 7. Oktober 1968 das beantragte Kindergeld für das vierte Kind des Klägers in Höhe von 30,- DM gewährt, ohne daß hierüber ein besonderer Bescheid ergangen ist. Die bloße Auszahlung eines Teils des beantragten Kindergeldes kann nicht als ablehnender Verwaltungsakt gewertet werden (dazu BSG in SozR Nr. 83 zu § 54 SGG und Nr. 3 zu § 179 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Da die Beklagte weiterhin das Kindergeld noch teilweise ablehnen wollte, bleibt insoweit die Ablehnung vom 30. Juni 1966 angefochten. Hinsichtlich der Leistungsklage ist der Rechtsstreit durch das von dem Kläger angenommene Anerkenntnis (§ 101 Abs. 2 SGG) teilweise - in Höhe von 30,- DM - in der Hauptsache erledigt. Der an das SG gerichtete Schriftsatz der Beklagten vom 14. Oktober 1968 enthält ein Anerkenntnis, der Schriftsatz der Klägerin vom 24. Oktober 1968 dessen Annahme.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BKGG wird Kindergeld nicht gewährt, wenn eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 BKGG berücksichtigt wird, Arbeitnehmer einer Gemeinde ist. Diese Ausschlußvorschrift gilt jedoch nicht für Kalendermonate, in denen der Arbeitnehmer nicht vollbeschäftigt ist und infolgedessen nicht die Voraussetzungen erfüllt, unter denen Arbeitnehmer des Bundes und der Länder nach den tarifvertraglichen Bestimmungen den vollen Kinderzuschlag erhalten (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG). Ob der Kläger diese Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs 4 Nr. 1 BKGG erfüllt, läßt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes allein nicht beantworten. Darin ist nämlich der Begriff der Vollbeschäftigung nicht näher erläutert. Der Senat hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1970 - 7 RKg 11/67 - (BSG SozR Nr. 6 zu § 7 BKGG) ausgeführt, daß es für die Beurteilung der Vollbeschäftigung entscheidend auf die tarifvertragliche Regelung ankomme, die für den persönlichen, sachlichen und fachlichen Bereich der jeweils in Betracht kommenden Gruppe von Arbeitnehmern maßgebend sei, hier also auf den BMT-G II. Das ist aber nicht so zu verstehen, als sei das Tatbestandsmerkmal "nicht vollbeschäftigt" im Rahmen des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG nur dann erfüllt, wenn ein Gemeindearbeiter arbeitsvertraglich eine regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zu leisten hat, die ihn nach der für ihn geltenden tarifvertraglichen Regelung als "nicht vollbeschäftigt" gelten läßt. Bei einer solchen Auslegung würde übersehen, daß der Senat in dem angeführten Urteil lediglich entschieden hat, daß Arbeitnehmer, welche die jeweilige in dem für sie anzuwendenden Tarifvertrag festgelegte Vollbeschäftigungsgrenze arbeitsvertraglich nicht erreichen (sog. Teilbeschäftigte), immer im Sinne des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG als "nicht vollbeschäftigt" anzusehen sind. Nicht ist indessen entschieden worden, was für Arbeitnehmer zu gelten hat, deren regelmäßige Arbeitszeit zwar arbeitsvertraglich oberhalb der tarifrechtlichen Vollbeschäftigungsgrenze vereinbart ist, die tarifvertraglich also als "Vollbeschäftigte" anzusehen sind, die aber in einem Kalendermonat tatsächlich die tarifvertraglich festgelegte regelmäßige Arbeitszeit nicht erreichen. Zur Entscheidung dieser Frage hatte der Senat seinerzeit keinen Anlaß, weil es sich nach dem zu entscheidenden Sachverhalt um einen Waldarbeiter einer Gemeinde des Landes Rheinland-Pfalz handelte, auf den § 45 des Manteltarifvertrages für die Waldarbeiter des Staates und der Gemeinden vom 1. Oktober 1964 anzuwenden war und der nach dieser tarifrechtlichen Regelung schon aufgrund der arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit tarifvertraglich nicht zu den "Vollbeschäftigten", sondern zu den "Teilbeschäftigten" rechnete.
Auch wenn es sich um einen Gemeindearbeiter handelt, der wie der Kläger aufgrund der arbeitsvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit nach der einschlägigen tarifrechtlichen Regelung - hier § 67 BMT-G II - als "Vollbeschäftigter" gilt, ist er im Sinne des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG als "nicht vollbeschäftigt" anzusehen, wenn er in einem Kalendermonat (§ 7 Abs. 4 BKGG) tatsächlich die tarifvertraglich vorgeschriebene regelmäßige Arbeitszeit deshalb nicht erreicht, weil ihm Urlaub ohne Lohnfortzahlung gewährt worden ist. Neben dem Wortlaut sprechen vor allem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG für eine solche weite Auslegung. Die genannte Vorschrift soll besondere Härten bei den Bediensteten der öffentlichen Hand vermeiden (Andres, BABl. 1964, 277, 280). Zu solchen Härten käme es aber, wenn ein Gemeindearbeiter regelmäßig vom Kindergeldbezug ausgeschlossen bliebe, dem im Laufe eines Kalendermonats unbezahlter Urlaub gewährt worden ist. In einem solchen Fall steht dem Gemeindearbeiter nämlich nach § 2 Abs. 4 TVKZ ein Kinderzuschlag gegenüber seinem Arbeitgeber nur anteilig für den Teil des Lohnabrechnungszeitraumes zu, in dem er gearbeitet hat. Da dieser anteilige Kinderzuschlag geringer als das gesetzliche Kindergeld sein kann, gebietet es der Zweck des Gesetzes, den ohne Lohnfortzahlung beurlaubten Arbeitnehmer als "nicht vollbeschäftigt" im Sinne des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG anzusehen. Würde man anders verfahren, wären die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gegenüber den Arbeitnehmern der freien Wirtschaft, die von ihrem Arbeitgeber Urlaub ohne Fortzahlung der Vergütung erhalten, benachteiligt. Diese Arbeitnehmer haben nämlich auch bei unbezahltem Urlaub Anspruch auf das volle Kindergeld (vgl. § 9 Abs. 1 BKGG). Die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sind aber nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BKGG nur deshalb vom Kindergeld ausgeschlossen worden, weil der Gesetzgeber mit der Vorschrift beabsichtigte, den Familienlastenausgleich aus Mitteln der öffentlichen Hand grundsätzlich nur einmal durchzuführen, also keine Doppelleistungen zu gewähren, nicht aber, um die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegenüber denen der Privatwirtschaft schlechterzustellen . Es ist deshalb folgerichtig, daß der Ausschluß der Arbeitnehmer der öffentlichen Hand vom Bezug des Kindergeldes dann wieder aufgehoben wird, wenn sich unter Anwendung der für diese Arbeitnehmer geltenden tarifvertraglichen Regelungen eine Benachteiligung gegenüber der freien Wirtschaft ergeben könnte. Die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bekommen dadurch auch nicht, wie die Beklagte meint, überhöhte Leistungen. Für Kalendermonate, für die das Kindergeld nach dem BKGG zu gewähren ist, wird nämlich der Kinderzuschlag für das in Betracht kommende Kind von den Arbeitgebern der öffentlichen Hand nur insoweit gewährt, als er das gesetzliche Kindergeld übersteigt (§ 2 Abs. 9 TVKZ).
Bedenken gegen die hier getroffene weite Auslegung ergeben sich auch nicht aus § 7 Abs. 6 BKGG. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer, für deren Kinder nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BKGG Kindergeld nicht gewährt wird, gegenüber ihren Arbeitgebern, wenn diese auf das Arbeitsverhältnis nicht für Beamte geltende besoldungsrechtliche Vorschriften über Kinderzuschläge oder Regelungen anwenden, die den besoldungsrechtlichen Vorschriften mindestens entsprechen, unter den übrigen Voraussetzungen des BKGG für das zweite und jedes weitere Kind Anspruch auf Leistungen in Höhe des Kindergeldes. Aus dieser Vorschrift folgt zunächst für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei solchen von § 7 Abs. 6 BKGG betroffenen Arbeitgebern der öffentlichen Hand beschäftigt sind, daß diese Arbeitnehmer auch bei unbezahltem Urlaub gegen ihre Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf eine Leistung in Höhe des vollen Kindergeldes haben. Sie sind damit schon gegenüber Arbeitnehmern der öffentlichen Hand, auf deren Arbeitsverhältnis nach tarifvertraglichen Vorschriften die Grundsätze des Besoldungsrechts sinngemäß angewendet werden, im Vorteil, wenn man § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG nicht weit auslegt, sondern der einengenden Auslegung der Beklagten folgt. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, auf dessen Arbeitsverhältnis die besoldungsrechtlichen Grundsätze angewendet werden, hätte dann nach § 2 Abs. 4 TVKZ nur Anspruch auf einen möglicherweise unter dem staatlichen Kindergeld liegenden anteiligen Kinderzuschlag, während ein Arbeitnehmer der öffentlichen Hand mit Anspruch auf das arbeitsrechtliche "Ersatzkindergeld" nach § 7 Abs. 6 BKGG bei unbezahltem Urlaub eine Leistung in Höhe des vollen staatlichen Kindergeldes verlangen könnte (§ 7 Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 BKGG).
Diese Ungleichheit kann nicht etwa dadurch ausgeglichen werden, daß in solchen Fällen einem Arbeitnehmer mit Anspruch auf einen anteilig gekürzten Kinderzuschlag unter entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 7 Abs. 6 BKGG bei unbezahltem Urlaub ein über die tarifvertraglich anzuwendenden besoldungsrechtlichen Grundsätze hinausgehender Anspruch in Höhe des vollen Kindergeldes arbeitsrechtlich zugebilligt wird. Dem würde entgegenstehen, daß in § 7 Abs. 6 BKGG der Wille des Gesetzgebers unmißverständlich zum Ausdruck gekommen ist, nur diejenigen Arbeitgeber der öffentlichen Hand mit arbeitsrechtlichen Leistungen anstelle des gesetzlichen Kindergeldes zu belasten, die keine Regelungen über Kinderzuschläge auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer anwenden, die den besoldungsrechtlichen Vorschriften mindestens entsprechen. Daraus kann aber nicht entnommen werden, daß es Zweck der Regelung sein soll, Arbeitnehmer, die arbeitsvertraglich die tarifrechtlich vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten zu leisten haben, diese aber wegen unbezahlten Urlaubs im Laufe eines Kalendermonats nicht erreichen, von dem Familienlastenausgleich in voller Höhe des staatlichen Kindergeldes auszuschließen. Es müssen daher für Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnisse die besoldungsrechtlichen Grundsätze angewendet werden und die wegen unbezahlten Urlaubs in einem Kalendermonat nur tatsächlich teilbeschäftigt sind, die Ausnahmeregelungen des § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG gelten.
Nach der weiten Auslegung, die der Senat dem Begriff "nicht vollbeschäftigt" zuteil werden läßt, erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal allerdings auch ein Arbeitnehmer, dessen tatsächliche Wochenarbeitsleistung von der regelmäßigen wöchentlichen Beschäftigung einmal abweicht. Dadurch tritt aber nicht etwa die dem Gesetzeszweck widersprechende Folge ein, daß ein solcher Arbeitnehmer schon nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG nicht mehr vom Kindergeldbezug ausgeschlossen und ihm gesetzliches Kindergeld zu gewähren wäre. Nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 BKGG kann nämlich auch ein im Sinne dieser Vorschrift nicht vollbeschäftigter Arbeitnehmer nur dann Kindergeld nach dem BKGG verlangen, wenn gerade infolge der Nichtvollbeschäftigung ihm kein voller Kinderzuschlag nach den tarifvertraglichen Regelungen zusteht. Bei Abweichungen der tatsächlichen Wochenarbeitsleistung von der regelmäßigen wöchentlichen Beschäftigung schreibt aber § 2 Abs. 6 TVKZ ausdrücklich vor, daß der volle Kinderzuschlag zu zahlen ist (ebenso auch § 1 Abs. 6 des Tarifvertrages über Kinderzuschläge vom 3. Juni 1964 für die Arbeiter des Bundes).
Nach allem hat das LSG somit zutreffend die Beklagte verurteilt, dem Kläger für Mai 1966 das volle Kindergeld zu gewähren, weil er während des genannten Kalendermonats wegen des vom 14. bis 20. Mai 1966 erhaltenen unbezahlten Urlaubs nicht voll beschäftigt gewesen ist und deshalb keinen Anspruch auf den vollen Kinderzuschlag gehabt hat.
Die Revision der Beklagten muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen