Beteiligte
Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft |
Rechtsanwalt Dr. Hermann Münzel |
Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 1970 aufgehoben. Die Berufung der Beigeladenen gegen des Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Juli 1968 wird zurückgewiesen; das Urteil des Sozialgerichts wird jedoch auf die Berufung der Beklagten insoweit aufgehoben, als der Bescheid der Beklagten vom 25. November 1966 aufgehoben worden ist; in diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
Die Beigeladene hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der als Mechaniker bei den Bayerischen Motorenwerken AG (BMW) in München beschäftigt war, verließ nach der Spätschicht am 11. Juli 1966 kurz nach Mitternacht den Betrieb durch das Südtor, um mit seinem auf einem Parkplatz in der Nähe des Werkstores abgestellten Pkw nach Hause zu fahren. Auf der zwischen dem Werk und dem Parkplatz gelegenen Dostlerstraße stand der Pkw seines Arbeitskollegen C. (C.). Da der Motor dieses Fahrzeugs nicht ansprang, versuchte der Kläger, dies durch Anschieben des Wagens – streckenweise unter Mithilfe eines Wachmannes – zu erreichen. Er bewegte sich dabei vom Standort seines eigenen Pkw fort und in der seiner üblichen Heimwegstrecke entgegen gesetzten Richtung. Nach mehreren Versuchen gab er sein erfolgloses Bemühen auf, und C. verließ den Wagen. Kurz darauf fuhr ein Pkw mit voller Wucht auf den Pkw des C. auf. Dabei wurden C. und der Kläger verletzt. Der Kläger erlitt einen Wadenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung; außerdem bestand der Verdacht auf eine Fissur des rechten Außenknöchels.
Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte durch Bescheid vom 25. November 1966 eine Entschädigung ab, da der Kläger den Unfall während einer Unterbrechung seines Heimwegs erlitten habe.
Das Sozialgericht (SG) München hat die BG für Fahrzeughaltungen beigeladen und diese durch Urteil vom 22. Juli 1968 „unter Aufhebung des Bescheides (der Beklagten) vom 25. November 1966” verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 11. Juli 1966 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Das SG hat ausgeführt: Die Beklagte sei nicht zuständig, da das Anschieben des Pkw nach beendeter Arbeitszeit nicht dem Unternehmen BMW gedient habe; ein Wegeunfall liege nicht vor, da sich der Unfall während einer Unterbrechung des Heimweges ereignet habe. Auch der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) komme nicht in Betracht, da das Nichtanspringen des Motors weder einen Unglücksfall noch eine gemeine Gefahr oder Not bedeute. Der Kläger habe jedoch durch das Anschieben des Pkw „wie” ein in einer Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätte beschäftigter Mechaniker gehandelt und deshalb nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO unter Versicherungsschutz gestanden. Leistungspflichtig sei die Beigeladene, als diejenige BG, die sachlich für das Unternehmen zuständig sei, dem die Tätigkeit des Klägers gedient habe: C. sei nach § 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO als nicht gewerbsmäßiger Halter eines Fahrzeugs Unternehmer und als solcher Mitglied der Beigeladenen.
Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 4. Dezember 1970 das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage (gegen den Bescheid der Beklagten) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Träfe die Auffassung des SG zu, der Kläger sei kurz vor dem Unfall zugunsten seines Arbeitskollegen Castro wie ein in einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte beschäftigter Mechaniker tätig geworden, so könne dies eine Leistungspflicht der beigeladenen BG nicht begründen. Denn dieser gehörten die Unternehmen des Kraftfahrzeugreparaturhandwerks nicht an. Hätte sich der Kläger am Wagen seines Arbeitskollegen C. wie ein in einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte beschäftigter Mechaniker betätigt, wäre „bedientes” Unternehmen nicht der private Halter des Kraftfahrzeugs (C.), sondern ein nicht konkretisierbares Unternehmen des Kraftfahrzeugreparaturhandwerks gewesen, das der nicht gewerbsmäßige Halter des Kraftfahrzeugs durch einen Werkvertrag und nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Reparatur des Fahrzeugs beauftragt hätte. Die Beigeladene könne demnach als leistungspflichtig nur in Betracht kommen, wenn der Kläger seinem Arbeitskollegen wie ein bei einem nicht gewerbsmäßigen Halter eines Fahrzeugs Beschäftigter, also wie ein üblicherweise mit dem Führen und Pflegen von Kraftfahrzeugen privater Eigner beauftragter Arbeitnehmer tätig geworden wäre. Nur in diesem Falle hätte der Kläger „wie ein Versicherter” nach § 539 Abs. 1 RVO im Rahmen eines. Unternehmens, das der Beigeladenen angehöre (§ 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO), gehandelt und dabei dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstanden. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht gegeben. Es komme zwar nicht darauf an, ob der „bediente” Unternehmer überhaupt fremde Arbeitskräfte beschäftige und ob er ohne Eingreifen des Helfers dessen Tätigkeit sonst von bezahlten Arbeitskräften hätte verrichten lassen. Es müsse sich aber um Verrichtungen handeln, wie sie generell in Betrieben wie dem des bedienten Unternehmens von Personen, die von solchen Betrieben in einem Dienst- und Arbeitsverhältnis beschäftigt würden, vorgenommen zu werden pflegten. Zwar könne ein bei einem nicht gewerbsmäßigen Halter von Kraftfahrzeugen Beschäftigter gelegentlich auch genötigt sein, einen nicht anspringenden Kraftwagen anzuschieben. Im allgemeinen gehöre eine solche Tätigkeit bei Beschäftigten der genannten Art jedoch nicht zu den Verrichtungen, die sie im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses im wesentlichen Umfang regelmäßig auszuüben hätten.
Bei einer lebensnahen Betrachtung seien Hilfestellungen gegenüber einem Kraftfahrer, wie sie der Kläger seinem Arbeitskollegen C. geleistet habe, keine Arbeitsverrichtungen, die privaten Haltern von Kraftfahrzeugen sonst generell von bei ihnen in einem Verhältnis abhängiger Beschäftigung stehenden Personen erbracht würden. Bei Art und Ausmaß des heutigen motorisierten Straßenverkehrs sei es trotz des hohen technischen Standes der Kraftfahrzeuge keine Seltenheit, daß ein Verkehrsteilnehmer Kraftfahrern begegne, deren Fahrzeug eine Panne habe; es sei nicht unüblich, daß bei einer solchen Panne der eine Verkehrsteilnehmer dem anderen helfe, insbesondere das nicht anspringende Kraftfahrzeug anschiebe oder anschieben helfe, um es so wieder in Gang zu bringen. Ein solches geringe Zeit und zumeist geringe Mühe in Anspruch nehmendes Eingreifen werde von den Verkehrsteilnehmern in aller Regel als selbstverständliche Hilfestellung aufgefaßt, die um so bereitwilliger erbracht werde, als der Helfende jederzeit damit rechnen müsse, daß auch er auf eine solche Hilfe angewiesen sein könnte. Eine gewisse rechtliche Entsprechung finde dieses unter Verkehrsteilnehmern häufig geübte Verhalten in der Straßenverkehrsordnung, nach deren Präambel alle Verkehrsteilnehmer eine „echte Gemeinschaft” zu bilden hätten; zu einem gemeinschaftsbildenden und gemeinschaftsbezogenen Handeln gehöre indessen auch, daß ein Verkehrsteilnehmer dem anderen im Bedarfsfalle hilfeleistend zur Hand gehe.
Hiernach stelle die Hilfeleistung des Klägers gegenüber seinem Arbeitskollegen keine Tätigkeit dar, die ihrer Art und den Umständen nach typischerweise sonst von Personen verrichtet zu werden pflege; die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem nicht gewerblichen Halter eines Kraftfahrzeuges persönlich und wirtschaftlich abhängig seien. Vielmehr handele es sich um eine Hilfestellung, wie sie sich Verkehrsteilnehmer untereinander im allgemeinen und Kraftfahrer im besonderen auf gleichgeordneter Ebene fernab von allen objektiven und subjektiven Bedingheiten leisteten, die auf eine Einordnung in einen fremden Betrieb hindeuten könnten. Der Kläger sei daher zur Unfallzeit seinem Arbeitskollegen gegenüber nicht „wie ein Versicherter” i.S. des § 539 Abs. 2 RVO gegenüber einem nicht gewerbsmäßigen Kraftfahrzeughalter tätig geworden.
Zutreffend habe das SG angenommen, daß ein Arbeitsunfall nach § 548 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht gegeben sei, weil der Kläger zur Unfallzeit seine unter Versicherungsschutz stehende Arbeit bei der Firma BMW bereits beendet gehabt und das Anschieben des Pkw nicht mehr den betrieblichen Interessen der Firma gedient habe. Nicht zu beanstanden sei ferner, daß das SG einen Wegeunfall im Sinne des § 550 RVO abgelehnt habe, tatsächlich habe der Kläger durch die Hilfeleistung am Wagen des C. seinen eigenen Heimweg unterbrochen, und der Unfall sei während dieser Unterbrechung eingetreten. Das SG hätte deshalb die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten abweisen müssen. Schließlich komme auch ein Arbeitsunfall nach § 548 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO nicht in Betracht, weil die Panne am Wagen des Arbeitskollegen weder einen Unglücksfall noch eine gemeine Gefahr oder Not bedeutet habe.
Der Kläger hat die – vom LSG zugelassene – Revision eingelegt und wie folgt begründet: Es treffe zwar zu, daß das Anschieben des Wagens nicht eine dem Betrieb wesentlich dienende Arbeitstätigkeit gewesen sei und der Kläger sich zur Unfallzeit auch nicht auf dem Heimweg befunden habe, Dagegen seien die Voraussetzungen des § 539 Abs. 2 RVO in einem Fall der vorliegenden Art – vergleichbar der Nachbarschaftshilfe im Bereich der Landwirtschaft – gegeben. Der Kläger habe eine ernstliche Tätigkeit verrichtet, die einem anderen Unternehmen gedient habe. Ein solches Unternehmen könne auch eine Privatperson sein (zB ein Blinder – BSG 18, 143). Zur Begründung des Versicherungsschutzes für den Helfenden sei allerdings erforderlich, daß der Wageneigentümer seinerseits unter Versicherungsschutz gestanden habe. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Für C. habe das Ingangsetzen des Motors im rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem bereits begonnenen Zurücklegen des Heimweges gestanden; die unvorhergesehene Betriebsunfähigkeit des Pkw habe durch das Anschieben beseitigt werden und damit die Fortsetzung des gestörten Weges ermöglicht werden sollen. Der Kläger sei somit, da die Tätigkeit des Wageneigentümers versicherungsrechtlich geschützt gewesen sei, in dem versicherten Bereich eines anderen Unternehmens dienend tätig geworden. Es habe sich um eine Tätigkeit gehandelt, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis ständen. Denn ohne die Hilfe des Klägers hätte C. sich bei einer Tankstelle oder einer Werkstatt eine – wahrscheinlich bezahlte – Hilfskraft zum Anschieben des Pkw holen müssen. Entschädigungspflichtig sei die Beklagte, bei welcher der vom Kläger unterstützte Arbeitskollege C. bei dem Zurücklegen seines Heimweges versichert sei. Dies folge daraus, daß bei sog. Gefälligkeitsdiensten, die in nicht unerheblichem Maße auch demjenigen zugute kämen, dem die Beiträge zuflössen, die Berufsgenossenschaft des „Stammunternehmens” zuständig sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte zur Entschädigungsleistung zu verurteilen oder die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des SG München vom 22. Juli 1968 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend. Sie tragen ferner vor: Anders als die Landwirte, die unter bestimmten Voraussetzungen bei der Nachbarschaftshilfe versichert seien, habe der Arbeitskollege C. kein eigenes Unternehmen; in das der Kläger hätte eintreten können. In Fällen der vorliegenden Art könne für den Helfenden der Versicherungsschutz allenfalls aus § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO (Hilfeleistung in Unglücksfällen, gemeiner Not oder Gefahr) oder aus § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift unter den Gesichtspunkt des Eintritts in den Haushalt des Unterstützten hergeleitet werden; die hiernach zuständigen Versicherungsträger – das Land (§ 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO), die Gemeinde und der Gemeindeunfallversicherungsverband (§§ 656, 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO) – seien jedoch nicht beigeladen worden. Würde die Entschädigungsverpflichtung der Beigeladenen bei Pannenhilfe bejaht, müsse dies, da die nicht gewerbsmäßigen Kraftfahrzeughalter ohne Personal keine Beiträge zur Berufsgenossenschaft zahlen, zu einer Gefährdung des Beitragsgefüges und der gesamten finanziellen Gestaltung der Beklagten führen.
II
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden; die hierfür erforderlichen Einverständniserklärungen der Beteiligten liegen vor (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die Revision des Klägers hätte Erfolg.
Zutreffend hat das LSG allerdings entschieden, daß der Kläger weder nach § 548 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO noch nach § 550 RVO unter Versicherungsschutz gestanden hat, als er nach der Beendigung seiner betrieblichen Arbeit den auf der Straße stehenden Pkw seines Arbeitskollegen C. anschob, um den Motor in Gang zu setzen. Wie auch die Revision einräumt, hing das Anschieben nicht wesentlich mit der versicherten Tätigkeit des Klägers bei der Firma BMW zusammen. Auch die Voraussetzungen eines Wegeunfalls im Sinne von § 559 RVO sind nicht gegeben. Da sich der Kläger nach dem Abschluß seiner Bemühungen um den Pkw seines Arbeitskollegen ohnehin zunächst zu seinem eigenen, auf dem Parkplatz abgestellten Pkw hätte begeben müssen, um von dort nach Hause zu fahren; kommt es für die Versagung des Versicherungsschutzes aus § 550 RVO – entgegen der eigenen Ansicht der Revision – nicht entscheidend darauf an, daß der Kläger den Pkw des C. in die Richtung geschoben hat, die seinem üblichen Heimweg entgegengesetzt war; der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift entfällt vielmehr schon deshalb, weil der Kläger den Weg von der Arbeitsstätte durch die mehrmals unternommenen Versuche, den Motor des Pkw seines Arbeitskollegen durch Anschieben des Pkw in Gang zu setzen, nicht nur unwesentlich unterbrochen hat und der Unfall während dieser Unterbrechung eingetreten ist (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. – 7. Aufl., S. 486 s II mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, insbesondere des erkennenden Senats).
Mit Recht wendet sich die Revision auch nicht gegen die Auffassung des LSG, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO nicht gegeben seien. Nach dieser Vorschrift sind ua Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die bei Unglücksfällen Hilfe leisten. Ein Unglücksfall im Sinne dieser Vorschrift kann zwar auch ein Ereignis sein, das keinen Personenschaden, sondern einen Schaden nur an Sachgütern zur Folge hat (vgl. Brackmann, aaO, S. 472 x; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 53 zu § 539; Teutsch, SozVers. 1947, 125). Die Nr. 9 a des § 539 Abs. 1 RVO bezweckt jedoch, wie aus dem Vergleich mit den anderen durch diese Vorschrift erfaßten Fällen hervorgeht – Hilfeleistungen bei gemeiner Gefahr oder Not, Rettung aus gegenwärtiger Lebensgefahr oder erheblicher Gefahr für Körper oder Gesundheit – und sich aus dem Sinn der Vorschrift ergibt, Versicherungsschutz nur zu gewähren, solange ein Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen ist; es muß in diesem Sinn noch ein weiterer Schaden drohen (vgl. Lauterbach, aaO; Teutsch, aaO; Brackmann, aaO, S. 474 a; Wittmann, SGb 1971, 420). Dies würde beispielsweise zutreffen, wenn ein Kraftfahrzeug an einer unübersichtlichen Stelle oder nachts ohne Beleuchtung auf der Straße liegenbleibt und deswegen der Eintritt eines weiteren Schadens für Personen oder Sachwerte unmittelbar zu befürchten ist. § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO bezweckt nicht, Versicherungsschutz auch zu gewähren, wenn jemand – wie dies hier der Fall gewesen ist – tätig wird; um nach Eintritt und Abschluß eines Schadensereignisses ein betriebsunfähiges Kraftfahrzeug anzuschieben und dadurch lediglich den bereits eingetretenen Schaden zu beheben. Es ist weder festgestellt noch besteht ein Anhalt dafür, daß von dem in Höhe des Parkplatzes auf der Straße stehenden Pkw des C. für andere Verkehrsteilnehmer eine unmittelbare Gefahr ausging; die der Kläger durch sein Eingreifen abwenden wollte. Diente somit die Hilfeleistung des Klägers nicht der Abwehr eines drohenden, sondern der Behebung eines bereits abgeschlossenen Schadens, so bestand kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO.
Der Versicherungsschutz ist jedoch – entgegen der Auffassung des LSG – aufgrund des § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift gegeben. Der Kläger ist dadurch, daß er den Pkw des C. angeschoben hat, wie ein nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Versicherter – nämlich wie ein in der privaten Kraftfahrzeughaltung des C. aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter – tätig geworden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist es für die Anwendung dieser Vorschrift nicht erförderlich, daß ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt; auch die Beweggründe des Hilfeleistenden für sein Eingreifen sind nicht wesentlich. Es genügt, daß es sich um eine Tätigkeit handelt, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, wobei allerdings eine nur theoretische Möglichkeit hierfür nicht ausreicht. Es muß also der Art nach eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sein. Entgegen der Ansicht des LSG kommt es nicht darauf an, daß die Tätigkeit üblicherweise von in dem betreffenden Unternehmen beschäftigten Personen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet wird. Die gegenteilige Meinung würde dazu führen, daß derjenige, der sich eine bezahlte Arbeitskraft für seinen privaten Bereich nicht leisten kann, einem Hilfeleistenden für den dabei eintretenden Unfall persönlich schadensersatzpflichtig wird, nicht dagegen – in einem sonst gleichliegenden Fall – der finanziell Bessergestellte, dessen bezahlter Arbeitnehmer im gegebenen Fall für die betreffende Tätigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. § 636 RVO). Weder vom Standpunkt des Unternehmers noch des Hilfeleistenden lassen sich derart unterschiedliche Ergebnisse rechtfertigen. Unerheblich für die Anwendung des § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall ist deshalb sowohl der Umstand, daß der Arbeitskollege C., dem die ernsthafte Arbeitstätigkeit des Klägers diente, keinen Chauffeur beschäftigte, als aber auch die Erwägung des LSG, das Beheben einer Autopanne gehöre nicht zu den Tätigkeiten, die ein aufgrund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigter Kraftfahrer oder Wagenpfleger im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses üblicherweise zu verrichten habe. (Vgl. zu Vorstehendem Brackmann, aaO, S. 475 bis 476 f II mit Nachweisen aus der Rechtsprechung insbesondere des erkennenden Senats).
Die Beschränkung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO auf Arbeiten, die von in dem unterstützten Unternehmen Beschäftigten üblicherweise verrichtet werden, würde insbesondere der systematischen Verbindung dieser Vorschrift mit Abs. 1 Nr. 1 nicht ausreichend Rechnung tragen (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BSG 34, 240, 242 = SozR Nr. 32 zu § 539 RVO; vgl. auch Urteil vom 29.11.1972 – 8/2 RU 200/71 –). Da der Versicherungsschutz der Beschäftigten nicht nur für die in dem jeweiligen Unternehmen typischen Tätigkeiten, sondern zB auch für im Einzelfall weisungsgemäß verrichtete sonstige Arbeiten besteht, wird derjenige, der – ohne Beschäftigter zu sein – eine ebensolche, dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Tätigkeit für das Unternehmen übernimmt, „wie” ein nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Versicherter tätig; die Anwendung des § 539 Abs. 2 RVO hängt nicht davon ab, daß der Außenstehende, der für ein Unternehmen tätig wird, vor seinem Eingreifen Überlegungen anstellt, ob die Tätigkeit von den im Unternehmen Beschäftigten üblicherweise verrichtet wird.
Der Kläger ist bei seinem Eingreifen in dem Unternehmen des privaten Kraftfahrzeughalters C. tätig geworden. C. war insoweit Unternehmer im Sinne der Unfallversicherung.
Dies folgt aus der Vorschrift des § 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO, nach der bei nicht gewerbsmäßigem Halten von Fahrzeugen Unternehmer ist, wer das Fahrzeug hält. Der Senat hat bereits entschieden, daß der Begriff des Unternehmers im Sinne der UV keinen Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit voraussetzt (BSG 14, 1, 2; SozR Nr. 1 zu § 658 RVO). Der Versicherungsschutz ist auch im Falle des § 539 Abs. 2 RVO nicht davon abhängig, daß für die jeweilige Tätigkeit Beiträge an die Berufsgenossenschaft geleistet werden. Einer der Hauptanwendungsbereiche dieser Vorschrift bezieht sich gerade auf Fälle eines unvorhergesehenen, vorübergehenden Tätigwerdens.
Zur Entschädigungsleistung ist die für Fahrzeughaltungen sachlich zuständige beigeladene BG verpflichtet. Der für Versicherte in Haushaltungen zuständige Versicherungsträger (§ 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO) kommt als leistungspflichtig nicht in Betracht; selbst wenn – wie die Beigeladene meint – das Halten eines Kraftfahrzeugs noch in den Rahmen der Haushaltung fällt, so ergibt sich doch aus der ausdrücklichen Regelung in § 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO, daß als Unternehmer der privaten Kraftfahrzeughaltung nicht der Haushaltsvorstand, sondern der Halter des Fahrzeugs anzusehen ist. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift richtet sich die Zuständigkeit des Versicherungsträgers. Der Ansicht des Klägers, die für das Unternehmen BMW zuständige Beklagte, die für die Entschädigung des vom Kläger unterstützten Pkw-Fahrers aufzukommen habe, sei in erster Linie leistungspflichtig, pflichtet der Senat deshalb ebenfalls nicht bei.
Die hier vom Senat vertretene Auffassung kann zwar u.U. merkbare finanzielle Belastungen der Beigeladenen aus Unfällen zur Folge haben, die bei Autopannen helfenden Personen zustoßen. Diese Erwägung rechtfertigt es aber nicht, wegen dieser Fallgruppe von den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu § 539 Abs. 2 RVO abzuweichen, wie sie zB auch hinsichtlich der Personen gelten, die für einen Privathaushalt vorübergehend wie Versicherte nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO tätig werden (vgl. zB BSG SozR Nr. 16 zu § 537 RVO aF). Im übrigen ist bei der Pannenhilfe nicht stets die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben, so zB wenn nach Lage des Falles Versicherungsschutz aufgrund des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO besteht oder die Hilfeleistung – auch dem Unternehmen eines anderen Gewerbezweiges zuzurechnen ist.
Auf die Revision des Klägers war somit das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Allerdings war – wie das LSG insoweit mit Recht ausgeführt hat – das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten insoweit aufzuheben, als der zu Recht ergangene Bescheid der Beklagten aufgehoben worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.04.1973 durch Hanisch Regierungshauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen