Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderer angemessener Maßstab iS des § 803 Abs 1 RVO für Unternehmen mit Bodenwirtschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung des Beitrages in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach dem Flächenwert (anderer angemessener Maßstab iS des § 803 Abs 1 RVO).

 

Orientierungssatz

1. Der Gesetzgeber hat den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für die Ausgestaltung der Beitragsmaßstäbe des Arbeitsbedarfs und des Einheitswertes einen weiten Spielraum gelassen, der auch für die Beurteilung der Angemessenheit eines anderen Maßstabes nicht stärker eingeengt werden darf.

2. Der Flächenwert ist ein "anderer angemessener Maßstab" iS des § 803 Abs 1 RVO.

3. Die Unfallgefahr ist in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung kein bestimmender Faktor für die Beitragserhebung wie in der allgemeinen Unfallversicherung. Allerdings ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Unfallgefahr für die Bemessung der Beiträge von Bedeutung; ihre Berücksichtigung bei der Wahl des Beitragsmaßstabes kann aber gegenüber den ebenfalls zu beachtenden Gesichtspunkten der Praktikabilität des Maßstabes und der Solidargemeinschaft der Unternehmer unter Umständen weniger ausgeprägt sein.

 

Normenkette

RVO § 802 Fassung: 1963-04-30, § 803 Abs 1 Fassung: 1963-04-30, § 811 Fassung: 1963-04-30, § 816 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 11.11.1981; Aktenzeichen L 2 U 319/80)

SG Bayreuth (Entscheidung vom 28.10.1980; Aktenzeichen S 1 U 64/80)

 

Tatbestand

Der Kläger bewirtschaftet ein 108,36 ha landwirtschaftliche und 32,87 ha forstwirtschaftliche Nutzfläche umfassendes landwirtschaftliches Unternehmen und ist Mitglied der beklagten landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) O. und M.. Er arbeitet viehlos und betreibt lediglich Getreideanbau.

Die Beklagte berechnet die Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach dem Flächenwert. Nach § 53 der Satzung der Beklagten idF des 13. Nachtrages (vom 3. Dezember 1979, aufsichtsbehördlich genehmigt am 20. Dezember 1979) ist (wie schon seit dem 11. Nachtrag vom 15./22. Dezember 1976) bei der Berechnung der Beiträge von der landwirtschaftlich genutzten Fläche und den durchschnittlichen Hektarwerten in den bei der Finanzverwaltung bestehenden Veranlagungsortschaften auszugehen. Die durchschnittlichen Hektarwerte errechnen sich durch Teilung der Summe der von den Finanzbehörden nach dem Bewertungsgesetz (BewG) idF vom 26. September 1974 (BGBl I 2369) ermittelten Vergleichswerte durch die Summe der landwirtschaftlich bewerteten Flächen. Sie dürfen den Höchstwert von 2.000,-- DM nicht übersteigen. Für forstwirtschaftlich genutzte Flächen wird ein Hektarwert von 150,-- DM zugrunde gelegt und der sich hieraus ergebende forstwirtschaftliche Flächenwert zum landwirtschaftlichen Flächenwert mit einem der Unfallgefahr entsprechenden Vervielfältiger in Verhältnis gesetzt. Liegt der für die Beitragsberechnung heranzuziehende Hektarwert um 15 vH höher als der für die landwirtschaftliche bzw forstwirtschaftliche Nutzfläche des Unternehmens maßgebende Hektarwert, ist auf Antrag eine Angleichung vorzunehmen.

Durch Bescheid vom 20. Mai 1980 über die Umlage 1979 forderte die Beklagte - ua auf der Grundlage eines durchschnittlichen Hektarwertes von 961,-- DM für die Landwirtschaft - vom Kläger einen Beitrag von 5.014,-- DM. Den Widerspruch des Klägers, der die Beitragshöhe insbesondere wegen fehlender Berücksichtigung der Unfallgefahr für gesetzwidrig hielt, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 21. Juli 1980).

Der Kläger hat Klage mit dem Antrag erhoben, den Beitragsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einen geringeren Beitrag festzusetzen. Er hat es für erforderlich gehalten, die Beiträge nach der Unfallgefahr abzustufen und zwischen landwirtschaftlichen Betrieben mit und ohne Viehhaltung zu unterscheiden.

Das Sozialgericht (SG) Bayreuth hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 1980). Es hält den von der Beklagten angewendeten Beitragsmaßstab für angemessen iS des § 803 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 20. Mai 1981 - ua wiederum auf der Grundlage eines Hektarwertes von 961,-- DM für die Landwirtschaft - den Beitrag des Klägers für das Jahr 1980 auf 5.450,-- DM festgesetzt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Mai 1981 abgewiesen (Urteil vom 11. November 1981). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Die Beitragsbescheide vom 20. Mai 1980 und vom 20. Mai 1981 seien rechtmäßig. Der Flächenwert sei ein anderer angemessener Maßstab iS des § 803 RVO. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß das konkrete Unfallrisiko bei diesem Maßstab nicht genügend berücksichtigt werde. Die §§ 803 ff RVO seien spezielle Vorschriften der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die der entsprechenden Regelung für die gewerbliche Unfallversicherung (§§ 725 ff RVO), bei der das konkrete Unfallrisiko eine bestimmende Rolle spiele, vorgingen. Unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Landwirtschaft habe der Gesetzgeber in den §§ 803 ff RVO einen Weg gewählt, bei dem das konkrete Unfallrisiko im Unternehmen zugunsten einer gewissen Typisierung in den Hintergrund trete. Dies gelte insbesondere für den Beitragsmaßstab des Arbeitsbedarfs und des Einheitswertes, müsse aber auch für den - im übrigen dem Einheitswert stark angenäherten - Beitragsmaßstab des Flächenwertes gelten. Gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße der Maßstab des Flächenwertes nicht dadurch, daß Betriebe mit gleich großer Fläche, aber unterschiedlicher Bewirtschaftungsart und mit unterschiedlichem Personaleinsatz gleichbehandelt würden. Der am Durchschnittshektarwert in den Gemeinden orientierte Beitragsmaßstab des Flächenwertes erlaube nach der Satzung der Beklagten in hinreichendem Maße Korrekturen bei außergewöhnlichen Belastungen (Begrenzung des Flächenwertes auf maximal 2.000,-- DM und Möglichkeit einer Vergleichsberechnung bei einer Abweichung des durchschnittlichen Flächenwertes vom Individualwert um 15 vH). Eine individuelle Berücksichtigung der Bewirtschaftungsart und des Personaleinsatzes sei im Rahmen des Flächenwertmaßstabes nicht möglich und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das LSG übersehe, daß sich bei verfassungskonformer Auslegung des § 803 RVO im Einzelfall auch eine Verpflichtung des die Satzung beschließenden Organs ergeben könne, in besonders krassen Fällen bzw zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten und unbilligen Härten im Einzelfalle einen Beitragsmaßstab anzuwenden, der auch auf die Unfallgefahr Rücksicht nehme. Ansonsten handele es sich nicht mehr um einen angemessenen Maßstab iS des § 803 RVO. Da er - der Kläger - praktisch ohne Personal arbeite, sei die Unfallgefahr seines Betriebes wesentlich geringer als bei Betrieben mit hohem Personaleinsatz. Es verstoße gegen Art 3 GG, bei völlig verschiedenen Betrieben den gleichen hohen Beitrag anzusetzen. Dies sei eine rein willkürliche und unangemessene Benachteiligung, die den Gleichheitssatz und die Rechte des Klägers verletze.

Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte in Abänderung der Beitragsbescheide vom 20. Mai 1980 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1980) und vom 20. Mai 1981 zu verpflichten, einen geringeren Beitrag festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es sei nicht erkennbar, inwiefern der an den gesetzlich vorgesehenen Maßstab des Einheitswertes weitestgehend angepaßte Maßstab des Flächenwertes kein anderer angemessener Maßstab iS des § 803 Abs 1 RVO sein solle, zumal da der in den Bescheiden zugrunde gelegte Flächenwert unter dem tatsächlichen Wirtschaftswert des landwirtschaftlichen Unternehmens des Klägers liege.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, daß die Satzungsbestimmungen, auf die sich die von ihm beanstandeten Beitragsforderungen der Beklagten stützen, als vom Unfallversicherungsträger autonom gesetztes objektives Recht durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daraufhin zu prüfen sind, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (s BSGE 13, 189, 194; 27, 237, 240; 38, 21, 29; BSG Urteile vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - SozSich 1978, 118 - und vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 61/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen - und 2 RU 62/81 -). Entgegen seiner Auffassung sind jedoch durch die Regelungen über die Bemessung der Beiträge nach dem Flächenwert (§§ 51 ff der Satzung) weder Vorschriften der RVO noch verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt.

Wie in der allgemeinen Unfallversicherung (§§ 646 ff RVO) ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung der Finanzbedarf der jeweiligen Berufsgenossenschaft durch Beiträge der als Mitglieder in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen landwirtschaftlichen Unternehmer aufzubringen (§ 802 iVm § 723 RVO). Die Beiträge müssen den Bedarf des abgelaufenen Geschäftsjahres decken, insbesondere also die Ausgaben für Verletzten- und Hinterbliebenenrenten, auch aus früher eingetretenen Arbeitsunfällen. Den Maßstab für die Berechnung der Beiträge bestimmt jedoch - anders als in der allgemeinen Unfallversicherung (s § 725 RVO) - die Satzung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (§§ 798 Nr 1, 803 Abs 2 Satz 1 RVO). Der Satzungsgeber kann frei wählen zwischen dem Arbeitsbedarf, dem Einheitswert oder einem "anderen angemessenen Maßstab" (§ 803 Abs 1 RVO). Bei einem anderen angemessenen Maßstab bestimmt wiederum die Satzung das Verfahren (§ 816 RVO).

Ob der von der Vertreterversammlung der Beklagten bestimmte Flächenwert ein anderer angemessener Maßstab iS des § 803 Abs 1 RVO zur Berechnung der Beiträge ist, ergibt sich aus einem Vergleich mit den Maßstäben, die der Gesetzgeber beispielhaft zur Wahl gestellt hat (s BSGE 50, 179, 182 zur Krankenversicherung der Landwirte). Angemessen ist ein anderer Maßstab jedenfalls dann, wenn er die Berechnung und Erhebung der Beiträge in ähnlicher Weise wie die im Gesetz angeführten Maßstäbe erlaubt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für die Ausgestaltung der Beitragsmaßstäbe des Arbeitsbedarfs und des Einheitswertes einen weiten Spielraum gelassen hat, der auch für die Beurteilung der Angemessenheit eines anderen Maßstabes nicht stärker eingeengt werden darf. Mit der Wahl des Arbeitsbedarfs oder des Einheitswertes als Beitragsmaßstab ist der Satzungsgeber nicht in allen Einzelheiten festgelegt. So ist der Arbeitsbedarf nach dem Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen menschlichen Arbeit zu "schätzen" (§ 809 Abs 1 Satz 1 RVO). Die Einzelheiten der Abschätzung, nach der die Veranlagung des einzelnen Unternehmens vorzunehmen ist, sind der Berufsgenossenschaft überlassen, deren Satzung insoweit das Nähere bestimmt (§ 809 Abs 1 Satz 2 RVO). Bei dem Maßstab des Einheitswertes (s hierzu Haug, Der Einheitswert in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, in Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft 1982, 254 ff), einer im Gesetz bestimmten Größe ("der von den Finanzbehörden ermittelte Ertragswert", s § 811 Satz 1 RVO), können durch die Satzung bestimmte Korrekturen vorgenommen werden (s §§ 813, 814 RVO). Gegen die hiernach weitreichende Ermächtigung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften durch den Gesetzgeber in §§ 803 Abs 1, 816 RVO zum Erlaß satzungsrechtlicher Bestimmungen über die Beitragsberechnung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die für Rechtsverordnungen geltenden engen Begrenzungen der Art 80 ff GG insoweit nicht gelten (s BVerfGE 12, 319, 325; 19, 253, 266; 49, 343, 362; BSGE 35, 164, 166).

Der von der Beklagten angewendete Flächenwert ist ein "anderer angemessener Maßstab" iS des § 803 Abs 1 RVO (s Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 816 Anm 2 Buchst d; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Unfallversicherung, 4. Aufl, § 803 Anm 3; Krasney/Noell/Zöllner, Das Landwirtschaftliche Sozialrecht und Möglichkeiten seiner Fortentwicklung, LSR-Studie 1982, S 93). Er ist das Produkt aus der Größe der land- und forstwirtschaftlich genutzten Fläche und dem durchschnittlichen landwirtschaftlichen Gemeinde-Hektarwert bzw forstwirtschaftlichen Hektarwert. Die Vervielfältigung des Flächenwertes mit dem durch Bundesmittel verminderten Beitragssatz ergibt die Höhe des von dem einzelnen Unternehmer zu zahlenden Beitrags. Durch die Verwendung des einheitswertabhängigen Bemessungsmerkmals des von den Finanzbehörden ermittelten Vergleichswertes stellt der Flächenwert einen eng an den Einheitswert angelehnten Maßstab dar, wie er vom Gesetzgeber beim Inkrafttreten des UVNG nach der damaligen steuergesetzlichen Regelung vorgesehen wurde (s Haug aaO S 254, 272; BT-Drucks IV/120 S 73 zu § 809 des Entwurfs). Dem steht nicht entgegen, daß der Flächenwert sich nicht nach dem individuellen, im Einheitswertbescheid ausgewiesenen Hektarwert (Vergleichswert je ha), sondern nach einem für den Betriebssitz ermittelten Durchschnittshektarwert richtet, denn auch beim Maßstab des Einheitswertes kann die Satzung ua bestimmen, daß der Beitragsberechnung ein durchschnittlicher Ertragswert zugrunde gelegt wird (§ 814 Nr 1 RVO). Die Verwendung eines durchschnittlichen Wertes für die Berechnung der Beiträge ist auch nach dem anderen, im Gesetz angeführten Maßstab des Arbeitsbedarfs vorgesehen; der Arbeitsbedarf ist nach dem Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen Arbeit zu schätzen (§ 809 Abs 1 Satz 1 RVO). Die mit dem Zugrundelegen von Durchschnittswerten verbundene Typisierung trägt der notwendigen Praktikabilität der Beitragsberechnung Rechnung, der in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Angemessenheit eines anderen Beitragsmaßstabes besondere Bedeutung zukommt (s BSG Urteil vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - SozSich 1978, 118). Die an leicht feststellbare Unternehmensmerkmale anknüpfende Typisierung wird durch die Satzung der Beklagten in ihren Auswirkungen dadurch gemildert, daß der Hektarwert höchstens 2.000,-- DM beträgt (§ 53 Abs 1 der Satzung) und auf Antrag eine Angleichung vorzunehmen ist, wenn der durchschnittliche Hektarwert um 15 vH höher liegt als der für die landwirtschaftliche Nutzfläche des Unternehmens maßgebende Hektarwert (§ 53 Abs 3 der Satzung). Grobe Unbilligkeiten, die sich aus der Berechnung nach dem Durchschnittswert ergeben können, werden auf diese Weise ausgeglichen oder jedenfalls auf ein vertretbares Maß gemildert.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Unfallgefahr in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung kein bestimmender Faktor für die Beitragserhebung wie in der allgemeinen Unfallversicherung (s § 725 RVO, der nach § 802 iVm § 803 Abs 2 RVO hier nicht gilt). Der Gesetzgeber des UVNG hat es anders als nach der früheren Gesetzeslage (vgl § 990 RVO aF) ausdrücklich der Entscheidung der Selbstverwaltung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung überlassen, ob sie die Beiträge nach der Unfallgefahr abstufen will (§ 803 Abs 2 Satz 2 RVO). Auch soweit eine Differenzierung nach der Unfallgefahr nach den tatsächlichen Gegebenheiten durchführbar wäre, wie der Kläger meint, wird die eingeräumte Möglichkeit der Abstufung für die Berufsgenossenschaft nicht zum gesetzlichen Zwang (s BSG Urteile vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 61/81 und 62/81 -). Allerdings ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Unfallgefahr für die Bemessung der Beiträge von Bedeutung (s BSG aaO; Noell-Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, § 809 Anm 3), wie ua schon aus dem Hinweis auf dieses Merkmal zB in § 806 und § 812 RVO hervorgeht. Ihre Berücksichtigung bei der Wahl des Beitragsmaßstabes kann aber gegenüber den ebenfalls zu beachtenden Gesichtspunkten der Praktikabilität des Maßstabes und der Solidargemeinschaft der Unternehmer unter Umständen weniger ausgeprägt sein. Bei den Beitragsmaßstäben des Arbeitsbedarfs und des Einheitswertes geht der Gesetzgeber, wie schon ua aus der Wahlmöglichkeit der Abstufung nach der Unfallgefahr (§ 803 Abs 2 Satz 2 RVO) hervorgeht, davon aus, daß die Unfallgefahr grundsätzlich mitberücksichtigt ist. Der Arbeitsbedarfsmaßstab trägt nach der Auffassung des Gesetzgebers (s Begründung zum UVNG, BT-Drucks IV/120 S 72) im allgemeinen schon durch die unterschiedliche Abschätzung des Bedarfs der einzelnen Kulturarten den Gefahrenunterschieden genügend Rechnung, sofern der tatsächliche durchschnittliche Arbeitsbedarf in Ansatz gebracht wird (s BSG Urteile vom 15. Dezember 1982 aaO). Auch im Einheitswert, der sich nach dem von den Finanzbehörden ermittelten Ertragswert bestimmt (s § 811 RVO), hat der Gesetzgeber die Unfallgefahr grundsätzlich dadurch auskömmlich berücksichtigt, daß der Ertragswert (ein Vielfaches des Reinertrages) ein Ergebnis der im Unternehmen geleisteten Arbeit ist und das Ausmaß dieser Arbeit vornehmlich die Unfallgefahr bedingt (s BT-Drucks aaO S 73). Ebenso wie beim Einheitswertmaßstab wird auch beim Maßstab des Flächenwertes die Unfallgefahr nicht außer acht gelassen. Grundlage der Flächenwertberechnung nach der Satzung der Beklagten ist der nach Steuerbewertungsvorschriften ermittelte Vergleichswert (§ 53 Abs 1), bei dessen Feststellung die menschliche Arbeit mitberücksichtigt wird. Dem steht nicht entgegen, daß die Ertragsfähigkeit der Unternehmen nicht ausschließlich das Ergebnis menschlicher Arbeit, sondern auch von anderen Faktoren (zB Bodenbeschaffenheit, Geländegestaltung) abhängig ist. Ob durch einen anderen Beitragsmaßstab oder durch Modifizierung des Flächenwertmaßstabes eine stärkere Berücksichtigung der Unfallgefahr erreichbar ist, muß im Rahmen der Selbstverwaltung der hierfür zuständigen Vertreterversammlung überlassen werden und ist nicht vom Senat zu entscheiden.

Die Beitragsberechnung nach dem Flächenwert verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Der in Art 3 Abs 1 GG zum Ausdruck gekommene Gleichheitsgrundsatz (das Willkürverbot) ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, die Bestimmung also als willkürlich bezeichnet werden muß (s BVerfGE 1, 14, 52). Die Satzungsbestimmungen der Beklagten über die Beitragserhebung enthalten aber auch insoweit keine sachlich unbegründeten Regelungen, als die Beitragshöhe im Einzelfall nicht von dem tatsächlichen Personalaufwand und der Betriebsweise des jeweiligen landwirtschaftlichen Unternehmens bestimmt wird. Dieselbe Beitragshöhe für gleich große Betriebe im jeweiligen örtlichen Bereich bei unterschiedlicher Wirtschaftsweise und unterschiedlichem Personaleinsatz sowie die höhere Beitragspflicht großer im Verhältnis zu kleinen Unternehmen ist die Folge der typisierenden und pauschalierenden Regelung, die in Fällen der vorliegenden Art - bei der Ordnung von Massenerscheinungen - notwendig und verfassungsrechtlich grundsätzlich hinnehmbar ist (s BVerfGE 51, 115, 122 mwN; BSGE 50, 179, 184). Auch die Praktikabilität der Beitragsberechnung durch Verwertung der von den Finanzbehörden ermittelten und auch in anderen Bereichen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung für die Beitragsberechnung maßgebenden oder bestimmbaren Werte (s § 1 Abs 6 GAL, § 65 Abs 1 Satz 3 KVLG) ist als sachlich ausreichender Grund für die Regelung anzuführen. Gewisse Härten in Einzelfällen sind unter diesen Umständen hinzunehmen, ohne daß eine Verletzung des Gleichheitssatzes anzunehmen ist (BSG aaO).

Auch gegen andere verfassungsrechtliche Vorschriften verstößt die Satzungsregelung der Beklagten nicht, wie das LSG zutreffend angenommen hat.

Die Revision ist danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 243

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