Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 23.03.1993) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. März 1993 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger (für sich selbst) ab dem 1. August 1990 Kindergeld zu gewähren hat.
Der am 19. Februar 1975 in P. geborene Kläger jugoslawischer Staatsangehörigkeit und albanischer Volkszugehörigkeit reiste am 29. August 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er ist Asylbewerber. Über die gegen die Ablehnung des Asylantrages sowie gegen die Aufforderung zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden. Dem Kläger wurde am 18. Mai 1992/3. Juni 1992 wegen einer Studienreise ins Ausland eine (bis 1. Februar 1993) befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seine Mutter ist Mitte 1988 verstorben. Der Aufenthaltsort seines Vaters ist unbekannt.
Den Antrag des Klägers vom 5. April 1990 auf Gewährung von Kindergeld lehnte die Beklagte (Bescheid vom 19. April 1990/Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1990) mit der Begründung ab, er habe weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) begründet, da ihm noch keine Aufenthaltserlaubnis mit einer Dauer von insgesamt einem Jahr erteilt worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. November 1991): Der Kläger gehöre nicht zu dem Personenkreis des § 1 Abs 3 BKGG, bei dem auch im Fall der Ablehnung des Asylantrages grundsätzlich von einer Aufenthaltsbeendigung abgesehen werde.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, ihm ab 1. August 1990 Kindergeld zu bewilligen. Er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und nach § 1 Abs 3 BKGG einen Anspruch auf die begehrte Leistung. Der Kläger sei als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Einer Abschiebung hätten bereits damals angesichts der politischen Situation in Jugoslawien humanitäre Gründe entgegengestanden. Aufgrund seiner persönlichen Situation habe der Kläger bereits zum Zeitpunkt seiner Einreise seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet. Er habe demnach nach einer Wartefrist von einem Jahr ab dem 1. August 1990 Anspruch auf Kindergeld (Urteil vom 23. März 1993).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1 Abs 2 Nr 1, Abs 3 BKGG und § 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – (SGB I). Nach den Feststellungen des LSG lägen Vorschriften des Landes Niedersachsen, die auf unabsehbare Dauer der Abschiebung des Klägers entgegenstünden, nicht vor. Als Hindernisse für eine Abschiebung habe das LSG lediglich „humanitäre Gründe” und die Anwendbarkeit des Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) erörtert. Das LSG habe aber keine Sachverhalte festgestellt, aus denen sich die Unzulässigkeit der Abschiebung nach der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) ergebe, etwa eine Bedrohung des Klägers mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe in seiner Heimat oder zu schützende Familienbande. Es bestehe zwar möglicherweise im Rahmen des Art 1 Abs 1 GG wegen des besonderen Schutzbedürfnisses ein Verbot für Maßnahmen, die einen Minderjährigen einer Gefahr für sein geistiges und leibliches Wohl aussetzen. Eine solche Gefährdung bei der Überstellung des Klägers an Grenzbehörden des ehemaligen Jugoslawiens sei jedoch nicht festgestellt. Ein Bleiberecht des Klägers ergebe sich auch nicht aus dem Haager Minderjährigenschutzabkommen, das kein die Abschiebung verhinderndes materielles Bleiberecht begründe. Auch Anhaltspunkte für ein Abschiebeverbot nach dem ab 1. Januar 1991 geltenden Ausländergesetz (AuslG) lägen nicht vor. Das LSG habe keine entsprechenden Sachverhalte festgestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. März 1993 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 14. November 1991 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung seien bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen andere Maßstäbe heranzuziehen als bei Erwachsenen oder bei von Eltern begleiteten bzw bei Verwandten untergekommenen Kindern. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, daß Minderjährige nicht ohne weiteres abgeschoben werden könnten. Es sei daher im vorliegenden Fall von vornherein klar gewesen, daß er sich für mehrere Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten werde. Er sei in einer Jugendwohngemeinschaft des Landkreises (LK) A. … aufgenommen worden. Sein Lebensumfeld werde im wesentlichen durch die deutschen Mitbürger bestimmt. Es liege daher eine andere Situation vor als bei Asylbewerbern, die etwa in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht seien. Vor diesem Hintergrund sei es eine Selbstverständlichkeit, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland begründet habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Der LK A. … als Träger der Jugendhilfe ist nicht notwendig zum Rechtsstreit beizuladen (§§ 75 Abs 2, 168 Satz 2 SGG). Dieser hat zwar nach den Feststellungen des LSG einen Erstattungsanspruch wegen Jugendhilfeaufwendungen für den Kläger bei der Beklagten angemeldet. Nach § 75 Abs 2 SGG sind Dritte ua dann beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Durch einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch -(SGB X) als nachrangig verpflichteter Leistungsträger ist der LK an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten aber nicht derartig beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. Bei den Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB X handelt es sich nicht um von der Rechtsposition des Kindergeldberechtigten abgeleitete, sondern um eigenständige Ansprüche (BSGE 61, 66 mwN). Zwar ist im Erstattungsstreit aufgrund der §§ 102 ff SGB X der Versicherte/Leistungsberechtigte notwendig beizuladen, weil nach § 107 Abs 1 SGB X der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht (BSG 12. Juni 1986, 15. November 1989, SozR 1500 § 75 Nrn 60, 80). Klagt dagegen ein Versicherter/Leistungsberechtigter gegen einen Leistungsträger, so hat die ergehende Gerichtsentscheidung auf das Bestehen eines Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers gegen den am Prozeß beteiligten Leistungsträger keinen Einfluß. Wegen der Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche kann der am Prozeß nicht beteiligte Leistungsträger uU auch dann den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch gerichtlich durchsetzen, wenn der Versicherte/Leistungsberechtigte im Rechtsstreit gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger keinen Erfolg gehabt hat. Zum Rechtsstreit zwischen einem Versicherten/Leistungsberechtigten und einem Leistungsträger ist ein anderer Leistungsträger auch dann nicht notwendig beizuladen, wenn diesem wegen einer dem Versicherten/Leistungsberechtigten gewährten Sozialleistung möglicherweise gegen den beklagten Leistungsträger einen Erstattungsanspruch hat (BSGE 61, 66).
Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um über die Kindergeldberechtigung des Klägers gemäß § 1 Abs 2 BKGG iVm § 14 BKGG entscheiden zu können.
Zwar ist davon auszugehen, daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 2 Nr 2 BKGG erfüllt. In seinem Falle sind zwar nicht beide Elternteile verstorben oder unbekannten Aufenthalts. Sinn der Vorschrift ist, alleinstehenden Kindern eine Anspruchsberechtigung auf Kindergeld für die eigene Person einzuräumen. Der Kläger ist aber ebenso alleinstehend wie die in § 1 Abs 2 Nr 2 BKGG geregelten Alternativen, weil ein Elternteil verstorben und der andere unbekannten Aufenthalts ist. Denn nach den Feststellungen des LSG ist die Mutter des Klägers im Jahre 1988 verstorben und der Aufenthaltsort seines Vaters – objektiv – unbekannt. Unschädlich ist, daß das LSG im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats (BSG vom 8. April 1992, SozR 3-5870 § 1 Nr 1) insoweit nicht auf einen subjektiven, sondern einen objektiven Maßstab abgestellt hat. Denn wenn der Aufenthaltsort für das LSG nicht zu ermitteln war, dürfte der Schluß gerechtfertigt sein, daß auch der Kläger den Aufenthaltsort seines Vaters tatsächlich nicht kennt.
Zweifelhaft ist jedoch, ob der Kläger in der noch streitigen Zeit (ab August 1990) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte bzw hat (§ 1 Abs 2 Nr 1 BKGG).
Auch nach der ab 8. Juli 1989 bis 31. Dezember 1990 geltenden Fassung des § 1 BKGG idF des 12. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1294 – 12. ÄndG-BKGG) hing der Kindergeldanspruch – für Ausländer ebenso wie für Deutsche – regelmäßig vom Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten im Geltungsbereich des Gesetzes ab (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BKGG sowie – für Alleinstehende – § 1 Abs 2 Nr 1 BKGG).
Als Spezialregelung hierzu bestimmte der mit Wirkung vom 8. Juli 1989 eingefügte § 1 Abs 3 BKGG in der damaligen Fassung, daß Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhielten, einen Kindergeldanspruch nur dann hatten, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig war oder sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben wurden; der Anspruch war jedoch frühestens für die Zeit ab einem Jahr nach dem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers gegeben.
Fraglich ist, ob diese Regelung auch auf den Fall des Klägers anwendbar war. Denn bis zur Vollendung seines 16. Lebensjahres (19. Februar 1991) benötigte dieser nach dem bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Ausländerrecht (§ 2 Abs 2 Nr 1 AuslG vom 28. April 1965 idF des Gesetzes vom 16. Juli 1982 ≪BGBl I 946≫ – AuslG 1965) keine Aufenthaltserlaubnis, um sich rechtmäßig im Bundesgebiet gewöhnlich aufzuhalten. Insoweit war eine Erlaubnis weder für die Einreise noch für den Aufenthalt erforderlich. Die Anwesenheit von Kindern vor Vollendung des 16. Lebensjahres hielt der Gesetzgeber nämlich nicht für derart unvereinbar mit den öffentlichen Interessen, daß eine vorherige Kontrolle durch das Erlaubnisverfahren generell erforderlich war (vgl BVerwG vom 16. September 1986, BVerwGE 75, 26, 30, 31). Anhaltspunkte dafür, daß gegenüber dem Kläger eine Aufenthaltsbeschränkung nach § 7 Abs 5 Satz 1 AuslG 1965 ausgesprochen war (vgl hierzu BVerwGE aaO, 27), fehlen. Ob auch für solche Ausländer, die zwar über keine Aufenthaltserlaubnis verfügten, jedoch auch keine solche benötigten, § 1 Abs 3 BKGG idF des 12. ÄndG-BKGG galt, kann jedoch dahinstehen.
Denn im Revisionsverfahren ist lediglich das vom LSG zugesprochene Kindergeld nach Ablauf der in § 1 Abs 3 BKGG geregelten Wartezeit von einem Jahr, also ab August 1990, streitig; der Kläger hat keine (Anschluß-)Revision eingelegt. Abgesehen von dieser Regelung des Wartejahres entsprach die Vorschrift des § 1 Abs 3 BKGG idF des 12. ÄndG-BKGG der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum gewöhnlichen Aufenthalt von Asylbewerbern zu § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG.
Insoweit spielt beim Kläger keine Rolle, daß er als Minderjähriger unter 16 Jahren bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres von vornherein berechtigt war, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Denn jedenfalls ab Beginn des hier streitigen Zeitraums war sowohl nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts von Asylbewerbern (siehe rückblickend BSG vom 15. Dezember 1992, SozR 3-5870 § 1 Nr 2 S 6 f) als auch nach § 1 Abs 3 BKGG in der bis 31. Dezember 1990 geltenden Fassung gleichermaßen entscheidend, ob für die voraussehbare Zukunft nach ausländerrechtlichen Vorschriften und deren Handhabung durch die deutschen Behörden davon auszugehen war, daß der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer im Bundesgebiet bleiben kann. Allein aufgrund des Umstandes, daß der Kläger sich bis zur Vollendung seines 16. Lebensjahres erlaubnisfrei im Bundesgebiet aufhalten konnte, stand ihm ab Beginn des hier streitigen Zeitraumes (August 1990) prognostisch noch kein Abschiebeschutz auf unbestimmte Zeit zu. Denn einen solchen hatte er nur für den kurzen Zeitraum von ca sechs Monaten bis zu seinem 16. Geburtstag am 19. Februar 1991, also für keinen unabsehbaren Zeitraum.
Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Befreiung von der Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung ab 1. Januar 1991 aufgrund der Übergangsvorschrift des § 96 Abs 2 Satz 2 AuslG vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354 – AuslG 1990). Mit Wirkung ab 1. Januar 1991 waren durch die Neufassung des § 2 AuslG 1990 Ausländer unter 16 Jahren nicht mehr von der Aufenthaltserlaubnis befreit. Vielmehr war eine Aufenthaltsgenehmigung nunmehr auch für solche Ausländer vorgesehen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Allerdings konnte durch die Übergangsvorschrift des § 96 AuslG 1990 der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Ausländerrechts bereits bestehende erlaubnisfreie Aufenthalt noch nicht 16 Jahre alter Ausländer auf Antrag durch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erhalten werden. Auch die Übergangsvorschrift des § 96 Abs 2 Satz 2 AuslG 1990 bewirkte aber keine Befreiung von der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 16. Lebensjahres. Die fiktiv geltende Befreiung endete spätestens mit Vollendung des 16. Lebensjahres (HessVGH vom 24. Januar 1992, DÖV 1992, 933).
Aber auch in anderer Hinsicht kann aus den Feststellungen des LSG kein Abschiebungsschutz auf unbestimmte Zeit abgeleitet werden. Das LSG stützt seine entsprechende Prognose allein darauf, daß bereits im Zeitpunkt der Einreise des Klägers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling ohne aufnahmebereite Eltern – unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens – mit einem Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer zu rechnen gewesen sei. Denn seiner Rückführung hätte letztlich Art 1 Abs 1 GG entgegengestanden. Dies gelte jedenfalls bis zum Abschluß seiner Ausbildung (zu der das LSG nähere Feststellungen nicht getroffen hat).
Das LSG verkennt hierbei, daß sich die nach der Rechtsprechung zum gewöhnlichen Aufenthalt von Asylbewerbern zu treffende Prognose-Entscheidung nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die deutschen Behörden nicht als Rechtsanwendung in Form einer eigenständigen ausländerrechtlichen Beurteilung des Bleiberechts durch die Kindergeldbehörde bzw die Sozialgerichte darstellt (s BSG vom 15. Dezember 1992, SozR 3-5870 § 1 Nr 2 S 6 f), sondern als Tatsachenfeststellung. Nicht anders ist auch § 1 Abs 3 BKGG idF des 12. ÄndG-BKGG zu verstehen, wenn diese Vorschrift auf die Unzulässigkeit der Abschiebung auf unbestimmte Zeit abstellt bzw auf landesrechtliche Verwaltungsvorschriften, nach denen auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben wurde. Auch hierbei kommt es auf die Handhabung der ausländerrechtlichen Vorschriften durch die zuständigen Behörden an (BSG vom 12. Februar 1992, 10 RKg 26/90). Es ist somit Aufgabe der Kindergeldbehörde wie der Tatsachengerichte, die notwendigen Ermittlungen zum Zwecke der Prognosestellung durchzuführen und daraus für die künftige Entwicklung Schlüsse zu ziehen. Vom LSG wäre die Frage zu entscheiden gewesen, ob der Kläger voraussichtlich nicht abgeschoben werden wird. Das LSG hat aber aus seiner Sicht die Frage beantwortet, ob der Kläger nicht abgeschoben werden darf.
Erkenntnisquellen für eine derartige Tatsachenfeststellung sind in erster Linie Auskünfte der zuständigen Ausländerbehörden; dabei kann ggf auch berücksichtigt werden, welche Erfolgsaussichten Rechtsbehelfen gegen evtl zu erwartende für das Bleiberecht negative Entscheidungen dieser Behörden zukommen. Entsprechende Erkenntnisse hat das LSG seiner Entscheidung jedoch nicht zugrunde gelegt.
Auch für den Kindergeldanspruch des Klägers für die Zeit nach dem 1. Januar 1991 ab Vollendung des 16. Lebensjahres unter Geltung des § 1 Abs 3 BKGG idF des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354) fehlen entsprechende Tatsachenfeststellungen, zumal das LSG diese Gesetzesfassung von vornherein unberücksichtigt gelassen hat. Nach dieser Vorschrift haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des BKGG aufhalten, einen Anspruch auf Kindergeld nur, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 des AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens wiederum nach Ablauf eines Wartejahres. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger die Voraussetzungen dieser Neuregelung erfüllt. Aus den Feststellungen des LSG zur befristeten Aufenthaltserlaubnis von Mai 1992 bis Februar 1993 dürfte jedenfalls zu schließen sein, daß der Kläger zu diesem Zeitpunkt formell über kein Bleiberecht auf unbestimmte Zeit verfügte. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, daß nach den Feststellungen des LSG das verwaltungsgerichtliche Verfahren über die gegen die Aufforderung zur Ausreise gerichtete Klage noch nicht abgeschlossen ist, so daß der Aufenthalt des Klägers aufgrund seines rechtlichen Statuts als Asylbewerber – wie im Regelfall – nur vorübergehenden Charakter hatte (vgl BSG vom 15. Dezember 1992, SozR 3-5870 § 1 Nr 2 S 6 f). Damit kommt es auch insoweit für das Bleiberecht des Klägers auf unbestimmte Zeit auf eine Prognose an.
Das LSG wird die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben. Für den Fall, daß der Kläger auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1994 Kindergeld begehrt, wird das LSG im Hinblick auf § 1 Abs 3 BKGG idF des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353 – 1. SKWPG) ggf festzustellen haben, ob er – inzwischen – im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist.
Sollte das LSG dem Kläger einen Kindergeldanspruch zubilligen, so wird es zu prüfen haben, ob dieser nicht bereits durch Leistungen des LK A. … als Träger der Sozial- oder Jugendhilfe als erfüllt gilt (§ 107 Abs 1 SGB X).
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen