Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Bezugsdauer von Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus
Orientierungssatz
Kindergeld steht über das 27. Lebensjahr hinaus grundsätzlich nicht zu, wenn während der Verzögerungszeit Kindergeld bezogen wurde. Der Gleichheitsgrundsatz (GG Art 3 Abs 1) erfordert es, daß bei fortlaufendem Kindergeldbezug bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres die Bezugsberechtigung zu diesem Zeitpunkt endet, gleichgültig, aus welchen Gründen die Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen worden ist.
Normenkette
BKGG § 2 Abs 3 S 2 Nr 4 Fassung: 1975-01-31; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 25.03.1981; Aktenzeichen L 4 Kg 7/79) |
SG Regensburg (Entscheidung vom 10.05.1979; Aktenzeichen S 6 Kg 6/79) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesanstalt Kindergeld für ihre älteste Tochter Ursula (U.), geboren am 7. Dezember 1951, über deren 27. Lebensjahr hinaus bis zum Abschluß des Medizinstudiums im September 1979.
Sie erhielt seit 1. Juli 1975 fortlaufend Kindergeld für ihre drei Kinder, für die beiden jüngeren auch über den 31. Dezember 1978 hinaus. Die älteste Tochter U. legte 1972 die Reifeprüfung ab. Bewerbungen in den Jahren 1972/73 um einen Studienplatz in Humanmedizin an mehreren deutschen Universitäten blieben ohne Erfolg. Dagegen erlangte sie bereits im Herbst 1972 in der angestrebten Fachrichtung einen Studienplatz an der Universität Neapel. Dort mußte sie nach einem Normalstudium von sechs Jahren (Abschluß mit der "Laurea" = Doktorwürde) noch ein zusätzliches Studienjahr (fouri corso) verbringen. Sie schloß im September 1979 ihr Studium in Humanmedizin ab.
Die Beklagte entzog der Klägerin das Kindergeld für die Tochter U. mit Ablauf des Jahres 1978 wegen Vollendung des 27. Lebensjahres (Bescheid vom 4. Dezember 1978). Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1979; SG-Urteil vom 10. Mai 1979; LSG-Urteil vom 25. März 1981).
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 2 Abs 3 Nr 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) aF.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, für die Tochter U. ab 1. Januar 1979
bis 30. September 1979 Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Nach § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG werden Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 2 Abs 3 Satz 1 BKGG), darüber hinaus aber auch noch, wenn die Berufsausbildung sich wegen mangelnden Studienplatzes verzögert hat, für einen der Dauer der nachgewiesenen Verzögerung entsprechenden Zeitraum (§ 2 Abs 3 Satz 2 Nr 4 BKGG aF).
Wie der erkennende Senat bereits in den Urteilen vom 25. März 1982 - 10 RKg 1/81 - und vom 13. Mai 1982 - 10 RKg 30/81 - entschieden hat, steht Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus aber grundsätzlich nicht zu, wenn während der Verzögerungszeit Kindergeld bezogen wurde. Er hat diesen Grundsatz aus dem systematischen Zusammenhang der hier anzuwendenden Vorschrift mit den ebenfalls eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze von 27 Jahren rechtfertigenden Tatbeständen der Nrn 1 - 3 des § 2 Abs 3 Satz 2 BKGG aF und dem Gleichheitsgrundsatz hergeleitet. Dieser erfordert es, daß bei fortlaufendem Kindergeldbezug bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres die Bezugsberechtigung zu diesem Zeitpunkt endet, gleichgültig, aus welchen Gründen die Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen worden ist. Eine andere Handhabung würde zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung der Ausnahmetatbestände des § 2 Abs 3 Nrn 1 - 4 BKGG aF führen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen