Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.02.1993; Aktenzeichen L 13 Kg 90/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte das dem Kläger für seinen Sohn H. … (H.) bewilligte (Ausbildungs-) Kindergeld im Wege der Neufeststellung für die Zukunft entziehen durfte.

Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, bezog von der Beklagten für seine Kinder, ua auch für den Sohn H., geboren am 28. Januar 1971, Kindergeld. Während seiner Berufsausbildung zum Schmelzschweißer vom 15. August 1989 bis zum Juni 1992 erhielt H. im ersten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung von monatlich DM 663,–, ab dem zweiten Lehrjahr zunächst DM 703,– und ab dem 1. November 1990 DM 773,– brutto monatlich.

Am 9. März 1989 heiratete H. und lebte mit seiner Ehefrau im Haushalt des Klägers. Dazu gab dieser der Beklagten im Oktober 1989 an, er gewähre H., der eigene Nettoeinkünfte iHv DM 540,– monatlich habe, sowie seiner Schwiegertochter, die mangels Arbeitserlaubnis über kein eigenes Einkommen verfüge, Sachleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung.

Die Beklagte hob daraufhin – ohne Anhörung – die Bewilligung des Kindergeldes für H. ab März 1990 auf, weil sich die für den Anspruch maßgebenden Verhältnisse insofern wesentlich geändert hätten, als H. nun verheiratet sei und durch eigene Einkünfte von mehr als DM 425,– monatlich seinen Unterhaltsbedarf überwiegend decke (Bescheid vom 23. März 1990).

In dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, daß der Unterhaltsbedarf für H. und seine Familie mit DM 425,– im Monat nicht gedeckt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 1990 wies die Beklagte den Rechtsbehelf unter Bezugnahme auf § 2 Abs 2a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zurück, weil durch die Ausbildungsvergütung von DM 663,– ab dem 15. August 1989 der Unterhaltsbedarf von monatlich DM 850,– wenigstens zur Hälfte durch eigene Einkünfte gedeckt sei. Im Bescheid vom 16. März 1992 (der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde), hob die Beklagte – in Abänderung des Bescheids vom 23. März 1990 – die Bewilligung des Kindergeldes für H. erst mit Wirkung ab April 1990 auf.

Das Sozialgericht (SG) hat – dem Antrag des Klägers entsprechend – die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt (Urteil vom 7. Januar 1992), dem Kläger das Kindergeld für H. weiterhin zu gewähren: Es vertrat, weil § 2 Abs 2a BKGG auf § 2 Abs 2 Satz 1 BKGG Bezug nehme, die Auffassung, daß für verheiratete wie für unverheiratete Kinder grundsätzlich dieselben Voraussetzungen gelten würden und bei beiden eine wegen Berufsausbildung erzielte Bruttoausbildungsvergütung von unter DM 750,– (§ 2 Abs 2 Satz 2 BKGG) für den Kindergeldanspruch unschädlich sei. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 2 Abs 2a BKGG bei der Feststellung des „überwiegenden Unterhaltens” werde nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck dieser Ausnahmevorschrift nicht gedeckt. § 2 Abs 2a BKGG liege die Überlegung zugrunde, daß ein in Ausbildung befindliches Kind nicht mehr von seinen Eltern unterhalten werden müsse, wenn es überwiegend von seinem Ehegatten unterhalten werde. Wenn also der Ehegatte keinen überwiegenden Unterhalt leisten könne, sei der/die Verheiratete in Ausbildung andererseits als Kind zu berücksichtigen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) im Beschluß vom 16. Januar 1991 (10 BKg 18/90) festgestellt habe, ziele diese Regelung allein darauf ab, die in § 1608 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltende Rangfolge für den Bereich des Kindergeldes umzusetzen. Wenn danach für die Ehefrau von H. keine Unterhaltsverpflichtung bestehe, sei, wie auch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 26. März 1991 (Breithaupt 1991, S 950 ff) entschieden habe, keine andere Feststellung möglich als die, daß H. überwiegend durch die Zuwendungen seiner Eltern unterhalten werde. Durch die von der Beklagten vorgenommene Berücksichtigung der Ausbildungsvergütung bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts würden die Eltern verheirateter, über 16 Jahre alter Kinder mit ähnlicher materieller Sicherung in Berufsausbildung gegenüber Eltern nichtverheirateter Kinder nicht gerechtfertigt benachteiligt.

Die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten – der Kläger hat im Berufungsverfahren seine Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 23. März 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 1990 beschränkt – hat das LSG zurückgewiesen: Eine wesentliche Änderung iS des § 48 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X), der rechtliche Grundlage der angefochtenen Bescheide idF des Änderungsbescheides vom 16. März 1992 (Aufhebung der Kindergeldbewilligung erst mit Wirkung ab April 1990), welcher gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, sei nicht eingetreten. Denn die Voraussetzungen des § 2 Abs 2a BKGG seien über den Entziehungszeitpunkt von April 1990 hinaus erfüllt. Der Kläger habe, solange H. sich in Berufsausbildung befinde und weniger als DM 750,– pro Monat verdiene, Anspruch auf Kindergeld. Durch die Heirat sei die Unterhaltsverpflichtung des Kläger nicht entfallen. Deshalb dürfe auch danach die Ausbildungsvergütung bei der Feststellung des Unterhaltsbedarfs nicht berücksichtigt werden. Die Rechtsauffassung der Beklagten hätte zur Folge, daß sog unschädliche Einkünfte, welche das verheiratete Kind im Rahmen oder neben dem Ausbildungsverhältnis verdiene, regelmäßig den Anspruch auf Kindergeld ausschließen würden, was weder mit dem Ziel des § 2 Abs 2a BKGG zu vereinbaren wäre, noch im Einklang mit der Verfassung stünde.

Entgegen der Auffassung der Beklagten entfalle das Ausbildungskindergeld nach der Heirat des Kindes auch nicht grundsätzlich. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des zum 1. Januar 1982 in Kraft getretenen § 2 Abs 2a BKGG sowie der Begründung zum Gesetzentwurf. Die Einführung dieser differenzierten Regelung sei damit gerechtfertigt worden, daß durch den Verdienst des Ehepartners und die dadurch entstandene Unterhaltsverpflichtung eine andere materielle Sicherung eingetreten sei, die zum Fortfall der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Eltern als Kindergeldberechtigte geführt habe. Das Kind müsse dann nicht mehr von seinen Eltern unterhalten werden. Wenn der Ehepartner keinen überwiegenden Unterhalt leisten könne, sei das Kind weiter bei seinen Eltern bei der Festsetzung des Kindergeldes zu berücksichtigen. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Januar 1991 (BVerfG SozR 3-5870 § 2 Nr 18) könne es zu einem Wegfall der Kindergeldberechtigung nur kommen, wenn der vorrangig unterhaltsverpflichtete Ehegatte des Kindes soweit leistungsfähig sei, daß er von dem Unterhaltsbedarf, der nach der Anrechnung der Nebeneinkünfte des Kindes verbleibe, zumindest die Hälfte tragen könne. Die in § 2 BKGG genannte Grenze des Ausbildungsgeldes lege nach den Auffassungen des Gesetzgebers die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes, das Ausbildungsgeld erhält, abschließend fest. H. habe in den Monaten ab April 1990 keine Ausbildungsvergütung in Höhe von mindestens DM 750,– erzielt. Auch sei seine Ehefrau in dieser Zeit weder unterhaltsfähig noch ihm zum Unterhalt verpflichtet gewesen, weil sie unstreitig über keinerlei eigene Einkünfte verfügt habe. Der Kläger habe seinem Sohn H. deshalb weiterhin vollen Unterhalt in Form von Unterkunft und Verpflegung gewähren müssen. Die Beklagte habe deshalb zu Unrecht die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X angenommen. Sie sei verpflichtet, dem Kläger Kindergeld unter Berücksichtigung von H. auch für die Monate April 1990 bis wenigstens Oktober 1990 nachzuzahlen. Ob darüber hinaus noch ein Anspruch auf Kindergeld für H. bestehe, habe die Beklagte durch Rückfrage beim Arbeitgeber zu klären.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 2a BKGG. Die Vorinstanzen hätten verkannt, daß § 2 Abs 2a BKGG aufgrund seines Wortlauts, nach seiner gesetzessystematischen Stellung und nach dem Gesetzeszweck als Lex specialis den Anspruch auf Kindergeld für verheiratete Kinder von dem zusätzlichen Erfordernis der „überwiegenden Unterhaltsgewährung” abhängig mache. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats werde überwiegender Unterhalt gewährt, wenn der Berechtigte mehr als die Hälfte des nach den Regelungen des bürgerlichen Rechts zu beurteilenden Gesamtunterhaltsbedarfs des Kindes abdecke. Nach den anzuwendenden Erfahrungswerten der „Düsseldorfer Tabelle” sei hier ein Betrag von DM 850,– als Gesamtunterhaltsbetrag anzusetzen. Eine Unterhaltspflicht des Klägers bestehe nach § 1602 Abs 1 BGB nur insoweit, als H. außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Bei der Ermittlung des Anteils der Zuwendungen des Klägers sei daher die Ausbildungsvergütung von H. mit einem Betrag von (netto) DM 540,– zu berücksichtigen. Ein „pauschalierter” Abzug für ausbildungsbedingten Mehrbedarf sei hier nicht vorzunehmen, da die Haushaltszugehörigkeit von H. unberücksichtigt bleibe. Nur in Höhe des nicht durch eigene Einkünfte gedeckten Bedarfs von DM 310,– pro Monat könne der Unterhaltsbedarf von H. seitens des Klägers gedeckt werden. Bei der Feststellung der überwiegenden Unterhaltsgewährung als Voraussetzung der Weitergewährung des Kindergeldes nach § 2 Abs 2a BKGG komme es auf das Verhältnis der vom Kläger tatsächlich erbrachten Leistungen zum vorhandenen Lebensbedarf an. Es könnten nur die Leistungen berücksichtigt werden, die der Deckung des Lebensbedarfs dienten; darüber hinausgehende Leistungen seien kein Unterhalt. Die im Beschluß des BVerfG (aaO) gewählte Formulierung, wonach es zu einem Wegfall der Kindergeldberechtigung nur kommen könne, wenn der vorrangig unterhaltsverpflichtete Ehegatte des Kindes soweit leistungsfähig sei, daß er von dem Unterhaltsbedarf, der nach Anrechnung der Nebeneinkünfte des Kindes verbleibt, zumindest die Hälfte tragen könne, spreche nicht gegen die von der Beklagten vertretene Auffassung. Das Ergebnis, daß die von H. bezogene Ausbildungsvergütung den Kindergeldanspruch des Klägers ausschließe, begegne nach der Rechtsprechung des BVerfG auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es habe selbst den Weg zur Ausgestaltung einer verfassungsrechtlich unbedenklich differenzierenden Heiratsklausel gewiesen. Auch die Auffassung des LSG, wonach der Gesetzgeber in § 2 BKGG mit der dort geregelten Grenze hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigenden Ausbildungsvergütung die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes abschließend festgelegt habe mit der Folge, daß eine unterhalb der Grenze liegende Ausbildungsvergütung auf den Unterhaltsbedarf nicht anzurechnen wäre, sei unzutreffend. Die von der Beklagten vertretene Auffassung führe auch zu keinen unbilligen Ergebnis. Der Kläger könne Unterhaltsaufwendungen im Rahmen des § 33a Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Lohn-oder Einkommensteuererklärung geltend machen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1993 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7. Januar 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß die Entscheidungen des SG und des LSG zutreffend seien.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 SGG).

Die Revision der Beklagten ist iS einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache begründet. Die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Senats, ob die Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers zu Recht aufgehoben hat, nicht zu.

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsgewährung für die Zukunft kommt § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob dies seit dem Erlaß des Kindergeldbewilligungsbescheides der Fall ist, richtet sich nach dem materiellen Recht. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 19). Wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X war die Heirat des Sohnes H. am 9. März 1989, wenn sie dazu geführt haben sollte, daß dadurch die Anspruchsvoraussetzungen für eine Kindergeldgewährung entfallen sind.

Der Kläger erfüllte zwar nach der Heirat seines Sohnes weiterhin die Grundvoraussetzungen für die kindergeldrechtliche Berücksichtigung von H. gemäß §§ 1 Nr 1 und 2 Abs 2 Nr 1 BKGG. Denn er hatte seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG. Sein – über 16 aber noch nicht 27 Jahre alter – Sohn befand sich in Berufsausbildung als Schmelzschweißer. Nach der zum 1. Januar 1982 durch das 9. Änderungsgesetz (9. ÄndG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, S 1566) eingefügten Sonderregelung des § 2 Abs 2a BKGG besteht aber für verheiratete Kinder ein Kindergeldanspruch nur, wenn sie vom Berechtigten überwiegend unterhalten werden, weil der Ehegatte keinen ausreichenden Unterhalt leisten kann. Für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs 2a BKGG gegeben waren, ist bei der Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Beziehung gemäß Art 18 Abs 1 Satz 1, Abs 6, 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) idF des am 1. September 1986 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl I, S 1142) bzw Art 4, 10 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl 1986 II, S 837) materielles deutsches Recht anzuwenden, weil der Kläger, sein Sohn H. und dessen Ehefrau zwar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, aber in der Bundesrepublik Deutschland – nachdem sich dort schon ihr Wohnsitz befindet – auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (vgl § 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫) haben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlen die Voraussetzungen des § 2 Abs 2a BKGG nicht bereits deshalb, weil der Unterhaltsbedarf von H. im streitigen Zeitraum überwiegend durch Einkünfte aus seiner Ausbildungsvergütung gedeckt war.

Es ist vielmehr bei der Auslegung darauf abzustellen, ob der darüber hinausgehende (Rest-)Unterhaltsbedarf von H. wegen ungenügender Leistungsfähigkeit seiner Ehefrau überwiegend vom Kläger bestritten wurde.

Die Vordergerichte haben nicht übersehen, daß der erkennende Senat ebenso wie andere Spruchkörper und vielfältige Stimmen in der Literatur zu der hier letztlich streitentscheidenden Frage Stellung genommen haben, wann davon auszugehen ist, daß ein Kindergeldantragsteller bzw -bezieher ein Kind „überwiegend unterhalten” hat. Die Beklagte beruft sich bei der Beantwortung dieser Frage in erster Linie auf die Rechtsprechung des Senats (s dessen Urteile vom 23. Oktober 1984 – 10 RKg 12/82 –, unveröffentlicht; vom 20. Mai 1987 – 10 RKg 12/85BSGE 62, 5, 6 f = SozR 1750 § 287 Nr 1; vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 10/86 –, SozR 5870 § 3 Nr 6; Urteil vom 11. Januar 1989 – 10 RKg 14/87 –, BSGE 64, 244 = SozR 5870 § 2 Nr 60).

Diese vier Urteile stützen die Rechtsauffassung der Beklagten allerdings nur dem trügerischen ersten Anschein nach. In Wahrheit ist die Sachverhaltsgestaltung der hier zu entscheidenden Streitsache gerade bei dem von der Beklagten mit Recht herausgestellten Umstand, daß das verheiratete Kind des Klägers eigene Einkünfte hat, gegenüber den früher entschiedenen Streitigkeiten völlig anders:

Den genannten vier Rechtsstreitigkeiten ist gemeinsam, daß eine „überwiegende Unterhaltsleistung” Voraussetzung für die Kindergeldberechtigung war. Dabei war in den beiden zuerst entschiedenen Fällen zwischen den Barleistungen des Großvaters einerseits und den persönlich erbrachten Sachleistungen des Kindesvaters andererseits abzuwägen. In dem im Jahre 1988 entschiedenen Falle standen sich Unterhaltsgewährungen des Vaters und des Stiefvaters gegenüber. Schließlich war am 11. Januar 1989 zwischen dem Unterhalt von seiten des Vaters und seiner (berufstätigen) Schwiegertochter zu unterscheiden. In sämtlichen Entscheidungen hat der Senat betont, daß überwiegenden Unterhalt leistet, wer „mehr als die Hälfte des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes abdeckt”.

Der Senat hat keinen Anlaß, diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall aufzugeben. Doch rechtfertigt die hier zu entscheidende Fallgestaltung die Übernahme des wiedergegebenen Rechtssatzes nicht.

Den entschiedenen vier Rechtssachen war gemeinsam, daß das zum Bezug von Kindergeld berechtigende Kind ohne – berücksichtigungsfähige – eigene Einkünfte war. Infolgedessen tauchte die Frage nicht auf, wie derartige Einkünfte bei der Entscheidung zu berücksichtigen sein würden. Es ging „nur” um die Rechtsfrage, welche Bedeutung die Leistungen der beiden anderen Personen in ihrer Wertigkeit zueinander für die Frage des überwiegenden Unterhalts hatten. In den drei zuerst entschiedenen Fällen erhob sich darüber hinaus die hier interessierende Frage überhaupt nicht, ob ggf für ein Kind kein Kindergeld mehr zu zahlen war. Vielmehr ging es ausschließlich um den Vorrang des einen oder anderen Unterhalt gewährenden Berechtigten. Bei dieser Abwägung konnte es nur darum gehen, den Anspruch demjenigen zuzusprechen, der „mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs abdeckt” (Für die Entscheidung der reinen Vorrangsfrage dürfte es im übrigen unerheblich sein, ob das Kind teilweise eigene Mittel hat; vgl auch die Entscheidung des Senats vom 29. Oktober 1992, SozR 3-5870 § 3 Nr 3 S 9, wo lediglich die Unterhaltsleistungen der Mutter und des Vaters gegenübergestellt wurden, ohne die Zuwendungen der Großmutter zu berücksichtigen).

Vorliegend kommt es dagegen darauf an, ob sonstige Einnahmen des Kindes Einfluß auf die Kindergeldberechtigung haben. Denn Unterhalt an ein Kind erbringt ein Berechtigter nur, wenn er zu dessen – gesamten verbleibenden – Unterhaltsbedarf im vom Gesetz vorgesehenen Rahmen beiträgt. Durch die Regelung des § 2 Abs 2a BKGG ist es vorgegeben, anhand der bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen dreierlei Unterhaltsmittel in die Betrachtung einzubeziehen:

  1. eigene Mittel des Kindes,
  2. Unterhaltsleistungen des vorrangig verpflichteten Ehegatten und 3. Unterhalt von seiten des – bisher – Kindergeldberechtigten.

Eine derartiges Sach- und Rechtsgestaltung erfaßt der in den Urteilen des Senats aufgestellte Rechtssatz natürlich nicht ohne weiteres. Diese Frage ist vielmehr aufgrund des Zweckes und der Geschichte der Norm des § 2 Abs 2a BKGG zu ermitteln. Dabei ergibt sich folgendes:

Die frühere – absolute – Heiratsklausel des § 2 Abs 2 Satz 1 BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I 265) hat das BVerfG als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt (Beschluß vom 14. Juli 1970, BVerfGE 25, 71). Dabei ging es – ebenso wie bei der entsprechenden Regelung für die Waisenrente aus der Rentenversicherung (BVerfG vom 27. Mai 1970, BVerfGE 28, 324, 347) – davon aus, daß die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden könne: „Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben: Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und somit als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein.” Entsprechend hat es das BVerfG in der damaligen Entscheidung zum BKGG als „nicht sachgerecht” erachtet, „die Heirat des Kindes auch dann zum Anlaß einer Schlechterstellung des Kindergeld-Berechtigten zu nehmen, wenn dieses Ergebnis an dessen wirtschaftlicher Belastung nichts ändert” (BVerfGE 29, 71, 79). Dies gelte selbst dann, wenn das Kind mit der Heirat aus der häuslichen Gemeinschaft mit den Eltern ausscheide und damit eine bis dahin etwa noch andauernde persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern entfalle (BVerfGE aaO 79f).

Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat der Gesetzgeber dann über 10 Jahre später die jetzige differenzierte Verheirateten-Klausel des § 2 Abs 2a BKGG eingeführt. Nach den Materialien (BT-Drucks 9/842 S 54) hatten „sich die Fälle gehäuft, in denen – inbesondere in Ausbildung stehende – volljährige Kinder bereits verheiratet sind und ganz oder überwiegend von ihren Ehegatten unterhalten werden können, so daß sie nicht mehr oder nicht mehr in einem die Zahlung von Kindergeld rechtfertigenden Umfang von ihren Eltern unterhalten zu werden brauchen. Diese Fälle sollen künftig kindergeldrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden. Das Kriterium, nach dem die Berücksichtigung entfällt, wenn die Eltern das Kind nicht mehr überwiegend zu unterhalten brauchen, ist in einem stark typisierenden Leistungssystem angemessen. Es verhindert, daß Eltern, die nur noch in verhältnismäßig geringem Umfang Unterhalt für ihr verheiratetes Kind leisten, dafür Kindergeld erhalten.”

Nach den Materialien soll der Kindergeldanspruch des Berechtigten bei Verheiratung eines Kindes also dann entfallen, wenn infolge der Unterhaltsleistungen seines Ehegatten eine wirtschaftliche Entlastung eintritt. Diese Zielrichtung des Gesetzgebers kann auch dem Gesetzeswortlaut entnommen werden. Denn § 2 Abs 2a, 2. Halbs BKGG „weil ihr Ehegatte …”) setzt für den Kindergeldanspruch voraus, daß der Kindergeldberechtigte wegen der unzureichenden Unterhaltsfähigkeit des „Schwieger-Kindes” das Kind weiterhin überwiegend unterhält. Der hiernach erforderlichen kausalen Verknüpfung des vom Kindergeldberechtigten auch nach der Verheiratung geleisteten Unterhalts einerseits mit der Unterhaltsfähigkeit des Schwieger-Kindes auf der anderen Seite wird nur eine Auslegung gerecht, welche den Unterhaltsbeitrag des Kindergeldberechtigten mit der neu entstandenen Unterhaltsverpflichtung des Schwieger-Kindes vergleicht. Geben dagegen eigene Einkünfte des Kindes den Ausschlag, obwohl diese vor der Verheiratung in derselben Weise vorhanden und anspruchsunschädlich waren, so wird genau das vom BVerfG (aaO) mißbilligte Ergebnis erzielt, daß nämlich die Verheiratung im Ergebnis einen wirtschaftlichen Nachteil für den Kindergeldberechtigten mit sich bringt.

Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung auch nicht auf den Kammerbeschluß des BVerfG vom 14. Januar 1992 (SozR 3-5870 § 2 Nr 18) berufen. In dem hierzu gebildeten Orientierungssatz heißt es zwar – mißverständlich -: „Es ist nicht verfassungswidrig, daß Nebeneinkünfte des Kindes zum Wegfall des Kindergeldes führen können, wenn das Kind verheiratet ist, während sie beim unverheirateten Kind für den Anspruch unerheblich sind.” Das BVerfG hatte jedoch über einen Fall zu entscheiden, in dem der Unterhaltsbedarf des Kindes von DM 765,–/Monat in Höhe von mindestens DM 165,–/Monat durch eigenes Einkommen des Kindes gedeckt war und die vorrangig unterhaltspflichtige Ehefrau aufgrund ihres Einkommens den Restunterhalt von DM 600,–/Monat mindestens zur Hälfte tragen mußte. Durch die Heirat des Sohnes war daher die Unterhaltspflicht des Kindergeldberechtigten ganz erheblich um mindestens die Hälfte (von DM 600,–/Monat auf höchstens DM 300,–/Monat) herabgesetzt worden.

Hierzu führt die zitierte Kammer-Entscheidung ausdrücklich aus: „Auf dieser Grundlage begegnet aber auch § 2 Abs 2a BKGG in der Auslegung der angegriffenen Entscheidungen, in denen bei der Bemessung des Unterhalts die Nebeneinkünfte des Kindes berücksichtigt worden sind, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu einem Wegfall der Kindergeldberechtigung kann es danach nur kommen, wenn der vorrangig unterhaltsverpflichtete Ehegatte des Kindes soweit leistungsfähig ist, daß er von dem Unterhaltsbedarf, der nach Anrechnung der (Neben-)Einkünfte des Kindes verbleibt, zumindest die Hälfte tragen kann. Der (potentiell) Kindergeldberechtigte wird dadurch im Ergebnis wesentlich stärker finanziell entlastet, als er es bei einem unverheirateten Kind mit Nebeneinkünften in der im Regelfall zu erwarteten Höhe wäre” (Hervorhebung nur hier).

Ist aber, wie aufgezeigt, für die Feststellung, wer den überwiegenden Unterhalt im Sinne des § 2 Abs 2a BKGG leistet bzw leisten muß, nur auf den Vergleich zwischen den Kindergeldberechtigten, also typischerweise einem Elternteil, und dem Ehegatten des Kindes (dem „Schwieger-Kind”) abzustellen, so ist einerseits die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit (nicht der tatsächlichen Leistung, da Abs 2a auf das „Unterhalt-leisten-können” abstellt) des Schwiegerkindes der tatsächlichen Unterhaltsleistung des Elternteils andererseits gegenüberzustellen. Hierbei ist zu beachten, daß – auch im Rahmen des § 2 Abs 2a BKGG – ein Kind nur insoweit „unterhalten” wird, als die ihm erbrachten Bar- oder Sachleistungen seinen angemessenen Lebensbedarf (§ 1610 Abs 1 und 2 BGB) decken. Darüber hinausgehende Zuwendungen sind Vergünstigungen anderer Art (BSG vom 29. Oktober 1992, SozR 3-5870 § 3 Nr 3 S 9 unter Bezug auf BSG vom 17. Mai 1988, SozR 5870 § 3 Nr 6).

Zur Ermittlung der Unterhaltspflicht des Schwiegerkindes ist die Regelung des § 1608 BGB über die Rangfolge der Unterhaltspflichten zwischen dem Ehegatten und den Verwandten des Unterhaltsbedürftigen heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift haftet der Ehegatte des Bedürftigen vor dessen Verwandten. Dies gilt auch dann, wenn der nach ihrer Lebensstellung geschuldete Unterhalt der Eltern den vom Ehegatten nach den (neuen) ehelichen Verhältnissen zu leistenden Unterhalt überstiege. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts Leistungen zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. Damit bleiben die Eltern einem verheirateten Kind nur dann unterhaltspflichtig, wenn der Ehegatte nicht leistungsfähig ist (BGH vom 30. Januar 1964, BGHZ 41, 104, 113). Zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Ehegatten ist von dessen Einkommen der angemessene Selbstbehalt abzuziehen: Ein Ehegatte schuldet dem anderen bei Vorhandensein leistungsfähiger Verwandter nur dann Unterhalt, wenn die Grenze des Selbsterhalts überschritten wird (OLG Köln vom 8. Juni 1989, FamRZ 1990, 54; OLG Frankfurt/Main vom 5. Juni 1984, FamRZ 1985, 704; so auch der Senat im Urteil vom 11. Januar 1989, BSGE 64, 244, 247 = SozR 5870 § 2 Nr 60).

Demgegenüber sei zur Klarstellung auf folgendes hingewiesen: Im Regelungszusammenhang des § 2 Abs 2a BKGG ist unerheblich, daß sich die Eheleute untereinander – im Innenverhältnis – jedenfalls bei Zusammenleben nicht auf einen Selbstbehalt berufen dürfen (vgl auch BVerfG vom 10. Januar 1984, BVerfGE 66, 84, 99). Im Innenverhältnis gilt folgendes: Hier gibt es nur einen dem Wesen der Ehe entsprechenden gemeinsamen Lebensbedarf der Ehegatten (§ 1360 Satz 1, § 1360a Abs 1 und 2 BGB), zu dem beide ohne Vorrang der Selbsterhaltung beizusteuern haben. Lediglich bei Getrenntleben bleibt dem Verpflichteten aus Praktikabilitätsgründen das Existenzminimum für sich allein, denn anderenfalls müßten sowohl Verpflichteter als auch Berechtigter auf (ergänzende) Sozialhilfe verwiesen werden (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl 1989, RdNr 37). Grundsätzlich jedoch hat jeder Ehegatte alle seine verfügbaren Mittel zum gemeinsamen Unterhalt zu verwenden (so auch § 1603 Abs 2 Satz 1 BGB für eine Familie mit Kindern).

Im Rahmen des § 2 Abs 2a BKGG ist jedoch allein erheblich, inwieweit der (Rest-)Unterhaltsbedarf des Sohnes des Klägers im Verhältnis zu diesem von seiner Ehefrau zu decken war; hieraus wiederum ergibt sich, ob und inwieweit die vom Kläger erbrachten Zuwendungen seinen Sohn „unterhalten” haben. Darauf aber haben die innerehelichen Unterhaltspflichten keinen Einfluß.

Denn auf der einen Seite führt die Heirat des Kindes rechtlich zu keiner erweiterten Unterhaltspflicht der Eltern: Nach § 1610 Abs 2 BGB erfaßt der zu gewährende angemessene Unterhalt (§ 1610 Abs 1 BGB) lediglich den Lebensbedarf des Bedürftigen, nicht aber die von diesem zu erfüllenden Unterhaltspflichten. Von anderer Seite gegen den Empfänger gerichtete Unterhaltsforderungen erhöhen seinen Bedarf nicht. Anderenfalls entstünde – mittelbar – eine Unterhaltspflicht über den gesetzlichen Rahmen (§ 1601 BGB: Verwandte in gerader Linie/§ 1360, § 1361 BGB: Ehegatten/§ 1369 BGB: geschiedene Ehegatten) hinaus (so auch BGH vom 6. Dezember 1984, BGHZ 93, 123, 130f mwN). Dem entspricht auf der anderen Seite, daß Unterhaltsleistungen seines Ehegatten den Bedarf des Kindes nicht mindern, solange der angemessene Unterhalt des Ehegatten nicht durch dessen Eigenmittel gedeckt ist. Denn die unterhaltspflichtigen Eltern eines Ehegatten sollen nicht allein durch dessen Heirat von ihren Unterhaltspflichten – teilweise -entlastet werden, wenn das Einkommen der jungen Eheleute nicht zu einem angemessenen Unterhalt für beide reicht. Eben dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 1608 BGB, die wiederum der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG entspricht. Denn sonst würde sich im aufgezeigten Zusammenhang ein unterhaltsberechtigtes Kind allein durch seine Heirat schlechter stellen.

Der ”angemessene Unterhalt”, (Legaldefinition: § 1610 Abs 1 BGB), der nach § 1608 Satz 2 BGB dem an sich unterhaltspflichtigen Ehegatten im Verhältnis zu seinen Schwiegereltern zu verbleiben hat, entspricht zum einen demjenigen Betrag, den dieser seinerseits gegenüber ihm Unterhaltspflichtigen geltend machen kann (§ 1610 Abs 1 und 2 BGB) und zum anderen dem sogenannten ”großen Selbstbehalt”, den ein Unterhaltspflichtiger seinen volljährigen Kindern oder sonstigen Unterhaltsberechtigten entgegenhalten kann (§ 1603 Abs 1 BGB).

Nach § 1610 Abs 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der Unterhalt umfaßt gemäß § 1610 Abs 2 BGB den gesamten Lebensbedarf. Zuwendungen, die über die den gesamten Lebensbedarf deckenden Leistungen hinausgehen, stellen keinen Unterhalt dar (BSG SozR 3-5870 § 3 Nr 3). Demzufolge sind Bar- oder Sachleistungen kein Unterhalt mehr, wenn sie diese Grenze überschreiten. Sie sind Vergünstigungen anderer Art. Für die Entscheidung, ob der Kläger seinem Sohn H. in der streitigen Zeit Unterhalt gewährt hat, ist zunächst dessen Unterhaltsbedarf nach den konkreten Lebensverhältnissen des Kindes festzustellen. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs kann auf die Erfahrungswerte zurückgegriffen werden, wie sie in Bedarfstabellen oder Unterhaltsrichtlinien, wie der Düsseldorfer Tabelle (FamRZ 1988, 911 ff; 1992, 398 ff), ausgewiesen werden (BSGE 64, 244, 246 = SozR 5870 § 2 Nr 60). Dabei sind jedoch von der Norm abweichende Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Nach § 1602 BGB ist unterhaltsberechtigt jedoch nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit als Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs sind daher eigene Einnahmen des Kindes grundsätzlich anzurechnen, weil sie seine Bedürftigkeit verringern. Daher ist die von H. im streitigen Zeitraum bezogene Ausbildungsvergütung als bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

Bezüglich des Unterhaltsbedarfs des Sohnes des Klägers im streitigen Zeitraum enthält das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen. Die bindende Wirkung des § 163 SGG setzt aber voraus, daß deutliche und erkennbare Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht vorliegen.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hat der Gesetzgeber mit der in § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG genannten Grenze des Ausbildungsgeldes bei DM 750,– monatlich die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes, das Ausbildungsgeld erhält, nicht abschließend festgelegt. § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG betrifft ledige, § 2 Abs 2a BKGG dagegen verheiratete Kinder. Außerdem handelt es sich bei § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG um eine pauschale Grenze (BVerfG SozR 3-5870 § 2 Nr 18), die für § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG gilt. Bei der Feststellung des Unterhaltsbedarfs bei der Anwendung von § 2 Abs 2a BKGG iVm § 1610 BGB ist jedoch der Unterhaltsbedarf entsprechend den konkreten Lebensverhältnissen (BSGE 64, 244, 246 = SozR 5870 § 2 Nr 60) zu ermitteln, wenn auch auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden darf.

Das Berufungsgericht wird daher den Unterhaltsbedarf des Sohnes des Klägers im streitigen Zeitraum festzustellen haben.

Bezüglich der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der Ehefrau von H. enthält das angefochtene Urteil zwar die Feststellung, daß sie über keinerlei Einkünfte und Einkommen im streitigen Zeitraum verfügte. Diese Feststellungen sind jedoch rechtlich und tatsächlich unzureichend, denn ungeklärt ist zum einen, ob H.'s Ehefrau nicht etwa über Einkünfte in Form von Sacheinkünften verfügte. Denn die Leistungen des Klägers in Form von Unterkunft und Verpflegung für die jungen Eheleute könnten Gegenleistungen für eine Beteiligung der Schwiegertochter an der Haushaltsführung sein. Zum anderen ist nicht genügend geklärt, ob der Schwiegertochter des Klägers etwa fiktive Erwerbseinkünfte wegen einer Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit (BGH NJW 1987, 1549 ff; FamRZ 1990, 979 ff; Staudinger/Kappe, BGB, 12. Aufl 1992, § 1608 Anm Rz 15) anzurechnen sind. Über den Umstand, ob der Schwiegertochter etwa wegen einer fehlenden Arbeitserlaubnis eine Erwerbstätigkeit unmöglich war, wurden keine Feststellungen getroffen.

Das LSG wird daher ferner festzustellen haben, inwieweit sich die Schwiegertochter des Klägers in dessen Haushalt betätigte und ob dessen Leistungen Gegenleistungen für diese Tätigkeit darstellten. Außerdem verbleibt zu prüfen, ob der Schwiegertochter des Klägers die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich war und wie etwa daraus resultierende Einkünfte anzurechnen wären.

Danach wird das Berufungsgericht zu entscheiden haben, ob ein vom Kläger geleisteter (Rest-)Unterhalt einen von seiner Schwiegertochter zu leistenden Unterhaltsbeitrag überwogen hat. Dafür wird das Berufungsgericht zunächst zu ermitteln haben, welche Unterhaltsleistungen der Kläger erbracht hat. Während er nämlich der Beklagten mitteilte, Unterhalt nur in Form von Sachleistungen, wie Unterkunft und Verpflegung gewährt zu haben, gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG an, auch Barleistungen als Unterhalt erbracht zu haben.

Zu beachten bleibt jedoch, daß auch für verheiratete Kinder die DM 750,– Grenze des § 2 Abs 2 BKGG gilt. Sofern daher den Feststellungen des LSG im Tatbestand seines Urteils – die es selbst durch die Ausführungen wieder in Zweifel zieht – zur Ausbildungsvergütung des H. ab November 1990 gefolgt werden kann, steht dem Kläger jedenfalls ab diesem Monat kein Kindergeld für H. mehr zu. Dies ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Zwar ist bei der Anfechtungsklage gegen einen Entziehungsbescheid lediglich die Sach- und Rechtslage bei Bescheiderlaß maßgebend und sind spätere Entwicklungen nicht mehr zu berücksichtigen (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18 mwN). Im vorliegenden Fall jedoch ist auch der Bescheid vom 16. März 1992 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, der die Entziehung des Kindergeldes neu geregelt hatte. Damit ist auch auf solche Entwicklungen abzuheben, die nach Erlaß des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 1990 bis zum Erlaß des Bescheids vom 16. März 1992 stattgefunden haben.

Bei einer erneuten Entscheidung wird das Berufungsgericht auch über die Kosten der Revision befinden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172669

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?