Entscheidungsstichwort (Thema)
überwiegend Unterhalten. Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten. unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Ehegatten. Unterhaltspflicht der Eltern. Nebeneinkünfte des Kindes. Unterhaltsbedürftigkeit. Lebensbedarf. angemessener Unterhalt. Selbstbehalt. Düsseldorfer Tabelle. absolute Heiratsklausel. differenzierte Verheiratetenklausel
Leitsatz (amtlich)
- Ein verheiratetes Kind wird von einem Kindergeldberechtigten “überwiegend unterhalten” iS von § 2 Abs 2a BKGG, wenn dieser zu dem trotz eigener Einkünfte des Kindes verbleibenden restlichen Unterhaltsbedarf mehr beiträgt als der Ehegatte des Kindes.
- Bei der Ermittlung der Höhe des Unterhalts sind die Vorschriften des BGB anzuwenden.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2a; BGBEG Art. 18 Abs. 1, 6-7; BGB §§ 1360, 1360a Abs. 1-2, §§ 1601, 1608, 1610; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; SGB X § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2; SGB I § 60ff
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 22.12.1992; Aktenzeichen L 3 Kg 24/92) |
SG Stade (Urteil vom 17.03.1992; Aktenzeichen S 8 Kg 4/91) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Dezember 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Entziehung des dem Kläger für seinen Sohn M.… (M.) bewilligten Kindergeldes und des Kindergeldzuschlages streitig.
Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, bezog von der Beklagten für seine Kinder, ua auch für seinen Sohn M.…, geboren 26. August 1968, Kindergeld und den Kindergeldzuschlag. Während des Studiums der Elektrotechnik an der Hochschule B.… erhielt M.… von September 1989 bis September 1990 monatlich DM 590,-- an Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Am 25. Januar 1990 heiratete M.… und wohnte mit seiner Ehefrau, die über kein eigenes Einkommen verfügte, sowie seiner am 1. September 1990 geborenen Tochter weiterhin im Haushalt des Klägers. Dieser teilte im März 1990 der Beklagten die Heirat seines Sohnes mit; er gewähre dem M.… weiterhin Unterhalt in Form von Sachleistungen, nämlich Unterkunft und Verpflegung.
Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung des Kindergeldes und des Kindergeldzuschlages für M.… rückwirkend ab Februar 1990 auf, weil sich die für diese Leistungen wesentlichen Verhältnisse insofern geändert hätten, als M.… seit dem 25. Januar 1990 verheiratet sei und vom Kläger nicht überwiegend unterhalten werde. Der monatliche Unterhaltsbedarf von M.… in Höhe von DM 850,00 werde mindestens zur Hälfte durch die Einkünfte nach dem BAföG gedeckt (Bescheid vom 24. April 1990).
In dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Ausbildungsförderung nach dem BAföG müsse zum Teil zurückgezahlt werden und werde durch die mit der Ausbildung verbundenen Kosten gemindert. Der Bezug von Ausbildungsförderung nach dem BAföG sei nach der Heirat nicht anderes zu beurteilen als in der Zeit davor. Wie vor der Heirat werde M.… von ihm überwiegend unterhalten. Er beziehe nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich DM 1.194,-- sowie Wohngeld.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 1990 wies die Beklagte den Rechtsbehelf unter Bezugnahme auf § 2 Abs 2a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zurück: Die Leistungen nach dem BAföG seien als Einkommen des Sohnes M.… zu berücksichtigen. Dessen Unterhaltsbedarf von monatlich DM 850,-- werde bereits durch das eigene Einkommen des Sohnes in Höhe von DM 590,-- überwiegend gedeckt, so daß für eine überwiegende Unterhaltsleistung durch den Kläger kein Raum sei. Deshalb stehe dem Kläger ab Februar 1990 für M.… weder Kindergeld noch der Kindergeldzuschlag zu. Es handele sich auch um einen typischen Fall einer unterlassenen Veränderungsmitteilung.
Das Sozialgericht (SG) hat – die Beklagte hatte inzwischen dem Kläger mit Bescheid vom 27. Januar 1992 ab September 1990 wieder Kindergeld und den Kindergeldzuschlag für den Sohn M.… gewährt – dem Antrag des Klägers entsprechend die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit darin Kindergeld und der Kindergeldzuschlag für die Zeit von Februar 1990 bis August 1990 versagt und Leistungen in Höhe von DM 864,00 zurückgefordert wurden, und die Beklagte zu entsprechenden Nachzahlungen verurteilt: M.… sei im Zeitraum von Februar bis August 1990 überwiegend vom Kläger unterhalten worden, weil M…'s. Ehefrau nicht leistungsfähig gewesen sei. Die Beklagte habe es zu Unrecht unterlassen, vor Anrechnung der Leistungen nach dem BAföG die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen, die mit DM 200,00 anzusetzen seien, abzuziehen. Bei einem Unterhaltsbedarf von DM 850,00 bleibe somit eine Differenz, die durch überwiegende Unterhaltsleistungen des Klägers ausgeglichen werde.
Auf die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Der Kläger habe im streitigen Zeitraum von Februar bis August 1990 keinen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld und Kindergeldzuschlag für seinen Sohn M.…, weil er ihn nicht überwiegend iS von § 2 Abs 2a BKGG unterhalten habe. Bezüglich des Bescheides vom 27. Januar 1992, durch den Kindergeld und Kindergeldzuschlag ab September 1990 für M.… wiedergewährt worden sei, sei die Berufung bereits deshalb begründet, weil der Kläger durch diesen Bescheid nicht beschwert sei. Im übrigen könne die Frage, ob der Berechtigte überwiegenden Unterhalt iS des § 2 Abs 2a BKGG leiste, erst nach Berücksichtigung sämtlicher für den Unterhaltsbedarf in Betracht kommender Leistungen beantwortet werden. Dazu gehörten bei einem verheirateten Kind auch dessen eigene Einkünfte einschließlich der Leistungen nach dem BAföG. Ausgehend von einem Unterhaltsbedarf für M.… von DM 1.050,-- habe er BAföG-Leistungen von monatlich DM 590,-- erhalten, so daß der Kläger ihn nicht wesentlich unterhalten habe. Die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld und des Kindergeldzuschlages bereits ab Februar 1990 sei gerechtfertigt. Da die Beklagte den Kläger auf die Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen hingewiesen habe, liege ein Verschulden iS des § 60 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) vor.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 2a BKGG. Zu Unrecht würden bei verheirateten Kindern BAföG-Leistungen zu einem Wegfall der Kindergeldbezugsberechtigung führen, wohingegen derartige Leistungen bei unverheirateten Kindern gänzlich unberücksichtigt blieben. Die Auslegung des § 2 Abs 2a BKGG durch das LSG verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 6 Abs 1 GG und mißachte die in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur sog Heiratsklausel aufgestellten Grundsätze (BVerfG NJW 1970, 1675 ff und NJW 1992, 2012). Das Tatbestandsmerkmal “überwiegend unterhalten” könne verfassungskonform nur in der Weise ausgelegt werden, daß im Verhältnis zwischen dem Ehegatten des Kindes und seinen Eltern zu prüfen ist, welcher Unterhaltsbeitrag dieser Personen überwiege. Die gesetzliche Einschränkung des Leistungsbezuges könne nur dann zu einer sachgerechten Differenzierung in den Gruppen der Leistungsbezieher führen, wenn nicht allein die Verheiratung des Kindes, sondern nur die tatsächlich eingetretene wirtschaftliche Veränderung aufgrund der Verheiratung des Kindes einen Einfluß auf die Anspruchsberechtigung für das Kindergeld zur Folge habe. Nach der Interpretation des § 2 Abs 2a BKGG durch das LSG führe allein der Umstand, daß nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen ein vorrangig Unterhaltsverpflichteter hinzu gekommen ist, ohne daß dadurch konkret in den wirtschaftlichen Verhältnissen des bisherigen Unterhaltsverbandes eine Änderung eingetreten ist, zum Wegfall des Kindergeldanspruches. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung der Eltern verheirateter Kinder. Es sei nicht hinnehmbar, daß Sozialleistungen nach dem BAföG, die bei unverheirateten Kindern generell und unabhängig von ihrer Höhe ohne Einfluß auf den Kindergeldanspruch blieben, bei verheirateten Kindern als bedarfsmindernde Einkünfte auch herangezogen werden, wenn der Ehegatte leistungsunfähig sei. Dadurch würde das Gleichheitsgebot und die Grundsätze des Schutzes von Ehe und Familie verletzt. Die Eltern in der Ausbildung befindlicher verheirateter Kinder, deren Ehegatte zur Leistung von Unterhalt nicht im Stande sei, dürften wegen des BAföG-Leistungsbezuges nicht anders behandelt werden, als Eltern unverheirateter BAföG-Leistungsbezieher.
Der Kläger beantragt dem Sinne nach,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Dezember 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 17. März 1992 zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 24. April 1990 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 28. November 1990 wendet.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Dem Kläger habe im streitigen Zeitraum Kindergeld nach § 2 Abs 2a BKGG nicht zugestanden. Denn er habe seinen Sohn nicht überwiegend unterhalten. Der Unterhaltsbegriff sei dem Zivilrecht entlehnt, wo Anknüpfungspunkt der individuelle Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten sei. Der Gesetzgeber sei von der Regel ausgegangen, daß einem verheirateten Kind eigene Mittel zum Lebensunterhalt zur Verfügung stünden. Sei durch diesen Selbstunterhalt und die fehlende Leistungsfähigkeit der Ehefrau der Gesamtbedarf nicht gedeckt, so könne sich das Kriterium der überwiegenden Unterhaltsgewährung nur am Unterhaltsbedarf des Kindes orientieren. Demzufolge sei bei der Prüfung der “überwiegenden Unterhaltsgewährung” nicht das Verhältnis zwischen den Unterhaltsleistungen des Klägers an seinen Sohn und den hypothetischen Unterhaltsleistungen der Ehefrau, sondern die Relation zwischen den geschuldeten Unterhaltsleistungen des Klägers zu dem gesamten Unterhaltsbedarf seines Sohnes maßgebend. Dieser sei in der Lage gewesen, seinen Unterhalt zu mehr als der Hälfte aus eigenen Einkünften zu bestreiten. Im übrigen sei die Verfassungskonformität durch den Beschluß des BVerfG vom 14. Januar 1992 (BVerfG NJW 1992, 2012 ff) ausdrücklich festgestellt worden. Nur der an die Heirat anknüpfende generelle Ausschluß der entsprechenden Leistungen sei als mit dem GG unvereinbar angesehen worden.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die zulässige Revision des Klägers ist iS einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Senats, ob die Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes und des Kindergeldzuschlages für den Sohn des Klägers zu Recht aufgehoben hat, nicht zu.
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung kommt § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X) in Betracht. Danach soll, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse (§§ 60 ff SGB I) vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Ob seit dem Erlaß des Kindergeldbewilligungsbescheides eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, richtet sich nach materiellem Recht. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 19). Wesentliche Änderung war die Heirat des Sohnes M.… am 25. Januar 1990, wenn sie dazu geführt haben sollte, daß dadurch die Anspruchsvoraussetzungen für die Kindergeldgewährung entfallen sind.
Der Kläger erfüllte nach der Heirat seines Sohnes weiterhin die Grundvoraussetzungen für die kindergeldrechtliche Berücksichtigung von M.… gem § 1 Abs 1 Nr 1 und § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG. Denn er hatte seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG. Sein – über 16 aber noch nicht 27 Jahre alter – Sohn befand sich als Student der Elektrotechnik in Berufsausbildung. Nach der zum 1. Januar 1982 durch das 9. Änderungsgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, S 1566) eingefügten Sonderregelung des § 2 Abs 2a BKGG besteht für verheiratete Kinder ein Kindergeldanspruch nur, wenn sie vom Berechtigten überwiegend unterhalten werden, weil ihr Ehegatte keinen ausreichenden Unterhalt leisten kann. Für die Entscheidung, ob die Voraussetzung des § 2 Abs 2a BKGG gegeben waren, ist bei der Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen gem Art 18 Abs 1 Satz 1, Abs 6, 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) idF des am 1. September 1986 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl I, S 1142) bzw Art 4, 10 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl 1986 II, 837) materielles deutsches Recht anzuwenden, weil der Kläger, sein Sohn M.… und dessen Ehefrau zwar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, aber in der Bundesrepublik Deutschland – nachdem sich dort schon ihr Wohnsitz befindet – auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (vgl § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I) haben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlen die Voraussetzungen des § 2 Abs 2a BKGG nicht bereits deshalb, weil der Unterhaltsbedarf von M.… im streitigen Zeitraum überwiegend durch die bezogene Ausbildungsförderung nach dem BAföG gedeckt war. Es ist vielmehr bei der Auslegung nur darauf abzustellen, ob bei dem Vergleich zwischen der tatsächlichen Unterhaltsleistung des bisherigen kindergeldberechtigten Elternteils und der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Ehegatten des Kindes der (Rest-)Unterhaltsbedarf von M.… wegen ungenügender Leistungsfähigkeit seiner Ehefrau überwiegend vom Kläger bestritten wurde.
Die Vordergerichte haben nicht übersehen, daß der erkennende Senat ebenso wie andere Spruchkörper und vielfältige Stimmen in der Literatur zu der hier letztlich streitentscheidenden Frage Stellung genommen haben, wann davon auszugehen ist, daß ein Kindergeldantragsteller bzw -bezieher ein Kind “überwiegend unterhalten” hat. Die Beklagte beruft sich bei der Beantwortung dieser Frage in erster Linie auf die Rechtsprechung des Senats (s dessen Urteile vom 23. Oktober 1984 – 10 RKg 12/82 –, unveröffentlicht; vom 20. Mai 1987 – 12 RKg 12/85 – BSGE 62, 5, 6 f = SozR 1750 § 287 Nr 1; vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 10/86 – SozR 5870 § 3 Nr 6; vom 11. Januar 1989 – 10 RKg 14/87 – BSGE 64, 244 = SozR 5870 § 2 Nr 60).
Diese vier Urteile stützen die Rechtsauffassung der Beklagten allerdings nur dem trügerischen ersten Anschein nach. In Wahrheit ist die Sachverhaltsgestaltung in der hier zu entscheidenden Streitsache gerade bei dem von der Beklagten mit Recht herausgestellten Umstand, daß das verheiratete Kind des Klägers eigene Einkünfte hat, gegenüber den früher entschiedenen Streitigkeiten völlig anders: Den genannten vier Rechtsstreitigkeiten ist gemeinsam, daß eine “überwiegende Unterhaltsleistung” Voraussetzung für die Kindergeldberechtigung war. Dabei war in den beiden zuerst entschiedenen Fällen zwischen den Barleistungen des Großvaters einerseits und den persönlich erbrachten Sachleistungen des Kindesvaters andererseits abzuwägen. In dem im Jahre 1988 entschiedenen Falle standen sich Unterhaltsgewährungen des Vaters und des Stiefvaters gegenüber. Schließlich war am 11. Januar 1989 zwischen dem Unterhalt von seiten des Vaters und seiner (berufstätigen) Schwiegertochter zu unterscheiden. In sämtlichen Entscheidungen hat der Senat betont, daß überwiegenden Unterhalt leistet, wer “mehr als die Hälfte des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes abdeckt”.
Der Senat hat keinen Anlaß, diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall aufzugeben. Dagegen rechtfertigt die hier zu entscheidende Fallgestaltung die Übernahme des wiedergegebenen Rechtssatzes nicht.
Den entschiedenen vier Rechtssachen war gemeinsam, daß das zum Bezug von Kindergeld berechtigende Kind ohne – berücksichtigungsfähige – eigene Einkünfte war. Infolgedessen tauchte die Frage nicht auf, wie derartige Einkünfte bei der Entscheidung zu berücksichtigen sein würden. Es ging “nur” um die Rechtsfrage, welche Bedeutung die Leistungen der beiden anderen Personen in ihrer Wertigkeit zueinander für die Frage des überwiegenden Unterhalts hatten. In den drei zuerst entschiedenen Fällen erhob sich darüber hinaus die hier interessierende Frage überhaupt nicht, ob ggf für ein Kind kein Kindergeld mehr zu zahlen war. Vielmehr ging es ausschließlich um den Vorrang des einen oder anderen unterhaltgewährenden Berechtigten. Bei dieser Abwägung konnte es nur darum gehen, den Anspruch demjenigen zuzusprechen, der “mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs abdeckt”. (Für die Entscheidung der reinen Vorrangsfrage dürfte es im übrigen unerheblich sein, ob das Kind teilweise eigene Mittel hat, vgl auch die Entscheidung des Senats vom 29. Oktober 1992, SozR 3-5870 § 3 Nr 3 S 9, wo lediglich die Unterhaltsleistungen der Mutter und des Vaters gegenübergestellt wurden, ohne die Zuwendungen der Großmutter zu berücksichtigen).
Vorliegend kommt es dagegen darauf an, ob sonstige Einnahmen des Kindes Einfluß auf die Kindergeldberechtigung haben. Denn Unterhalt an ein Kind erbringt ein Berechtigter nur, wenn er zu dessen – gesamten verbleibenden – Unterhaltsbedarf im vom Gesetz vorgesehenen Rahmen beiträgt. Durch diese Regelung des § 2 Abs 2a BKGG ist es vorgegeben, anhand der bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen dreierlei Unterhaltsmittel in die Betrachtung einzubeziehen:
- Eigene Mittel des Kindes,
- Unterhaltsleistungen des vorrangig verpflichteten Ehegatten und
- Unterhalt von Seiten des – bisher – Kindergeldberechtigten.
Eine derartige Sachverhalts- und Rechtsgestaltung erfaßt der in den Urteilen des Senats aufgestellte Rechtssatz naturgemäß nicht ohne weiteres. Diese Frage ist vielmehr aufgrund des Zweckes und der Geschichte der Norm des § 2 Abs 2a BKGG zu ermitteln. Dabei ergibt sich folgendes:
Die frühere – absolute – Heiratsklausel des § 2 Abs 2 Satz 1 BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I 265) hat das BVerfG als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG unvereinbar erklärt (Beschluß vom 14. Juli 1970, BVerfGE 25, 71). Dabei ging es – ebenso wie bei der entsprechenden Regelung für die Waisenrente aus der Rentenversicherung (BVerfG vom 27. Mai 1970, BVerfGE 28, 324, 347) – davon aus, daß die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden könne: “Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben: Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und somit als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein.” Entsprechend hat es das BVerfG in der damaligen Entscheidung zum BKGG als “nicht sachgerecht” erachtet, “die Heirat des Kindes auch dann zum Anlaß einer Schlechterstellung des Kindergeld-Berechtigten zu nehmen, wenn dieses Ergebnis an dessen wirtschaftlicher Belastung nichts ändert” (BVerfGE 29, 71, 79). Dies gelte selbst dann, wenn das Kind mit der Heirat aus der häuslichen Gemeinschaft mit den Eltern ausscheide und damit eine bis dahin etwa noch andauernde persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern entfalle (BVerfGE aaO 79 f).
Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat der Gesetzgeber dann über 10 Jahre später die jetzige differenzierte Verheirateten-Klausel des § 2 Abs 2a BKGG eingeführt. Nach den Materialien (BT-Drucks 9/842 S 54) hatten “sich die Fälle gehäuft, in denen – inbesondere in Ausbildung stehende – volljährige Kinder bereits verheiratet sind und ganz oder überwiegend von ihren Ehegatten unterhalten werden können, so daß sie nicht mehr oder nicht mehr in einem die Zahlung von Kindergeld rechtfertigenden Umfang von ihren Eltern unterhalten zu werden brauchen. Diese Fälle sollen künftig kindergeldrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden. Das Kriterium, nach dem die Berücksichtigung entfällt, wenn die Eltern das Kind nicht mehr überwiegend zu unterhalten brauchen, ist in einem stark typisierenden Leistungssystem angemessen. Es verhindert, daß Eltern, die nur noch in verhältnismäßig geringem Umfang Unterhalt für ihr verheiratetes Kind leisten, dafür Kindergeld erhalten.”
Nach den Materialien soll der Kindergeldanspruch des Berechtigten bei Verheiratung eines Kindes also dann entfallen, wenn infolge der Unterhaltsleistungen seines Ehegatten eine wirtschaftliche Entlastung eintritt. Diese Zielrichtung des Gesetzgebers kann auch dem Gesetzeswortlaut entnommen werden. Denn § 2 Abs 2a, 2. Halbs BKGG (“weil ihr Ehegatte …”) setzt für den Kindergeldanspruch voraus, daß der Kindergeldberechtigte wegen der unzureichenden Unterhaltsfähigkeit des “Schwieger-Kindes” das Kind weiterhin überwiegend unterhält. Der hiernach erforderlichen kausalen Verknüpfung des vom Kindergeldberechtigten auch nach der Verheiratung geleisteten Unterhalts einerseits mit der Unterhaltsfähigkeit des Schwieger-Kindes auf der anderen Seite wird nur eine Auslegung gerecht, welche den Unterhaltsbeitrag des Kindergeldberechtigten mit der neu entstandenen Unterhaltsverpflichtung des Schwieger-Kindes vergleicht. Geben dagegen eigene Einkünfte des Kindes den Ausschlag, obwohl diese vor der Verheiratung in derselben Weise vorhanden und anspruchsunschädlich waren, so wird genau das vom BVerfG (aaO) mißbilligte Ergebnis erzielt, daß nämlich die Verheiratung im Ergebnis einen wirtschaftlichen Nachteil für den Kindergeldberechtigten mit sich bringt.
Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung auch nicht auf den Kammerbeschluß des BVerfG vom 14. Januar 1992 (SozR 3-5870 § 2 Nr 18) berufen. In dem hierzu gebildeten Orientierungssatz heißt es zwar – mißverständlich –: “Es ist nicht verfassungswidrig, daß Nebeneinkünfte des Kindes zum Wegfall des Kindergeldes führen können, wenn das Kind verheiratet ist, während sie beim unverheirateten Kind für den Anspruch unerheblich sind.” Das BVerfG hatte jedoch über einen Fall zu entscheiden, in dem der Unterhaltsbedarf des Kindes von DM 765,--/Monat in Höhe von mindestens DM 165,--/Monat durch eigenes Einkommen des Kindes gedeckt war und die vorrangig unterhaltspflichtige Ehefrau aufgrund ihres Einkommens den Restunterhalt von DM 600,--/Monat mindestens zur Hälfte tragen mußte. Durch die Heirat des Sohnes war daher die Unterhaltspflicht des Kindergeldberechtigten ganz erheblich um mindestens die Hälfte (von DM 600,--/Monat auf höchstens DM 300,-- /Monat) herabgesetzt worden.
Hierzu führt die zitierte Kammer-Entscheidung ausdrücklich aus: “Auf dieser Grundlage begegnet aber auch § 2 Abs 2a BKGG in der Auslegung der angegriffenen Entscheidungen, in denen bei der Bemessung des Unterhalts die Nebeneinkünfte des Kindes berücksichtigt worden sind, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu einem Wegfall der Kindergeldberechtigung kann es danach nur kommen, wenn der vorrangig unterhaltsverpflichtete Ehegatte des Kindes soweit leistungsfähig ist, daß er von dem Unterhaltsbedarf, der nach Anrechnung der (Neben-)Einkünfte des Kindes verbleibt, zumindest die Hälfte tragen kann. Der (potentiell) Kindergeldberechtigte wird dadurch im Ergebnis wesentlich stärker finanziell entlastet, als er es bei einem unverheirateten Kind mit Nebeneinkünften in der im Regelfall zu erwarteten Höhe wäre” (Hervorhebung nur hier).
Ist aber, wie aufgezeigt, für die Feststellung, wer den überwiegenden Unterhalt im Sinne des § 2 Abs 2a BKGG leistet bzw leisten muß, nur auf den Vergleich zwischen den Kindergeldberechtigten, also typischerweise einem Elternteil, und dem Ehegatten des Kindes (dem “Schwieger-Kind”) abzustellen, so ist einerseits die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit (nicht der tatsächlichen Leistung, da Abs 2a auf das “Unterhalt-leisten-können” abstellt) des Schwiegerkindes der tatsächlichen Unterhaltsleistung des Elternteils andererseits gegenüberzustellen. Hierbei ist zu beachten, daß – auch im Rahmen des § 2 Abs 2a BKGG – ein Kind nur insoweit “unterhalten” wird, als die ihm erbrachten Bar- oder Sachleistungen seinen angemessenen Lebensbedarf (§ 1610 Abs 1 und 2 BGB) decken. Darüber hinausgehende Zuwendungen sind Vergünstigungen anderer Art (BSG vom 29. Oktober 1992, SozR 3-5870 § 3 Nr 3 S 9 unter Bezug auf BSG vom 17. Mai 1988, SozR 5870 § 3 Nr 6).
Zur Ermittlung der Unterhaltspflicht des Schwiegerkindes ist die Regelung des § 1608 BGB über die Rangfolge der Unterhaltspflichten zwischen dem Ehegatten und den Verwandten des Unterhaltsbedürftigen heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift haftet der Ehegatte des Bedürftigen vor dessen Verwandten. Dies gilt auch dann, wenn der nach ihrer Lebensstellung geschuldete Unterhalt der Eltern den vom Ehegatten nach den (neuen) ehelichen Verhältnissen zu leistenden Unterhalt überstiege. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts Leistungen zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. Damit bleiben die Eltern einem verheirateten Kind nur dann unterhaltspflichtig, wenn der Ehegatte nicht leistungsfähig ist (BGH vom 30. Januar 1964, BGHZ 41, 104, 113). Zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Ehegatten ist von dessen Einkommen der angemessene Selbstbehalt abzuziehen: Ein Ehegatte schuldet dem anderen bei Vorhandensein leistungsfähiger Verwandter nur dann Unterhalt, wenn die Grenze des Selbsterhalts überschritten wird (OLG Köln vom 8. Juni 1989, FamRZ 1990, 54; OLG Frankfurt/Main vom 5. Juni 1984, FamRZ 1985, 704; so auch der Senat im Urteil vom 11. Januar 1989, BSGE 64, 244, 247 = SozR 5870 § 2 Nr 60).
Demgegenüber sei zur Klarstellung auf folgendes hingewiesen: Im Regelungszusammenhang des § 2 Abs 2a BKGG ist unerheblich, daß sich die Eheleute untereinander – im Innenverhältnis – jedenfalls bei Zusammenleben nicht auf einen Selbstbehalt berufen dürfen (vgl auch BVerfG vom 10. Januar 1984, BVerfGE 66, 84, 99). Im Innenverhältnis gilt folgendes: Hier gibt es nur einen dem Wesen der Ehe entsprechenden gemeinsamen Lebensbedarf der Ehegatten (§ 1360 Satz 1, § 1360a Abs 1 und 2 BGB), zu dem beide ohne Vorrang der Selbsterhaltung beizusteuern haben. Lediglich bei Getrenntleben bleibt dem Verpflichteten aus Praktikabilitätsgründen das Existenzminimum für sich allein, denn anderenfalls müßten sowohl Verpflichteter als auch Berechtigter auf (ergänzende) Sozialhilfe verwiesen werden (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl 1989, RdNr 37). Grundsätzlich jedoch hat jeder Ehegatte alle seine verfügbaren Mittel zum gemeinsamen Unterhalt zu verwenden (so auch § 1603 Abs 2 Satz 1 BGB für eine Familie mit Kindern).
Im Rahmen des § 2 Abs 2a BKGG ist jedoch allein erheblich, inwieweit der (Rest-)Unterhaltsbedarf des Sohnes des Klägers im Verhältnis zu diesem von seiner Ehefrau zu decken war; hieraus wiederum ergibt sich, ob und inwieweit die vom Kläger erbrachten Zuwendungen seinen Sohn “unterhalten” haben. Darauf aber haben die innerehelichen Unterhaltspflichten keinen Einfluß.
Denn auf der einen Seite führt die Heirat des Kindes rechtlich zu keiner erweiterten Unterhaltspflicht der Eltern: Nach § 1610 Abs 2 BGB erfaßt der zu gewährende angemessene Unterhalt (§ 1610 Abs 1 BGB) lediglich den Lebensbedarf des Bedürftigen, nicht aber die von diesem zu erfüllenden Unterhaltspflichten. Von anderer Seite gegen den Empfänger gerichtete Unterhaltsforderungen erhöhen seinen Bedarf nicht. Anderenfalls entstünde – mittelbar – eine Unterhaltspflicht über den gesetzlichen Rahmen (§ 1601 BGB: Verwandte in gerader Linie/§ 1360, § 1361 BGB: Ehegatten/§ 1369 BGB: geschiedene Ehegatten) hinaus (so auch BGH vom 6. Dezember 1984, BGHZ 93, 123, 130 f mwN). Dem entspricht auf der anderen Seite, daß Unterhaltsleistungen seines Ehegatten den Bedarf des Kindes nicht mindern, solange der angemessene Unterhalt des Ehegatten nicht durch dessen Eigenmittel gedeckt ist. Denn die unterhaltspflichtigen Eltern eines Ehegatten sollen nicht allein durch dessen Heirat von ihren Unterhaltspflichten – teilweise – entlastet werden, wenn das Einkommen der jungen Eheleute nicht zu einem angemessenen Unterhalt für beide reicht. Eben dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 1608 BGB, die wiederum der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG entspricht. Denn sonst würde sich im aufgezeigten Zusammenhang ein unterhaltsberechtigtes Kind allein durch seine Heirat schlechter stellen.
Der “angemessene Unterhalt”, (Legaldefinition: § 1610 Abs 1 BGB), der nach § 1608 Satz 2 BGB dem an sich unterhaltspflichtigen Ehegatten im Verhältnis zu seinen Schwiegereltern zu verbleiben hat, entspricht zum einen demjenigen Betrag, den dieser seinerseits gegenüber ihm Unterhaltspflichtigen geltend machen kann (§ 1610 Abs 1 und 2 BGB) und zum anderen dem sogenannten “großen Selbstbehalt”, den ein Unterhaltspflichtiger seinen volljährigen Kindern oder sonstigen Unterhaltsberechtigten entgegenhalten kann (§ 1603 Abs 1 BGB).
Nach § 1610 Abs 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der Unterhalt umfaßt gem § 1610 Abs 2 BGB den gesamten Lebensbedarf. Zuwendungen, die über die den gesamten Lebensbedarf deckenden Leistungen hinausgehen, stellen keinen Unterhalt dar (BSG SozR 3-5870 § 3 Nr 3). Demzufolge sind Bar- oder Sachleistungen kein Unterhalt mehr, wenn sie diese Grenze überschreiten. Sie sind Vergünstigungen anderer Art. Für die Entscheidung, ob der Kläger seinem Sohn M.… in der streitigen Zeit Unterhalt gewährt hat, ist zunächst dessen Unterhaltsbedarf nach den konkreten Lebensverhältnissen des Kindes festzustellen. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs kann auf die Erfahrungswerte zurückgegriffen werden, wie sie in Bedarfstabellen oder Unterhaltsrichtlinien, wie der Düsseldorfer Tabelle (FamRZ 1988, 911 ff; 1992, 398 ff), ausgewiesen werden (BSG SozR 5870 § 2 Nr 60). Dabei sind jedoch von der Norm abweichende Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Nach § 1602 BGB ist unterhaltsberechtigt jedoch nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit als Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs sind daher eigene Einnahmen des Kindes grundsätzlich anzurechnen, weil sie seine Bedürftigkeit verringern. Daher ist die von M.… im streitigen Zeitraum bezogene Ausbildungsförderung nach dem BAföG bedarfsmindernd zu berücksichtigen, selbst wenn sie darlehnsweise gewährt wurde (BGH NJW 1985, 2331; Palandt-Diederichsen, 53. Aufl 1994, BGB, § 1602 Anm RdNr 9).
Bezüglich des Unterhaltsbedarfs des Sohnes des Klägers im streitigen Zeitraum enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht geht zwar zunächst von dem in der Düsseldorfer Tabelle (FamRZ 1988, 911) für einen nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnenden Studierenden ausgewiesenen Unterhaltsbedarf von monatlich DM 850,-- aus. Es läßt es dann aber auf sich beruhen, ob etwa bei M.… ein geringerer Betrag zugrunde zu legen wäre, weil er bei seinen Eltern wohnte. Das Berufungsgericht läßt ferner unentschieden, ob der Unterhaltsbedarf von M.… wegen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von DM 200,-- zu erhöhen ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat aber, wie ausgeführt, den Unterhaltsbedarf des Sohnes M.… im streitigen Zeitraum zu ermitteln.
Bezüglich der Unterhaltspflicht der Ehefrau von M.… enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen. Das LSG hat nur festgestellt, daß sie keinerlei Einkünfte hatte. Diese Feststellung beruht auf einer unzutreffenden Gesetzesanwendung. Ungeklärt ist zum einen, ob M.…'s Ehefrau über Einkünfte in Form von Sachleistungen verfügte. Denn Leistungen des Klägers an die jungen Eheleute in Form von Unterkunft und Verpflegung könnten Gegenleistungen für eine Beteiligung der Schwiegertochter an der Haushaltsführung sein. Hinzu kommt, daß ungeklärt ist, ob der Schwiegertochter des Klägers fiktive Erwerbseinkünfte infolge der Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit (BGH NJW 1987, 1549 ff; FamRZ 1990, 979 ff; Staudinger-Kappe, BGB, 12. Aufl 1992, § 1608 Anm Rz 15), jedenfalls bis zum Beginn des Mutterschutzes gem § 3 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), zuzurechnen sind.
Das LSG wird daher den (verbleibenden) Unterhaltsbedarf des M.… festzustellen und zu prüfen haben, inwieweit die Schwiegertochter des Klägers Unterhalt durch Haushaltsleistungen (im Gesamthaushalt) erbrachte bzw einem Erwerb nachzugehen verpflichtet war.
Danach wird das Berufungsgericht zu entscheiden haben, ob überhaupt vom Kläger gewährter (Rest-)Unterhalt vorlag und ob dieser den von seiner Schwiegertochter zu leistenden Unterhalt überwogen hat.
Unberücksichtigt kann bleiben, ob und inwieweit der Kläger als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit selbst mit seinem eigenen Einkommen unterhalb des von ihm gegenüber seinem Sohn zustehenden eigenen “großen Selbstbehalts” lag. Denn nach Auffassung des Senats “unterhalten” iS des § 2 Abs 2a BKGG kindergeldberechtigte Eltern ihre Kinder auch dann, wenn sie ihnen Zahlungen bis zur Deckung von deren Unterhaltsbedarf leisten, auch ohne daß sie – mit Rücksicht auf ihren eigenen Selbstbehalt – zur Leistung verpflichtet wären.
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE, 131 |
IPRspr. 1994, 92 |