Leitsatz (amtlich)
Ein nach RVO § 165 Abs 1 Nr 3 oder 4 gegen Krankheit versicherter Rentner hat auch dann keinen Anspruch auf Krankengeld, wenn er innerhalb von drei Wochen nach Beendigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitsunfähig erkrankt; RVO § 214 Abs 1 findet auf ihn keine Anwendung.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-07-27, Nr. 4 Fassung: 1957-07-27, § 182 Fassung: 1957-06-26, § 214 Abs. 1 Fassung: 1930-07-26
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Mai 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Parteien streiten darüber, ob J... U..., der frühere Kläger, der während des Revisionsverfahrens gestorben ist, gegenüber der beklagten Ortskrankenkasse einen Anspruch auf Krankengeld hatte. Der im Jahre 1893 geborene J... U... (U.) bezog seit dem Jahre 1944 Invalidenrente und war als Rentner vom 12. August 1957 an in einem Baugeschäft als Hilfsarbeiter beschäftigt. Er wurde am 16. Dezember 1957 wegen Arbeitsmangels entlassen und am nächsten Tage von dem praktischen Arzt Dr. E... wegen Bluthochdrucks und muskulöser Herzinsuffizienz vom 17. Dezember 1957 an für arbeitsunfähig krank erklärt. Die beklagte Kasse lehnte durch Bescheid vom 5. Februar 1958 die Gewährung von Krankengeld ab, weil der frühere Kläger bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und als pflichtversicherter Rentner (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) keine Barleistungen verlangen könne.
Nach erfolglosem Widerspruch erhob U. Klage beim Sozialgericht (SG München mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 17. Dezember 1957 bis zum 14. März 1958 zu gewähren. Das SG wies die Klage durch Urteil vom 9. September 1958 ab und ließ die Berufung zu. Die Berufung wurde durch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 6. Mai 1959 zurückgewiesen: U. habe keinen Anspruch auf Krankengeld, weil er im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit bei der beklagten Kasse nicht mehr auf Grund eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Rentner für den Fall der Krankheit versichert gewesen sei. Er sei erst am Tage nach seiner Entlassung arbeitsunfähig erkrankt und habe als pflichtversicherter Rentner nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 letzter Satz RVO keinen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch könne auch nicht auf § 214 Abs. 1 RVO gestützt werden, denn U. sei, obwohl er am 16. Dezember 1957 erwerbslos geworden sei, nicht aus der Kasse ausgeschieden; an seine Versicherung auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung habe sich ohne Unterbrechung der Mitgliedschaft die Pflichtversicherung wegen Bezuges der Invalidenrente angeschlossen. § 214 RVO könne auch nicht entsprechend angewandt werden, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, die nur bei Beendigung der Kassenmitgliedschaft wegen Erwerbslosigkeit Platz greife, nicht aber in Fällen, in denen die Krankenhilfe trotz Erwerbslosigkeit anderweitig sichergestellt sei. Die Revision wurde zugelassen.
U. hat gegen dieses Urteil frist- und formgerecht Revision eingelegt mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung des Krankengeldes für die Zeit vom 17. Dezember 1957 bis zum 14. März 1958 zu verurteilen. Nach dem Tode des U. haben seine gesetzlichen Erben, nämlich seine Ehefrau und seine Tochter, das Verfahren aufgenommen (§ 68 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung).
Die Klägerinnen machen zur Begründung der Revision geltend, das LSG habe § 214 Abs. 1 RVO nicht richtig angewandt. Selbst wenn diese Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar sei, so sei doch eine entsprechende Anwendung geboten. § 214 Abs. 3 RVO, wonach der Anspruch auf die Regelleistungen der Kasse entfällt, sobald der Erwerbslose auf Grund des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) gegen Krankheit versichert ist oder wenn er sich im Ausland aufhält und die Satzung nichts anderes bestimmt, stehe der Annahme entgegen, daß der Anspruch nach § 214 Abs. 1 RVO auch dann entfalle, wenn trotz Erwerbslosigkeit die Krankenhilfe - ohne Anspruch auf Krankengeld - anderweitig sichergestellt sei.
Die beklagte Krankenkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Der im Jahre 1893 geborene frühere Kläger, dessen Invalidenrente nach Art. 2 §§ 31 ff des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 1. Januar 1957 an umzustellen war und als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1253 Abs. 2 RVO nF galt (Art. 2 § 38 ArVNG), war zunächst nach den Bestimmungen der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941 (RGBl I 689) gegen Krankheit versichert. Auf Grund des Gesetzes über Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) war er vom 1. August 1956 an bei der beklagten Ortskrankenkasse für den Fall der Krankheit versichert (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO idF des KVdR). Diese Versicherung setzte voraus, daß er nicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RVO oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert war (§ 165 Abs. 6 RVO). Mit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses als Bauhilfsarbeiter (12. August 1957) gehörte U. dem nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO pflichtversicherten Personenkreis an. Damit entfiel die gesetzliche Voraussetzung für die Versicherung als Rentenbezieher nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO. Diese Versicherung trat jedoch mit der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wieder in Kraft, weil nunmehr der der Rentnerversicherung nach § 165 Abs. 6 RVO entgegenstehende Umstand nicht mehr vorlag. Der Versicherungsschutz auf Grund der Krankenversicherung der Rentner lebte also mit der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wieder auf, ohne daß eine Unterbrechung der gesetzlichen Krankenversicherung eingetreten wäre (ebenso Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Februar 1961, S. 455).
Nach den von der Revision nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist U. erst am Tage nach der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Der Versicherungsfall trat also in einem Zeitpunkt ein, als U. der beklagten Kasse nicht mehr als Versicherter nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO angehörte. Da aber mit der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Versicherungsschutz auf Grund der Krankenversicherung der Rentner wiederauflebte, sind, wie das LSG mit Recht angenommen hat, die Voraussetzungen des § 214 Abs. 1 RVO nicht gegeben. Diese Vorschrift stellt insofern eine Ausnahmeregelung dar, als sie den Versicherungsschutz von der Mitgliedschaft bei der Krankenkasse löst. Sie hat den Zweck, einem wegen Erwerbslosigkeit aus der Kasse ausgeschiedenen Versicherten als Nachwirkung des Versicherungsverhältnisses für Versicherungsfälle, die während drei Wochen nach dem Ausscheiden eintreten, beitragsfrei Versicherungsschutz zu gewähren, der ihm ohne die Schutzvorschrift des § 214 Abs. 1 RVO fehlen würde. Schließt sich aber nach Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an die Pflichtversicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO die Rentnerkrankenversicherung lückenlos an, so besteht auch nach dem Ausscheiden Versicherungsschutz, und es fehlt daher der gesetzgeberische Grund für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 214 Abs. 1 RVO. Für diese Auffassung spricht auch § 214 Abs. 3 RVO, wonach der Anspruch nach § 214 Abs. 1 RVO entfällt, sobald der Erwerbslose auf Grund des AVAVG gegen Krankheit, versichert ist (ebenso Brackmann aaO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil II § 214 RVO Anm. 3; vgl. auch RVA GE Nr. 5554, AN 1944, 83). Erkrankt also ein Rentner innerhalb von drei Wochen nach dem Ausscheiden aus einer Beschäftigung, so genießt er - entsprechend der Regelung für Arbeitslose - den Krankenversicherungsschutz, der ihm nach der gesetzlichen Ordnung als Rentner zusteht. Daher können ihm nach dem Grundgedanken des § 214 Abs. 1 RVO, eine Lücke im Versicherungsschutz zu schließen, weitergehende Ansprüche (auf Krankengeld) nicht zustehen. Da U. bei Eintritt des Versicherungsfalles der beklagten Kasse als Rentner angehörte, standen ihm somit die Leistungen der Kasse nur im gleichen Umfange wie den übrigen versicherten Rentnern zu; als Rentner hatte er aber keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 letzter Satz RVO).
Die Revision ist somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen