Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch. Verletztengeld Wiedererkrankung. zweckidentische Leistung. Anspruch auf Übergangsgeld während Rehabilitationsmaßnahmen beim Zusammentreffen mit Rente
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches des Unfallversicherungsträgers gegen einen Rentenversicherungsträger wegen Verletztengeld, das der Unfallversicherungsträger dem Verletzten wegen Wiedererkrankung an Unfallfolgen für eine Zeit gezahlt hat, während der der Verletzte nach späterer Feststellung des Rentenversicherungsträgers bereits erwerbsunfähig iS des § 1247 Abs 2 RVO war (Weiterentwicklung von BSG vom 26.6.1973 8/2 RU 112/70 = BSGE 36, 62 = SozR Nr 5 zu § 562 RVO).
Orientierungssatz
1. Das zeitliche Zusammenfallen von Verletztengeldzahlungen wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit nach Wiedererkrankung mit einer rückwirkend festgestellten Erwerbsunfähigkeit bildet einen Anwendungsfall des § 103 SGB 10.
2. Während einer Maßnahme zur Rehabilitation hat auch vor dem 1.1.81 neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit bestanden (§ 1241d Abs 2 S 1 RVO, § 18d Abs 2 S 1 AVG).
Normenkette
RVO § 562 Abs 2 S 1; SGB 10 § 103 Abs 1; RVO § 1247 Abs 2, § 1241d Abs 2 S 1; AVG § 18d Abs 2 S 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die beteiligten Versicherungsträger streiten um die Erstattung von Verletztengeld, das dem Versicherten während seiner rückwirkend festgestellten Erwerbsunfähigkeit (EU) gezahlt wurde.
Der beigeladene Versicherte hatte am 12. Dezember 1978 einen Arbeitsunfall erlitten und war danach bis zum 21. April 1979 arbeitsunfähig krank. Er beantragte am 12. Juli 1979 bei der beklagten Landesversicherungsanstalt die Gewährung von EU-Rente und meldete sein selbständig betriebenes Gewerbe zum 1. September 1979 behördlich ab. Aufgrund seiner Wiedererkrankung bezog der Beigeladene ab 8. August 1979 von der klagenden Berufsgenossenschaft Verletztengeld. Mit Schreiben vom 17. Januar 1980 meldete die Klägerin bei der Beklagten für den Fall der Anerkennung von Erwerbsunfähigkeit einen Erstattungsanspruch an und bezeichnete in einem weiteren Schreiben an den Beigeladenen vom 8. August 1980 ihre Zahlungen als Vorschuß auf die zu erwartende EU-Rente. Die Beklagte stellte am 27. Oktober 1980 die Erwerbsunfähigkeit des Beigeladenen ab dem 12. Dezember 1978 fest und teilte ihre Entscheidung der Klägerin mit, woraufhin diese die Zahlung des Verletztengeldes am 4. November 1980 einstellte und von der Beklagten die Erstattung der vom 8. August 1979 bis 4. November 1980 gezahlten Verletztengeld-Beträge forderte. Die Beklagte wies das Erstattungsbegehren der Klägerin zurück und bewilligte dem Beigeladenen durch Bescheid vom 24. Januar 1981 EU-Rente ab 5. November 1980. Durch Bescheid vom 29. Juli 1981 gewährte die Klägerin dem Beigeladenen rückwirkend ab 22. April 1979 Verletztenrente.
Das Sozialgericht (SG) Mainz hat die Beklagte zur teilweisen Erstattung des Verletztengeldes verurteilt (Urteil vom 14. Februar 1985). Der Erstattungsanspruch ist nach Auffassung des SG ab 29. September 1979 gegeben. Der selbständig erwerbstätig gewesene Beigeladene habe zu diesem Zeitpunkt sein Gewerbe abgemeldet und damit einen Anspruch auf EU-Rente erworben.
Die Berufung der Beklagten beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hatte keinen Erfolg (Urteil vom 8. Oktober 1986). Das Gericht hat die Erstattungspflichtigkeit der Beklagten bestätigt und als Beginn den 1. Oktober 1979 festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beigeladene durch behördliche Abmeldung seines Gewerbes seine selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben, so daß die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit seitdem erfüllt gewesen seien. Zur weiteren Begründung hat das Gericht ua ausgeführt: Anspruchsgrundlage sei § 103 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X); denn die Leistungsverpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Verletztengeld sei aufgrund der rückwirkend festgestellten Erwerbsunfähigkeit des Beigeladenen nachträglich entfallen. Zuständigkeit und materiell-rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von EU-Rente seien ausreichend und ab dem genannten Datum auch gegeben. Der bescheidmäßigen Feststellung einer EU-Rente habe es nicht bedurft. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß gemäß § 1241d Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) neben einem Anspruch auf Verletztengeld ein Anspruch auf EU-Rente nicht bestehe; denn dem Beigeladenen sei - rückwirkend - Verletztenrente bewilligt worden.
Die Beklagte hat die zugelassene Revision eingelegt; sie rügt darin ua die Verletzung der §§ 44, 45 SGB X. Das LSG gehe zu Unrecht von einem Anspruch des Beigeladenen auf EU-Rente ab 1. Oktober 1979 aus; denn der Bewilligungsbescheid, mit dem sie den Rentenbeginn auf den 5. November 1980 festgesetzt habe, sei bindend geworden und - ungeachtet seiner evtl Rechtswidrigkeit - nicht rücknehmbar. Insbesondere könne die rückwirkende Bewilligung von Verletztenrente durch die Klägerin den für den Beginn der EU-Rente maßgeblichen Ausschlußgrund des § 1241d Abs 2 RVO nicht beseitigen, ohne in die Bestandskraft des EU-Rentenbescheides einzugreifen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Oktober 1986 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14. Februar 1985 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die unkoordinierte rückwirkende Bescheiderteilung beider Versicherungsträger mache die gesetzliche Regelung des § 562 Abs 2 RVO nicht gegenstandslos; vielmehr habe gerade in solchen Fällen eine Rückabwicklung zu erfolgen. § 103 SGB X sei anzuwenden, da sie - die Klägerin - ab 8. August 1979 Verletztengeld wegen Wiedererkrankung an Unfallfolgen gezahlt habe. Der diesbezügliche Anspruch des Beigeladenen sei mit dem 1. Oktober 1979 entfallen, da ab diesem Zeitpunkt die Beklagte der für die entsprechende Leistung, nämlich für EU-Rente, zuständige Leistungsträger gewesen sei. Die Klägerin bemängelt zudem, daß die Beklagte dem Zusammenarbeitsgebot zuwider weder das Leistungsverfahrens des Beigeladenen beschleunigt, noch ihre Entscheidung überprüft und wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit korrigiert habe. Aufgrund ihres Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung könne sie sich auf die Bestandskraft ihres Verwaltungsaktes gegenüber dem Beigeladenen nicht berufen.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat die Beklagte zutreffend zur Erstattung desjenigen Geldbetrages verurteilt, den die Klägerin ab 1. Oktober 1979 als Übergangsgeld an den Beigeladenen geleistet hat.
Die Klägerin macht ein Erstattungsbegehren geltend. Die Gesetzesgrundlagen für Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander sind in den §§ 102 ff SGB X normiert. Dieses am 1. Juli 1983 in Kraft getretene Erstattungsrecht ist aufgrund der Übergangsvorschrift des Art 2 § 21 SGB X vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450) auch auf bereits begonnene Verfahren anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG(BSGE 54, 223, 226; 58, 128, 130; BSG USK 8607) betrifft dies alle vor dem 1. Juli 1983 erhobenen Erstattungsansprüche von Leistungsträgern untereinander, welche noch nach dem 30. Juni 1983 Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind. Diese Regelung erfaßt auch den hier zu entscheidenden Streitfall.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 103 Abs 1 SGB X. Die Vorschrift bestimmt für den Fall, daß ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich entfallen ist, den für die entsprechende Leistung zuständigen Träger als erstattungspflichtig. Das zeitliche Zusammenfallen von Verletztengeldzahlungen wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit nach Wiedererkrankung mit einer rückwirkend festgestellten Erwerbsunfähigkeit bildet einen Anwendungsfall des § 103 SGB X (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 562u und 966e; Hauck/Haines, SGB X/3, § 103 Rz 36; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 420 S 4; VDR, Verbandskommentar, SGB X, § 103 Anm 6.4; aA Schroeder-Printzen/Engelmann, SGB X, § 103 Anm 2.6). Das ergibt sich in erster Linie aus der gesetzessystematischen Stellung von § 562 Abs 2 Satz 1 RVO im Verhältnis zu § 183 Abs 3 Satz 1 RVO. Die Vorschriften betreffen einerseits Verletztengeld (vorübergehend als Übergangsgeld bezeichnet) und andererseits Krankengeld und regeln somit den Wegfall zweier wesentlich zweckidentischer Leistungen (BSGE 35, 65, 66). In den Gesetzesmaterialien zu § 103 SGB X (amtl. Begründung zum Entwurf eines SGB X, BT-Drucks 9/95 S 24) und in der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 1300 § 103 Nr 5) wird § 183 Abs 3 Satz 1 RVO als Tatbestand nachträglichen Entfallens iS von § 103 SGB X angesehen. § 562 Abs 2 Satz 1 RVO stellt eine insofern vergleichbare "Wegfallbestimmung" (BSG SozR aaO) dar, als der Wille des Gesetzgebers, Doppelleistungen auszuschließen, in beiden Fällen gleich gerichtet ist (BSGE 36, 62, 65). Unter der Herrschaft alten Rechts hatte aus diesem Grunde das BSG die analoge Anwendbarkeit von § 183 Abs 3 Satz 2 RVO aF auf die Fallkonstellation des § 562 Abs 2 RVO entschieden (BSGE aaO). An die Stelle dieser alten Regelung ist nunmehr § 103 SGB X getreten (amtl. Begründung zum Entwurf eines SGB X aa0 S 30), so daß die Anwendbarkeit dieser Erstattungsvorschrift auch aus ihrem rechtshistorischen Entwicklungszusammenhang heraus begründet ist. Andere Erstattungsgrundlagen sind nach ihren gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Die Klägerin hat insbesondere nicht als unzuständiger Leistungsträger iS des § 105 SGB X geleistet, wie noch auszuführen sein wird. Sodann hat die Klägerin auch nicht vorläufige Leistungen iS des § 102 SGB X erbracht; denn sie hat nicht in Kenntnis ihrer Unzuständigkeit geleistet (BSGE 58, 119, 120). Schließlich durfte die Klägerin entgegen ihrer ursprünglichen Meinung Vorschüsse auf EU-Rente schon deshalb nicht zahlen, weil sie nicht der für EU-Rente zuständige Leistungsträger ist (s § 42 SGB I).
Die Klägerin hat die Sozialleistungen rechtmäßig erbracht, wie dies in § 103 SGB X - unausgesprochen - vorausgesetzt ist (Brackmann aaO S. 966 f). Sie war gemäß § 562 Abs 2 Satz 1 iVm §§ 560, 561 RVO zur Zahlung von Verletztengeld (damals vorübergehend als Übergangsgeld bezeichnet) an den Beigeladenen verpflichtet. Der Beigeladene war nach den unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst bis zum 21. April 1979 arbeitsunfähig, erhielt vom Folgetag an - rückwirkend - Verletztenrente und war dann ab 8. August 1979 an den Folgen des erlittenen Arbeitsunfalls arbeitsunfähig wiedererkrankt. Seine Erwerbsunfähigkeit stand anfänglich auch nicht fest, was den Verletztengeldanspruch gemäß § 562 Abs 2 Satz 1 RVO ausgeschlossen und die Unzuständigkeit der Klägerin begründet hätte. Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin zur Gewährung von Verletztengeld nach Wiedererkrankung verpflichtet war, da und solange Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt war. Die Verletztengeldzahlungen waren nicht rechtswidrig, weil die Klägerin die Erwerbsunfähigkeit nicht früher - und das heißt: auch nicht schneller als die Beklagte - festgestellt hat. Aus § 562 Abs 2 RVO ergibt sich nichts Gegenteiliges. Auch der Gesetzgeber selbst hat schon im Gesetzgebungsverfahren die Auffassung vertreten, die Prüfung der Erwerbsunfähigkeit müsse nicht in allen Fällen durch den Unfallversicherungsträger erfolgen (Ausschußbericht zum Entwurf eines UVNG, BT-Drucks IV/938 -neu-, S 9). Im Interesse einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (s § 2 Abs 2 SGB I), hier verstanden als Nahtlosigkeit einander ausschließender Sozialleistungen, verpflichtete § 1545 RVO mehr die Beklagte zur Feststellung der Rentenleistung als die Klägerin zur Feststellung eines leistungsausschließenden Tatbestandsmerkmals, wenn auch derselbe Sachverhalt der Erwerbsunfähigkeit zugrunde liegt. Daß der Gesetzgeber in § 562 Abs 2 Satz 2 RVO die Bindung des Unfallversicherungsträgers durch die EU-Feststellung des Rentenversicherungsträgers angeordnet, jedoch auf eine entsprechende Bindung im umgekehrten Fall verzichtet hat, unterstreicht die graduell verschiedene Sach- und Handlungskompetenz bezüglich der EU-Feststellung. Gemessen am Leistungszweck, wäre ein Zahlungsaufschub des Verletztengeldes bis zur abschließenden, uU langwierigen Klärung einer Erwerbsunfähigkeit ebenso "sinnwidrig" (BSGE 36, 62, 64) wie eine schnelle Bejahung der Erwerbsunfähigkeit durch den Unfallversicherungsträger ohne entsprechende Bindung bzw Rentenbewilligung des Rentenversicherungsträgers (vgl Hauptverband der gewerblichen BGen, RdSchr VB 98/63 S 9). In dem hier vorliegenden erstattungsrechtlichen Zusammenhang war das Handeln der Klägerin demnach rechtmäßig. Damit steht nicht in Widerspruch, daß in einem Leistungsverfahren eine andere Beurteilung zu erfolgen hätte.
Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Verletztengeld an den Beigeladenen ist nachträglich - teilweise - entfallen. Das durch § 103 SGB X vorausgesetzte nachträgliche Entfallen eines Leistungsanspruchs beruht auf der Rückwirkung der EU-Feststellung, die den Verletztengeldanspruch in Wegfall bringt. § 562 Abs 2 RVO setzt voraus, daß der Verletzte nicht "erwerbsunfähig iS des § 1247 Abs 2" RVO ist. Dieser Ausschlußtatbestand wird bereits durch die Feststellung der EU erfüllt (Brackmann aaO S 562t; Podzun aaO Kennzahl 415 S 16, 420 S 2). ; er setzt - im Unterschied zur Rechtslage bei Krankengeld - nicht voraus, daß ein Träger der Rentenversicherung EU-Rente "zubilligt" (s § 183 Abs 3 Satz 1 RVO). Dies ergibt sich - zusätzlich zum Wortlaut - auch aus der Absicht des Gesetzgebers, Doppelleistungen insoweit zu verhindern, als einem erwerbsunfähigen Verletzten "nicht ... neben der Verletztenrente noch das Verletztengeld" gezahlt werden soll (amtl Begründung zum Entwurf eines UVNG, BT-Drucks IV/120, S 56). Auf die Zahlung von EU-Rente kam es dem Gesetzgeber also nicht an. Demnach reicht die EU-Feststellung, die die Beklagte durch Bescheid vom 27. Oktober 1980 - vor Rentenbewilligung - getroffen hat, aus, den Verletztengeldanspruch jedenfalls ab 1. Oktober 1979 auszuschließen. Erstattungsansprüche für die Zeit bis zum 30. September 1979 sind in dem hier anhängigen Verfahren nicht im Streit. Insofern ist unbeachtlich, daß die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit nicht bereits am Unfalltag, dem 12. Dezember 1978, gegebenenfalls vollständig erfüllt waren, wie die Beklagte ursprünglich meinte, sondern nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG erst am 1. September 1979.
Die Beklagte ist ab 1. Oktober 1979 erstattungspflichtig, denn sie ist ab diesem Zeitpunkt "der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger" (§ 103 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Gesetzgeber hat die Erstattungspflicht abhängig gemacht von der Zuständigkeit für eine Leistung, die insofern gleichartig ist, als sie eine gegebene Bedarfssituation vergleichbar befriedigt (vgl Hauck/Haines, aa0 K 103 Rz 15). Das ist vorliegend EU-Rente. Deren Zweckidentität mit Verletztengeld hat das BSG bereits früher angenommen (BSGE 36, 62, 65). Als Zuständigkeit genügt die materiell-rechtliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung, ohne daß die Leistung selbst bescheidmäßig festgestellt sein muß (Pickel, SGB X, Kommentar, Stand 1. Juli 1986, § 103 Anm 3). Die Verpflichtung zur Gewährung von EU-Rente besteht vom Ablauf des Monats an, in dem die Voraussetzungen der Rente erfüllt sind (s § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO; s § 103 Abs 2 SGB X; Brackmann aaO S. 966 f). Das war nach den Feststellungen des LSG der 1. Oktober 1979.
Die Zuständigkeit der Beklagten zur Gewährung von EU-Rente ist auch nicht durch § 1241d Abs 2 RVO ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des LSG ist die Vorschrift idF von § 21 Nr 77 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) anzuwenden. Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Ansprüche sind zufolge ständiger Rechtsprechung des BSG nach dem Recht zu beurteilen, welches zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes gegolten hat, soweit nichts anderes bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1241 Nr 21; BSG USK 84202). Den zum 1. Januar 1981 bzw 1982 in Kraft getretenen Änderungen des § 1241d Abs 2 RVO durch das SGB X (vgl Art II § 4 Nr 25 SGB X) und das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG- vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497; vgl Art 4 § 1 Nr 24 AFKG) hat der Gesetzgeber Rückwirkung nicht beigelegt (s BSG SozR 2200 § 124d Nr 10). Es ist darum noch die Fassung des RehaAnlgG anzuwenden, die besagt, daß "während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation kein Anspruch auf Rente wegen ... Erwerbsunfähigkeit" besteht (§ 1241d Abs 2 Satz 1 RVO aF). Satz 2 bestimmt dieselbe Rechtsfolge auch für einen "sonstigen Zeitraum, für den Übergangsgeld zu zahlen ist". Der 5. Senat des BSG hat entschieden, daß bereits diese Fassung sich insgesamt nur auf den Fall einer Übergangsgeldzahlung bezog und die spätere Gesetzesänderung insofern lediglich klarstellenden Charakter gehabt habe (BSG USK 84202). Der Beigeladene hat in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Maßnahme zur Rehabilitation erhalten. Zwar hat die Klägerin ab 8. August 1979 "Übergangsgeld" gezahlt, wobei es sich allerdings nach der ab 1. Januar 1982 wieder geltenden Terminologie (vgl § 560 idF des Art 4 § 1 Nr 7 AFKG) um Verletztengeld wegen Arbeitsunfähigkeit handelte. Der Anspruch darauf ist jedoch - wie oben ausgeführt - mit Feststellung der Erwerbsunfähigkeit entfallen. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage wesentlich von der, welche dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung zitierten Urteil des 1. Senats des BSG vom 23. Juli 1986 (1 RA 37/84 - SozR 2200 § 1241d Nr 10) zugrundeliegt. Die Entscheidung des 1. Senats des BSG beruht darauf, daß der Beschädigte einen Anspruch auf "Übergangsgeld" nach § 16 Abs 1 BVG hatte, so lange ihm keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugebilligt war (s § 18a Abs 7 BVG idF des RehaAnglG). In der gesetzlichen Unfallversicherung hat der Verletzte dagegen keinen Anspruch auf Verletztengeld (damals Übergangsgeld), wenn er erwerbsunfähig ist, unabhängig davon, ob er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält.
Die Bindungswirkung der Bescheide, welche die Beklagte an den Beigeladenen erlassen hat, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander begründen ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen den beteiligten Trägern (Dörr, Bestandskraft und Erstattungsansprüche, ZfSH/SGB 1986, S 265, 267), sie sind keine von der Rechtsposition eines Dritten abgeleiteten Ansprüche (BSGE 57, 15, 19). In Erstattungsstreitigkeiten hat darum das BSG die Geltendmachung verfahrensrechtlicher Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis abgelehnt (BSG SozR Nr 11 zu § 1504 RVO) und entschieden (BSG SozR 1300 § 104 Nr 6), daß selbst die bindende Ablehnung des Begehrens des Sozialleistungsberechtigten durch den erstattungspflichtigen Träger dem späteren Erstattungsbegehren nicht entgegensteht (anders BSG SozR 1300 § 104 Nr 7 zu den sachlich-rechtlichen Einwendungen). Dementsprechend ist auch im vorliegenden Fall die Erstattungspflicht der Beklagten nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie dem Beigeladenen EU-Rente erst ab 5. November 1980 - bindend - bewilligt hat. Eine weitergehende Bindung der am Erstattungsverfahren Beteiligten an Leistungsbescheide gegenüber dem Versicherten ergibt sich auch nicht aus § 562 Abs 2 Satz 2 RVO, der besagt, daß die Feststellung der EU durch einen Träger der Rentenversicherung für den Träger der Unfallversicherung bindend ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift nach der vorstehend dargelegten Unabhängigkeit der Erstattungsansprüche von den Leistungsbescheiden an den Versicherten überhaupt das Verhältnis zwischen den Versicherungsträgern betrifft und sich nicht vielmehr ausschließlich auf das Verhältnis des Unfallversicherungsträgers zum Versicherten bezieht. Entscheidend ist hier, daß die Beklagte den Eintritt der EU bindend auf den 12. Dezember 1978 festgestellt hat. § 562 Abs 2 RVO setzt, wie dargelegt, eine Rentengewährung wegen EU nicht voraus. Nach dieser Vorschrift ist somit der Zeitpunkt der Feststellung der EU maßgebend. Daß die Klägerin nach § 103 Abs 2 SGB X Erstattungsansprüche nur insoweit hat, als auch die Voraussetzungen der Rentengewährung erfüllt sind, ist bereits dargelegt und im vorliegenden Fall für den maßgebenden Zeitraum bejaht.
Da die Erstattungsansprüche demnach unabhängig von den Entscheidungen gegenüber dem Versicherten sind, bedarf es auch keiner Erörterung, ob die Beklagte - was sie verneint - gegenüber dem Beigeladenen zu einer Neufeststellung der EU-Rente gemäß § 44 SGB X berechtigt gewesen wäre. Ebenso ist es nicht notwendig, auf die Auffassung der Beklagten einzugehen, die Klägerin habe durch die - rechtmäßige - rückwirkende Rentengewährung in die Bindungswirkung der Bescheide der Beklagten eingegriffen.
Die Revision war nach alledem gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1666243 |
BSGE, 118 |