Leitsatz (amtlich)
Die Frist für den Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht und auf Beitragsrückgewähr gemäß G131 § 73 Abs 5 S 2 wird jedenfalls dann in Gang gesetzt, wenn dem Beamten auf Probe eine Planstelle übertragen wird.
Orientierungssatz
Zu der Frage, wann die Merkmale des Begriffs der "Anwartschaft" auf Versorgung (hier: iS des G 131 § 73 Abs 5 S 2) gegeben sind.
Normenkette
G131 § 73 Abs. 5 S. 2 Fassung: 1951-05-11
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1966 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger fordert Beiträge zurück, die für ihn zwischen 1951 und 1959 zur Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) entrichtet worden sind. Er hatte am 8. Mai 1945 als ehemaliger Berufssoldat der früheren Wehrmacht - zuletzt im Range eines Hauptwachtmeisters - eine Dienstzeit von mehr als 12 Jahren abgeleistet. Im Juli 1960 wurde er Beamter auf Widerruf, ein Jahr später - gleichzeitig mit seiner Einstufung zum Regierungsassistenten zur Anstellung - Beamter auf Probe. Diese Rechtsstellung behielt er inne, als er am 13. Februar 1962 zum Regierungsassistenten ernannt wurde. Zum Beamten auf Lebenszeit ist er am 29. Mai 1963 - zugleich mit seiner Beförderung zum Regierungssekretär - berufen worden.
Am 20. Juli 1963 beantragte er, ihn rückwirkend zum 1. April 1951 von der Versicherungspflicht zu befreien und ihm die bis 1959 aufgewendeten Beiträge zurückzugewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil der Kläger die - nach § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 vorgeschriebene Antragsfrist von einem Jahr seit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis versäumt habe (Bescheid vom 18. Oktober 1963; Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1964).
Der Klage hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Richters ist die Ausschlußfrist für den Antrag auf Rückzahlung der Beiträge erst mit Indienststellung des Klägers auf Lebenszeit in Gang gesetzt worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat es dagegen darauf abgestellt, daß der Kläger bereits als Beamter auf Probe eine sichere Aussicht auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung erworben habe (vgl. § 1229 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). An diesen Tatbestand knüpfe - so hat das LSG ausgeführt - die Vorschrift über den hier maßgeblichen Fristablauf an.
Der Kläger hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Er beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. Er meint, daß die Auslegung, die das LSG dem § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 gegeben habe, der wirklichen Interessenlage nicht gerecht werde. Die allgemeine Regelung über die Versicherungsfreiheit von Probebeamten sei verständlich, weil solche Beamte im Falle ihrer Entlassung ohne beamtenrechtliche Versorgung nachzuversichern seien. Die Beiträge aber, die gemäß § 73 G 131 zurückgewährt würden, gingen endgültig als Versicherungsgrundlage verloren. Einen Antrag, der mit solcher Rechtsfolge belastet sei, werde man verständigerweise erst von demjenigen erwarten können, der die volle Sicherheit seiner künftigen wirtschaftlichen Existenz erworben habe. Diese Sicherheit habe nur der Lebenszeitbeamte. - Für den Fall jedoch, daß dieser Auffassung nicht zu folgen sei, macht der Kläger darauf aufmerksam, daß er sich über den Beginn der in Rede stehenden Antragsfrist im Irrtum befunden habe und daß er nicht deshalb den zweifelsfrei begründeten Anspruch verloren haben dürfe.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Frist zur Stellung des Antrags gemäß § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 war abgelaufen. Dafür ist es gleichgültig, ob unmittelbar von dieser Vorschrift oder auch von der Sonderregelung für ehemalige Berufssoldaten gemäß Art. II § 13 des 3. Änderungsgesetzes zum Gesetz zu Art. 131 GG auszugehen ist. Denn die äußerste der in Betracht kommenden festen Fristen - das ist der 30. September 1962 - war überschritten. Davon abgesehen, hat der Kläger die Beitragsrückforderung nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Monats geltend gemacht, in dem das neue Dienstverhältnis begründet worden ist.
Dieser Zeitpunkt fällt nicht mit dem Tage zusammen, an dem der Kläger Beamter auf Lebenszeit wurde. Der Status eines Beamten auf Lebenszeit würde dem Betroffenen allein ohnehin nicht das volle Maß einer Anwartschaft auf beamtenrechtliche Versorgung vermitteln. Diese erreicht auch der Beamte auf Lebenszeit erst, wenn er weitere Voraussetzungen erfüllt, z.B. eine Dienstzeit von mindestens zehn Jahren abgeleistet hat oder infolge einer Dienstbeschädigung dienstunfähig geworden ist. Schon bevor der Beamte das Höchstmaß an Sicherheit künftiger Versorgung erreicht hat, verneint aber das G 131 das Bedürfnis nach einem Fortbestand seiner gesetzlichen Rentenversicherung. So eröffnet § 73 Abs. 1 G 131 jedem Beamten "zur Wiederverwendung" die Befugnis, sich von der Versicherungspflicht befreien und entrichtete Beiträge zurückgeben zu lassen. Als "Beamte zur Wiederverwendung" gelten Beamte auf Lebenszeit oder auf Zeit bereits, bevor sie eine Dienstzeit von zehnjähriger Dauer zurückgelegt haben (§ 5 Abs. 2 G 131). Kann sonach mit der Anwartschaft im Sinne des § 73 Abs. 5 G 131 nicht das Maximum an Zusicherung einer Versorgung gemeint sein, so genügt es doch andererseits zur Verwirklichung dieser Norm auch nicht ohne weiteres, daß auf die Vorschrift über die Versicherungsfreiheit solcher Beamten hingewiesen wird, denen Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist (§ 1229 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 RVO). Von einer solchen Gewährleistung geht man allerdings bei Beamten auf Probe aus (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -; Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 22. Januar 1958, GMBl 1958, 74). Indessen geht die Tragweite des § 73 Abs. 5 G 131 über die des § 1229 RVO hinaus. Die Versicherung wird nach § 73 G 131 nicht nur für die Zeit der versicherungsfreien Beamtentätigkeit aufgehoben; vielmehr scheidet der Betreffende rückwirkend aus der Versicherung aus und erhält die für eine längere Vergangenheit wirksam aufgewendeten Beiträge zurück. Es wird also dem einzelnen überlassen, ob er in einen gültigen Versicherungsbestand eingreifen will. Ein solches Ergebnis erscheint nur gerechtfertigt, wenn an die Stelle der aufgegebenen Alters- und Hinterbliebenensicherung ein gleichwertiger Ersatz tritt. Ein solcher Ausgleich ist bei denjenigen Beamten anzunehmen, die - unter den dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen - in den Ruhestand versetzt werden müssen oder versetzt werden können (vgl. Fischbach, Bundesbeamtengesetz 2. Halbband, 3.Aufl. 1965, Anm. A I 8 vor § 105, S. 884). Denn diese Beamten haben ein subjektives, wenn auch bedingtes Recht auf Versorgung und damit eine Rechtsposition inne, die nach den Grundsätzen des Rechtsstaats und bei dem bestehenden Treueverhältnis zwischen ihnen und dem Dienstherrn nicht einseitig zu ihrem Nachteil geändert werden kann. Unter diesen Umständen sind die Merkmale des Begriffs der "Anwartschaft" auf Versorgung im Sinne des § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 gegeben. Auf diesen Begriff kann nicht schlechthin die Definition der "Anwartschaft" übertragen werden, die für entsprechende Erscheinungen des bürgerlichen Rechts entwickelt worden ist. Danach gehören zur "Anwartschaft" solche Sachverhalte, bei denen von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, daß von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere, an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr durch eine einseitige Erklärung zu zerstören vermag (vgl. BGHZ 45, 186 ff., 188).
Die Anforderungen an das Merkmal der Anwartschaft müssen im bürgerlichen Recht, also für die Verhältnisse des allgemeinen rechtsgeschäftlichen Verkehrs, strenger ausfallen als auf dem beamtenrechtlichen Gebiet. Von einer "gesicherten Rechtsposition" muß wegen des Treueverhältnisses zwischen Dienstherrn und Dienstverpflichteten bereits in einem früheren Stadium des Rechtserwerbs als dort gesprochen werden, zumal die Entlassungsgründe, die einen Beamten auf Probe treffen können, vom Gesetz im einzelnen aufgezählt sind (§ 31 BBG) und im übrigen von den Tatbeständen eingegrenzt werden, in denen der Beamte auf Probe in den Ruhestand zu versetzen ist oder versetzt werden kann (§ 46 BBG). Ob darüber hinaus zum Erwerb der Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 73 Abs. 5 G 131 zusätzlich zu fordern ist, daß dem Probebeamten eine Planstelle übertragen worden ist (§ 82 BBG), kann dahinstehen. Hierzu ließe sich - als indirekter Fingerzeig des Gesetzes - anführen, daß ein Probebeamter dann die besondere Rechtsstellung nach dem Gesetz zu Artikel 131 GG verliert und "als endgültig untergebracht gilt", wenn er in eine Planstelle der Eingangsgruppe seiner Laufbahn eingewiesen worden ist (vgl. Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Unterbringung nach Kapitel I des G 131 zu § 19). Von dieser Rechtslage mag das Gesetz auch in bezug auf § 73 Abs. 5 ausgegangen sein. Hätte man dies anzunehmen, so wäre damit der Kläger am 13. Februar 1962 in diejenige Rechtsstellung eingerückt, die für ihn mit einer zureichenden Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung verbunden war. Von diesem Zeitpunkt an lief die Frist von einem Jahr, innerhalb welcher der Kläger die hier zu beurteilenden Anträge hätte stellen müssen. Diese Frist ist mit dem Antrag vom 20. Juli 1963 nicht gewahrt.
Die Rechtsfolge dieses Versäumnisses hat der Kläger zu tragen ungeachtet der Tatsache, daß ihm die Zeitbestimmung des § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 unbekannt war. Die Wirkungen dieser Gesetzesvorschrift sind nicht davon abhängig, daß ihr Inhalt dem Normadressaten bekannt ist. Dem Kläger kommt ferner nicht die Überlegung zugute, daß eine Ausschlußfrist außer Acht zu lassen ist, wenn die anspruchsbegründenden Umstände zweifelsfrei gegeben und weitere Beweisermittlungen nicht nötig sind. Dieser von dem Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG 14, 246) hinsichtlich der Ausschlußfrist des § 58 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) a.F. entwickelte Gedanke mag für Ansprüche unterhaltsähnlichen Charakters in Gestalt wiederkehrender Leistungen gelten. Darüber hinaus ist eine Durchbrechung zwingender Zeitbestimmungen im Wege abändernder Rechtsfindung nicht zu rechtfertigen, also insbesondere nicht für Beitragsrückforderungen. Hinzu kommt, daß der Zweck der Fristregelung des § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 vornehmlich in ihrem Ordnungscharakter liegt. Das macht nicht zuletzt die strenge Zäsur deutlich, die das Gesetz durch den Stichtag vom 30. September 1958 oder vom 30. September 1962 gesetzt hat und von der es nur für solche Fälle eine Ausnahme gestattet, in denen der Tatbestand des Gesetzes vorher überhaupt nicht realisiert sein konnte. Über die Tatsache der Befreiung von der Versicherungspflicht und über das Ausmaß der unter § 73 Abs. 5 G 131 fallenden Beitragsrückforderungen sollte alsbald Klarheit geschaffen werden. Dagegen war es nicht Aufgabe dieser Fristbestimmung, die Verwaltung vor Aufklärungsschwierigkeiten zu schützen. Die Erwägung, daß mit einer späteren Geltendmachung der Beitragsrückforderung Beweisschwierigkeiten auftauchen könnten, war unter den in Betracht kommenden Gegebenheiten, wenn überhaupt, nur von untergeordneter Bedeutung und für die Gesetzesgestaltung nicht ausschlaggebend.
Aus diesen Gründen erweist sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig. Die Revision ist mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Fundstellen