Leitsatz (amtlich)

1. Bestimmt eine Wahlordnung, daß "Einwendungen gegen die Gültigkeit" einer Wahl zur Vertreterversammlung einer Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigung innerhalb einer bestimmten Frist bei dem zur Durchführung der Wahl bestellten Wahlausschuß zu erheben sind, so ist die Wahlanfechtungsklage vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur zulässig, wenn das Verfahren vor dem Wahlausschuß auf Antrag des Klägers stattgefunden hat.

2. Wird nach Durchführung des Verfahrens vor dem Wahlausschuß die Wahlanfechtungsklage erhoben, so sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht auf die Nachprüfung der Gründe beschränkt, die im Verfahren vor dem Wahlausschuß geltend gemacht worden sind.

3. Bei Wahlen zur Vertreterversammlung einer Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigung kann ein Wahlbewerber nur dann nicht zugleich Mitglied eines Wahlausschusses sein, wenn die Wahlordnung dies bestimmt.

Die Nichtberücksichtigung einer Minderheitengruppe bei der Zusammensetzung der Wahlausschüsse ist nur dann rechtswidrig, wenn die Wahlordnung einen solchen Minderheitenschutz vorschreibt.

4. Sieht die Wahlordnung Briefwahl vor, die innerhalb einer bestimmten Wahlfrist durchzuführen ist, so sind bereits einige Tage vor Beginn der Wahlfrist eingegangene Wahlbriefe jedenfalls dann gültig, wenn die Wahlordnung nur den verspäteten Eingang von Wahlbriefen als Ungültigkeitsgrund behandelt.

 

Normenkette

RVO § 368l Fassung: 1955-08-17

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1962 dahin abgeändert, daß die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 20. September 1961 in vollem Umfang zurückgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung des Landessozialgerichts wird aufgehoben.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Rechtmäßigkeit der Wahlen zur Vertreterversammlung (VV) der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen - Lippe (KZVWL) im Jahre 1960.

Die KZVWL hatte mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde eine Wahlordnung (WO) für die Wahl der Mitglieder der VV beschlossen; danach waren die Mitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl unmittelbar, geheim und schriftlich von den ordentlichen (o.) und außerordentlichen (a. o.) Mitgliedern der KZVWL auf die Dauer von vier Jahren in Wahlkreisen auf Grund von Wahlvorschlägen zu wählen. Nach § 4 WO oblag die Leitung und Durchführung der Wahl einem Landeswahlausschuß, der aus 5 Mitgliedern bestand und von der VV bestellt wurde. Der Landeswahlausschuß wählte für jeden Wahlkreis einen Kreiswahlleiter, der zusammen mit den von ihm berufenen Beisitzern den Kreiswahlausschuß bildete. Dieser hatte die Aufgabe, die Wahl im Wahlkreis durchzuführen, das Wahlergebnis zusammenzustellen und dem Landeswahlausschuß zuzuleiten.

Für die Wahl der o. Mitglieder der KZVWL wurden drei Wahlkreise für die Reg.Bezirke Münster, Arnsberg und Detmold und für die Wahl der a. o. Mitglieder ein Wahlkreis für den gesamten Bezirk gebildet.

Der in der VV vom 21. Juli 1960 gewählte Landeswahlausschuß berief in seiner konstituierenden Sitzung vom gleichen Tage die Kreiswahlleiter, setzte die nach der WO vorgesehenen Fristen fest und bestimmte insbesondere als Wahltermin die Zeit vom 2. bis 7. November 1960, 18 Uhr. Die nach § 6 WO vorgesehene Mitteilung an die Wähler erfolgte durch Rundschreiben vom 6. August 1960. Für die Wahl der Vertreter der o. Mitglieder wurden für jeden Wahlkreis zwei Wahlvorschläge eingereicht und zugelassen, und zwar

  Wahlvorschlag Nr. 1

vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte e. V.,

Wahlvorschlag Nr. 2

vom Interessenverband Deutscher Zahnärzte.

Für die Wahl der Vertreter der a. o. Mitglieder hatten der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (Wahlvorschlag Nr. 1) und Verband der Nichtkassenzahnärzte Deutschlands e. V. (Wahlvorschlag Nr. 2) Vorschlagslisten eingereicht. Die Wahlvorschläge der Listen Nr. 2 enthielten u. a. auch die Namen des Vorsitzenden des Landeswahlausschusses, der Kreiswahlleiter und einiger Beisitzer als Wahlbewerber.

Am 25. Oktober 1960 versandte der Landeswahlausschuß die amtlichen Wahlunterlagen. Das beigefügte Rundschreiben, das die Wähler über die technische Durchführung der Wahl unterrichtete, enthielt den Vermerk:

"Der Umschlag mit der Aufschrift "Wahl zur Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe" kann sofort an den Kreiswahlleiter abgesandt werden. Der Umschlag muß jedoch spätestens am Montag, dem 7. November 1960, 18.00 Uhr beim Kreiswahlleiter eingegangen sein."

Das Wahlergebnis wurde in den Wahlkreisen Münster und Detmold sowie im Gesamtwahlkreis der a. o. Mitglieder am 7. November 1960 festgestellt. Hierbei wurden - entsprechend der Mitteilung des Landeswahlausschusses vom 25. Oktober 1960 - auch die schon vor dem 2. November beim Kreiswahlleiter eingegangenen Wahlbriefe mitgezählt.

Im Wahlkreis Arnsberg wurde die Feststellung des Wahlergebnisses abgebrochen, nachdem der Kreiswahlausschuß festgestellt hatte, daß ein Teil der an den Kreiswahlleiter postlagernd abgesandten Wahlbriefe nicht mehr vorhanden war, weil sie ein Unbekannter von der Post abgeholt hatte. Der Landeswahlausschuß beschloß daher in der Sitzung vom 9. November 1960, die Wahl für den Wahlkreis Arnsberg für ungültig zu erklären und unverzüglich wiederholen zu lassen; der Kreiswahlausschuß habe das Wahlergebnis nicht feststellen können, weil "die gemäß § 16 WO zwingend vorgeschriebene vorausgehende Feststellung der eingegangenen Umschläge durch eine Straftat unmöglich gemacht" worden sei. Der Landeswahlausschuß beschloß, die neuen Wahlunterlagen am 17. November 1960 an die Wahlberechtigten abzusenden, und setzte das Ende des Wahlaktes auf den 29. November 1960, 18.00 Uhr fest. In einem Rundschreiben an "die wahlberechtigten ordentlichen Mitglieder der KZVWL des Wahlkreises Reg. Bezirk Arnsberg" vom 17. November 1960 wurden die Gründe für die Wiederholung der Wahl näher dargelegt und über ihre Durchführung bemerkt, daß die Wahlbriefe schon sofort an den Kreiswahlleiter abgesandt werden könnten, daß sie aber spätestens am 29. November 1960, 18.00 Uhr, bei diesem eingegangen sein müßten. Demgemäß wurde die Wahl durchgeführt.

Der Kläger zu 1) (Dr. P erhob - zugleich im Namen der Kläger zu 2) bis 6) - Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit der Wahlen zur VV, soweit sie die Wahl der o. Mitglieder in den Wahlkreisen Detmold und Münster und die Wahl der a. o. Mitglieder betrafen, mit dem Antrag, diese Wahlen für ungültig zu erklären und zu wiederholen. Er hielt die Wahl aus folgenden Gründen für ungültig:

1. Die auf die Zeit vom 2. bis 7. November 1960, 18.00 Uhr, festgelegte Wahlfrist sei nicht eingehalten worden. Zu Unrecht habe der Landeswahlausschuß bereits vor Beginn der Wahlfrist an den Kreiswahlleiter abgesandte Wahlbriefe als gültig angesehen.

2. Die Vorkommnisse im Wahlkreis Arnsberg hätten gezeigt, daß das vom Landeswahlausschuß festgelegte Wahlverfahren nicht ausschließe, daß Wahlbriefe abhanden gekommen seien. Deshalb sei eine Nachprüfung der Wahlunterlagen für die Bezirke Münster und Detmold dringend erforderlich, bei der er - unter Hinzuziehung von Mitgliedern des Vorstands oder des Landeswahlausschusses - feststellen wolle, ob die 185 Zahnarztkollegen, die ihm mitgeteilt hätten, daß sie ihrer Wahlpflicht genügt hätten, auch im Wählerverzeichnis abgehakt worden seien.

3. Im Wahlkreis Münster sei Wahlberechtigten, die sich bei der öffentlichen Sitzung des Kreiswahlausschusses zur Feststellung des Wahlergebnisses hätten vergewissern wollen, ob ihr Name im Wählerverzeichnis abgehakt worden sei, die Einsicht in das Wählerverzeichnis mit dem Bemerken verwehrt worden, daß dadurch das Wahlgeheimnis verletzt würde.

Der Landeswahlausschuss wies in seiner Sitzung vom 30. Dezember 1960 die Einwendungen der Kläger als unbegründet zurück und erließ hierüber einen Bescheid vom 11. Januar 1961: Daß der Landeswahlausschuß gestattet habe, die Wahlbriefe bereits vor Beginn der eigentlichen Wahlfrist an den Kreiswahlleiter abzusenden, habe nur eine Erleichterung für die Wähler bezweckt und verletze nicht die WO. Die Nachprüfung der Wahlunterlagen könne nicht gestattet werden, da diese Befugnis allein dem Kreiswahlausschuß und dem Landeswahlausschuß zustehe. Zu Recht habe der Kreiswahlausschuß zur Wahrung des Wahlgeheimnisses die Einsicht in die Unterlagen des Wahlausschusses versagt.

In der gleichen Sitzung hat der Landeswahlausschuß Einwendungen zweier anderer - nicht zum Kreise der Kläger gehöriger - Zahnärzte gegen die Gültigkeit der Wahl im Wahlkreis Arnsberg zurückgewiesen.

Mit der Klage haben die Kläger beantragt,

1. unter Aufhebung der Entscheidungen des Landeswahlausschusses vom 30. Dezember 1960 festzustellen, daß die vom 2. bis 7. November 1960 durchgeführten Wahlen zur Vertreterversammlung der Beklagten nichtig bzw. rechtsunwirksam sind,

2. festzustellen, daß die in der Zeit vom 18. November 1960 bis 29. November 1960 durchgeführte Nachwahl zur Vertreterversammlung der Beklagten für den Reg. Bezirk Arnsberg ebenfalls nichtig bzw. rechtsungültig ist.

In Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens haben sie darauf hingewiesen, daß die Mitglieder des Landeswahlausschusses teilweise als Spitzenkandidaten des Wahlvorschlages Nr. 2 in die VV gewählt worden seien und daß außerdem sich auch die Kreiswahlleiter und ihre Stellvertreter um einen Sitz in der VV beworben hätten, daß darüber hinaus die Wahlausschüsse auch völlig einseitig besetzt gewesen seien, da ihre Mitglieder durchweg dem Wahlvorschlag Nr. 2 entnommen gewesen seien. Dieser Wahlvorschlag sei von Anhängern einer standespolitischen Richtung eingereicht worden, die in einem gewissen Gegensatz zu den auf dem Wahlvorschlag Nr. 1 aufgeführten Bewerbern stehe. Die einseitige Besetzung der Wahlausschüsse sei gesetzeswidrig. Die Objektivität des Wahlvorstandes gegenüber rivalisierenden Organisationen sei ein unverrückbarer Grundsatz seiner Tätigkeit.

Mit Urteil vom 20. September 1961 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung der Entscheidung des Landeswahlausschusses vom 30. Dezember 1960 festgestellt, daß die vom 2. bis 7. November durchgeführten Wahlen zur VV und die in der Zeit vom 18. bis 29. November 1960 durchgeführte Nachwahl zur VV im Regierungsbezirk Arnsberg unwirksam sind, und im übrigen die Berufung zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 15. Mai 1962). Das LSG hat die Klage als zulässig auch insoweit angesehen, als die Nachwahl im Wahlkreis Arnsberg angefochten wird. Den Klägern komme insoweit zugute, daß die Nachwahl von anderer Seite angefochten worden sei. - Bei der Durchführung der Wahlen sei gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit verstoßen worden. Die Wahlausschüsse seien einseitig mit den Vertretern der Listen 2 besetzt worden. Auch sei der Grundsatz der Unvereinbarkeit ("Inkompatibilität") der Funktionen des Wahlbewerbers und des Wahlehrenbeamten verletzt worden dadurch, daß die Mitglieder des Landeswahlausschusses und der Kreiswahlausschüsse als Wahlbewerber aufgetreten seien. Die WO enthalte zwar über diese Fragen - Berücksichtigung aller Wählergruppen bei der Bildung der Wahlausschüsse und Inkompatibilität zwischen Wahlbewerber und Wahlehrenbeamten - keine Bestimmungen. Auch seien sie in den verschiedenen Wahlgesetzen nicht einheitlich geregelt. Dessen ungeachtet müßten aber die Gebote der Amtsenthaltung in eigenen Angelegenheiten und das Gebot der Berücksichtigung aller Wählergruppen bei der Vergabe von Wahlämtern als so wichtige Grundsätze im berufsständischen Leben angesehen werden, daß sie ungeschriebener Bestandteil der WO seien. Die Verletzung der Wahlgrundsätze habe die Verteilung der Sitze in der VV auch beeinflussen können; denn die Wahllisten Nr. 2 hätten Kandidaten enthalten, die als Wahlehrenbeamte hätten zurückgewiesen werden müssen. Die Feststellungsklage sei somit begründet.

Gegen dieses Urteil hat die beklagte KZVWL Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung der Kläger zurückzuweisen, soweit der Berufung stattgegeben wurde.

Sie wendet sich gegen die Auffassung des LSG, daß die Mitglieder des Landeswahlausschusses und der Kreiswahlausschüsse nicht Wahlbewerber hätten sein dürfen und daß in den Wahlausschüssen alle Wählergruppen hätten berücksichtigt werden müssen. Das Prinzip der Inkompatibilität sei im Grundgesetz (GG) an einigen Stellen (vgl. Art. 55, 94) zum Ausdruck gekommen, sei aber keineswegs allgemein gültiges Recht, insbesondere nicht bei Wahlverfahren. Regelmäßig würden die Wahlausschüsse - so auch im vorliegenden Fall - gebildet, ehe die Wahlbewerber bekannt seien. Durch die Wahl in einen Wahlausschuß könne nicht das passive Wahlrecht verlorengehen. Im übrigen seien nur ein Teil der Mitglieder des Landeswahlausschusses und der Kreiswahlausschüsse als Wahlbewerber aufgetreten. - Daß die Wahlausschüsse nicht alle Wählergruppen berücksichtigt hätten, sei nicht durch Majorisierung einer Minderheit zustande gekommen. Das Gericht habe den Sachverhalt in dieser Hinsicht nicht genügend aufgeklärt. Die einseitige Besetzung des Landeswahlausschusses sei nur die Folge der vom Kläger zu 1) und seinem Anhang betriebenen Obstruktion. Weil diese Gruppe der VV - bis auf einen oder zwei Beobachter - fern geblieben sei und sich somit an der Wahl der Mitglieder des Landeswahlausschusses nicht beteiligt habe, wäre sie bei der Wahl des Landeswahlausschusses nicht berücksichtigt worden. - Im übrigen könnten Verstöße gegen die WO nur dann eine Wahlanfechtung begründen, wenn das Ergebnis der Wahl durch sei beeinflußt worden sei. Die Wahlausschüsse wären aber streng darauf bedacht gewesen, alles zu vermeiden, was ihnen als Parteilichkeit oder Unkorrektheit hätte ausgelegt werden können.

Die Kläger haben beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie stimmen der Auffassung des LSG zu, daß ein Wahlbewerber nicht zugleich Wahlehrenbeamter sein könne. Auch sei dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß die einseitige Besetzung der Wahlausschüsse den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verletzt habe. Daß an der VV praktisch nur Vertreter der einen standespolitischen Richtung teilgenommen hätten, habe nicht ausgeschlossen, daß auch Mitglieder der anderen standespolitischen Richtung in die Wahlausschüsse hätten gewählt werden können. Wegen der einseitigen Besetzung der Wahlausschüsse sei auch nicht von vornherein ausgeschlossen, daß Wahlbeeinflussungen vorgekommen seien. Deutlich sei das insbesondere daran geworden, daß der Landeswahlausschuß in seinem Rundschreiben an die Mitglieder des KZVWL gestattet habe, die Wahlbriefe bereits vor Beginn der Wahlfrist an den Kreiswahlleiter zu übersenden; dadurch seien die Möglichkeiten der gegnerischen Propaganda eingeschränkt worden.

II

Die Revision der beklagten KZVWL ist begründet.

1. Soweit es sich um die Gültigkeit der im Wahlkreis Arnsberg bis zum 29. November 1960 durchgeführten Nachwahl handelt, ist die Klage unzulässig. Die Kläger haben mit der Klage die Feststellung der Ungültigkeit auch der im Kreise Arnsberg durchgeführten Nachwahl beantragt. Sie haben jedoch in dem dem gerichtlichen Verfahren vorangehenden Wahlanfechtungsverfahren (§ 19 WO) nur die Wahlen der o. Mitglieder der VV in den Wahlkreisen Detmold und Münster und die Wahl der a. o. Mitglieder der VV im Gesamtkreis Westfalen-Lippe angefochten. Das war zulässig; denn sowohl die Wahlen der beiden Gruppen der o. und a. o. Mitglieder als auch die Wahlen innerhalb der Gruppe der o. Mitglieder in den einzelnen Wahlkreisen waren in sich selbständige Wahlakte, bei denen jeweils gesondert zu prüfen ist, wie weit Wahlverstöße das Ergebnis der Wahl beeinflußt haben (vgl. zur Abtrennbarkeit von Wahlvorgängen BAG vom 12. Februar 1960 - 1 ABR 13/59 - in AP § 18 BetrVG Nr. 11). Dieser Möglichkeit, die Ungültigkeit der Wahl nur für einen bestimmten Wahlkreis auszusprechen, trägt auch § 19 Abs. 4 WO Rechnung, wonach die Neuwahl auf den Wahlkreis beschränkt bleibt, in dem die Wahl ungültig ist.

Die Nachwahl der o. Mitglieder zur VV im Wahlkreis Arnsberg ist zwar von zwei anderen Zahnärzten, die nicht zur Gruppe der Kläger gehören, angefochten worden. Diese haben jedoch nach Erhalt des ihre Einwendungen zurückweisenden Bescheids des Landeswahlausschusses davon abgesehen, die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl im Wahlkreis Arnsberg nunmehr im gerichtlichen Verfahren zu betreiben. Zu Unrecht nimmt das LSG an, es genüge für die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Wahlanfechtungsklage, daß auch sie - die Kläger - durch die von ihnen behaupteten Wahlverstöße bei Durchführung der Nachwahl beschwert seien. Solche Verstöße können nach § 19 WO die Anfechtung vor dem Landeswahlausschuß rechtfertigen. Ist diese aber - wie im vorliegenden Fall seitens der Kläger - unterblieben, so steht die Gültigkeit der Wahl grundsätzlich für jedermann fest; das ergibt sich aus dem Zweck der Befristung der Anfechtung, nämlich klare Verhältnisse und Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. BAG vom 2. März 1955 - 1 ABR 19/54 - in AP § 18 BetrVG Nr. 1; BVerwG 7, 251, 252 f). Daß andere die Anfechtung der Wahl betrieben hatten, hat auf die Rechtsstellung der Kläger keinen Einfluß. Mangels einer Anfechtung vor dem Landeswahlausschuß ist daher die Wahlanfechtungsklage unzulässig, soweit sie die Nachwahl im Wahlkreis Arnsberg betrifft. Schon aus diesem Grunde ist daher das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Auch ohne vorausgegangene fristgerechte Anfechtung könnte allerdings die Nichtigkeit einer Wahl in "ganz besonderen Ausnahmefällen" (BAG in AP § 18 BetrVG Nr. 1) geltend gemacht werden, wenn nämlich gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen ist, daß auch nicht einmal der Anschein einer gesetzmäßigen Wahl mehr vorliegt (so die allgemeine Meinung: vgl. außer der schon zitierten Entscheidung des BAG BVerwG 5, 293, 302 ff; 7, 251, 252; Nipperdey in Hueck-Nipperdey, Lehrb. d. Arbeitsr. 6. Aufl. Bd. II S. 720; Dietz, BetrVG 3. Aufl. § 18 Anm. 26; Molitor, PersVG § 22 Anm. 23). Ob die Kläger neben der Wahlanfechtungsklage auch eine Klage auf eine Feststellung der Nichtigkeit der Nachwahl im Wahlkreis Arnsberg erhoben haben, konnte zunächst nach der Fassung des Klageantrags ("festzustellen, daß die ... Nachwahl nichtig bzw. rechtsungültig ist") zweifelhaft sein. Nach der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, daß eine Nichtigkeitsklage nicht erhoben sei, ist jedoch davon auszugehen, daß eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht vorliegt, so daß sich insoweit eine Entscheidung des Senats erübrigt.

2. Über die bereits ausgesprochene Teilabweisung der Klage hinaus ist die Klage des Klägers zu 7) (des Zahnarztes Konrad L) - unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils - in vollem Umfange abzuweisen. Dieser Kläger war am Wahlanfechtungsverfahren vor dem Landeswahlausschuß nicht beteiligt; in der Klage wird er jedoch als Kläger mitaufgeführt. Wer aber nicht Beteiligter des Wahlanfechtungsverfahrens ist, kann nicht - zur Unterstützung des Klagebegehrens anderer, die die Wahl vor dem Landeswahlausschuß fristgerecht angefochten haben - eine Wahlanfechtungsklage erheben; sie ist unzulässig.

3. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der in der Zeit vom 2. bis 7. November 1960 durchgeführten Wahlen ist nicht auf die Gründe beschränkt, die von den Klägern zu 1) bis 6) im Wahlanfechtungsverfahren vor dem Landeswahlausschuß geltend gemacht und von diesem in seinem Bescheid vom 30. Dezember 1960/11. Januar 1961 behandelt worden sind. Entscheidend ist, daß die Wahl von hierzu berechtigten Personen fristgerecht angefochten ist. Stößt das Gericht im Laufe eines ordnungsmäßig in Gang gebrachten Verfahrens auf Mängel des Wahlverfahrens, so muß es diesen nach der für das gerichtliche Verfahren geltenden Offizialmaxime auch dann nachgehen, wenn sie nicht mit der Wahlanfechtungserklärung oder innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht worden sind (vgl. BVerwG 5, 324; BArbG in AP § 18 BetrVG Nr. 3 Bl. 780). Deshalb sind auch die erst nachträglich von den Klägern zu 1) bis 6) im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe Gegenstand der Prüfung.

a) Zu Unrecht hat das LSG die Wahlen deshalb als ungültig angesehen, weil Mitglieder des Landeswahlausschusses und der Kreiswahlausschüsse als Wahlbewerber in Wahlvorschlägen mitangeführt und gewählt worden sind. Die WO schließt die Wählbarkeit von Mitgliedern der Wahlausschüsse nicht aus und verbietet umgekehrt auch nicht Wahlbewerbern die Mitgliedschaft im Wahlausschuß. Das verkennt auch das LSG nicht. Es glaubt jedoch - vor allem zur Sicherstellung der Objektivität der Entscheidungen der Wahlausschüsse und zur Vermeidung von Interessenkollisionen - von einem allgemeinen Rechtssatz im Bereich der kassenärztlichen Selbstverwaltung ausgehen zu können, wonach die Funktionen des Wahlbewerbers und Wahlehrenbeamten miteinander unvereinbar sind (Inkompatibilität). Ein solcher Rechtssatz besteht jedoch nicht. Wie die vom LSG angeführten Beispiele aus der Gesetzgebung zeigen, wird Inkompatibilität vom Gesetzgeber teils bejaht, teils verneint. In der im Zusammenhang mit der vorliegenden Fragestellung besonders bedeutsamen WO für die Sozialversicherung vom 23. Februar 1962 (BarbBl S. 151) ist - wie bereits in der früheren WO vom 9. Januar 1958 - nur eine Soll-Vorschrift erlassen (§ 3 Abs. 2 Satz 3: "Wahlbewerber und Listenvertreter sollen nicht Mitglieder des Wahlausschusses sein"). Verallgemeinerungen sind weder nach der einen noch nach der anderen Richtung zulässig, weil die Frage nach der Vereinbarkeit von mehreren Funktionen in einer Person sachgerecht nur für jedes Rechtsgebiet gesondert beantwortet werden kann. So wäre es insbesondere verfehlt, aus den von den Klägern erwähnten Inkompatibilitätsregelungen des GG für bestimmte höchste Staatsämter (vgl. Art. 55, Art. 94 Abs. 1 Satz 3) Schlüsse für den vorliegenden Sachverhalt zu ziehen; denn mit den außerordentlich weitreichenden Entscheidungsbefugnissen dieser Ämter und den dadurch bedingten Interessenkonflikten - ließe man die Verbindung dieser Ämter mit kollidierenden Funktionen zu - kann das hier allenfalls in Betracht kommende Spannungsverhältnis zwischen Wahlbewerber und Wahlehrenbeamten nicht im entferntesten verglichen werden. Angesichts der nahezu vollständigen Formalisierung des Wahlrechts (vgl. dazu Rothländer in Zeitschr. f. Beamtenrecht 1961, 104, 105), die auch nach der hier maßgeblichen WO festzustellen ist und den Wahlausschüssen nur noch eine sehr begrenzte Ermessensbetätigung in Fragen des Wahlverfahrens - z. B. Festlegung des Wahltermins - erlaubt, ist die Gefahr der Interessenkollision bei Mitgliedern von Wahlausschüssen, die zugleich Wahlbewerber sind, sehr eingeschränkt. Auf der anderen Seite ist, wie auch die Revision mit Recht betont, das allgemeine Wahlrecht in seinen Ausprägungen als Vorschlagsrecht, passives Wahlrecht und aktives Wahlrecht "das elementare demokratische Grundrecht per excellence" (Rothländer aaO S. 105). Dieses zu beeinträchtigen, könnte schwerer ins Gewicht fallen als die - ohnehin geringe - Gefahr der Interessenkollision bei Zulassung der Verbindung von Wählbarkeit und Wahlehrenamt. Auch könnte die Erwägung von Bedeutung sein, daß es bei einem so begrenzten Kreis von Wahlberechtigten wie den Kassenzahnärzten, von denen sich erfahrungsgemäß immer nur ein kleiner Teil für die ehrenamtlichen Aufgaben der kassenärztlichen Selbstverwaltung zur Verfügung stellt, unter Umständen schwerfallen würde, neben einer genügenden Anzahl von Wahlbewerbern für die VV erfahrene, sachkundige Mitglieder für die Besetzung der Wahlausschüsse in ausreichender Zahl zu finden, wenn man nicht die Verbindung dieser Funktionen zuließe. Wie dem aber auch sei, so folgt jedenfalls aus dem Grundrechtscharakter des allgemeinen Wahlrechts, daß. Ausnahmen mit einer jeden Zweifel ausschließenden Bestimmtheit statuiert sein müssen. Da ein allgemeiner Rechtssatz über die Vereinbarkeit der Funktionen von Wahlbewerbern und Wahlbeamten nicht besteht - der im übrigen auch wegen der eine differenzierende Antwort erheischenden Unterschiedlichkeit der Sachverhalte kaum aufgestellt werden könnte -, ist die Wählbarkeit der Mitglieder von Wahlausschüssen nur dann ausgeschlossen, wenn die WO es bestimmt (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt BVerwG 13, 296, womit die vom LSG zur Stütze seiner Ansicht herangezogene Entscheidung des OVG Lüneburg vom 19. Oktober 1960 (DVBl 1960, 905 = Zeitschr. f. Beamtenrecht 1960, 359) aufgehoben wurde; die Entscheidung des BAG vom 3.10.1958 - AP § 18 BetrVG Nr. 3 Bl. 779 - betrifft einen anderen Sachverhalt). Da die WO eine solche Bestimmung nicht enthält, durften die Mitglieder der Wahlausschüsse als Wahlbewerber in den Wahlvorschlägen aufgeführt und gewählt werden.

b) Ebensowenig wird entgegen der Annahme des LSG die Gültigkeit der Wahlen dadurch beeinträchtigt, daß die Wahlausschüsse nur mit Vertretern der Listen Nr. 2 besetzt waren. Zu Unrecht beruft sich das LSG in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der "Chancengleichheit", wie er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Ausdruck gekommen ist, wonach der Grundsatz der gleichen Wahl als Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes "als selbstverständlicher ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in allen Bereichen für alle Personengemeinschaften gilt" (BVerfG 6, 84, 89 ff). Hiermit ist nur gesagt, daß jede Stimme auf das Wahlergebnis rechtlich denselben Einfluß ausübt; der "Erfolgswert der Stimmen darf grundsätzlich nicht unterschiedlich gestaltet sein (BVerfG aaO S. 91). Dieser Gesichtspunkt wird aber bei der Frage, ob in den Wahlaufsichtsorganen die verschiedenen Wählergruppen zu berücksichtigen sind, überhaupt nicht berührt. Diese Fragestellung ergibt sich vielmehr aus der Erwägung, daß sich eine angemessene Berücksichtigung der rivalisierenden Wählergruppen in den Wahlaufsichtsorganen als ein gutes Mittel empfiehlt, Mißtrauen gegen eine unparteiliche Durchführung der Wahl zu verhüten. Die Kraft eines allgemeinen Rechtssatzes oder gar Verfassungsrang hat dieser Zweckmäßigkeitsgedanke aber nicht. Zur Norm wird er erst kraft positiver Regelung des Gesetzgebers, wie sie sich - wenn auch in sehr abgeschwächter Form - in § 3 Abs. 2 Satz 2 der schon erwähnten WO für die Sozialversicherung findet, wonach bei der Berufung der Beisitzer des Wahlausschusses die einzelnen Wählergruppen (§ 2 Abs. 1 des Selbstverwaltungsgesetzes) nach Möglichkeit zu berücksichtigen sind. Da die WO keine entsprechende Regelung enthält, brauchten die VV bei der Wahl des Landeswahlausschusses (§ 4 Abs. 1 WO), der Landeswahlausschuß bei der Berufung der Kreiswahlleiter und ihrer Stellvertreter (§ 4 Abs. 3 Satz 1 WO) und die Kreiswahlleiter bei der Berufung der Beisitzer der Kreiswahlausschüsse und ihrer Stellvertreter (§ 4 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 WO) aus Rechtsgründen nicht darauf Bedacht zu nehmen, daß die rivalisierenden Wählergruppen in den Wahlausschüssen angemessen vertreten sind, so zweckmäßig möglicherweise ein solches Vorgehen zur Entspannung der im vorliegenden Fall sehr zugespitzten Wahlsituation auch gewesen wäre. Bei dieser Rechtslage kann unerörtert bleiben, ob die VV - wie die Revision behauptet - angesichts des Verhaltens der in den Wahlausschüssen nicht berücksichtigten Wählergruppe - die in der VV nur durch ein bis zwei Beobachter vertreten gewesen sein und demgemäß auf eine entsprechende Einflußnahme bei der Bildung des Landeswahlausschusses verzichtet haben soll -, zu einer angemessenen Berücksichtigung von Vertretern dieser Gruppe überhaupt in der Lage gewesen wäre.

Die beiden Gründe, aus denen das LSG auf die Ungültigkeit der Wahlen geschlossen hat, vermögen somit seine Rechtsauffassung nicht zu stützen.

c)Auch der außerdem von den Klägern für die Ungültigkeit der Wahlen angeführte Umstand, daß der Landeswahlausschuß gestattet habe, Wahlbriefe bereits vor Beginn der Wahlfrist vom 2. bis 7. November 1960 an den Kreiswahlleiter zu übersenden, und daß solche vorzeitig eingesandten Wahlbriefe bei Feststellung des Wahlergebnisses mitberücksichtigt worden seien, vermag die angefochtene Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Nach § 5 Satz 1 WO setzt der Landeswahlausschuß "eine Frist fest, innerhalb derer die Wahl vorzunehmen ist". Die Festlegung des Beginns der Wahlfrist ist wiederum von Bedeutung für die Bekanntgabe der Wahlvorschläge (§ 10 Abs. 3 Satz 2 WO: ... "bis spätestens zum 28. Tag vor Beginn der Wahlfrist") und für die Übersendung der Wahlunterlagen an die Wahlberechtigten (§ 14 WO: ... "spätestens bis zum siebenten Tage vor Beginn der Wahlfrist"). Auf diese Weise wird sichergestellt, daß den Wahlberechtigten eine angemessene Frist zur Überlegung bleibt, welchem Wahlvorschlag sie ihre Stimme geben wollen. Darüber hinaus kann aber der Festlegung des Beginns der Wahlfrist nicht auch die Bedeutung beigemessen werden, daß sie die "Vornahme der Wahl" vor ihrem Beginn unzulässig macht. Ein solcher - nach der Fassung des § 5 Satz 1 WO zunächst naheliegender - Schluß verbietet sich, wenn man diese Bestimmung im Zusammenhang mit den sonstigen die Briefwahl regelnden Bestimmungen der WO sieht. Schon die Regelung in § 6 Buchst. c WO, wonach jeder Wähler u. a. über den "Zeitpunkt der Wahl" zu unterrichten ist, legt die Vermutung nahe, daß als letztlich maßgebender "Zeitpunkt" der Briefwahl das Ende der Wahlfrist gemeint ist. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß die WO nur eine Kontrolle der bis zum Ablauf der Wahlfrist eingegangenen Wahlbriefe vorsieht (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WO: "Sofort nach Ablauf der Wahlfrist stellt der Kreiswahlausschuß die Zahl der eingegangenen Umschläge fest"), daß aber eine entsprechende Kontrollmaßnahme zur Verhütung der Berücksichtigung vor Beginn der Wahlfrist eingegangener Wahlbriefe nicht vorgesehen ist. Vor allem aber muß ins Gewicht fallen, daß die erschöpfende Aufzählung der Gründe der Ungültigkeit von Stimmzetteln (§ 17 WO) nicht den Grund der vorzeitigen Einsendung des Stimmzettels enthält, während die WO die Nichtberücksichtigung der nach Ablauf der Wahlfrist eingegangenen Wahlbriefe - und damit die Ungültigkeit der in ihnen enthaltenen Stimmzettel - mit der schon genannten Bestimmung in § 16 WO regelt. Aus alledem kann nur der Schluß gezogen werden, daß die WO die Einsendung der Wahlbriefe vor Beginn der Wahlfrist zuläßt.

Diese Regelung verträgt sich auch durchaus mit dem Sinn der Briefwahl. Erfahrungsgemäß besteht bei dieser Wahlform die Gefahr, daß sie nicht rechtzeitig vorgenommen wird. Es ist deshalb nur sachgemäß, wenn die möglichst frühzeitige Absendung des Wahlbriefs gestattet wird, wie dies § 34 Abs. 2 Satz 2 der schon erwähnten WO für die Sozialversicherung zum Ausdruck bringt ("Der Wähler soll den Wahlbrief möglichst frühzeitig absenden; er muß ihn spätestens am Wahlsonntag absenden"). Demgegenüber kann die von den Klägern vorgebrachte Befürchtung, daß sich Wähler durch Absendung der Wahlbriefe vor Beginn der Wahlfrist der Möglichkeit beraubten, sich noch Argumenten der gegnerischen Wahlpropaganda zugänglich zu erweisen, nicht ernstlich ins Feld geführt werden. Die Vorverlegung der Stimmabgabe ist wahltechnisch nur begrenzt möglich; erst muß der Wahlberechtigte im Besitz der Wahlunterlagen sein (vgl. § 14 WO). Die Einbuße an propagandistischen Beeinflussungsmöglichkeiten beträgt somit allenfalls wenige Tage, was gegenüber dem gesamten für eine Wahlpropaganda zur Verfügung stehenden Zeitraum - auch wenn man ihn erst mit der förmlichen Bekanntgabe der Wahl durch den Landeswahlausschuß (Schreiben vom 6. August 1960) beginnen läßt - verschwindend gering ist. Abgesehen davon lag es ohnehin im Belieben jedes Wahlberechtigten, der sich nach Empfang der Wahlunterlagen über seine Stimmabgabe noch unschlüssig war, die Absendung des Wahlbriefes bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinauszuschieben.

d) Schließlich wird die Gültigkeit der im Wahlkreis Münster durchgeführten Wahl nicht dadurch beeinträchtigt, daß Wahlberechtigten, die der öffentlichen Sitzung des Kreiswahlausschusses am 7. November 1960 zur Feststellung des Wahlergebnisses beiwohnten und nachprüfen wollten, ob ihr Name im Wählerverzeichnis abgehakt sei, der Einblick in das Verzeichnis verwehrt worden ist. Die Öffentlichkeit der Sitzung des Kreiswahlausschusses soll nur sicherstellen, daß interessierte Wahlberechtigte Zutritt zu der Sitzung haben und den Ablauf der Feststellung des Wahlergebnisses verfolgen können. Sie sind - ähnlich wie bei öffentlichen Gerichtssitzungen - auf die Rolle von bloßen Zuhörern und Zuschauern beschränkt. Das Recht der Kontrolle der ordnungsgemäßen Feststellung des Wahlergebnisses steht ausschließlich den Mitgliedern des Landeswahlausschusses zu.

Demnach ist die Anfechtung der in der Zeit vom 2. bis 7. November 1960 durchgeführten Wahlen nicht begründet. Auf die Revision der beklagten KZVWL ist das angefochtene Urteil deshalb dahin zu ändern, daß die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG in vollem Umfange zurückgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 278

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